Herr, ich freue mich, immer wieder bei euch zu sein, und ich freue mich auch, jetzt wieder Apostelgeschichte machen zu dürfen. Am Mittwoch kam in meinem Hauskreis die Frage: „Wofür können wir für dich beten?“ Ich dachte: Betet mal für diese Predigt, irgendwie will sie nicht so richtig flutschen.
Dann haben sie gebetet, und am Freitag lief alles gut. Deshalb machen wir jetzt weiter mit Apostelgeschichte 19. Wir sind immer noch in Ephesus.
Alle Gäste, ihr seid jetzt mitten im Geschehen. Bleibt ein paar Minuten dabei, dann kennt ihr euch aus.
Die Situation in Ephesus und der Aufstand der Kunsthandwerker
In Ephesus, einer Hochburg des Okkultismus, werden viele Menschen gläubig. Diejenigen, die gläubig werden, vollziehen einen radikalen Bruch mit ihrer Vergangenheit – genau so, wie es sich für echte Christen gehört.
In dieser Zeit werden Zauberbücher verbrannt. Zudem gibt es heidnische Kunsthandwerker, die sich auf Nachbildungen des Artemistempels spezialisiert haben. Sie fertigen kleine Tempelchen aus Silber an. Diese Handwerker merken schnell: Je mehr Menschen gläubig werden, desto weniger kaufen sie diese kleinen Tempelchen. Das passt ihnen überhaupt nicht.
Einer der Betroffenen, Demetrius, zettelt daraufhin einen Aufstand an. Wie macht er das? Ganz wie jeder gute Demagoge hält er eine flammende Rede.
Wir steigen an dieser Stelle ein: Apostelgeschichte 19,8-28.
Als die Kunsthandwerker und ihre Angestellten das hörten, wurden sie voller Wut. Sie schrien: "Groß ist die Artemis der Epheser!" Die Stadt geriet in Verwirrung, und die Menge stürmte einmütig zum Theater. Dort rissen sie die Mazedonier Gaius und Aristarch, die Reisegefährten des Paulus, mit fort.
Man spürt den Tumult und die Wut in der Luft. Die Menge will sich austoben. Paulus aber wäre nicht Paulus, wenn er diesen riesigen Auflauf nicht als Chance sehen würde, das Evangelium zu predigen.
In Apostelgeschichte 19,30 heißt es: "Als Paulus unter das Volk gehen wollte, ließen die Jünger es nicht zu."
Es gibt also Christen in der Stadt, die Paulus nicht erlauben, sich dem Volk zu stellen und sich zu verantworten. Warum? Sie wissen, wie gefährlich es ist, sich jetzt als Christ zu outen – vor allem als der Anführer der Christen.
Die Rolle der Asiarchen und ihre Freundschaft zu Paulus
Und jetzt kommt der Vers, der mich so fasziniert. Ich möchte gerne diese Predigt halten, so wie letztes Mal, als ich auch einen Vers ins Zentrum gestellt habe. Der nächste Vers ist wieder so einer, den man leicht überlesen könnte. Aber mich springt er an, und ich möchte, dass dieser Vers heute auch euch ein Stückchen fasziniert.
Apostelgeschichte 19,31: "Und auch einige von den Asiarchen, die seine Freunde waren, sandten zu ihm und baten ihn, sich nicht nach dem Theater zu begeben."
Jetzt ist das ein Wort, das die wenigsten von euch je gehört haben: Asiarchen. Das ist nicht schlimm. Was ist ein Asiarch? Weiß man in letzter Konsequenz nicht genau. Wir wissen nur Folgendes: Es ist ein absolut herausgehobenes politisches Amt. Zu den Aufgaben gehörte es, die öffentlichen Spiele – also Spiele zu Ehren des Kaisers und Spiele zu Ehren der Götter – zu organisieren. Und lustigerweise mussten sie diese Spiele auch selbst bezahlen.
Das heißt, Asiarchen sind römische Bürger mit sehr viel Macht, sehr viel Einfluss und Reichtum. Sie bewegen sich an der Grenzfläche zwischen Politik und Religion. Nun wisst ihr, was Asiarchen sind.
Noch einmal Vers 31: "Und auch einige von den Asiarchen, die seine Freunde waren, sandten zu ihm und baten ihn, sich nicht nach dem Theater zu begeben."
Frage: Hättet ihr gedacht, dass Paulus solche Freunde hat? Wir haben uns letztes Mal angeschaut, wie die Christen nicht missioniert haben. Ich habe gesagt, sie haben keine Schmutzkampagne gegen alles Heidnische gestartet. Christen hatten den Ruf – zumindest wenn man den Worten dieses Stadtschreibers glauben darf – Christen hatten den Ruf, keine Tempelräuber zu sein und die Göttin Artemis nicht zu lästern.
Frage: Wenn sie all das nicht tun, was tun sie dann? Wie erreicht man Menschen eigentlich mit dem Evangelium? Die Antwort lest ihr tatsächlich in diesem Vers 31. Sie ist relativ einfach: Man befreundet sich mit ihnen, man geht zu ihnen hin und sorgt dafür, dass sie Freunde werden.
Hier steht, die Asiarchen sind Freunde des Paulus. Als sie von dem Aufstand erfahren und mitkriegen, was in der Stadt los ist – das sind Leute, die schon wissen, was gerade los ist. Das sind Leute mit sehr guten Verbindungen, die ein bisschen gelernt haben, zu lesen, wie sich gerade Strömungen in der Gesellschaft entwickeln.
Als sie das mitbekommen, machen sie sich Sorgen – und zwar Sorgen um ihren Freund. Sie kennen Paulus genau. Sie wissen: Wenn Paulus das mitbekommt, das ganze Theater voller Leute, die ihm zuhören, dann geht er da hin. Er geht da einfach hin.
Und sie denken sich: Mann, das ist viel zu gefährlich, die Leute wollen Blut, das überlebt er nicht. Deswegen schicken diese Leute zu Paulus und sagen: Geh da nicht hin.
Die Bedeutung der Asiarchen für die Verteidigung Paulus’ und sein Umgang mit Menschen
Wenn die Asiarchen hier als Freunde von Paulus dargestellt werden, wird auf der einen Seite deutlich, warum Lukas diesen Bericht in die Apostelgeschichte einfließen lässt. Die Apostelgeschichte endet mit Paulus in Rom. Wir können also davon ausgehen, dass sie eine Zuarbeit an einen Theophilus ist, der wahrscheinlich die Funktion eines Anwalts hat.
Ein Anwalt, der Paulus vor Gericht vertritt, weiß es zu schätzen, zu erfahren, wer Paulus unterstützt. Asiarchen in Ephesus sind da natürlich eine wertvolle Unterstützung. Sie sind gute Munition für die Verteidigung. Deshalb gehört dieser Text unbedingt in die Apostelgeschichte. Vor allem, weil die Leute, die Paulus anklagen, später behaupten werden, er sei eine Pest und ein Aufrührer. Da ist es hilfreich, wenn man als Anwalt sagen kann: „Na ja, er hatte Freunde in Ephesus, und das waren Asiarchen. Kann ja nicht so schlimm sein.“
Deshalb steht dieser Text hier. Es ist gut, dass wir das verstehen. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und diesen Text nutzen, um mit euch darüber nachzudenken, wie besonders es ist, dass Paulus überhaupt mit diesen Asiarchen befreundet sein kann.
Die Asiarchen spielen im Kaiserkult eine so bedeutende und auch religiöse Rolle, dass man sie in den Texten, die es über sie gibt – und davon existiert relativ viel – oft als Priester bezeichnet. Ihr seht also, das Politische vermischt sich hier mit dem Religiösen. Umso erstaunlicher ist es, dass Paulus solche Verbindungen hat. Man hat den Eindruck, er hat überhaupt keine Berührungsängste.
Wenn man ein wenig darüber nachdenkt, merkt man, dass Paulus sich ganz in den Gleisen des Herrn Jesus bewegt. Ich weiß nicht, ob ihr meinen Podcast letzte Woche gehört habt, aber dort ging es unter anderem um die Frage: Warum hat das jüdische Volk Jesus abgelehnt? Wie kann es sein, dass Jesus, der wunderbare Predigten hält, Menschen heilt und alttestamentliche Prophezeiungen erfüllt, nicht sofort das ganze jüdische Volk sich diesem Messias geschlossen anschließt, sobald er auftaucht? Wie ist das möglich?
Jesus erklärt uns zum Beispiel in Matthäus 11, dass der Grund für die Zurückhaltung im Volk eine Rufmordkampagne war. Seine Feinde sorgten dafür, dass man ihn als Freund von Zöllnern und Sündern bezeichnete. In Matthäus 11,19 heißt es: „Der Sohn des Menschen ist gekommen, der isst und trinkt.“ Im Gegensatz zu Johannes dem Täufer, der eher asketisch in der Wüste lebte, sagt man über Jesus: „Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder.“
Das ist ein spannender Gedanke. Ich habe eben gesagt, Paulus hatte keine Berührungsängste. Und hier seht ihr, dass Jesus das auch nicht hatte. Für Jesus gab es keine Menschen, mit denen er nicht über das Evangelium sprechen wollte. Niemand war ihm zu fremd, niemand zu aussätzig, niemand zu sündig, niemand zu arm, niemand zu schräg. Jesus hatte kein Problem damit, Zeit mit solchen Menschen zu verbringen.
Und was er nach unten tat – wenn man das so sagen möchte – das tat er auch nach oben. Ein Pharisäer lud ihn zum Essen ein, und Jesus ging hin. Das war nicht das typische Gastmahl, das Jesus besonders genoss, aber er nahm die Einladung an. Jesus war so offen für Menschen, dass man ihn als Freund von Zöllnern und Sündern beschrieb.
Er verbrachte so viel Zeit mit ihnen. Das finde ich besonders spannend, weil Zeit für mich ein sehr hohes Gut ist. Wenn ich meine Wochenplanung mache und jemand mich zu einer Geburtstagsfeier einlädt, überlege ich genau, ob ich eine oder zwei Stunden investieren möchte. Für mich ist Zeit kostbar.
Und dann stelle ich fest, Jesus muss so viel Zeit in Gemeinschaft mit anderen Menschen verbracht haben, dass man ihn als Fresser und Weinsäufer bezeichnete. Man sah ihn oft in einer Hütte mit einer Gruppe Leute sitzen, wo gegessen und gut miteinander gesprochen wurde. Wahnsinn! Einfach nur absoluter Wahnsinn!
Natürlich sind diese Begriffe „Fresser“ und „Weinsäufer“ dazu gedacht, Jesus zu diffamieren. Aber ein Körnchen Wahrheit steckt darin. Es gibt etwas an diesem Rabbi aus Nazaret, das die Religiösen seiner Zeit nicht verstanden.
Hört euch noch einmal Simon den Pharisäer an, der Jesus in Lukas 7 eingeladen hat. Da kommt eine stadtbekannte Sünderin herein, die Jesus anfassen, küssen und salben darf. Dabei kommen dem Pharisäer Gedanken, die in Lukas 7,39 beschrieben sind: „Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sprach er bei sich selbst: Wenn dieser ein Prophet wäre, so würde er erkennen, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.“
Ihr seht, was hier los ist: Für die Religiösen zur Zeit Jesu war eine Sache ganz klar: Je heiliger du bist, desto mehr gehst du auf Distanz zu Sündern. Und wenn du ein Prophet Gottes wärst, würdest du niemals zulassen, dass dich eine Sünderin anfasst. Das ist der Mindestmaßstab an Distanz, den man von einem Propheten erwarten kann – wie viel mehr von dem Messias!
Die Vorstellung, dass Gott Mensch wird und sich mitten unter das Volk mischt, mit Leuten, die man gemeinhin als Gesindel bezeichnet – Zöllner, Sünder und ähnliche – ist für diesen Pharisäer völlig unverständlich. Für Jesus aber ist das völlig normal.
Die Einladung und das Beispiel des Matthäus
Vielleicht kennt ihr diese Geschichte, weil sie so schön ist: Jesus geht an Matthäus vorbei und sagt: "Komm, folge mir nach." Matthäus hat sowieso keine Lust mehr auf sein altes Leben, bekehrt sich und folgt Jesus.
Was macht Matthäus als Erstes? Der ehemalige Zöllner tut das, was er am besten kann: Er schmeißt eine Party.
Wir lesen das in Lukas 5,27-32: Danach ging Jesus hinaus und sah einen Zöllner mit Namen Levi am Zollhaus sitzen. Er sprach zu ihm: "Folge mir nach!" Levi verließ alles, stand auf und folgte ihm nach. Levi veranstaltete ein großes Mahl in seinem Haus, und es war eine große Menge von Zöllnern da.
Da haben wir sie wieder, die Zöllnerfreunde. Klar, er lädt ja auch nur Zöllner ein – was sonst? Die waren vorher schon bei seinen Partys, und sie kommen jetzt wieder. Es war eine große Menge von Zöllnern und anderen, die mit ihnen zu Tisch lagen.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten gegen seine Jünger und fragten: "Warum esst und trinkt ihr mit Zöllnern und Sündern?" Jesus antwortete ihnen mit einem guten Vers zum Auswendiglernen: "Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße."
Irgendwie toll, oder? Matthäus wird gläubig, und das Erste, was er macht, ist eine Party. Ein großes Mahl mit vielen Zöllnern und anderen – und diese anderen sind eben gerade keine Pharisäer und Schriftgelehrten. Das sind Sünder, Leute, die sich untereinander gut kennen, weil die anderen sie nicht mögen.
Wer den Auftrag hat, Sünder zur Buße zu rufen – wenn Jesus sagt, dass er dafür in die Welt gekommen ist –, der muss auch Zeit mit diesen Sündern verbringen. Er muss sie kennenlernen, ihre Probleme anhören, mit ihnen essen und trinken. Er muss ihr Freund werden, es geht nicht anders.
Und was für den Teil der Gesellschaft gilt, auf den man im Allgemeinen herabblickt, das gilt natürlich genauso auch für die "da oben".
Die Bedeutung von Freundschaften mit Ungläubigen
Ist doch klar: Auch Politiker brauchen Freunde, und zwar gläubige Freunde. Als ich hier einmal über das Gebet für Politiker gepredigt habe, habe ich euch Gebetsanliegen mitgegeben. Eines davon war: Betet dafür, dass Politiker gläubige Freunde bekommen. Du erreichst sie vielleicht nicht direkt, aber wenn sie gläubige Freunde hätten, wäre das richtig gut. Betet dafür, dass Menschen ihnen das Evangelium sagen.
Paulus war jemand, der Zugang zu solchen Leuten gefunden hatte. In der Apostelgeschichte 19,31 wird erwähnt: „Und einige auch von den Asiarchen, die seine Freunde waren.“
Was möchte ich damit sagen? Ich möchte auf eine ganz einfache Sache hinweisen. Vielleicht ist sie so simpel, dass du dich fragst: Warum bin ich in den Gottesdienst gekommen, um mir das anzuhören? Das kann sein, manchmal ist es so.
Es geht um die einfache Tatsache, dass das Evangelium dort läuft, wo wir mit Menschen ins Gespräch kommen. Und zwar nicht nur im Rahmen eines Missionseinsatzes oder einer Verteilaktion. Solche Aktionen darf es auch geben, ich möchte sie nicht schlechtmachen. Aber für mich ist es total spannend, dass wir einerseits in der Bibel lesen, in Markus 16,15: „Und er sprach zu ihnen: Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung.“ Dort steht: Geht hin, predigt das Evangelium.
Wenn ich aber weiterlese, fällt mir etwas auf. Mir fehlt nämlich etwas in der Bibel. Mir fehlt, dass in den Briefen irgendwo ein Gebot steht, das etwa so lautet: „Ich gebiete euch, dass jeder unter euch an evangelistischen Freiversammlungen und Verteilaktionen teilnehme.“ Ist euch das mal aufgefallen? Es gibt keine Stelle, wo steht: „Geh raus, predige das Evangelium, mach das!“ Nirgendwo in den neutestamentlichen Briefen steht so ein Gebot.
Warum nicht? Wenn wir doch den Auftrag haben, „Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung“?
Die Antwort ist: Das ist ein Gebot nicht an dich persönlich, sondern an die Gemeinde. Das mag jetzt ein bisschen spitzfindig klingen, und du denkst dir vielleicht: Jürgen, meinst du das ernst? Ja, ich meine es ernst.
Ich meine ernst, dass wir als ein Team berufen sind, in dem jeder mit seinen Gaben zum Missionsbefehl beiträgt. Nicht jeder ist Apostel, gründet neue Gemeinden oder stellt sich in Synagogen, ans Pult oder auf den Marktplatz in Athen. Das macht nicht jeder.
Ich weiß, jetzt gibt es einige Leute, denen ich damit wehtue. Wenn du Evangelist bist von deiner grundsätzlichen Begabung, dann schmerzt dich diese Predigt vielleicht. Trotzdem müssen wir beim Thema Evangelisation auf zwei Dinge achten.
Erstens: Fehler Nummer eins ist, dass wir mit niemandem über den Glauben reden. Das ist ein großer Fehler.
Zweitens – und jetzt hört genau zu – Fehler Nummer zwei ist, dass wir uns zu Formen der Evangelisation zwingen oder andere uns dazu zwingen, die uns nicht entsprechen.
Versteht mich bitte gut: Nicht jeder ist Evangelist und hat Spaß daran, mit anderen über das Evangelium zu reden. Für manche ist diese Vorstellung einfach nur Stress, vielleicht sogar Überforderung.
Deshalb möchte ich betonen: Wir sind im Blick auf den Missionsbefehl ein Team. Und ja, in diesem Team gibt es das, was ich die „Kaltakquise-Typen“ nenne. Das sind die, die jedem das Evangelium erzählen können, die ganz leicht die richtigen Worte finden, vielleicht auch nett und charismatisch sind. Wenn du noch überlegst, wie du den Übergang findest, sind sie schon fertig mit der Präsentation des Evangeliums. Die gibt es, ja.
Und dann gibt es Leute wie mich, die nicht so sind. Jetzt kann einer sagen: „Hä, Jürgen, predigst du das Evangelium nicht?“ Na ja, nicht so. Ich habe da einfach mehr Ladehemmung. Ich weiß nicht genau, warum.
Ich habe ein großes Problem damit, wenn ich zu Formen der Evangelisation gezwungen werde, die mir nicht entsprechen. Wenn ich mich so sehr verbiegen muss, dass ich mich fühle wie eine Katze, die man gegen den Strich kämmt. Und ich habe das durchgemacht.
Ich habe Schulungen mitgemacht, ich stand in München am Stachus und habe meine freie Predigt gehalten. Danach dachte ich: Nee, das bist du nicht. Es hat mir einfach keinen Spaß gemacht.
Ich bin der Typ: Wenn du dich bekehren möchtest, treffe ich mich mit dir zum Bibellesen. Ich mache das zwei Jahre, bis du dich bekehrt hast. Das ist meine Art.
Und da sagt jemand anders: „Ich bin ganz anders.“ Ja, sei bitte anders!
Noch einmal: Du hast deine Gaben, und du bringst dich bitte mit deinen Möglichkeiten in die Gemeinde ein. Dann vertrauen wir alle darauf, dass Gott Wachstum schenkt und dass er uns gemeinsam befähigt, dass sein Missionsbefehl erfüllt wird.
Also, zwei Fehler wollte ich euch vorstellen:
Erster Fehler: Ich halte die Klappe. Das ist natürlich falsch.
Zweiter Fehler: Ich tue Dinge, die mich überfordern, wo ich denke: Das bin ich nicht, das mache ich nur, weil XY das von mir will. Und ich gehe ständig nach Hause und denke: Christian ist doof. Und das ist es dann auch.
Deshalb ist es in meinen Augen wirklich wichtig, dass wir gut verstehen, wie das Neue Testament will, dass wir evangelisieren.
Deswegen zeige ich euch kurz die Taktik der ersten Christen. Die waren ja, muss man ganz nüchtern sagen, äußerst erfolgreich.
Ihr müsst euch das mal vorstellen: Sie haben innerhalb von drei Jahrhunderten das Römische Reich „niedergerungen“. Nach drei Jahrhunderten sagt der Kaiser: „Okay, wir geben auf, ihr dürft jetzt hier sein.“ Und kurze Zeit später: „Okay, wir nehmen euch als Staatsreligion gleich an.“ Das ist ja irre.
Die Taktik der ersten Christen: Gute Werke und gute Antworten
Vielleicht ist die Idee einer Staatsreligion nicht schlecht. Aber wie haben die ersten Christen es geschafft, so erfolgreich zu sein? Wie haben sie das gemacht?
Nun, die Taktik der ersten Christen ist ganz einfach: gute Werke und gute Antworten. Titus 3,8 sagt: „Das Wort ist gewiss, und ich will, dass du auf diesen Dingen festbestehst, damit die, die zum Glauben an Gott gekommen sind, darauf bedacht sind, sich um gute Werke zu bemühen. Dies ist gut und nützlich für alle Menschen.“
Das erinnert uns Bibelleser ein wenig an das, was Jesus in Matthäus 5,16 sagt: „So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen.“
Das ist die erste Sache: Du möchtest wissen, wie man richtig evangelisiert? Dann tu gute Werke. Setz dich hin und überlege, wie du Menschen dienen kannst.
Die zweite Sache sind gute Antworten. Wenn du die ganzen Briefe im Neuen Testament liest, gibt es zum Thema Evangelisation nur ein Gebot. Dieses findet sich im 1. Petrusbrief 3,15: „Seid aber jederzeit bereit, zur Verantwortung jedem gegenüber, der Rechenschaft von euch über die Hoffnung in euch fordert.“
Das bedeutet nicht, dass du auf die Straße gehen und laut predigen sollst. Es heißt, wenn jemand zu dir kommt und dir eine Frage stellt, dann solltest du eine Antwort parat haben. Zum Beispiel: Jemand fragt dich, wie du bei Verhandlungen so gelassen bleibst. Dann kannst du sagen: „Weißt du, gestern Nacht war ich noch ziemlich aufgebracht, aber dann habe ich gebetet, meine Sorgen bei Gott abgegeben und vertraue dem Gott, der mir seit Jahrzehnten treu zur Seite steht.“
Gott erwartet von jedem, dass er, wenn jemand fragt: „Was glaubst du eigentlich? Was ist die Hoffnung, die du hast? Warum lebst du so, wie du lebst? Was bedeutet Jesus für dich?“, eine kluge Antwort geben kann. Diese Antwort hast du hoffentlich schon für dich selbst gefunden.
Wir sagen anderen ja nur, dass wir so leben, wie wir leben, weil wir darüber nachgedacht haben, wie ein gutes Leben aussieht. Irgendwann hat uns Gott vom Evangelium überzeugt. Wir wussten, was das Evangelium für uns bedeutet und haben angefangen, danach zu leben. Wir sind immer noch begeistert und reden gerne darüber, wenn uns jemand fragt. Das muss jeder können.
Das ist einerseits weniger als ein „Geh raus, stell dich mit dem Flipchart auf den Marktplatz und predige los“. Andererseits ist es viel mehr als „Halt die Klappe“. Wenn jemand kommt und sagt: „Hey, ich habe da mal eine Frage“, dann musst du gute Antworten geben können. Das kann passieren, wenn Leute fragen, warum du so lebst, wie du lebst.
Ich hoffe, dass sich vor deinem geistigen Auge jetzt mit der Predigt vom letzten Mal ein Bild formt, wie Christen evangelisiert haben. Einerseits ist da diese liebevolle Art, die nicht lästert. Andererseits sind das Menschen, die darüber nachdenken, wie sie Gutes tun können. Sie versuchen, Unrecht in der Gesellschaft wiedergutzumachen und setzen sich für Menschen am Rand ein.
Wenn man diese Menschen fragt, warum sie tun, was sie tun, sagen sie einfach: „Das hat mit Gott zu tun, mit meiner Beziehung zu ihm und mit dem, was er durch mich wirkt. Das kann ich dir erklären.“ Der eine kann das besser erklären, der andere etwas schlechter – das ist nicht schlimm. Du gibst die Antwort, die du hast.
Dann werden Menschen verstehen: „Warte mal, du gehst so nett mit den Menschen um, weil du an einen Gott glaubst, der in seiner Barmherzigkeit als Vorbild für dich ist.“ Ja, das ist alles. Es ist nicht schwer. Du kannst das auch haben. Wenn du willst, kann ich dir das erklären.
Wenn du mal Zeit hast, komm vorbei. Ich lade dich ein. Ich kann ein gutes Käsesoufflé machen und erkläre dir, was ich gelernt habe. Das ist nicht schlimm, es ist wirklich einfach. Leben ist nicht schwer.
Diese Form von Evangelisation haben die ersten Christen gewählt: Freundlichkeit, gute Werke und kluge Antworten. Das ist es, was Gott von jedem von uns verlangt.
Dann arbeiten wir im Blick auf den Missionsbefehl als Team zusammen. Dabei gibt es alles, was du dir vorstellen kannst: Hardcore-Prediger, Köche, Flyer-Gestalter, stille Beter, Menschen mit Liebe zur Theologie, andere mit Liebe zur Technik – für mich ein absolutes Phänomen. Es gibt Leute, die immer Ideen für Spiele haben. Diese unterschiedlichen Gaben finden sich in der Gemeinde zusammen und gemeinsam predigen wir das Evangelium!
Wenn du jetzt jemanden bei deinem Käsesoufflé hast, der sagt: „Ich würde ja gern mal in der Bibel lesen“, dann erinnere dich daran, dass es irgendwo in deiner Gemeinde so einen „Freak“ wie mich gibt. Dann kannst du sagen: „Ich kenne da jemanden.“
Ich habe das erlebt: 1997 kam jemand zum Glauben, der in der Stadt evangelistische Hauskreise gründete. Aus einem dieser Hauskreise entstand die Gemeinde in Spandau. Das war genau so ein Typ: „Hey, ich habe da etwas entdeckt.“ Er hat mit Leuten gesprochen, und sobald die sagten: „Ja, das würde uns auch interessieren“, sagte er: „Ja, ich kenne da jemanden.“
Dann kam der zu mir und sagte: „Wir haben einen neuen Hauskreis.“ Nutzt die Gaben, die ihr habt, und arbeitet zusammen.
Damit diese Strategie klappt, müssen wir als Gläubige Teil der Gesellschaft bleiben. Ganz praktisch bedeutet das: Wir brauchen ungläubige Freunde. So wie Paulus Menschen hatte, die ihn kannten, die ihn mochten und denen er am Herzen lag, obwohl sie seinen Glauben nicht teilten.
Warnung durch ungläubige Freunde und die Bedeutung von Gemeinschaft
Und jetzt kommen wir zum Schluss zum Gag: Die Sache mit den Freunden ist nämlich nicht einseitig. Ich investiere mich immer nur in die Freunde, da kommt auch schon mal etwas zurück. Und das merkt man bei diesen Asiaten, die haben nämlich wirklich Recht.
Das, was sie sagen, wenn sie sagen, Paulus solle da nicht hingehen, sie schätzen die Situation völlig richtig ein. Wir lesen noch einmal zum Schluss die Verse 32 bis 34 aus Kapitel 19, um zu sehen, wie gefährlich die Situation war.
Hier hätte Paulus tatsächlich die Lage falsch eingeschätzt. Seine ungläubigen Freunde, die ihre Stadt besser kennen, geben ihm den richtigen Tipp: „Die einen nun schrien dies, die anderen jenes, denn die Versammlung war in Verwirrung, und die meisten wussten nicht, weshalb sie zusammengekommen waren. Aus der Volksmenge heraus verständigte man den Alexander, den die Juden vorschoben. Alexander aber winkte mit der Hand und wollte sich vor dem Volk verantworten. Als sie aber erkannten, dass er ein Jude war – und jetzt müsst ihr euch die Gewalt dieses Mobs vorstellen – erhob sich eine Stimme aus aller Munde, und sie schrien etwa zwei Stunden lang: 'Groß ist die Artemis der Epheser!'“
Das ist nicht der Mob, den man in die Hände fallen lassen möchte. Das ist Fanatismus pur. Und es ist gut, dass Paulus ungläubige Freunde hatte, die wissen, wie ihre Landsleute ticken. Sie wissen, dass das jetzt zu gefährlich ist, und warnen ihn.
Jürgen, möchtest du damit andeuten, dass Gott ungläubige Leute verwendet, um sein Reich zu bauen? Klar, warum nicht? Kann Gott nicht verwenden, wen er will? Im Alten Testament sehen wir zum Beispiel die Eselin von Bileam. Gott kann also machen, was er will.
Zusammenfassung der Predigt und persönlicher Ausblick
Ich fasse noch einmal zusammen. Heute waren mir sechs Punkte sehr wichtig.
Punkt Nummer eins: Paulus hatte ungläubige Freunde.
Zweitens: Jesus hat es uns vorgemacht. Er hatte ganz engen Kontakt zu ungläubigen Menschen, zu Zöllnern und Sündern.
Dann habe ich gesagt, der Missionsbefehl ergeht eigentlich nicht an dich allein, sondern an euch. Es ist ein gemeindliches Anliegen.
Viertens: Der Missionsbefehl ergeht an die Gemeinde als Team. Jeder kann und soll sich mit seinen Gaben einbringen.
Zwei Fehler dürfen wir dabei nicht machen: Fehler Nummer eins ist, die Klappe zu halten. Fehler Nummer zwei ist, sich zu überfordern, bis es gar keinen Spaß mehr macht.
Der letzte Punkt, also der sechste, betrifft drei Dinge, die Pflicht sind: Erstens gute Werke, zweitens gute Antworten und drittens gute Beziehungen.
In diesem Sinne wäre es jetzt an der Zeit, nachzudenken und zu überlegen, wo man selbst steht.
Zum Schluss möchte ich noch etwas sagen, das mir deutlich wurde, als ich die Predigt geschrieben habe. Man sitzt auf dem Balkon, schreibt seine Predigt, sagt so „Amen“ – das ist immer das letzte Wort – und dann kommt dieser Gedanke: Jürgen, was hat Corona eigentlich mit deinen Freundschaften in der Zigarrenlounge gemacht?
Ich musste zugeben, dass diese Freundschaften weg sind. Das heißt, es gab vor ein paar Jahren einen Einschnitt. Das hat mir Beziehungen gekostet, nicht in die Gemeinde, denn die sehe ich jeden Sonntag, sondern in die Welt hinein.
Vielleicht geht es euch ähnlich. Ihr denkt nicht nur: „Oh, ich müsste mal überlegen, wen ich zum Abendessen einladen könnte, mit wem ich Beziehungen aufbauen kann.“ Vielleicht sagt ihr, so wie ich, dass da etwas kaputtgegangen ist und es schön wäre, wenn man das wiederbeleben könnte.
Für mich persönlich habe ich zumindest eines getan: Ich habe diesen Punkt wieder auf meine wöchentliche Gebetsliste gesetzt und gefragt: Wie kann ich es schaffen, gute Beziehungen zu ungläubigen Leuten ganz neu zu pflegen?
Einfach weil es wichtig ist, wenn wir als Team funktionieren und den Missionsbefehl im 21. Jahrhundert ausführen wollen.
Amen.
