Einstieg in den praktischen Teil des Römerbriefs
Ab Kapitel zwölf beginnt der praktische, seelsorgerliche Teil des Römerbriefs. Dieser Abschnitt startet mit wesentlichen Aussagen in den Versen eins und zwei von Römer 12: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Opfer, was euer vernünftiger Gottesdienst ist. Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, damit ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene.“
Paulus beginnt diesen Teil, in dem er die Christen in Rom anspricht, mit einer Erinnerung an das, was Gott getan hat. Er ermahnt sie – oder besser gesagt, ermuntert sie – durch die Erbarmungen Gottes. Über diese Erbarmungen hat er bereits acht Kapitel lang gesprochen, von Römer 1 bis 8. Dort hat er dargelegt, wie sich Gott über diese verlorene Welt erbarmt hat, wie er sie errettet hat und wie er das getan hat, was zumindest die Menschen errettet, die sich für das Evangelium öffnen und es annehmen.
Nun fordert Paulus die Christen in Rom auf, auf das zu antworten, was Gott getan hat. Das gesamte Christenleben soll eine dankbare Antwort auf die erfahrene Gnade Gottes sein. „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes.“ Was sollen die Christen als Dank, als Antwort auf Gottes Tun tun? Sie sollen ihre Leiber als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Opfer darbringen.
Der hier verwendete Begriff meint ein Ganzopfer, ein Brandopfer. Unser Leben soll auf dem Dank- und Brandopferaltar Gottes liegen – nicht wie ein totes Tier, das im Alten Testament geschlachtet und verbrannt wurde, sondern als ein lebendiges Opfer. Damals gab es tote Opfer, heute gibt es ein lebendiges, heiliges Opfer. Heilig bedeutet hier: ganz für Gott abgesondert. Es ist ein wohlgefälliges Opfer.
Das ist der Gottesdienst der Christen. Was wir hier in diesen anderthalb Stunden erleben, nennt die Bibel Zusammenkunft oder Versammlung. Gottesdienst ist, wenn Christen ihr Leben aus Liebe und Dankbarkeit dem Herrn weihen. Ob alle von uns das schon verstanden haben und auch so praktizieren?
Bedeutung der Hingabe und sprachliche Besonderheiten
Und dann möchte ich euch auf etwas aufmerksam machen. Vielleicht fragt ihr euch manchmal, warum Theologen und Bibelschüler eigentlich Griechisch lernen müssen. Nun, das hat seinen Sinn, denn in der griechischen Sprache kann man hier etwas Wichtiges erkennen.
Das Wort „Leiber darstellen als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Opfer“ steht in einer Zeitform im Griechischen, die einen einmaligen Akt ausdrückt. Der Aorist im Griechischen – für die Griechen unter uns – bezeichnet einen einmaligen Akt. Das bedeutet: Eigentlich ist dieser Akt in der Bekehrung gemeint, in einer wirklichen biblischen Bekehrung, bei der eine echte Buße stattgefunden hat. Es gibt einen Bruch mit dem alten Leben, eine Auslieferung an den Herrn. Dabei wird das ganze Leben dem Herrn gegeben und geweiht.
Aber manchmal geschieht das erst später. Manchmal bekehren sich Menschen und wollen zunächst nur Vergebung ihrer Sünden. Sie möchten erst einmal nur in den Himmel kommen und nicht mehr verloren gehen. Doch sie denken noch gar nicht daran, ihr ganzes Leben dem Herrn anzuvertrauen.
Manchmal kommt dieser Akt der Ganzhingabe an den Herrn erst später. Das kann passieren, weil ein Zerbruch stattgefunden hat, weil Niederlagen erlebt wurden, weil etwas schiefgegangen ist im Leben oder weil man in besonderer Weise durch den Herrn angesprochen wurde – manchmal durch eine Predigt, eine Bibelarbeit oder eine Jugendstunde. Dann kommt diese Ganzhingabe an den Herrn zum Tragen.
Also: Einmalig ist dieser Akt, sein Leben dem Herrn zur Verfügung zu stellen. Doch im griechischen Text folgen in Kapitel 12 und den folgenden sechsunddreißig Verben, die alle im Präsens stehen. Das heißt, dieser einmalige Akt der Hingabe führt zu einem ständigen Sich-dem-Herrn-zur-Verfügung-Stellen, sich dem Herrn geben, dem Herrn dienen und dem Herrn etwas bringen im Leben.
Das bedeutet, unser ganzes Leben bis an unser Lebensende soll davon geprägt sein. Das wollte ich so einleitend sagen – etwas sehr Fundamentales.
Hier haben wir zuerst den einmaligen Akt, sich Gott als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Opfer zur Verfügung zu stellen. Danach vollzieht sich das in vielen, vielen Dingen, die wir tun: indem wir sein Angesicht suchen, beten, indem wir etwas für andere tun und helfen, indem wir opfern oder spenden, indem wir Kranke besuchen oder anrufen.
All diese Dinge sind die Präsensform von diesem einmaligen Akt der Hingabe.
Aufforderung zur Veränderung und Abgrenzung von der Welt
Und dann schreibt Paulus noch etwas in Vers 2, auf das ich jetzt ausführlicher eingehen möchte. Er sagt: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, damit ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist, das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“
Was bedeutet das: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt“? Dürfen Christen keine Autos benutzen und keine Computer? Sollten sie stattdessen mit einem Pferdefuhrwerk fahren, wie die Amischen in Amerika oder die Horse and Buggy Mennonites in Kanada? Heißt das, wir sollen uns nicht der Welt gleichstellen? Müssen sich Christen anders kleiden, anders wohnen, anders essen, anders leben als Nichtchristen? Dürfen Christen weder Make-up noch Fernseher noch Gameboy benutzen? Oder was bedeutet es, „stellt euch nicht dieser Welt gleich“?
Das griechische Wort heißt „syschemastizistai“. Das lateinische Wort dazu ist „konformari“. Das kommt uns vielleicht schon ein bisschen bekannter vor, etwa wenn man sagt, mit jemandem konform gehen. Es bedeutet, in derselben Form leben, in demselben Schema. Und das Wort „Schema“ steckt auch im griechischen Wort „syschemastizistai“. Da steckt das Wort „Schema“ drin – ein Schema, eine Form.
Wir sollen uns nicht der Welt gleichstellen heißt also, uns nicht in das gleiche Schema pressen zu lassen, nicht nach dem gleichen Denk- und Lebensschema wie diese Welt zu leben, nicht nach dem Denk- und Werteschema dieser Welt.
Schaut: Wenn man mich früher gefragt hätte, was „Welt“ oder „weltlich leben“ bedeutet, dann hätte ich geantwortet: in die Disco gehen, ins Kino gehen, ins Fußballstadion gehen – das ist Welt. Das sollten Christen nicht tun, so hätte ich früher gesagt. Für mich war das Welt, so bin ich erzogen worden. Ich will auch nicht sagen, dass diese Sicht völlig falsch war, aber sie war einseitig.
Sie vermittelt nämlich den Unterton: Wenn ich an bestimmte Orte nicht gehe und bestimmte Dinge nicht tue, dann bin ich auch nicht weltlich. Versteht ihr? Wenn ich bestimmte Dinge nicht tue, an bestimmte Orte nicht gehe, dann bin ich nicht weltlich. Aber so einfach ist es nicht.
Die Welt ist nicht nur um mich herum, die Welt ist auch in mir drin. Ich kann zum Beispiel ganz allein in meinem Zimmer sitzen und trotzdem völlig in der Welt sein. In meinen Gedanken, in meiner Gesinnung, in meiner ganzen Lebenshaltung und Weltanschauung bin ich völlig in der Welt, auch wenn ich zuhause in meinem Wohnzimmer sitze und gar nichts Verbotenes tue.
Ich verstehe die Worte des Paulus so: Ihr Christen lebt nicht nach dem Denk- und Werteschema dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes – des Denksinnes, des Denkens.
Und damit dieser Prozess geschehen kann, müssen wir zuerst einmal verstehen, was die Bibel unter „Welt“ versteht.
Unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs „Welt“
Das Wort „Welt“ hat in der Schrift mehrere Bedeutungskreise. Am bekanntesten ist uns vielleicht die Bedeutung aus Johannes 3,16: „So sehr hat Gott die Welt geliebt.“
„Die Welt geliebt“ heißt hier offensichtlich, dass Gott alle Menschen geliebt hat, die gesamte Menschheit. Die Welt hat Gott geliebt, indem er seinen Sohn hier auf dieser Erde gegeben hat. Bodelschwing hat das vollkommen richtig erkannt, wenn er sagt: „Es geht kein Mensch über diese Erde, den Gott nicht liebt.“
Ich hatte als Jugendlicher lange Zeit ein Poster in meinem Zimmer hängen, über meinem Bett. Darauf stand: „Es geht kein Mensch über die Erde, den Gott nicht liebt.“ Jawohl, Gott liebt diese Welt.
Doch dann, in einem zweiten Bedeutungskreis des Wortes, merken wir, dass „Welt“ auch etwas anderes heißen kann. Derselbe Johannes, der Johannes 3,16 geschrieben hat, schreibt auch in seinem ersten Brief, 1. Johannes 2: „Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm.“
Hier meint „Welt“ etwas ganz anderes. Es sind nicht die Menschen in dieser Welt gemeint, die wir selbstverständlich lieben sollen. Vielmehr meint „Welt“ das Wesen dieser gefallenen Welt, die Denk- und Lebensweise dieser von Gott losgelösten Welt. Es ist die Art, wie Menschen ohne Gott nach ihrem Gutdünken ihr Leben gestalten. Das ist die „Welt“.
Leben im rein vordergründigen, diesseitigen, vergänglichen, immanenten Sinn – ich kann es mal praktischer sagen, nicht so philosophisch: Menschen, die nach den sogenannten fünf großen F leben. Kennt ihr die fünf großen F? Feierabend, Fernsehen, Fußball, Flaschenbier, Filzpantoffeln. Fünf große F.
Nochmal: Feierabend, Fernsehen, Fußball, Flaschenbier, Filzpantoffeln – das heißt Leben im Denksinn dieser Welt, oder nicht? Leben nach dem Motto: „Kommt, lass uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Lass uns so wenig wie möglich arbeiten, so viel wie möglich Freizeit haben, so früh wie möglich in Rente gehen, damit wir aus den paar Jahren noch rausholen können, was nur geht.
Aber auch ein edler Humanist, der sich ganz an der Verbesserung der gesellschaftlichen Missstände aufhält und sich dem verschrieben hat, lebt weltlich, wenn er es ohne Christus tut. Ebenso der Wissenschaftler, der nach Medikamenten zur Krebs- oder Aidsbekämpfung forscht: Wenn er es ohne Christus tut, lebt er weltlich. Versteht ihr? Auch wenn er gute Dinge tut.
Weltlich sein umfasst alles, unser gesamtes Leben. Auch an sich gute Dinge oder Verhaltensweisen sind weltlich, wenn unser Leben nicht unter der Herrschaft Jesu Christi steht. Dann ist alles, was wir tun, weltlich – auch wenn es vielleicht einen guten Nutzen hat. Im Bild gesprochen steht dann ein Minus vor der Gleichung, und alles in der Gleichung wird negativ.
Und die Bibel sagt mit aller Deutlichkeit: „Die Welt vergeht und ihre Lust, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.“
Aufruf zur Abkehr von der Welt und persönliche Erfahrung
Ihr Lieben, darum muss man sich erst einmal von ganzem Herzen aus der Welt heraus bekehren. So haben das unsere Väter genannt: Man muss sich aus dieser Welt heraus bekehren.
Es gab eine Zeit in meinem Leben, da lebte ich hundertprozentig nach dem Denk- und Werteschema dieser Welt. Ich ging konform, ich war voll in dem Schema meiner Zeitgenossen und Altersgenossen. Ja, mehr noch: Ich war ein Teil dieser verlorenen Welt, die dem Gericht Gottes entgegenging.
Dann gingen mir die Augen auf. Ich erkannte, wie arm mein Leben in Wirklichkeit war und wie reich und erfüllt es werden könnte, wenn ich es unter die Herrschaft Christi stellen würde. Ich traf diese Entscheidung aus freiem Herzensentschluss. Ich bekehrte mich aus der Welt heraus zu Gott.
Ich nahm die Vergebung der Sünden im Glauben an und lebte fortan mit und für Christus. Ich wurde Christ, ich wurde ein Jünger meines Herrn. Vorher war ich von der Welt, von dieser Welt, das heißt ein wesensmäßiger Teil dieser Welt. Jetzt lebe ich zwar noch in dieser Welt, bin aber nicht mehr von dieser Welt, wie der Herr Jesus im Johannesevangelium lehrt.
Jetzt sind wir an einer ganz entscheidenden Stelle. Seid ihr alle noch mit mir? Professor Wildersmith, immer wenn er merkte, es wird ein bisschen schwierig bei seinen Vorlesungen, dann schaute er so über die Brille und sagte: „Sind Sie mit mir?“ Also, seid ihr noch dabei oder habt ihr schon lange irgendwo abgehängt? Seid ihr noch alle mit mir?
Unter uns sind vielleicht noch einige von dieser Welt. Einige haben sich vielleicht noch nie willentlich aus dieser Welt zu Christus gewandt. Liebe Freunde, für euch hat die Bibel heute Morgen keinen Trost, sondern nur die Aufforderung: Bekehrt euch heraus aus dieser vergehenden Welt zu Christus hin! Brecht mit dem Leben in Selbstregie, in Eigengerechtigkeit, und macht Gott und seinen Willen zum Zentrum eures Lebens – und zwar so bald wie möglich, am besten heute.
Herausforderung für Christen im Alltag und die Gefahr der Weltlichkeit
Das ist die Botschaft für die Menschen, die noch in dieser Welt leben und ganz von dieser Welt sind.
Aber dann gibt es hier im Raum bestimmt eine zweite Gruppe, wahrscheinlich die Gruppe, zu der die meisten von uns gehören. Diese Menschen haben sich schon bekehrt, sie sind nicht mehr von dieser Welt, sondern leben im Reich Gottes, sie sind Christen geworden.
Nur, ihr Lieben, Brüder und Schwestern: Haben wir deswegen unsere ganze Weltlichkeit schon hinter uns gelassen? Haben wir sie schon im Augenblick der Bekehrung völlig ablegen können?
Es geht vielleicht manchem von uns wie Loths Frau. Sie musste förmlich aus dem untergehenden Sodom hinausgezerrt werden, und dann war sie draußen. Aber Sodom war nicht aus ihrem Herzen draußen, und darum schaute sie zurück und wurde zur Salzsäule. Sie war aus Sodom draußen, aber Sodom war nicht aus ihr draußen. Darum blieb sie auf der Strecke.
Oder es geht uns so wie manchen Israeliten. Sie waren raus aus Ägypten, standen schon auf der anderen Seite des Roten Meeres, sie waren keine Sklaven mehr vom Pharao, sie waren frei. Und doch, wenn wir die Mose-Bücher aufmerksam lesen, werden wir feststellen: Sie waren zwar aus Ägypten heraus, aber Ägypten war nicht aus ihrem Herzen heraus.
Sie waren ein paar Kilometer in der Wüste gezogen, da verlangten sie zum Beispiel schon wieder nach den Fleischtöpfen Ägyptens. Da zogen sie zurück nach Dingen, die zu Ägypten gehörten. Es kamen ein paar Schwierigkeiten, und schon wollten sie zurück.
Ihr Lieben, das sollte uns zu denken geben. Errettung wird überall in der Bibel als Flucht vor einer gerichtsreifen Welt beschrieben. Diese Welt, in der wir leben, ist böse. Diese Welt wird vom Teufel regiert, und diese Welt wird untergehen.
Darum müssen wir aus ihr entfliehen. Errettung bedeutet deshalb, aus dieser verderbten Welt zu entfliehen. Johannes schreibt, dass wir diese Welt nicht lieben sollen. Die Menschen in dieser Welt sollen wir lieben, aber das System dieser Welt sollen wir nicht lieben.
Denn die Welt besteht aus Lust des Fleisches, Lust der Augen und aus Hochmut des Lebens. In dieser Welt herrscht die Gesinnung des Fleisches, wie Paulus es in Römer 8 nennt. Mit einem Wort ausgedrückt: In dieser Welt ist Weltlichkeit.
Wenn Menschen so denken, wie man in dieser Welt eben gerade denkt, wenn Menschen so leben, wie man eben gerade lebt, wenn Menschen nach allen Dingen streben, die gerade in sind, dann ist das Weltlichkeit.
Geht es uns nicht oft ähnlich wie dem Volk Israel damals? Viele von uns sind aus der Welt draußen. Aber die Welt ist noch nicht vollständig aus unseren Herzen draußen. Seien wir ehrlich: In jedem von uns, die wir hier sind, auch in mir, ist noch ein Stück Weltlichkeit.
Wir sind nicht gefeit davor. Nur fürchte ich, dass wir es in manchen Dingen vielleicht gar nicht merken, wie weltlich wir noch denken und leben. Manchmal wird es deutlich in unserer Kindererziehung, dass wir vielleicht doch mehr von der antiautoritären Verwöhnpädagogik aufgenommen haben, die in dieser Welt gang und gäbe ist, als wir es zugeben wollen.
Oder im Bereich alles, was mit Psychologie zu tun hat: Dass wir doch sehr schnell zu Psychotherapeuten rennen oder die Seelsorge innerhalb der Gemeinde mit psychologischem Gedankengut vermischen. Das kann ganz schnell passieren.
Oder heute im Bereich der Evangelisation: Wenn Talkshows, Theater und Tingeltangel eingeführt werden und man damit Menschen gewinnen will, dann haben wir uns ohne es zu merken weltlichen Gedanken geöffnet. Wir gebrauchen sie vielleicht mit guten Motiven, aber dennoch sind es schlechte Dinge.
Oder im Bereich der Gemeindeleitung: Wenn Gemeindeleitung verstanden wird wie in einem weltlichen Betrieb, wo alles gemanagt wird, dann sind auch wir in der Gemeindeleitung in Gefahr, weltliches Denken hineinzunehmen.
Oder wenn alles nur noch nach Kosten-Nutzen-Rechnung läuft. Oder das leidige Thema: Wenn wir vielleicht doch immer wieder liebäugeln, Dinge schwarz zu machen oder schwarz machen zu lassen – an unserem Auto, in unserem Haus –, dann sind wir weltlich an diesem Punkt, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht.
Warnung am Beispiel Simsons und der Weg zur Erneuerung
Simson war ein Gottgeweihter, doch er musste in Absonderung leben. Andernfalls hätte er seine Vollmacht verloren. Die Geschichte Simsons ist uns bekannt. Im letzten Sommer haben wir hierüber auch in zwei Predigten nachgedacht.
Leider gab er seine Absonderung auf und stellte sich der Welt gleich. Das Ergebnis war, dass er seine Berufung und seine Vollmacht verlor.
Was kann uns davor bewahren, denselben Weg wie Simson zu gehen? Wie können wir die Weltlichkeit in unseren Herzen bekämpfen? Paulus schreibt: Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes. Werdet verwandelt!
Im Griechischen steht hier ein Ausdruck, den wir als Metamorphose kennen. Das Wort Metamorphose bedeutet eine Gestaltsumwandlung. Es beschreibt den Vorgang, der bei einem Schmetterling passiert. Zuerst ist er eine hässliche Raupe, dann verwandelt er sich in einen wunderschönen, farbigen Schmetterling. Diese Verwandlung nennt man Metamorphose.
Als der Herr Jesus auf dem Berg vor seinen Jüngern verklärt wurde, geschah ebenfalls eine Metamorphose. Auch hier steht im Griechischen dieses Wort. Es bedeutet, dass er einen Gestaltswandel durchmachte. Plötzlich leuchtete sein Angesicht wie die Sonne.
Paulus verwendet das Wort Metamorphose außer in Römer 12,2 nur noch einmal, und zwar in 2. Korinther 3,18. Wollt ihr das mal aufschlagen? 2. Korinther 3,18.
Die Verwandlung durch den Geist und Gemeinschaft mit Christus
Paulus gebraucht dieses Wort noch einmal, und ich glaube, das gibt uns einen Hinweis darauf, wie wir in unserem Denken verwandelt werden können.
In 2. Korinther 3,17 lesen wir: „Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ Ein sehr schönes Wort. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Dort können sich Christen ganz frei begegnen, ohne Masken und ohne Schauspielerei. Da herrscht Freiheit.
Weiter heißt es in Vers 18: „Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht.“ Hier wird das Wirken des Heiligen Geistes an einem Christenmenschen beschrieben. Wir lesen, dass diese Verwandlung geschieht, indem wir mit offenem Angesicht den Herrn anschauen, den Herrn Jesus.
Indem wir ihn anschauen, werden wir verwandelt in dasselbe Bild – von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Das ist also der Weg: Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus zu haben, genauso wie Mose damals Gemeinschaft mit Gott auf dem Berg Sinai hatte. Ihr wisst, was dort geschah: Sein Angesicht wurde glänzend. Man sah, dass er in der Gegenwart Gottes gewesen war. Sein Angesicht strahlte von diesem Glanz.
Dasselbe darf geschehen, wenn wir in inniger, enger Gemeinschaft mit dem Herrn sind. Dann werden wir verwandelt.
Es gibt eine einfache Regel, und die lautet: Was wir anschauen, gewinnt Macht über uns. Das ist so. Was wir anschauen, prägt uns und gewinnt Macht über uns.
Wisst ihr, was passiert, wenn man mit dem Fahrrad auf einem ganz schmalen Pfad fährt und plötzlich einen Stein auf dem Weg sieht? Wenn man dann auf diesen Stein starrt, passiert genau das, was nicht passieren soll: Man fährt genau darauf zu und macht einen Satz über den Lenker, weil man sich auf den Stein fixiert hat. So gewinnt er Macht über einen.
Und so ist es auch mit anderen negativen Dingen: Wenn ein Kaninchen auf eine Schlange starrt, gerät es in Panikstarre und kann nicht wegrennen. Die Schlange hat leichtes Spiel.
Aber das gilt auch im Positiven: Das, was wir anschauen, gewinnt Macht über uns.
Und es gibt keinen anderen Weg, in das Bild Jesu Christi verwandelt zu werden, als auf ihn zu schauen und Gemeinschaft mit ihm zu haben – ganz persönlich, unter vier Augen mit ihm, beim Brotbrechen in der Gemeinde, wenn wir als ganze Gemeinde auf ihn schauen oder wenn eine ganze Gemeinde ihn anbetet und auf ihn schaut.
Doch vor allem geschieht es im Wesentlichen, wenn wir allein mit dem Herrn sind.
Lassen Sie mich das zum Schluss noch ausführen: Gottes Mittel, um Menschen aus dem Griff dieser Welt zu entreißen, ist, uns die Herrlichkeit des Gekreuzigten vor Augen zu stellen.
Schaut: Auf der einen Seite steht der Fürst dieser Welt und lockt uns mit einem weltlichen Leben. Er lockt uns mit allen möglichen faszinierenden Dingen und zieht uns dahin.
Aber auf der anderen Seite steht ein Kreuz – ein Galgen, ein Tötungsinstrument. Dort ist einer angenagelt, der die Dornenkrone trägt. Seine Lippen sind aufgeplatzt, Speichel läuft ihm ins Bart, seine Wunden bluten.
Welche Attraktion hat dieser Mensch? Menschlich gesehen keine.
Aber ich frage heute: Was hat dich mehr angezogen? Was hat dich mehr bereit gemacht, nach dem Willen Gottes zu leben, als dieser, der für dich an ein Kreuz geschlagen wurde und auferstanden ist?
War deine Antwort, dass du ihm aus Dankbarkeit das Ganzopfer gegeben hast, dein Leben auf den Altar gelegt hast und gesagt hast: Herr, mein Leben soll ein Dank für Golgatha sein, ein nie endender Dank für das, was du für mich getan hast?
Schau, das ist Gottes Mittel, uns aus der Welt und aus dieser Weltlichkeit herauszureißen.
Geistliches Wachstum und die Suche nach Gottes Willen
Bevor wir zum Schluss kommen, möchte ich noch eine dritte Gruppe unter uns ansprechen. Das sind diejenigen, die ihr Leben wirklich als Opfer auf Gottes Altar hingelegt haben. Es sind nicht nur Menschen, die oberflächlich von Christus berührt sind, sondern solche, die in Wahrheit von ihm ergriffen wurden und sagen können: Christus ist mein Leben geworden.
Für jetzt möchte ich noch auf den zweiten Halbsatz hinweisen: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist, das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ (Römer 12,2)
Ihr Lieben, hier lernen wir, was geistliches Wachstum bedeutet. Zunächst einmal heißt es, grundsätzlich dem Herrn hingegeben zu sein. Dann kommt das immer wiederkehrende Fragen: Was ist sein Wille? Wie kann ich seinen Willen besser erkennen?
Bei uns Christen geht es hoffentlich nicht immer nur um den Horizont „Ist das Sünde oder ist das keine Sünde?“. Hoffentlich geht es nicht immer nur darum. Paulus führt hier weiter aus. Er gliedert den Bereich der Nichtsünde noch einmal in drei Teile: das Gute, das Wohlgefällige und das Vollkommene. Hier ist eine Steigerung zu erkennen.
Für uns, die wir Christus gehören und ihm unser Leben gegeben haben, ist es immer wieder die Frage: Wenn ich etwas tue, ist das jetzt das Gute, das Wohlgefällige oder das Vollkommene?
Ich möchte das an einem praktischen Beispiel verdeutlichen. Angenommen, ich habe einen freien Abend zur Verfügung. Diesen Abend kann ich auf hundert verschiedene Weisen verbringen. Das ist klar. Ich kann viele Dinge tun, und keines von ihnen wäre Sünde.
Aber ich kann auch sagen: Herr, was willst du, dass ich heute Abend tue? Was ist das Gute, das Wohlgefällige, das Vollkommene?
Vielleicht zeigt er mir, dass Ausruhen das Gute wäre. Vielleicht zeigt er mir, dass es wohlgefällig wäre, jemanden anzurufen und ein Gespräch mit ihm zu führen. Und vielleicht zeigt er mir, dass ein Besuch bei jemandem das Vollkommene wäre.
Es kann aber auch genau umgekehrt sein: Besuch machen ist das Gute, anrufen das Wohlgefällige und ausruhen das Vollkommene. Das kann ebenfalls sein.
Versteht ihr, wie ich meine? Wie erkenne ich, was gerade dran ist? Wie erkenne ich das in der Lebensgemeinschaft mit ihm?
Ich kann nicht immer die Bibel aufschlagen und fragen: Was ist heute Abend dran? Was soll ich heute Nachmittag machen? Was soll ich nächsten Mittwoch tun? Diese Antworten finde ich nicht immer direkt in der Bibel.
Vielmehr geschieht das durch die Leitung des Geistes in enger Gemeinschaft mit ihm. Ich spreche mit ihm darüber, und er zeigt es mir auf hundert verschiedene Arten und Weisen.
Dieser Prozess vollzieht sich ständig in unserem Leben. Als Christen müssen wir immer wieder prüfen: Was ist jetzt hier das Gute? Was ist das Wohlgefällige? Was ist das Vollkommene?
Das ist ein dynamischer Prozess, in dem wir stehen, wenn wir in der Lebensverbindung mit unserem Herrn leben. Dabei geht es nicht nach Schema F, sondern nach der Führung seines Geistes.
Wie sollen wir als Christen in dieser Welt leben? Unser Leben soll ein Dankopfer, ein Ganzopfer, ein Brandopfer sein – ein wirklich brennendes Opfer, das unser Leben lang am Brennen gehalten wird. Indem wir ihm unser Leben geben und unser Bestes geben.
Abschluss mit einer motivierenden Geschichte
So, nun schließe ich aber wirklich mit einer letzten Geschichte. Tucholsky hat ja gesagt: Ein guter Redner soll seine Rede wenigstens dreimal schließen. Aber das ist jetzt wirklich das dritte Mal, und ich will kein guter Redner sein, sondern nur Tucholsky folgen.
Ein Kommandant, der Kommandant der amerikanischen Atom-U-Boot-Flotte, sichtete nach dem Zweiten Weltkrieg junge Offiziere. Vor ihm saß ein junger Leutnant, der die besten Zeugnisse der Militärakademie mitgebracht hatte. Nachdem der Admiral den jungen Leutnant eine Stunde lang über alles Mögliche ausgefragt und sämtliche Wissensgebiete abgeklopft hatte, stellte er ihm zum Schluss noch eine letzte Frage: „Junger Mann, haben Sie Ihr Bestes gegeben?“
Der Leutnant senkte beschämt den Kopf und sagte kleinlaut: „Nein, Sir.“
„Sie können gehen, abtreten“, war die Antwort des Admirals. Der junge Offizier knallte die Hacken zusammen und trat ab.
Als er schon an der Tür war, hörte er hinter sich die Stimme des Kommandanten: „Warum nicht? Warum haben Sie nicht Ihr Bestes gegeben?“ Und damit ließ er ihn gehen. Mit dieser Frage im Ohr verließ der junge Leutnant den Raum. Und sie ließ ihn nie mehr los.
Etwa fünfundzwanzig Jahre später wurde dieser Mann Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Sein Name war Jimmy Carter.
Merkt ihr, was diese Geschichte uns lehrt? Die Frage des Kommandanten hatte ihn nie mehr losgelassen und so stark motiviert, dass er wirklich bereit war, sein Bestes zu geben.
Liebe Brüder und Schwestern, ich glaube, dass wir vor dem Richterstuhl Christi auch einmal diese Frage hören werden: „Hast du dein Bestes gegeben?“ Wenn nein, warum nicht? Das wäre die vernünftige, die logische Antwort auf das, was er für uns getan hat.
Amen.