Die Kirche als ewiger Fels und lebendige Gemeinschaft
Sie sind alle versorgt. Liebe Gemeinde, viele Zeitgenossen stellen sich unter Kirche oder Gemeinde Jesu Christi etwas Uraltes vor, etwas, das ganz unbeweglich, statisch und immer gleich ist. Als Symbol mag dafür etwa eine alte Kathedrale dienen, die vor Jahrhunderten erbaut wurde, niemals verändert und ehrwürdig wie ehedem ist.
Ja, da ist etwas Wahres dran. Die Kirche Jesu Christi, die Gemeinde Jesu, lebt in der Tat von einer Wahrheit, die ewig gültig ist. Der heilige Gott ändert sich nicht, seine Gebote ändern sich nicht. Von Jesus Christus heißt es im Hebräerbrief: Er ist gestern, heute und derselbe in Ewigkeit. Und Jesus hat selbst gesagt: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Ein ewiger Fels im Wandel der Zeiten – das ist die eine Seite der Gemeinde Jesu. Wo sie dem Wort Gottes treu bleibt, hat sie Anteil an dieser Ewigkeit. Deshalb kann man Paulus zufolge die Gemeinde auch mit einem Tempel vergleichen, mit einer Kathedrale, wenn Sie so wollen, mit einer Festung der Wahrheit.
Aber zugleich sagt die Bibel, dass die Gemeinde in einer prickelnden, mitreißenden Dynamik lebt. Ehrwürdig bedeutet eben nicht statisch. Sören Kierkegaard, der dänische Philosoph, hat es sinngemäß so formuliert: Er sagte, wo jemand Christ werden soll, muss Unruhe sein. Wenn jemand Christ geworden ist, wird Unruhe sein. Dieses Christentum ist Brandstiftung.
Mit Brandstiftung meinte er nicht etwa etwas Gewalttätiges, bei dem Häuser angezündet werden oder Ähnliches. Vielmehr meinte er damit Bewegung, Veränderung, Leben – neues Leben. Wenn ein Mensch vom Evangelium erfasst wird, dann kann er nicht mehr gemütlich im Sessel sitzen bleiben und so weiterleben, als wäre nichts geschehen. Das ist nicht möglich.
Bilder der Gemeinde als Ausdruck von Dynamik
Und darum sind die meisten Bilder für die Gemeinde im Neuen Testament etwas Dynamisches. Haben Sie schon einmal darauf geachtet? Die Gemeinde ist zum Beispiel die Herde, die von einem Hirten auf gute Weiden geführt wird. Oder die Gemeinde ist ein Ackerfeld, das Frucht hervorbringt und jedes Jahr wieder wächst.
Die Gemeinde ist auch ein Weinstock, dessen Reben kraftvoll sprießen. Oder aber die Gemeinde ist ein menschlicher Körper – das ist das Lieblingsbild von Paulus – ein menschlicher Körper, der organisch wächst. Dynamik ist also ein weiteres Kennzeichen der Gemeinde Jesu.
Der Predigttext heute Morgen wird uns nun etwas vom Geheimnis dieser Dynamik zeigen, die Jesus Christus auch hier in unserer Gemeinde entfalten will. Zum Teil hat er das bereits getan, und dafür danken wir ihm.
Bereits vor 14 Tagen, also vor zwei Wochen, vor Ostern, haben wir mit diesem Text begonnen, den Sie vor sich liegen haben. Wir haben damals die Verse 11 bis 13 ausgelegt. Das können Sie auch noch einmal nachhören über unsere MP3-Aufnahme auf www.bibeltage.de.
Dort haben wir gesehen: Gott will, dass seine Gemeinde wächst. Gott will Dynamik. Gott will Brandstiftung – im besten Sinne des Wortes.
Gemeindewachstum in Qualität und Quantität
Seine Gemeinde soll nicht nur zahlenmäßig wachsen, sondern das Wachstum soll auch Qualität haben. Es soll ein Wachstum mit Tiefgang sein, das die Einzelnen weiter verändert. Es darf nicht so sein, dass jemand sagt: „Jetzt bin ich Christ, und jetzt kann alles so bleiben, wie es ist.“ Wachstum bedeutet: Wer einmal angefangen hat, im Glauben zu wachsen, der wächst immer weiter.
Die Bibel stellt Qualität und Quantität, also zahlenmäßiges Wachstum und inneres Wachstum, nicht gegeneinander. Gott will beides. Wir hatten gesehen, wie Jesus seinen Vater mit einem Gastgeber vergleicht, der zum großen Festmahl einlädt und seine Knechte ausschickt. Da heißt es, es gehe hinaus und nötige die Leute, hereinzukommen, damit sein Haus voll werde. Gott will, dass sein Haus voll wird. Er will ein volles Haus.
Der Predigttext, den wir hier vor uns haben, ist ein besonderes Kleinod. Dieser Text ist eine Schlüsselstelle zum Thema Gemeindewachstum: Epheser 4,11-16. Ich bin so dankbar, dass wir im Rahmen unserer Predigtreihe jetzt die Möglichkeit haben, diesen Text auszulegen. Hier zeigt uns Gott, wie Gemeindewachstum funktioniert, wenn man das so sagen darf.
Darum lautet unser Thema auch: Die göttlichen Prinzipien des Gemeindewachstums. Ganz klar: Wenn wir echtes, gesundes Gemeindewachstum haben wollen, dann müssen wir diese Prinzipien studieren und auf unser praktisches Gemeindeleben anwenden.
Viele aktuelle Modelle und Konzepte, die unter dem Stichwort Gemeindewachstum angeboten werden, machen Anleihen bei Managementprinzipien oder bedienen sich bestimmter Marketingmethoden. Viele setzen auch auf sogenannte PR-Effekte, also Public Relations, bei denen es um öffentliche Präsentation geht.
Gegen öffentliche Werbung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber es kommt immer darauf an: Passt die Art und Weise, in der ich diese PR mache, auch zu dem Inhalt, den ich anbiete? Gegen all diese Anleihen bei weltlichen Methoden zeigt Paulus uns hier in wenigen Versen einige PR-Maßnahmen ganz anderer Art, auf die wir beim Gemeindeaufbau achten sollen.
Die erste PR-Maßnahme, die wir vor zwei Wochen kennengelernt hatten, war die Predigt des Wortes. Die Predigt des Wortes ist die entscheidende Methode, mit der Gott seine Gemeinde baut. Gott setzt Leute ein, die sein Wort predigen und lehren. Das war das erste Prinzip, das wir in Vers 11 gesehen haben. Er hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten – das war die Zeit, in der die Gemeinde gegründet wurde und die Bibel noch nicht fertig war – dann einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes.
Das ist also das erste Kriterium, der erste Maßstab, nach dem man sich eine Gemeinde aussuchen sollte: Wird dort das Wort Gottes treu und gründlich gepredigt? Das ist die erste PR-Maßnahme, die Paulus zum Gemeindewachstum fordert – die Predigt des Wortes.
Wenn eine Gemeinde gesund wachsen soll, dann braucht sie zuallererst die Predigt des Wortes. Darum beruft Gott Evangelisten, Hirten und Lehrer. Jesus selbst hat dieses Prinzip vorgelebt. Bei allem, was er sonst noch getan hat – geheilt, andere Wunder gewirkt, mit Menschen gesprochen – war der Schwerpunkt seines Dienstes die Predigt.
Wir haben zuletzt gesehen, wie er das weitergegeben hat an seine Apostel, die zuerst Prediger waren. Die Apostel haben dann ihrerseits wieder Leute zum Predigen ausgebildet. So wurde der Staffelstab weitergegeben bis in unsere Zeit.
Die Kirchengeschichte, dort wo sie im Segen verlaufen ist, ist eine Geschichte der Predigt. Kirchengeschichte ist Predigtgeschichte. Wo vollmächtig gepredigt wurde, da schenkte Gott Segen und Gnade. Nicht immer kamen die Massen – das ist Gottes souveränes Geschenk, in welcher Größenordnung er Frucht schenkt. Aber dort war echter Segen, wo das Wort Gottes treu gepredigt wird.
Das war die erste PR-Maßnahme, die Paulus uns ans Herz gelegt hat. Darin liegt nicht nur eine Aufgabe für jene Männer, die berufen sind zu predigen, sondern auch eine große Aufgabe für die Gemeinde, die berufen ist zu hören. Verkündigung hören ist eine ausgesprochen aktive Arbeit. Es ist die Verantwortung jedes Christen, sich darum zu bemühen, bibeltreue Verkündigung zu suchen.
Es ist eine geistliche Aufgabe jedes Christen, Anteil an diesem Prozess der regelmäßigen Verkündigung des Wortes Gottes zu haben. Darum ist es für jeden Christen wichtig, sich treu und regelmäßig zum Gottesdienst zu halten, um die Predigt des Wortes Gottes in der Gemeinschaft der anderen Christen zu hören.
Diese Aufgabe ist nicht nur dem Prediger von Gott übertragen, sondern der ganzen Gemeinde: sich der Verkündigung auszusetzen, gemeinsam mit offenem Herzen und aufgeschlagener Bibel. Wir sind dankbar für alle technischen Möglichkeiten über das Internet. Viele, die aus verschiedenen Gründen mal nicht kommen können, haben so die Möglichkeit, die Predigt zu hören. Dadurch erreichen wir auch viele Menschen außerhalb unserer Stadt Hannover. Das ist eine gute Möglichkeit.
Dennoch ist es ein besonderes Vorrecht, wenn man als Gemeinde gemeinsam die Predigt hört und Gott darauf antworten kann. Das ist nicht einfach durch ein Hören über MP3 zu ersetzen.
Die Predigt des Wortes ist die erste PR-Maßnahme. Wir haben gesehen, dass diese Predigt nicht zur Unterhaltung gedacht ist, sondern auf die Prägung der Heiligen zielt. Das war die zweite PR-Maßnahme, die Prägung der Heiligen, damit in Vers 12 die Heiligen, also die Gemeindeglieder, zugerüstet werden zum Werk des Dienstes.
Die Prägung der Heiligen, die Prägung der Christen, ist die zweite PR-Maßnahme. Christen sollen nicht nur die Predigt genießen, sich darüber ärgern oder sich langweilen, sondern sie sollen die Predigt aktiv hören. Was kann ich daraus für mich ziehen? An Ausrichtung, Stärkung, Korrektur, Ermutigung, neuer Instruktion zum Dienst? Was will Gott mir dadurch sagen?
Das ist aktives Predigthören, die Prägung der Heiligen, die dadurch geschieht, dass Gottes Wort verkündigt wird. Wunderbar, wie das zusammenkommt: Das allgemeine Priestertum, dass jeder Christ in unmittelbarer Verantwortung vor Gott steht.
In Vers 12 heißt es: Die Heiligen sollen alle zugerüstet werden. Die speziellen Ämter und Dienste, die Gott in Vers 11 eingerichtet hat – Hirten, Evangelisten und Lehrer – stehen nicht in Spannung zueinander. Die Hirten, Lehrer und Verkündiger sollen die Heiligen zurüsten, damit diese ihren Dienst für Gott umso besser tun können.
Das ist ein dynamischer Prozess, und wo diese Dynamik greift, da kann Gemeinde reifen. Paulus sagt in Vers 13, dass die Prägung der Heiligen bedeutet, den Heiligen zu helfen, im Glauben zu reifen und stark zu werden. Das geschieht vor allem dadurch, dass der Christ in der Erkenntnis des Sohnes Gottes wächst, wie Paulus in Vers 13 sagt. Das heißt, dass wir Jesus besser kennenlernen, in unserer Verbindung zu ihm wachsen, ihn besser verstehen und ihm treuer dienen – die Prägung der Heiligen.
So weit waren wir vor zwei Wochen gekommen: Die Predigt des Wortes, die Prägung der Heiligen. Ab Vers 14 legt Paulus uns dann eine dritte PR-Maßnahme zum Gemeindewachstum ans Herz. Wohin soll die Prägung der Heiligen führen? Wozu will Jesus den reifenden Christen befähigen?
In Vers 14 heißt es: Damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.
Was will Jesus? Jesus will, dass seine Gemeinde urteilsfähig wird. Er will, dass die Gemeinde in der Lage ist, zwischen Wahrheit und Unwahrheit, zwischen rechter und falscher Lehre zu unterscheiden. Wir sollen als Christen urteilsfähig werden.
Darum erfordert gesundes Gemeindewachstum drittens die Prüfung der Geister – das ist die dritte PR-Maßnahme.
Das steht schon im Hebräerbrief, Kapitel 13: „Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben!“ Um besser zu verstehen, was mündig bedeutet, malt Paulus in Vers 14 das Gegenteil vor Augen.
Was ist der unmündige Christ? Paulus beschreibt ihn als ein hilfloses Boot, das von jedem Wind einer Lehre bewegt und umhergetrieben wird, von stürmischen Wellen hin und her geschleudert. Ein solches Boot wird immer in die Richtung geschleudert, in die der Wind weht. Wenn der Wind sich dreht, dreht sich das Boot auch und wird hin und her geworfen.
Ich erinnere mich gut an eine Fahrt mit einer Autofähre von Hull in England nach Rotterdam. Es ging ruhig los, aber am Morgen, als man aufwachte, war man froh, durch einen Gurt in der Koje gehalten zu werden, denn das Schiff schwankte hin und her. Beim Aufstehen musste man auf die Balance achten, die Teetasse kippte fast um. Das ist das Bild, das Paulus hier beschreibt – ein großes Schiff, das dennoch hin und her geworfen wird.
So geht es einem Christen, der sich nicht fest in Gottes Wort verankert hat. So geht es einer Gemeinde, die sich nicht regelmäßig und gründlich mit der Bibel beschäftigt und die nicht von der Bibel aus die verschiedenen Strömungen der Zeit untersucht.
Wer etwas beurteilen will, braucht einen Maßstab. Paulus sagt in 2. Korinther 10,5: „Wir wollen jeden Gedanken, der sich erhebt gegen die Erkenntnis Christi, gefangen nehmen unter dem Gehorsam gegenüber Jesus.“ Wer etwas beurteilen will, braucht einen Maßstab.
Wenn ein Christ oder eine Gemeinde ohne regelmäßige gesunde biblische Lehre lebt, wird sie zum Spielball theologischer Modeerscheinungen, wechselnder Meinungen und falscher Lehren. Sie wird anfällig für Täuschungen, wenn diese geschickt und scheinbar fromm verkauft werden, mit einem Etikett wie „evangelistisch“ oder mit frommen Worten drumherum.
Dann schauen manche nicht mehr genau hin, was der Inhalt ist, sondern sagen: „Das wird hier vom Christen angeboten, das wird schon stimmen, das wird schon okay sein.“ Wie viele Gemeinden, die einmal gut angefangen hatten, sind wie ein führungsloses Schiff vom Kurs abgekommen!
Warum? Weil die Wellen des Zeitgeistes stärker waren als die Verankerung in Gottes Wort. Sie sind abgekommen vom Kurs, weil sie sich nicht mehr strikt nach dem untrüglichen Kompass richteten, nämlich nach der Bibel, sondern freihändig steuerten, wo es ihnen gerade richtig erschien.
Dann fragte man nicht mehr: Ist das mit der Bibel in Übereinstimmung? Sondern: Ist es stilvoll? Ansprechend? Erfolgversprechend? Fühlen wir uns gut dabei? Ist es modern? So weht der Wind immer mal wieder von einer anderen Seite in das Schiff der Gemeinde hinein.
Ich denke zum Beispiel an den Alphakurs. Er sagt sicherlich viel Gutes und Richtiges. Aber wenn man ihn genauer betrachtet, verkürzt er das Evangelium vom Kreuz und informiert die Leute nicht vollständig darüber, was das Evangelium in seinem Kern bedeutet.
Ein anderer Wind, der in die Gemeinde hineinbläst, ist die ökumenische Tendenz, die wir zurzeit ständig erleben. Man erweckt den Eindruck, katholisch und evangelisch seien im Prinzip das Gleiche, und es hätte nie eine Reformation geben müssen.
Auch gewisse Einflüsse fremder Religionen sind zu beobachten. Stellen Sie sich vor: Zu Beginn der Osterwoche wurde in einer sogenannten evangelischen Kirche in Bochum, der Christuskirche, von Christen und Moslems gemeinsam der Geburtstag Mohammeds gefeiert. Das ist ein Sturm, der sich schon zum Orkan ausgeweitet hat. Die Leute merken scheinbar kaum noch etwas.
Manchmal kommt dieser Sturm in die Gemeinde auch dadurch, dass bestimmte ethische Grundsätze unterspült und ausgehöhlt werden. Zum Beispiel ist in manchen Jugendkreisen nicht mehr klar, dass ein Zusammenleben ohne Trauschein gegen den Willen Gottes steht. Dass der Geschlechtsverkehr in die Ehe gehört, ist dort ebenfalls nicht mehr klar.
Es gibt also viele verschiedene Winde. Paulus warnt uns davor, diese Gefahr zu unterschätzen, die von falschen Lehren und Meinungen ausgehen kann.
Darum bringt er in Vers 14 noch ein zweites Bild: Nicht nur das vom Schiff, das hin und her geworfen wird, sondern auch das vom Würfelspiel. Wenn Sie den Vers zu Ende lesen, heißt es: „... durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.“
Damit ist das Würfelspiel gemeint, vom griechischen Begriff her. Paulus sagt: Leute, passt auf! Es sind Falschspieler am Werk. Es sind Betrüger, die mit List und Tücke versuchen, uns vom Kurs wegzuziehen, ohne dass wir es merken.
Wichtig: Nicht jeder, der falsche Lehren verbreitet, tut dies mit böser Absicht. Viele, die falsche Lehren ausbreiten, sind selbst Opfer dieser Lehren und wissen es nicht besser. Das müssen wir fairerweise immer wieder eingestehen.
Aber Paulus sagt, dahinter stehen Drahtzieher im Hintergrund, die Ziele und Pläne verfolgen, die sie nicht offenlegen. Wenn wir diese Pläne von Anfang an kennen würden, würden wir ihnen die Gefolgschaft verweigern.
Der wirkungsvollste Fallspieler hinter allen anderen ist der Teufel selbst, den die Bibel den Lügner von Anfang an nennt.
Ich kann mir vorstellen, dass Paulus bei diesen Worten auch an eine Situation in der Gemeinde in Ephesus dachte, an die er diesen Brief zuerst schreibt. Das können Sie nachlesen in Apostelgeschichte 20.
Paulus trifft sich dort mit den Gemeindeleitern aus Ephesus und weiß, dass er sie wahrscheinlich in diesem Leben nicht mehr sehen wird. Er führt ein sehr ernstes, bewegendes Gespräch, bei dem alle in Tränen ausbrechen. Es ist ein dramatischer Abschied.
Paulus muss ihnen jetzt noch einmal entscheidende Leitlinien mitgeben. Er sagt in Apostelgeschichte 20, ab Vers 30: „Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen. Darum seid wachsam! Und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht abgelassen habe, jeden unter euch unter Tränen zu ermahnen.“
Paulus warnt: Die Falschspieler werden keine Ruhe lassen. Die stürmischen Winde werden sich immer wieder erheben. Das wird nie aufhören, solange diese Erde steht.
Darum ist es für gesundes Gemeindewachstum so wichtig, dass wir die Geister prüfen, die Konzepte, Theorien, Methoden und Meinungen prüfen. Diese Herausforderung ist heute mindestens genauso dramatisch wie für die Zeitgenossen des Paulus.
Nächste Woche bin ich zu Vorträgen in Moskau für einige Tage. Die Themen dort sind im Grunde dieselben wie hier in Deutschland. Es geht um die Winde, die in die Gemeinden hineinströmen, zum Beispiel die Überfremdung der Seelsorge durch Psychotherapiekonzepte, die aus atheistischem Hintergrund kommen.
Es geht um die Fehlprägung des biblischen Verständnisses von Gesundheit, Krankheit und Heilung durch bestimmte falsche Lehren der charismatischen Bewegung, die sich in den letzten Jahrzehnten massiv in Russland ausgebreitet haben.
Es geht um die Folgen der Globalisierung, die immer mehr Druck auf die Gemeinde ausübt, sich anzupassen und andere Religionen als wahr anzuerkennen. Es sind ganz ähnliche Themen und Fragen, die uns auch hier bewegen. Es sind die gleichen Winde.
Paulus sagt: Nehmt das ernst! Achtet darauf! Die Prüfung der Geister ist wichtig und unverzichtbar für gesundes Gemeindewachstum. Wir können uns keine Naivität leisten.
Wir können nicht einfach sagen: „Der Herr wird uns schon bewahren, wir müssen uns nicht so eng und verbissen sehen, es wird schon irgendwie gehen, seid nicht so besorgt.“ Das sagt Paulus: geht nicht! Das können wir uns nicht leisten. Das hat Christus nicht gewollt.
Darum sagt Paulus in 1. Korinther 14,20: „Liebe Brüder, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht, sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht; im Verstehen aber seid vollkommen.“
Das heißt: Ihr dürft ruhig naiv sein, wenn es darum geht, euch böse Sachen auszudenken. Aber ihr sollt nicht naiv sein im Verstehen. Ihr sollt kapieren, was läuft. Ihr solltet lernen, den Maßstab des Wortes Gottes auf die dramatischen Herausforderungen eurer Zeit anzuwenden.
Das ist die Prüfung der Geister, ein wichtiges Kriterium des Gemeindeaufbaus.
Was meint Paulus damit nicht? Paulus meint keine kalte Verbissenheit. Es kann ja auch passieren, dass wir plötzlich ein System im Kopf haben und dieses durchsetzen wollen, ohne Rücksicht auf die Menschen dahinter. Das meint Paulus nicht.
Er sagt nicht: blinder Fanatismus, um ein kaltes System durchzusetzen. Darum fügt er eine vierte PR-Maßnahme an, die für das Gemeindewachstum unverzichtbar ist.
Erstens: Predigt des Wortes. Zweitens: Prägung der Heiligen. Drittens: Prüfung der Geister. Viertens: die Praxis der Liebe.
Vers 15 sagt: „Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe.“ Die Praxis der Liebe ist mehr als nur ein Gefühl oder eine Neigung.
Was ist Liebe? Liebe ist in der Bibel die Bereitschaft, dem anderen Gutes zu tun. Die Bereitschaft, dem anderen das zu geben, was er wirklich braucht. Liebe zielt in der Bibel immer auf Praxis, auf Tun.
Wir hatten viele Jahre Kontakt zu einem älteren Professor aus Köln. Er ist letztes Jahr gestorben. Dieser Professor war Wirtschaftswissenschaftler und kam immer wieder auf diesen Vers 15 zu sprechen. Es war wahrscheinlich sein Lieblingsvers in der Bibel: „Wahrsein in Liebe.“
Obwohl er kein Theologe war, zitierte er es oft griechisch: „Aletoien en Agape.“ Danach hat dieser Mann auch gelebt.
Er war ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Wahrheit der Bibel. Er wurde Gründungsvorsitzender der Studiengemeinschaft Wort und Wissen. Das ist eine Organisation, in der sich Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen zusammengefunden haben, um das biblische Zeugnis von der Schöpfung ernst zu nehmen und sich mit anderen naturwissenschaftlichen Theorien auseinanderzusetzen.
Diese Organisation hat sich sehr verdient gemacht in der Debatte um Schöpfung oder Evolution und kämpft bis heute für die Wahrheit der Bibel in allen Lebensbereichen. Er hat sie mitgegründet.
Er war ein Kämpfer, aber zugleich ein geduldiger, liebevoller Mensch, der trotz seines Fachwissens um sich herum eine Atmosphäre von Güte verbreitete. Viele seiner Studenten nannten ihn liebevoll „Papa Ellinger“, nicht weil er nachlässig gewesen wäre, sondern weil er Verständnis hatte und sich auch um private Sorgen kümmerte.
Er sagte in der Vorlesung: „Wenn Sie Probleme haben, können Sie zu mir kommen. Ich bin bereit, Ihnen zu helfen.“
Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen mit ihren vielen Individualisten wäre wohl nie zusammengewachsen ohne diesen Vorsitzenden, der hunderte Kilometer reiste, um Kollegen zu besuchen, sie zu ermutigen, zu trösten und zu unterstützen.
Wahrsein in Liebe – dafür war er mir ein großes Vorbild.
Das ist für gesundes Gemeindewachstum so wichtig: Wahrheit und Liebe gehören untrennbar zusammen. Oft werden sie gegeneinander ausgespielt.
In manchen Gemeinden wird Gemeindezucht verhindert, weil man sagt: „Das ist lieblos, wenn wir jemanden ausschließen, der etwas getan hat.“ Darum gibt es in manchen Gemeinden keine Gemeindezucht mehr.
Sicher wurde Gemeindezucht an vielen Stellen brutal, kalt und lieblos betrieben. Das war falsch. Aber eigentlich hat Gemeindezucht das Ziel, die Gemeinde soll dem Herrn gehorsam sein – Liebe zu Gott – und gleichzeitig die Betroffenen gewinnen und ihnen helfen, zu einer Erkenntnis zu kommen.
Wahrheit und Liebe dürfen nie gegeneinander ausgespielt werden. Wir Menschen sind immer in der Gefahr, dass uns das unterläuft. Darum brauchen wir die Korrektur Gottes.
Das ist die vierte PR-Maßnahme: die Praxis der Liebe.
Manche übersetzen den Vers auch so: „Lasst uns die Wahrheit in Liebe sagen.“ Also nicht wie einen nassen Lappen dem anderen um die Ohren hauen.
Das gilt auch für die Art, wie wir das Evangelium weitersagen – die Wahrheit über Rettung aus Sünde, Tod und Hölle. Wir sollen es fest und freundlich sagen, deutlich, aber nicht wie eine Keule über den Kopf.
Bei allem Engagement und Leidenschaft sollen wir zeigen: Ich meine es gut mit dir, ich will dir helfen. Die Verkündigung des Evangeliums ist ein Akt der Liebe, und das soll deutlich werden.
Wahrheit in Liebe sagen ist sicher enthalten, aber Paulus meint mehr. Es geht ihm um unseren gesamten Lebensvollzug.
Darum sollte man den Anfang von Vers 15 so übersetzen: „Lasst uns wahr sein in der Liebe.“ Unsere ganze Existenz, auch wie wir miteinander umgehen, soll von einer Liebe bestimmt sein, die sich am objektiven Maßstab der Wahrheit ausrichtet.
Was heißt lieben? Lieben heißt, dem anderen Gutes tun. Lieben heißt, sich am Bedarf des anderen zu orientieren, was er wirklich braucht und was gut für ihn ist.
Das erkenne ich nicht unbedingt an dem, was er sich wünscht. Denken Sie an die Kindererziehung: Wenn wir Kindern alles geben, was sie sich wünschen, wäre das nicht liebevoll, sondern oft sehr lieblos. Denn Kinder – und manchmal auch Erwachsene – wünschen sich Dinge, die ihnen nicht guttun.
Wenn ich dem anderen das geben will, was er wirklich braucht, muss ich mich am Maßstab der Liebe orientieren und fragen, was er von Gott her braucht.
Man kann unser Leben mit einem Auto vergleichen: Die Liebe ist der Motor, der innere Antrieb, dem anderen dienen zu wollen. Die Wahrheit ist das Lenkrad, das die Kraft des Motors in die richtige Richtung lenkt, nach dem Kursbuch der Bibel, wo es für ihn gut ist.
So wächst die Praxis der Liebe als eine ganz entscheidende PR-Maßnahme des Gemeindewachstums.
Menschlich gesehen ist das eine Überforderung. Wir schaffen es nicht immer, so lieb zu sein, wie wir es gerne wollten. Manchmal gehen uns die Gäule durch, uns fehlt Geduld, manchmal auch die Bereitschaft, uns in den anderen hineinzuversetzen. Manchmal sind wir genervt und wollen nicht lieb sein.
Das ist unser Problem, weil wir noch Sünder sind und mit vielen Widerständen in uns selbst zu kämpfen haben. Aber Jesus hat gesagt, dass zu unserer Reifung im Glauben auch das Wachsen in der Liebe dazugehört.
Wir werden immer wieder aus der Spur laufen und schuldig werden, auch aneinander. Doch der Herr will uns diese Liebe schenken.
Im Galaterbrief, Kapitel 5, beschreibt Paulus, was der Heilige Geist in uns bewirkt. Er lässt Früchte wachsen – und die erste Frucht ist die Liebe.
Galater 5,22: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit.“
An erster Stelle steht die Liebe. Diese Grundgesinnung will der Herr uns schenken: wirklich dem anderen das geben, was ihm gut tut, und dabei die eigenen Widerstände überwinden.
Jesus hat seinen Jüngern vorausgesagt: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ Das soll euer Markenzeichen sein, auch in der Art, wie ihr miteinander umgeht.
Diese Liebe bedeutet nicht, dass ihr „Fünfe gerade sein lasst“ oder Wischiwaschi-Christen werdet, die es allen recht machen wollen. Diese Liebe bedeutet nicht, dass ihr eure Leidenschaft für die Wahrheit aufgebt.
Leidenschaft für die Wahrheit heißt auch, bereit zu sein, Unwahrheit beim Namen zu nennen. Wenn Jesus sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, dann heißt das auch: Alle anderen Wege, die sich neben ihm als Konkurrenz positionieren, sind Unwahrheit und führen ins Verderben.
Der Herr bindet uns an seine Wahrheit. Die Prüfung der Geister ist unverzichtbar. Aber Jesus sagt, das Ganze soll verbunden sein mit der Praxis der Liebe, die er uns schenken und in unserem Leben wachsen lassen will.
Lasst uns darum den Herrn bitten, dass er uns diese dritte und vierte PR-Maßnahme schenkt: dass die Prüfung der Geister immer mehr Wirklichkeit wird und dass die Praxis der Liebe uns ein Herzensanliegen wird – in unserem Umgang miteinander und mit Menschen, die noch nicht zur Gemeinde Jesu Christi gehören.
So werden wir, so Gott will, in der nächsten Woche noch eine fünfte und sechste PR-Maßnahme in diesem Text entdecken, die Gott uns verordnet hat, und wir werden sehen, wie der Herr das Wachstum seiner Gemeinde schenkt.
Er will uns alle in diesen Prozess mit hineinziehen und gebrauchen. Darum lasst uns das mit in die neue Woche nehmen: den Herrn darum bitten, dass er uns zeigt, wie wir am Wachstum seiner Gemeinde mitwirken können. Wie wir uns einbringen sollen und wie er uns als seine Werkzeuge gebrauchen will, um seiner Gemeinde zu dienen.
Als große Ermutigung zum Schluss: Gott kann wirklich jeden gebrauchen, der ihm gehört und Jesus Christus nachfolgt.
Zum Schluss erzähle ich Ihnen, was einem Missionarsehepaar passiert ist. Bill und Jenny Morris aus Amerika waren in einem besonders schwierigen Aufgabenbereich an der Grenze nach Tibet tätig, wo sich kaum jemand hingewagt hatte.
Sie merkten, die Bevölkerung steckte fest in einem finsteren Götzendienst. Sie fragten sich, wie sie dort Gemeinde Jesu Christi bauen und neues geistliches Leben entstehen lassen sollten. Alles schien tot, die Menschen abweisend.
Sie predigten sieben Jahre lang treu, doch es schien, als sprächen sie gegen eine Wand. Sie lernten die Sprache der Menschen, versuchten, ihnen die Liebe Gottes zu zeigen, aber es tat sich nichts, das Mut machte.
Dann, im siebten Jahr, geschah Folgendes: Das Missionarsehepaar bekam ein erstes Kind, ein kleines Mädchen namens Betsy. Als Betsy begann, auf allen Vieren herumzukrabbeln, sahen die Dorfbewohner sie an und lächelten – das war der erste Sympathieträger.
Dann lernte Betsy sprechen, in der Sprache der Menschen. Die Eltern unterwiesen sie im Wort Gottes, brachten ihr Bibelverse und christliche Lieder bei. Wenn Betsy mit ihren Freunden spielte, zitierte sie Bibelverse und sang Lieder über das Evangelium.
So geschah ein Wunder: Aus dem Mund dieses kleinen Mädchens hörten die Menschen das Evangelium von Jesus Christus. Gott gebrauchte das.
Bald darauf bekehrte sich der erste Mensch in diesem Gebiet. Acht junge Christen trafen sich, lasen das Evangelium und bereiteten sich gezielt darauf vor, es im Stammesgebiet zu verbreiten.
Alles begann mit der kleinen Betsy, die ihr auswendig gelerntes Wort Gottes und die Lieder weitergab. Gott benutzte sein Wort, seine Wahrheit, um die Herzen der Menschen zu verändern.
Es kommt nicht auf uns an, nicht auf unsere Größe oder Genialität. Es kommt nicht darauf an, trickreiche Methoden anzuwenden, um Gemeindewachstum zu erzielen. Es kommt auf den Herrn an.
Wir wollen Werkzeuge in seiner Hand sein, ihm treu sein und immer mehr von seinem Wort lehren. Das sind die entscheidenden PR-Maßnahmen beim Gemeindewachstum: die Predigt des Wortes, die Prägung der Heiligen, die Prüfung der Geister und die Praxis der Liebe.
In einer Woche werden wir, so Gott will, die fünfte und sechste Maßnahme kennenlernen.
Gott möge uns als Gemeinde segnen und wachsen lassen nach seinem Willen und durch seine Kraft. Amen.
Die erste PR-Maßnahme: Die Predigt des Wortes
Und gegen all diese Anleihen bei weltlichen Methoden zeigt Paulus uns hier in diesen wenigen Versen einige PR-Maßnahmen ganz anderer Art – PR-Maßnahmen, auf die wir bei unserem Gemeindeaufbau achten sollen.
Die erste PR-Maßnahme, die wir vor zwei Wochen kennengelernt hatten, war die Predigt des Wortes. Die Predigt des Wortes ist die entscheidende Methode, mit der Gott seine Gemeinde baut. Gott setzt Leute ein, die sein Wort predigen und lehren. Das war das erste Prinzip, das wir in Vers 11 gesehen haben. Er hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten – das war die Zeit, in der die Gemeinde gegründet wurde und die Bibel noch nicht fertig war – und dann einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes.
Das ist also das erste Kriterium, der erste Maßstab, nach dem man sich eine Gemeinde aussuchen sollte: Wird dort das Wort Gottes treu und gründlich gepredigt? Das ist die erste PR-Maßnahme, die Paulus zum Gemeindewachstum hier fordert: die Predigt des Wortes. Wenn eine Gemeinde gesund wachsen soll, dann braucht sie zuallererst die Predigt des Wortes.
Darum beruft Gott Evangelisten, darum beruft Gott Hirten und Lehrer. Jesus selbst hat dieses Prinzip vorgelebt. Bei allem, was er sonst noch getan hat – geheilt, andere Wunder vollbracht, mit Menschen gesprochen – war der Schwerpunkt seines Dienstes die Predigt. Wir haben letztes Mal gesehen, wie er das weitergegeben hat an seine Apostel. Die waren zuerst Prediger. Die Apostel haben dann ihrerseits wieder Leute ausgebildet zum Predigen. So wurde der Staffelstab weitergegeben bis in unsere Zeit.
Die Kirchengeschichte dort, wo sie im Segen verlaufen ist, ist eine Geschichte der Predigt. Kirchengeschichte ist Predigtgeschichte. Und wo vollmächtig gepredigt wurde, da schenkte Gott Segen und Gnade. Nicht immer kamen die Massen – das ist Gottes souveränes Geschenk, in welcher Größenordnung er dann Frucht schenkt. Aber dort war echter Segen, wo das Wort Gottes treu gepredigt wird.
Das war die erste PR-Maßnahme, die Paulus uns hier ans Herz gelegt hat. Darin liegt nicht nur eine Aufgabe für jene Männer, die berufen sind zu predigen, sondern auch eine große Aufgabe für die Gemeinde, die berufen ist zu hören. Verkündigung zu hören ist eine ausgesprochen aktive Arbeit. Es ist die Verantwortung jedes Christen, sich darum zu bemühen, bibeltreue Verkündigung zu suchen.
Es ist eine geistliche Aufgabe jedes Christen, Anteil zu haben an diesem Prozess der regelmäßigen Verkündigung des Wortes Gottes. Darum ist es auch für jeden Christen wichtig, dass er versucht, sich treu und regelmäßig zum Gottesdienst zu halten, um die Predigt des Wortes Gottes in der Gemeinschaft der anderen Christen regelmäßig und treu zu hören.
Das ist eine Aufgabe, die nicht nur dem Prediger von Gott übertragen ist, sondern der ganzen Gemeinde: sich der Verkündigung aussetzen, gemeinsam mit offenem Herzen und aufgeschlagener Bibel. Wir sind dankbar für alle technischen Möglichkeiten über das Internet. Viele, die aus irgendwelchen Gründen mal nicht kommen können, haben dadurch die Möglichkeit, das zu hören. Außerdem erreichen wir dadurch auch viele Menschen außerhalb unserer Stadt Hannover, wie wir wissen. Das ist eine gute Möglichkeit.
Und doch ist es ein besonderes Vorrecht, wenn man als Gemeinde gemeinsam die Predigt hören und Gott darauf antworten kann. Das ist nicht einfach durch ein Hören mal über MP3 zu ersetzen.
Die zweite PR-Maßnahme: Die Prägung der Heiligen
Also, die Predigt des Wortes ist die erste PR-Maßnahme.
Wir haben gesehen, dass diese Predigt des Wortes nicht zur Unterhaltung gedacht ist, sondern auf die Prägung der Heiligen abzielt. Das ist die zweite PR-Maßnahme: die Prägung der Heiligen, damit laut Vers 12 die Heiligen, also die Gemeindeglieder, zum Werk des Dienstes zugerüstet werden.
Die Prägung der Heiligen, also der Christen, ist die zweite PR-Maßnahme. Die Christen sollen nicht nur die Predigt genießen, sich darüber ärgern oder sich dabei langweilen. Vielmehr sollen sie die Predigt aktiv hören.
Was kann ich daraus für mich ziehen – an Ausrichtung, Stärkung, Korrektur, Ermutigung oder neuer Instruktion zum Dienst? Was will Gott mir dadurch sagen? Das ist aktives Predigthören. Die Prägung der Heiligen geschieht dadurch, dass Gottes Wort verkündigt wird.
Wunderbar, wie das zusammenkommt: Das allgemeine Priestertum bedeutet, dass jeder Christ in unmittelbarer Verantwortung vor Gott steht (Vers 12). Die Heiligen sollen alle zugerüstet werden. Die speziellen Ämter und Dienste, die Gott in Vers 11 eingerichtet hat – die Hirten, Evangelisten und Lehrer – stehen dem nicht entgegen.
Diese Ämter und Dienste sind nicht in Spannung zueinander, sondern die Hirten, Lehrer und Verkündiger sollen die Heiligen zurüsten, damit diese ihren Dienst für Gott umso besser tun können. Das ist ein dynamischer Prozess. Wo diese Dynamik greift, kann Gemeinde reifen.
Das hat Paulus in Vers 13 gesagt: Prägung der Heiligen bedeutet, den Heiligen zu helfen, im Glauben zu reifen und stark zu werden.
Das geschieht in erster Linie dadurch, dass der Christ in der Erkenntnis des Sohnes Gottes wächst, wie Paulus in Vers 13 erklärt. Das heißt, dass wir Jesus besser kennenlernen, in unserer Verbindung zu ihm wachsen, ihn besser verstehen und ihm treuer dienen – das ist die Prägung der Heiligen.
So weit waren wir vor zwei Wochen gekommen: die Predigt des Wortes und die Prägung der Heiligen.
Die dritte PR-Maßnahme: Die Prüfung der Geister
Und ab Vers 14 legt Paulus uns dann eine dritte PR-Maßnahme zum Gemeindewachstum ans Herz. Wohin soll die Prägung der Heiligen nämlich führen? Wozu will Jesus den reifenden Christen befähigen?
Vers 14 sagt: Damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen, durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.
Was will Jesus? Jesus will, dass seine Gemeinde urteilsfähig wird. Er möchte, dass seine Gemeinde in die Lage kommt, zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu unterscheiden, zwischen rechter Lehre und falscher Lehre.
Wir sollen als Christen urteilsfähig werden. Darum erfordert gesundes Gemeindewachstum drittens die Prüfung der Geister. Das ist die dritte PR-Maßnahme: die Prüfung der Geister.
Das hat schon im Hebräerbrief gestanden, Kapitel 13: Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben!
Und damit wir besser verstehen, was mündig bedeutet – ein mündiger Christ –, malt Paulus hier in diesem Vers 14 das Gegenteil vor Augen. Was ist der unmündige Christ?
Der unmündige, der unreife Christ wird von Paulus beschrieben wie ein hilfloses Boot, unmündig von jedem Wind einer Lehre bewegt und umhergetrieben, von stürmischen Wellen hin und her geschleudert. Das ist hier gemeint.
Ein solches Boot wird immer gerade in die Richtung geschleudert, in die der Wind weht. Und wenn der Wind sich dreht, dann dreht sich das Bötchen auch wieder in die andere Richtung und wird zack wieder in die andere Richtung geworfen.
Ich erinnere mich noch sehr gut: Sie haben bestimmt schon einmal etwas Ähnliches erlebt, zum Beispiel bei der Fahrt mit einer Autofähre von Hull in England nach Rotterdam.
Und da ging das ganz ruhig und sachte los. Am Morgen, als man aufwachte, war man froh, durch so einen Gurt in der Koje gehalten zu werden, denn das Schiff ging hin und her. Wenn man aufstehen wollte, musste man sehr genau darauf achten, die Balance zu halten. Die Teetasse, die auf dem Boden stand, kippte fast um.
Das ist das Bild, das Sie sich vorstellen müssen. Das war noch ein großer Dampfer, eine Autofähre, und trotzdem wurde sie hin und her geworfen.
Paulus beschreibt diese Situation und sagt: So ist der Christ, der sich nicht fest in Gottes Wort verankert hat. So geht es einer Gemeinde, die sich nicht regelmäßig gründlich mit der Bibel beschäftigt und die nicht von der Bibel aus die verschiedenen Strömungen der Zeit miteinander untersucht.
Wer etwas beurteilen will, der braucht einen Maßstab. Paulus hat mal gesagt in 2. Korinther 10: Wir wollen jeden Gedanken, der sich erhebt gegen die Erkenntnis Christi, gefangen nehmen unter dem Gehorsam gegenüber Jesus.
Das können Sie in Ruhe nachlesen, 2. Korinther 10, Vers 5.
Wer etwas beurteilen will, braucht einen Maßstab. Wir wollen jeden Gedanken, sagt Paulus, gefangen nehmen, einordnen unter dem Gehorsam gegenüber Jesus Christus.
Und wenn nun ein Christ oder auch eine ganze Gemeinde ohne regelmäßige gesunde biblische Lehre lebt, dann wird sie ein Spielball von theologischen Modeerscheinungen. Dann wird sie ein Spielball von ständig wechselnden Meinungen. Dann wird sie auch anfällig für falsche Lehren.
Dann wird sie anfällig, wenn diese Lehren nur entsprechend geschickt und scheinbar fromm verkauft werden, wenn man ihnen das Etikett aufklebt: „Das ist evangelistisch“, oder wenn man so ein paar fromme Worte drumherum macht.
Dann schauen manche gar nicht mehr, was denn nun der Inhalt präzise ist, sondern sagen: „Ach, das wird hier vom Christen angeboten, das wird schon stimmen, das wird schon okay sein.“
Wie viele Gemeinden, die einmal gut angefangen hatten, sind wie ein führungsloses Schiff vom Kurs abgekommen! Warum? Weil die Wellen des Zeitgeistes stärker waren als die Verankerung in Gottes Wort.
Sie sind abgekommen vom Kurs, weil sie sich nicht mehr strikt nach dem untrüglichen Kompass richteten, nämlich nach der Bibel, sondern weil sie freihändig mit dem Steuer dorthin ruderten oder steuerten, wo es ihnen gerade richtig erschien.
Und dann fragte man irgendwann nicht mehr danach, ob das mit der Bibel in Übereinstimmung zu bringen ist, sondern man fragte: Ist es stilvoll? Ist es ansprechend? Ist es erfolgsversprechend? Fühlen wir uns gut dabei? Ist es modern? Oder wie auch immer.
Und so weht der Wind immer mal wieder von einer anderen Seite in das Schiff der Gemeinde hinein.
Ich denke zum Beispiel an einen solchen Wind: den Alphakurs. Der sagt sicherlich viel Gutes und Richtiges. Der Alphakurs aber, wenn man ihn genauer betrachtet, verkürzt das Evangelium vom Kreuz. Er informiert die Leute nicht vollständig darüber, was das Evangelium in seinem Kern bedeutet.
Unter so einem anderen Wind, der in die Gemeinde hineinbläst, ist diese ökumenische Tendenz, mit der wir es zurzeit ständig zu tun haben.
Man bekommt so den Eindruck, auch katholisch und evangelisch sei ja eigentlich im Prinzip das Gleiche. Hätte es nie eine Reformation geben müssen.
Oder gewisse Einflüsse fremder Religionen: Stellen Sie sich vor, zu Beginn der Osterwoche wurde in einer sogenannten evangelischen Kirche in Bochum, in der Christuskirche, von Christen und Moslems miteinander der Geburtstag Mohammeds gefeiert.
Ja, da hat sich schon der Sturm zum Orkan ausgeweitet. Die Leute merken scheinbar überhaupt nichts mehr.
Manchmal kommt dieser Sturm in die Gemeinde aber auch hinein, dadurch, dass bestimmte ethische Grundsätze unterspült und ausgehöhlt werden. Zum Beispiel, dass in manchen Jugendkreisen nicht mehr klar ist, dass ein Zusammenleben ohne Trauschein, wenn das junge Paar das tut, gegen den Willen Gottes steht.
Das ist in manchen Jugendkreisen nicht mehr klar, dass der Geschlechtsverkehr in die Ehe hineingehört.
Das ist auch so ein Wind, der so manche Jugendkreise unterspült hat.
Es gibt also viele verschiedene Winde, und Paulus warnt uns davor, diese Gefahr zu unterschätzen, die von falschen Lehren und von falschen Meinungen ausgehen kann.
Die Gefahr der Täuschung und die Rolle des Teufels
Und darum bringt er hier in Vers 14 noch ein zweites Beispiel, nicht nur das von dem Schiff, das so hin und her geschmissen wird, sondern das Beispiel vom Würfelspiel. Das steckt dahinter. Wenn Sie den Vers zu Ende lesen, heißt es, dass wir uns umtreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. Damit ist das Würfelspiel gemeint, vom griechischen Begriff her.
Paulus sagt: Leute, passt auf, es sind Falschspieler am Werk. Es sind Betrüger da, die mit List und Tücke, also sehr geschickt, versuchen, uns vom Kurs wegzuziehen, ohne dass wir es merken. Wohlgemerkt, das will ich sehr deutlich sagen: Nicht jeder, der falsche Lehren verbreitet, tut dies mit böser Absicht, ganz bestimmt nicht. Viele, die ihrerseits falsche Lehren ausbreiten, sind selbst Opfer dieser falschen Lehren geworden und wissen es nicht besser. Das müssen wir auch fairerweise immer wieder eingestehen.
Aber Paulus sagt, dahinter, die Drahtzieher im Hintergrund verfolgen Ziele und Pläne, die sie oft nicht offen auf den Tisch legen. Denn wenn wir diese Pläne von Anfang an kennen würden, würden wir ihnen die Gefolgschaft sofort verweigern. Und der letzte, der wirkungsvollste Fallspieler hinter allen anderen Fallspielern ist der Teufel selbst, den die Bibel den Lügner von Anfang an nennt.
Ich kann mir vorstellen, dass Paulus bei diesen Worten hier in Vers 14 auch an eine Situation gedacht hat, die mal in dieser Gemeinde geschehen ist, an die er diesen Brief zuerst schreibt, nämlich in Ephesus. Das können Sie nachlesen in der Apostelgeschichte Kapitel 20, als Paulus mit den Gemeindeleitern aus Ephesus zusammentrifft und weiß, dass er sie wahrscheinlich in diesem Leben nicht mehr sehen wird.
Dort führt er noch ein sehr ernstes, sehr bewegendes Gespräch mit den Ältesten. Alle liegen sich in den Armen und weinen. Es ist wirklich ein dramatischer Abschied. Paulus weiß, er muss ihnen jetzt noch einmal einige entscheidende Leitlinien mitgeben. Und da sagt er in Apostelgeschichte 20 ab Vers 30:
„Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Lehren bringen, um die Jünger an sich zu ziehen. Darum seid wachsam! Und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht abgelassen habe, jeden unter euch unter Tränen zu ermahnen.“
Paulus sagt also: Macht euch keine Illusionen. Die Falschspieler werden keine Ruhe lassen, sie werden euch keine Ruhe lassen. Die stürmischen Winde werden sich immer wieder erheben. Das wird nie aufhören, solange diese Erde steht.
Darum ist es für ein gesundes Gemeindewachstum so wichtig, dass wir die Geister prüfen, dass wir die Konzepte prüfen, die Theorien prüfen, die Methoden prüfen, die Meinungen prüfen. Ich sage Ihnen: Diese Herausforderung ist für uns heute mindestens genauso dramatisch wie für die Zeitgenossen des Paulus.
Nächste Woche bin ich zu Vorträgen in Moskau für einige wenige Tage, und die Themen, die wir dort behandeln werden, die bei diesem Kongress behandelt werden sollen, sind im Grunde dieselben, wie wir sie auch hier in Deutschland behandeln. Es geht um die Winde, die in die Gemeinden hineinströmen.
Es geht beispielsweise um die Überfremdung der Seelsorge durch Psychotherapiekonzepte, die aus einem ganz atheistischen Hintergrund kommen. Es geht um die Fehlprägung des biblischen Verständnisses von Gesundheit, Krankheit und Heilung durch bestimmte falsche Lehren der charismatischen Bewegung, die sich gerade in den letzten beiden Jahrzehnten massiv in Russland ausgebreitet haben.
Es geht um die Folgen der Globalisierung, die immer mehr Druck auf die Gemeinde ausüben, sich anzupassen und auch andere Religionen als wahr anzuerkennen. Es sind ganz ähnliche Themen und Fragen, die uns auch hier in Deutschland bewegen. Es sind die gleichen Winde.
Paulus sagt: Nehmt das ernst! Achtet darauf, die Prüfung der Geister ist wichtig und unverzichtbar für ein gesundes Gemeindewachstum. Wir können uns keine Naivität leisten. Wir können nicht einfach unter Berufung auf die Bibel sagen: „Ach, der Herr wird uns schon bewahren, wir müssen uns alles nicht so eng und verbissen sehen und uns so ernst nehmen, es wird schon alles irgendwie gehen, seid mal nicht so besorgt.“
Das sagt Paulus: Geht nicht, das können wir uns nicht leisten. Das hat Christus nicht gewollt. Darum sagt er mal so schön in 1. Korinther 14,20:
„Liebe Brüder, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht, sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht; im Verstehen aber seid vollkommen.“
Das heißt: Ihr dürft ruhig ein bisschen naiv sein, wenn es darum geht, euch irgendwelche bösen Sachen auszudenken. Da sollt ihr ruhig Kinder sein. Aber ihr sollt nicht Kinder sein im Verstehen. Ihr sollt kapieren, was läuft. Und ihr solltet lernen, den Maßstab des Wortes Gottes anzuwenden auf die dramatischen Herausforderungen eurer Zeit.
Das ist die Prüfung der Geister, also ein wichtiges Kriterium des Gemeindeaufbaus.
Die vierte PR-Maßnahme: Die Praxis der Liebe
Was meint Paulus damit nicht? Paulus spricht hier nicht von einer kalten Verbissenheit. Das ist ganz wichtig. Es kann ja durchaus passieren, dass wir ein festes System im Kopf haben und dieses durchsetzen wollen, ohne Rücksicht auf die Menschen dahinter. Das meint Paulus nicht. Er spricht nicht von blindem Fanatismus, um ein kaltes System durchzusetzen.
Deshalb fügt Paulus eine vierte PR-Maßnahme hinzu, die für das Gemeindewachstum unverzichtbar ist. Erstens ist es die Predigt des Wortes, zweitens die Prägung der Heiligen, drittens die Prüfung der Geister, und viertens spricht er von der Praxis der Liebe. In Vers 15 heißt es: „Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe.“ Die Praxis der Liebe ist mehr als nur ein Gefühl oder eine Neigung.
Was ist Liebe? In der Bibel ist Liebe die Bereitschaft, dem anderen Gutes zu tun, der Drang, dem anderen das zu geben, was er wirklich braucht. Liebe zielt in der Bibel immer auf Praxis, auf Tun.
Wir hatten viele Jahre Kontakt zu einem älteren Professor aus Köln, der letztes Jahr gestorben ist. Er war Wirtschaftswissenschaftler und kam immer wieder auf diesen Vers 15 zu sprechen. Wahrscheinlich war das sein Lieblingsvers in der Bibel: „Wahrsein in Liebe.“ Obwohl er kein Theologe, sondern Wirtschaftswissenschaftler war, zitierte er den Vers immer wieder auf Griechisch: „Aletoien en Agape.“ Danach hat dieser Mann auch gelebt.
Er war ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Wahrheit der Bibel und wurde Gründungsvorsitzender der Studiengemeinschaft Wort und Wissen. Diese Organisation bringt Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen zusammen – Naturwissenschaftler und Geisteswissenschaftler –, um das biblische Zeugnis von der Schöpfung ernst zu nehmen. Das gilt besonders im Umgang mit anderen naturwissenschaftlichen Theorien.
Diese Studiengemeinschaft hat sich sehr verdient gemacht in der Debatte um Schöpfung und Evolution. Sie kämpft bis heute für die Wahrheit der Bibel in allen Lebensbereichen. Er war ein Kämpfer, aber zugleich ein geduldiger und liebevoller Mensch. Trotz seines großen Respekts, den man ihm allein wegen seiner fachlichen Kapazität entgegenbrachte, verbreitete er um sich herum eine Atmosphäre von Güte.
Viele seiner Studenten in Köln nannten ihn liebevoll „Papa Ellinger“, wenn er nicht dabei war und es nicht hörte. Nicht, weil er nachlässig oder trottelig gewesen wäre, sondern weil er für jeden Verständnis hatte. Er kümmerte sich auch um seine Studenten, wenn sie private Sorgen hatten. In der Vorlesung sagte er: „Wenn Sie Probleme haben, können Sie zu mir kommen, und ich bin bereit, Ihnen zu helfen.“
Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen besteht aus vielen komplizierten Wissenschaftlern, und Forscher sind oft Individualisten mit speziellen Vorstellungen, Eitelkeiten und Empfindlichkeiten. Diese Gemeinschaft wäre wohl nie zusammengewachsen oder beieinander geblieben, wenn dieser Vorsitzende nicht Hunderte von Kilometern zurückgelegt hätte, um einzelne Kollegen zu besuchen, sie zu ermutigen, weiterzumachen, zu trösten und zu unterstützen.
Es war wirklich vorbildlich, wie dieser Professor gewirkt hat. „Wahrsein in Liebe“ – dafür war er mir ein großes Vorbild. Und das ist für gesundes Gemeindewachstum so wichtig: Wahrheit und Liebe sind untrennbar verbunden.
Oft werden sie gegeneinander ausgespielt. In manchen Gemeinden wird Gemeindezucht verhindert mit dem Argument, dass sie lieblos sei. Man sagt dann: „Das ist aber lieblos, wenn ihr jemanden ausschließt, weil er etwas getan hat.“ Deshalb gibt es in manchen Gemeinden prinzipiell keine Gemeindezucht mehr.
Sicher wurde Gemeindezucht an vielen Stellen brutal, kalt und lieblos betrieben, und das war falsch. Aber eigentlich hat Gemeindezucht ein Doppelmotiv der Liebe: Erstens die Liebe zu Gott, die Gemeinde will dem Herrn gehorsam sein, auch in der Gestaltung ihres Gemeindelebens. Zweitens die Liebe zu den Betroffenen.
Gemeindezucht hat nie die Absicht, jemanden auszuschließen oder abzuwerten. Wo Gemeindezucht geübt wird, hat sie immer die Funktion, den Betreffenden zu gewinnen und ihm zu helfen, zu einer bestimmten Erkenntnis zu kommen.
Wahrheit und Liebe dürfen nie gegeneinander ausgespielt werden. Wir sind immer in Gefahr, das doch zu tun, weil wir Menschen sind. Da brauchen wir die Korrektur Gottes.
Das ist die vierte PR-Maßnahme: die Praxis der Liebe. Einige übersetzen diesen Vers auch mit „Lasst uns die Wahrheit in Liebe sagen.“ Das bedeutet, die Wahrheit nicht wie einen nassen Lappen dem anderen um die Ohren zu schlagen.
Das gilt auch für die Art und Weise, wie wir das Evangelium weitersagen – die Wahrheit über Rettung aus Sünde, Tod und Hölle. Wir sollen es fest und freundlich sagen, deutlich, aber nicht so, dass wir es dem anderen wie eine Keule über den Kopf hauen. Bei allem Engagement und aller Leidenschaft sollen wir immer deutlich machen: „Ich meine es gut mit dir, ich will dir helfen.“
Die Verkündigung des Evangeliums ist ein Akt der Liebe, und das soll auch deutlich werden. „Wahrheit in Liebe sagen“ ist in diesen Worten sicher mit enthalten, aber das ist noch nicht alles, was Paulus meint.
Es geht ihm nicht nur darum, wie wir die Wahrheit sagen, sondern um unseren gesamten Lebensvollzug. Deshalb sollte man den Anfang von Vers 15 am besten so übersetzen: „Lasst uns wahr sein in der Liebe.“ Das heißt, unsere ganze Existenz und die Art, wie wir miteinander umgehen, soll von einer Liebe bestimmt sein, die sich am objektiven Maßstab der Wahrheit ausrichtet.
Darf ich das noch einmal sagen? Die Art, wie wir miteinander umgehen, und unsere ganze Existenz sollen von einer Liebe bestimmt sein, die sich am Maßstab der Wahrheit orientiert.
Was heißt lieben? Lieben heißt, dem anderen Gutes tun. Lieben heißt, sich am Bedürfnis des anderen zu orientieren, an dem, was er wirklich braucht und was gut für ihn ist. Das erkenne ich nicht unbedingt an dem, was er sich wünscht.
Denken Sie nur an die Kindererziehung: Wie oft wünschen sich Kinder Dinge, die ihnen nicht guttun. Wenn wir ihnen alles geben, was sie sich wünschen, wäre das nicht liebevoll, sondern oft sehr lieblos. Natürlich wünschen sich manchmal auch Erwachsene Dinge, die ihnen nicht guttun.
Wenn ich dem anderen das geben will, was er wirklich braucht, muss ich mich am Maßstab der Liebe orientieren und fragen, was er von Gott her braucht.
So könnte man unser Leben mit einem Auto vergleichen: Die Liebe ist der Motor, der innere Antrieb, dem anderen dienen zu wollen. Die Wahrheit ist das Lenkrad, das die Kraft des Motors in die richtige Richtung lenkt.
Die Liebe ist der Motor, der Antrieb, ich will dem anderen Gutes tun und dienen. Die Wahrheit ist das Lenkrad, das den Antrieb der Liebe lenkt, basierend auf dem Kursbuch der Bibel, wo es für ihn gut ist.
So wächst die Praxis der Liebe als eine ganz entscheidende PR-Maßnahme des Gemeindewachstums.
Menschlich gesehen ist das eine Überforderung. Wir schaffen es nicht immer, so lieb zu sein, wie wir es gerne wollten. Manchmal gehen uns die Gäule durch, uns fehlt Geduld, manchmal auch die Bereitschaft, uns in den anderen hineinzuversetzen. Manchmal sind wir genervt und wollen einfach nicht lieb sein.
Das ist oft unser Problem, weil wir noch Sünder sind und mit vielen Widerständen in uns selbst kämpfen.
Aber Jesus hat gesagt, dass zu unserer Reifung im Glauben auch gehört, dass er uns wachsen lassen will in der Liebe. Wir werden immer wieder vom Weg abkommen und auch aneinander schuldig werden. Doch der Herr will uns diese Liebe schenken.
Im Galaterbrief Kapitel 5 beschreibt Paulus, was der Heilige Geist, der in den Christen wohnt, in uns bewirkt. Paulus sagt, der Heilige Geist lässt in uns Früchte wachsen. Gott wirkt durch seinen Geist und das Wort Gottes an unserem Herzen und bewirkt, dass Früchte wachsen.
Wissen Sie, was die erste Frucht ist, die genannt wird? In Galater 5, Vers 22 heißt es: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit.“ An erster Stelle steht die Liebe.
Diese Grundgesinnung will der Herr uns schenken: dass ich wirklich dem anderen das geben will, was ihm gut tut, und dabei auch die eigenen Widerstände überwinde, die das oft behindern und blockieren.
In diesem Sinne hat Jesus seinen Jüngern schon vorausgesagt: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ Das soll euer Markenzeichen sein, euer Erkennungszeichen, auch in der Art, wie ihr miteinander umgeht.
Diese Liebe bedeutet aber gerade nicht, dass ihr Fünfe gerade sein lasst. Sie bedeutet nicht, dass ihr Wischiwaschi-Christen werdet, die es allen recht machen wollen. Diese Liebe bedeutet nicht, dass ihr eure Leidenschaft für die Wahrheit aufgebt.
Leidenschaft für die Wahrheit bedeutet auch immer, dass wir bereit sind, Unwahrheit beim Namen zu nennen. Wenn Jesus sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, dann heißt das auch, dass alle anderen Wege, die sich neben ihm als Konkurrenz positionieren, Unwahrheit sind. Sie führen ins Verderben und in den Tod.
Der Herr bindet uns an seine Wahrheit. Die Prüfung der Geister ist unverzichtbar. Aber Jesus sagt, das Ganze soll verbunden sein mit der Praxis der Liebe, die er uns schenken will und die er in unserem Leben wachsen lassen will.
Lasst uns also den Herrn darum bitten, dass er uns auch diese dritte und vierte PR-Maßnahme, die der Text uns zeigt, in unserem Gemeindeleben immer mehr Wirklichkeit werden lässt. Dass der Herr uns lehrt, die Geister zu prüfen, und an unseren Herzen arbeitet, damit die Praxis der Liebe ein immer größeres Herzensanliegen wird.
Das betrifft auch die Art, wie wir miteinander umgehen und wie wir Menschen begegnen, die noch nicht zur Gemeinde Jesu Christi gehören.
So werden wir, wenn Gott will, in der nächsten Woche noch eine fünfte und sechste PR-Maßnahme in diesem Text finden, die Gott uns verordnet hat. Dann werden wir sehen, wie der Herr das Wachstum seiner Gemeinde schenkt.
Ermutigung zum Mitwirken am Gemeindewachstum
Er will uns alle in diesen Prozess mit hineinziehen. Darum nehmen wir das mit in die neue Woche: Wir bitten den Herrn, uns zu zeigen, wie wir am Wachstum seiner Gemeinde mitwirken können. Herr, zeige mir bitte, wie ich mich einbringen soll. Zeige mir, wie du mich als dein Werkzeug gebrauchen kannst, um deiner Gemeinde zu dienen.
Als große Ermutigung zum Schluss: Gott kann wirklich jeden von uns gebrauchen, der ihm gehört und Jesus Christus nachfolgt.
Zum Schluss möchte ich Ihnen erzählen, was einem Missionarsehepaar passiert ist. Bill und Jenny Morris aus Amerika kamen in einen besonders schwierigen Aufgabenbereich an der Grenze zu Tibet. Dort hatte sich vorher kaum jemand hingewagt. Bill und Jenny Morris erkannten, dass die Bevölkerung in einem finsteren Götzendienst feststeckte. Sie fragten sich, wie sie dort Gemeinde Jesu Christi bauen sollten, wie Gemeinde wachsen kann und wie neues geistliches Leben entstehen kann. Alles schien tot, und die Menschen waren abweisend.
Sie predigten sieben Jahre lang treu, doch es schien, als sprächen sie gegen eine Wand. Es tat sich scheinbar nichts. Sie lernten mühsam die Sprache der Menschen und versuchten alles, um ihnen mit der Liebe Gottes zu begegnen. Doch es passierte nichts, was ihnen Mut machte.
Im siebten Jahr ereignete sich Folgendes: Das Missionarsehepaar bekam ein erstes Kind, ein kleines Mädchen namens Betsy. Als Betsy begann, auf allen Vieren herumzukrabbeln, sahen die Dorfbewohner sie an und lächelten. Das war der erste Sympathieträger. Später lernte Betsy sprechen – in der Sprache der Menschen vor Ort.
Was taten die Eltern? Sie unterwiesen Betsy im Wort Gottes. Sie brachten ihr Bibelverse bei und christliche Lieder, die das Evangelium weitergaben. Wenn Betsy mit ihren Freunden aus der Umgebung spielte, zitierte sie Bibelverse in der eingeborenen Sprache und sang christliche Lieder. So geschah wirklich ein Wunder: Aus dem Mund dieses kleinen Mädchens, der Missionarstochter, hörten die Menschen das Evangelium von Jesus Christus. Gott gebrauchte das.
Dadurch bekehrte sich der erste Mensch auf diesem Missionsgebiet. Bald darauf trafen sich acht junge Christen, die das Evangelium miteinander lasen. Sie bereiteten sich gezielt vor und wurden von den Missionaren geschult, um das Evangelium im ganzen Stammesgebiet zu verbreiten.
Alles hatte mit der kleinen Betsy begonnen, die Bibelverse auswendig gelernt und Lieder über das Evangelium weitergegeben hatte, die ihre Eltern ihr beigebracht hatten. Gott benutzte sein Wort, weil es die Wahrheit der Bibel ist, um die Herzen der Menschen dort zu verändern.
Es kommt nicht auf uns an, nicht auf unsere Größe oder Genialität. Es kommt nicht darauf an, ob wir trickreiche Methoden anwenden, um Gottes Gemeinde wachsen zu lassen. Es kommt auf den Herrn an.
Wir wollen Werkzeuge in seiner Hand sein. Wir wollen ihm treu sein und deshalb immer mehr von seinem Wort lehren. Die entscheidenden Maßnahmen beim Gemeindewachstum sind die Predigt des Wortes, die Prägung der Heiligen, die Prüfung der Geister und die Praxis der Liebe.
In einer Woche werden wir, so Gott will, noch die fünfte und sechste Maßnahme kennenlernen.
Gott möge uns als Gemeinde segnen und wachsen lassen – nach seinem Willen und durch seine Kraft. Amen.