Gottes Gericht über Babylon und die Rolle der Gerichtswerkzeuge
Wir befinden uns im zweiten Kapitel des Buches Habakuk. In diesem Kapitel werden fünf Wehe über die Babylonier ausgesprochen. Diese Wehe sind Gottes Antwort auf die Frage des Habakuk, warum Gott ein solches Gerichtswerkzeug wählt. Außerdem wird erklärt, wie sich das mit seiner Gnade, seiner Liebe und seiner Heiligkeit verträgt.
Noch einige Gedanken zu diesen Weherufen: Sie begründen das Gericht, das über Babylon kommen muss. Gleichzeitig erklären sie, wie es zusammenpasst, dass Gott sich ein Gerichtswerkzeug erwählt, ihm den Auftrag gibt, Gericht zu üben, und dieses Gericht dann ausgeübt wird. Danach straft Gott jedoch das Gerichtswerkzeug selbst. Man könnte sich fragen, wie das zusammenpasst.
An diesen Weherufen wird deutlich, dass Babylon weit mehr tat, als Gott ihm auftrug. Babylon war nicht nur Gerichtswerkzeug und begnügte sich damit. Stattdessen bereicherte es sich selbst, diente seinen eigenen Lüsten und verfolgte seine eigenen Ziele. Für diesen Hochmut, diese Gier und Bosheit, die Babylon dabei ausübte, ohne von Gott dazu beauftragt zu sein, wird Gott es richten.
Gerichtswerkzeuge in der Heilsgeschichte
Zwei Stellen dazu, eine aus dem Propheten Jesaja und eine aus dem Propheten Sacharja.
In Jesaja Kapitel 10 wird von den Assyrern gesprochen. Hier wird der Assyrer als Rute des Zornes Gottes bezeichnet. Heidnische Könige und Heere sind das Werkzeug des Zornes Gottes, ähnlich wie letztlich auch der Satan ein Werkzeug von Gottes Zorn ist.
In Jesaja 10 heißt es in Vers 5: „He, Assyrer, Ruhe meines Zornes, und der Stock in seiner Hand ist mein Grimm.“ Wiederum wird eine ruchlose Nation gesandt, und gegen das Volk meines Grimmes wird sie entbietet. Diese ruchlose Nation ist Israel.
Weiter heißt es, dass die Assyrer Beute erbeuten und das Volk wie Straßenkot zertreten sollen. Doch er meint es nicht so. Sein Herz denkt nicht so, sondern er hat im Sinn, zu vertilgen und nicht wenige Nationen auszurotten.
Dann folgen Verse, die den Hochmut und Stolz des Assyrerkönigs beschreiben, ähnlich wie bei den Babyloniern. Ab Vers 12 heißt es: „Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich heimsuchen die Frucht der Überhebung, des Herzens des Königs von Assyrien und den Stolz der Hoffart seiner Augen. Denn er hat gesagt: ‚Durch die Kraft meiner Hand und durch meine Weisheit habe ich es getan, denn ich bin verständig.‘“
Das wird Gott rächen und richten an den Assyrern.
Gott hat die Assyrer gerichtet – auf welche Weise oder durch wen? Durch die Babylonier. Das haben wir heute Vormittag und gestern Abend schon gehört: Die Babylonier zerstörten das Assyrerreich. So waren die Babylonier das Werkzeug, das Gott verwendete, um die Assyrer zu richten.
Doch die Babylonier versündigten sich ebenfalls. Deshalb mussten auch sie gerichtet werden. Durch wen? Durch die Perser. Die Perser waren Gottes Gerichtswerkzeug, um die Sünde Babylons heimzusuchen.
Dabei versündigten sich auch die Perser, als sie dieses Gericht vollzogen. Darum mussten auch sie gerichtet werden. Gott suchte sich ein weiteres Gerichtswerkzeug: Alexander den Großen, also eine griechische Macht. Sie richteten die Perser und verschuldeten sich dabei ebenfalls.
So mussten auch sie gerichtet werden, wiederum durch ein menschliches Gerichtswerkzeug – die Römer. So ging es weiter: Die Römer wurden gerichtet durch die wilden Germanen, und so ging das römische Reich unter.
Völker besiegten Völker, und dies war jedes Mal ein von Gott verhängtes Gericht über Völker, die sich verschuldet hatten.
Das ewige Reich des gerechten Gerichts
Und dieser ganze Kreislauf, der scheinbar nie endet, findet erst dann sein Ende, wenn einer kommt, der das Gericht ausübt und sich dabei nicht versündigt.
Dieserjenige wird der Menschensohn Jesus Christus sein, wenn er kommt. Weil er gerecht richtet, wird sein Reich ewig bleiben und niemals untergehen.
Eine passende Stelle dazu findet sich im Psalm 72. Später werde ich auch noch auf Zacharia eingehen. Psalm 72,1-3 lautet: „O gib dem König deine Gerechtigkeit, dem Sohn des Königs deine Rechtsbeständigkeit.“
Dieses Gebet zeigt, dass David – sofern es ein Gebet Davids für seinen Sohn ist – weiß, dass sein Thron nur durch Gerechtigkeit und gerechtes Gericht Bestand hat. Deshalb bittet er Gott darum, seinem Sohn die Fähigkeit zu geben, so zu richten. „Er wird dein Volk richten in Gerechtigkeit, deine Elenden nach Recht.“
Diese Worte beziehen sich letztlich auf den Messias, also auf den späteren Sohn Davids, nicht auf Salomo. Von ihm wird es dann in vollkommener Weise gelten: „Er wird dein Volk richten in Gerechtigkeit, deine Elenden nach Recht.“
Durch Gerechtigkeit werden die Berge und Hügel Frieden tragen. Das bedeutet Frieden, Wohlfahrt, Festigkeit und Bestand – alles durch Gerechtigkeit.
Gottes Zorn und die Folgen der Überheblichkeit
Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Rufe aus und sprich: So spricht der Herr der Heerscharen: Ich habe mit großem Eifer für Jerusalem und für Zion geeifert, und mit sehr großem Zorn zürne ich über die sicheren Nationen.
Denn ich habe ein wenig gezürnt, sie aber haben zum Unglück geholfen.
Hier meint Gott, dass er über sein Volk gezürnt hat. Die Nationen haben diesen Zorn über sein Volk gebracht, als seine Werkzeuge. Doch sie haben zum Unglück geholfen, das heißt, sie haben mehr Böses getan, als sie hätten tun sollen.
Die Weherufe im Detail
Jetzt also zu diesen Weherufen zwei, drei Beobachtungen zu den einzelnen Aussprüchen.
Der erste Weheruf steht im Vers 6: „Wie dem, der aufhäuft, was nicht sein ist, auf wie lange?“ Das hat nicht lange Bestand, und der Pfandlast auf sich ladet. Das ist der Betrug des Reichtums.
Im Vers 7 heißt es dann: „Werde nicht plötzlich aufstehen, die dich beißen.“ Das Ende kommt immer plötzlich, immer. Für die Gottlosen kommt es immer plötzlich und unerwartet. Und doch haben sie immer ein schlechtes Gewissen. Aber wenn es kommt, ist es immer plötzlich.
Hier kam es in folgender Weise über Babylon ganz plötzlich. Babylon wurde, wie gesagt, durch die Meder und Perser besiegt. Babylon hatte einen Nachbarn im Osten, der ihm zwar keine wirkliche Gefahr war – das waren die Meder –, aber immerhin hatten die Babylonier einfach so, um sich vorher gegen alle Eventualitäten abzusichern, ein Bündnis mit den Persern geschlossen.
Die Meder und die Perser waren zwei verwandte iranische Stämme, die nebeneinander lebten. Die Meder waren recht stark, die Perser waren schwach. Doch die Babylonier verbündeten sich mit den Persern für den Fall, dass sie deren Hilfe gegen die Meder brauchten.
Und was ist dann passiert? Etwas ganz Unerwartetes: Der relativ unbedeutende Perserkönig Kyros besiegte die Meder in einer Feldschlacht, was niemand für möglich gehalten hätte.
Dann tat er etwas ganz Unerwartetes: Er machte die Meder nicht zu seinen Knechten, sondern beteiligte sie an der Herrschaft. Er ließ also die Meder mitregieren, sodass es immer zwei Könige gab – einen persischen und einen medischen. Einer der beiden war dann der Großkönig.
So entstand über Nacht eine Großmacht. Diese Großmacht, die plötzlich entstand, zerstörte wenige Jahrzehnte später Babylon.
„Werde nicht plötzlich aufstehen, die dich beißen und dich verscheuchen.“
Der Wahn der falschen Sicherheit
Der Wahn der falschen Sicherheit, Vers 9: Wehe dem, der durch bösen Gewinn sein Haus und sein Nest hochsetzt, um sich aus der Hand des Unglücks zu retten.
Die Babylonier bauten ihre Stadt so, dass sie uneinnehmbar war. Das war der ganze Stolz Nebukadnezars. Daniel 4 gibt uns einen Eindruck davon, wie Nebukadnezar auf der Zinne seines Palastes steht, seine Stadt betrachtet und sagt: „Ist das nicht das große Babel, das ich gebaut habe, zur Ehre und zum Ruhm meines Namens?“
Diese Stadt war befestigt durch eine doppelte Ringmauer. Diese Mauer war nicht nur hoch, sondern vor allem sehr breit. Sie war so breit, dass die äußere Mauer oben eine Straße hatte, auf der Vierergespanne von Pferden fahren konnten – ja, zwei Gespanne konnten sich sogar kreuzen. Auf der Mauer saßen Wachtürme im Rufabstand, und innen in der Stadt führten Rampen hinauf zur Mauer. So konnte man jederzeit blitzschnell Truppen auf die Mauer bringen. Dort konnten sie sich viel schneller bewegen, als wenn man sie durch die engen Gassen der Stadt hätte führen müssen. Dadurch konnte man die Mauer von allen Seiten verteidigen.
Doch das war noch nicht alles, was die Stadt wirklich uneinnehmbar machte. Ein Fluss, der Euphrat, floss durch die Stadt und versorgte sie ständig mit Wasser. Das war entscheidend, denn der Schwachpunkt bei befestigten Städten war oft, dass man sie auszudursten versuchte. Das konnte man bei Babylon nicht. Außerdem war ein großer Teil der Stadt, also innerhalb der doppelten Mauer, Weideland. So hatten sie immer genügend Lebensmittelvorräte. Diese Stadt war wirklich sicher.
Doch wer musste diese Stadt bauen? Nicht die Babylonier selbst, sondern die eroberten und geknechteten Völker. Diese ließ man schuften. Ich hätte hier eine Folie gehabt, aber das ist egal: Man ließ die eroberten Völker in Bergwerken und Steinbrüchen arbeiten. So sagt hier der Prophet, oder Gott durch den Propheten: Wehe dem, der durch bösen Gewinn sein Haus und sein Nest hochsetzt, um sich aus der Hand des Unglücks zu retten.
Sie wollten sich unangreifbar und unbesiegbar machen und ließen dafür andere Völker für sich arbeiten. Das ist der Wahn der falschen Sicherheit. Was die Babylonier für ihre Sicherheit hielten, wurde ihnen zum Untergang. Und so ist es immer wieder.
Gott lässt die Menschen begreifen und zeigt ihnen, dass sie sich nur selbst betrügen, wenn sie eine andere Sicherheit aufbauen als die einzige, die es gibt: den Glauben, das Vertrauen und den Gehorsam Gott gegenüber.
Also wurde das, was die Babylonier für ihre Sicherheit hielten, letztlich zu ihrem Untergang.
Der Fall Babylons durch die Perser
Wie kam das?
Die Babylonier gewöhnten sich daran, dass ihre Mauern so hoch waren und ihre Stadt so gut versorgt war, dass sie sorglos wurden.
Im Jahr 538 kam der persische Großkönig Chores tatsächlich mit seiner Armee und lag vor den Toren Babylons. Er blieb dort Wochen, sogar einige Monate. Die Babylonier blickten gelegentlich über die Mauer und fragten sich, was er dort machte. Doch sie wandten sich wieder ihren täglichen Geschäften zu, denn sie glaubten, er könne nichts ausrichten.
Dann hatte der persische König Chores eine Idee, mit der niemand gerechnet hatte. Orientalische Despoten verhalten sich oft anders, als man es erwartet oder selbst tun würde. Er ließ seine gesamte Armee, alle Soldaten, graben. Sie mussten ein Flussbett ausschaufeln.
Anschließend dämmt sie den Euphrat und leiteten den Fluss in ein anderes Flussbett um. So floss kein Wasser mehr durch die Stadt. Dadurch war die Stadt an den Stellen, wo der Fluss in sie hineinlief, plötzlich offen – nördlich und südlich.
In der Nacht marschierten die Perser in die Stadt ein. Natürlich gab es entlang der Ufer Mauern, aber auf diesen Mauern saß niemand. Die Babylonier waren sich so sicher, dass nichts passieren könne, dass sie diese Mauern nicht bewachten. So gelangten die Perser in der Nacht in die Stadt und nahmen sie im Handstreich ein. Den König Belsazar töteten sie, ansonsten kaum jemanden.
Der Prophet Jeremia hatte dies ebenfalls angekündigt: Gott werde diese stolze Stadt richten, indem er ihr Meer austrockne.
In Jeremia 50,38 heißt es: „Dürre über seine Gewässer, dass sie austrocknen.“ Und in Jeremia 51,36 spricht der Herr: „Siehe, ich will deine Rechtssache führen und deine Rache vollziehen. Ich werde sein Meer austrocknen und seine Quelle versiegen lassen.“
Wie genau das vor sich ging, verdanken wir verschiedenen antiken Historikern. Herodot und Diodor haben darüber geschrieben. Sie berichten auch, dass die Stadt umso leichter eingenommen werden konnte, weil die Babylonier in jener Nacht ein Fest feierten.
So beschreibt es auch Daniel 5: In jener Nacht, als Belsazar getötet wurde, feierte er ein Fest.
Das ist der Wahn der falschen Sicherheit.
Die Drachensaat des Blutvergießens
Das dritte Wehe: die Drachensaat des Blutvergießens
Jeder auf Blut gegründete Thron wird stürzen. Wehe dem, der Städte mit Blut baut (Habakuk 2,12) und Städte mit Ungerechtigkeit gründet (Psalm 89,14).
Nun einige Stellen zum Thron Gottes und zum Thron des Messias:
Weil er auf Recht gegründet ist, auf Gerechtigkeit, wird sein Reich ewig bestehen (Psalm 89,14). Gerechtigkeit und Gericht sind die Grundfeste deines Thrones (Psalm 89,14). Noch einmal: Sein Name wird ewig sein, solange die Sonne besteht, wird sein Name fortdauern und nie untergehen (Psalm 72,17; Sprüche 16,12).
Der Greuel der Könige ist, Gesetzlosigkeit zu tun; denn durch Gerechtigkeit steht ein Thron fest (Sprüche 16,12).
In Jesaja 11 heißt es von der Regierung des Messias (Vers 4): Er wird die Geringen in Gerechtigkeit richten, die Demütigen des Landes. Er wird Recht sprechen in Geradheit. Er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes, mit dem Hauch seiner Lippen wird er die Gesetzlosen töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und Treue oder Wahrhaftigkeit der Gurt seiner Hüften.
Aber wehe dem, der Städte mit Blut baut!
Im Habakuk 2,13 steht: Siehe, ist es nicht vom Herrn, dem Herrn der Heerscharen, dass Völker sich fürs Feuer abmühen und Völkerschaften sich vergebens plagen? Was bedeutet das, dass sie sich fürs Feuer mühen? Sie mühen sich für etwas, das im Feuer vergehen wird.
Und dann steht da: Ist es nicht vom Herrn? Ja, wir hätten es gern so, dass wir nach unseren Lüsten leben, tun, was wir wollen, Gott nicht fragen und davonkommen. Aber so wird es nicht sein. Gott sorgt dafür, dass der Lohn der Sünde über uns kommt. Niemand kann sich dem entziehen, ob es uns gefällt oder nicht.
Der Sünder möchte sündigen und davongekommen. Wenn wir ohne Gott wirken, ohne ihn arbeiten, mühen wir uns fürs Feuer. Gott bringt das Feuer unausweichlich über uns. Das ist vom Herrn, ist es nicht vom Herrn der Heerscharen, dass Völker sich fürs Feuer ermühen.
Im Vers 14 steht eine Begründung, warum das so sein muss, warum all ihre Mühe fürs Feuer ist und nicht bleibt:
Denn die Erde wird voll werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken.
Gott hat alles erschaffen um seines Willens, nach seinem Willen, für seinen Willen, und zu seiner Ehre und Herrlichkeit. An dem Tag, da er erscheint und seine Herrlichkeit offenbar wird, muss alles schwinden, alles weichen, was der Mensch zu seiner Ehre und Lust produziert hat. Es darf nur bleiben, was Gott gewirkt hat zu seiner Ehre.
Gott hat den Menschen dazu erschaffen, als einzigen von allen Geschöpfen, dass er Gott erkenne, liebe, fürchte und dadurch ehre. Genau deshalb wird Gott den Menschen am Ende in die Hölle werfen, weil er sich weigert, den zu ehren, der ihn erschaffen hat.
So mühen sich die Menschen auch in einem anderen Sinn fürs Feuer. Der Sünder müht sich, um sich selbst zu gefallen. Alles, was er tut, besiegelt nur sein von Gott verhängtes Schicksal, den Feuersee.
Denn die Erde wird voll werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, ebenso wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.
Das vierte Wehe: die Schande der Schadenfreude
Und dann das fünfte Wehe: die Sünde und die Torheit des Götzendienstes.
Im Vers 19 steht: Wehe dem, der zum Holz spricht: „Wache auf!“, zum schweigenden Stein: „Erwache!“, er sollte lehren. Siehe, er ist mit Gold und Silber überzogen, und gar kein Odem ist in seinem Innern. Aber der Herr ist in seinem heiligen Palast. Schweige vor ihm, ganze Erde!
Das wird als fünftes, letztes, krönendes Wehe ausgerufen. Man könnte denken: Na ja, ist das so schlimm? Lassen wir doch den Götzendiener, er tut den anderen nichts zuleid, macht doch nichts, wenn er da seinen Altar in der Ecke hat und sich vor einem Bild verneigt.
Doch es ist eine schlimme Verirrung und ein großes Übel, wenn der Mensch sich weigert, dem die Ehre zu geben und zu dienen, dem er alles verdankt. Darum ist das keine Kleinigkeit.
Der Prophet, oder Gott durch den Propheten, sagt: Wehe dem Götzendiener, wehe dem, der Gott, dem Schöpfer, nicht die Ehre gibt, die ihm gebührt.
Beachten wir zwei Aussagen in diesem Kapitel, die zueinander in einer ganz bestimmten Beziehung stehen:
Habakuk sieht im Vers 14 das kommende Reich und sagt: Die Erde wird voll werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn. Das wird sein, wenn der Messias regiert. Das ist das Ziel, das großartige Ziel, das Ende, auf das alles zugeht.
Und jetzt, Vers 20: Was ist jetzt, bevor die Erde erfüllt sein wird von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn? Der Herr ist in seinem heiligen Palast.
Habakuk sieht ihn nicht, die Nationen sehen ihn nicht. Weil die Menschen ihn nicht sehen, weil die Heiden ihn nicht sehen, leben sie, als sei kein Gott. Sie sind sich selbst Gesetz und Gott, wie wir bei den Babyloniern gesehen haben.
Aber der Gerechte glaubt, und durch diesen Glauben lebt er: Der Herr ist in seinem heiligen Palast. Er ist auf dem Thron, er ist da, er ist der Heilige, der Gerechte. Er hat den Thron nicht verlassen.
Kommen wir zum Kapitel 3. Das ist Habakuks Antwort auf das, was Gott ihm in Kapitel 2 gesagt hat. Hier sehen wir, dass Habakuk ein Gerechter ist, der durch seinen Glauben lebt. Es ist ein Ausdruck seines Glaubens, was er hier sagt.
Gebet Habakuks, des Propheten, nach Shigyonot:
Herr, ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich. Herr, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund im Zorn, gedenke des Erbarmens.
Das ist ein auffälliger Unterschied zu den ersten Worten Habakuks. Vergleichen wir sie:
Habakuk hatte angefangen mit seiner Klage darüber, dass der Herr nicht eingreift und das Gesetzlose und die Sünder nicht richtet: Herr, wie lange, wie lange willst du zuschauen? Das ist gewissermaßen eine Bitte: Herr, greif ein, schlag ein! Lass dir merken, dass du der Gerechte, der Heilige und Gott des Gerichts bist.
Jetzt hat Gott zu ihm geredet und ihm diese Wehe offenbart. Da sieht er das Ende und sagt: Ich habe deine Kunde vernommen, ich habe verstanden, was du sagst, ich fürchte mich. Dann bittet er um Erbarmen: „Inmitten des Zorns gedenke des Erbarmens, erbarm dich über dein Volk, erbarm dich über die Irrenden.“
Einige Propheten flehen inmitten ihrer Aussprüche über Gericht Gott um Schonung und Erbarmen an. Amos tat das, Jeremia tat es, und hier tut es auch Habakuk: Herr, inmitten des Zorns gedenke des Erbarmens. Also Furcht und Fürbitte in der Völkerwelt und von Gottes Handeln in der Heilsgeschichte.
Gott kommt von Teman her und der Heilige vom Gebirge Paran. Seine Pracht bedeckt die Himmel, und die Erde ist voll seines Ruhmes.
Was meint er mit Paran? 5. Mose 1,1 gibt Aufschluss, ebenso 5. Mose 33,2: Der Herr ist zum Sinai hergekommen, ist ihnen aufgegangen von Seir, er ist hervorgestrahlt vom Berg Paran und gekommen von heiligen Myriaden. Aus seiner Rechten ging Gesetzesfeuer hervor.
Paran ist offensichtlich eine Bezeichnung für den Berg der Offenbarung Gottes, für Sinai. Wenn Habakuk sagt, Gott kommt von Teman her, der Heilige vom Gebirge Paran, bezieht er sich auf die Offenbarung Gottes am Sinai. Dort hat Gott sein Wort gegeben.
Was hat das mit dem Problem zu tun, mit dem Habakuk gerungen hat? Warum sagt er das hier? Er muss sich etwas dabei gedacht haben.
Gott ist von Paran hergekommen. Vielleicht will er damit sagen: Wir müssen alles, was wir sehen, an Gottes Offenbarung messen. Das ist das einzige Licht, das wir haben.
Alles, was um uns herum geschieht, alles, was wir erfahren, können wir nie richtig verstehen, wenn wir es nicht im Licht der Offenbarung Gottes sehen. Das ist das einzige Licht, das wir haben.
Wir sollen nie klug werden aus dem Gang der Dinge in dieser Welt. Sonst werden wir nur irre oder zu Toren.
Jeremia sagt seinen Zeitgenossen: Sie haben das Gesetz des Herrn verworfen. Welche Weisheit haben sie noch? Keine! (Jeremia 8,9). Die Weisen werden beschämt, bestürzt und gefangen werden. Siehe, das Wort des Herrn haben sie verschmäht. Welche Weisheit haben sie?
Der Heilige ist vom Paran gekommen. Das ist das Licht, das der Gerechte kennt, das Wort, dem er vertraut, und durch diesen Glauben wird er leben.
Nun beschreibt er, weil er jetzt im Glauben redet, nicht mehr solche Fragen wie „Herr, warum? Wie kann das sein? Warum lässt du das zu?“, sondern jetzt sagt er:
Gott ist vom Gebirge Paran erschienen, und es entsteht ein Glanz wie Sonnenlicht. Strahlen sind zu seinen Seiten, Licht! Sein Ton ist lauter Segen, sein Gang ist lauter Licht.
So ist es, wie Paul Gerhardt gedichtet hat. Jetzt sieht er Gottes Schreiten durch die Welt. Es ist Licht, wo im Feuer zuvor nur Finsternis war.
Ab Vers 5 beschreibt er Gottes Wege:
Vor ihm her geht die Pest, die Seuche zieht aus seinen Füßen nach. Er steht und macht die Erde schwanken, er schaut und lässt die Nationen erbeben.
Es zerbersten die Berge der Vorzeit, die ewigen Hügel senken sich. Seine Wege sind Wege von alters her.
Unter Trübsal sah ich die Zelte Kuschans, es zitterten die Zeltbehänge des Landes Midi.
Ist der Herr gegen die Ströme entbrannt? Ist dein Zorn gegen die Ströme, dein Grimm gegen das Meer? Dass du ein Heer ziehst auf deinen Rossen, deinen Wagen des Heils?
Er zieht dein Heer. Im Grimm durchschreitest du die Erde, im Zorn stampfst du die Nationen.
Du zogst aus zum Heil deines Volkes. Du betratest das Meer.
So sieht Habakuk plötzlich, dass all das, was geschieht in der Welt – zuerst Pest, Seuchen, Beben, Ströme, also Naturkatastrophen, dann Kriege – nicht heißt, Gott habe die Welt sich selbst überlassen.
Ganz im Gegenteil: Das ist der Widerhall seiner Schritte, wie er schreitet.
Das ist Gott, der hier geht.
Mit einem Mal sieht er alles, was er zuvor nicht sehen konnte.
Der Glaube lässt ihn das erkennen.
Gott handelt einerseits, um seine Feinde und die Feinde seines Volkes zu richten, und gleichzeitig ist es Gottes Auszug zum Heil seines Volkes.
Und denen, die Gott vertrauen und im Glauben an ihn festhalten, geschieht alles zum Heil, auch wenn es für unsere Augen nur wie Katastrophe und Zerstörung aussieht.
Gott verfolgt seine Absichten des Heils: Du zogst aus zum Heil deines Volkes.
Das ist wirklich überraschend, dass Habakuk so reden kann, wo er doch weiß, dass Gott jetzt die Babylonier sendet, was Zerstörung bedeutet.
Alles, was Gottes Verheißungen scheinbar widerspricht, sind Schritte auf dem Weg zum Ziel, zum Heil.
Wie wirkt das alles auf den Propheten?
Wir haben schon gesehen, dass er am Anfang sagt: „Ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich.“ Es weckt in ihm Gottesfurcht und das Verlangen, sein Volk zu beleben.
Hier sehen wir zwei Dinge, die ineinandergreifen und sich für unser Verständnis und Urteil widersprechen:
Einerseits ist Gott der, der alles wirkt, der sein Ziel verfolgt und seinen Willen vollendet.
Doch hier haben wir jemanden, der betet.
Die Tatsache, dass Habakuk sehen kann, dass Gott der ist, der im Regiment ist und dessen Wille geschieht, bedeutet nicht, dass er sich jetzt einfach zurücklehnt und zuschaut, wie Gott alles vollendet.
Nein, das lehrt ihn, zu diesem Gott zu beten, ihn bei seinen Verheißungen zu ergreifen, zu ihm zu rufen und zu flehen.
Genau das wollen wir von Habakuk lernen.
Wenn wir erkannt haben, dass alles in Gottes Hand ist, sollen wir daraus nicht schließen, dass wir uns hinsetzen und einfach zuschauen.
Nein, wenn Gott alles in der Hand hat, soll das uns zu ihm drängen.
Dann wird es uns auch zu ihm treiben, wenn wir es wirklich sehen.
Dann werden wir lernen zu beten und zu bitten, dass der wirkt und handelt, der wirklich alles in der Hand hat und der allein vermag.
Es lehrt ihn beten, es lehrt ihn Gott fürchten, es lehrt ihn beten für sein Volk.
Wir sollten das tun: für das Volk Gottes beten.
Es ist eine Versuchung, wenn wir sehen, wie die Gleichgültigkeit unter dem Volk Gottes überhandnimmt, wie die Liebe erkaltet, wie Sünde und Untreue geschehen und Gott offenbar nicht eingreift.
Dann ist die Versuchung da, das Volk Gottes innerlich abzuschreiben und zu sagen: Ach, zu so einem Volk habe ich keinen Wert mehr. Ich schaue nur, dass ich mit meinem Glauben durchkomme, vielleicht mit zwei, drei Getreuen.
Wir sollten dieser Versuchung widerstehen und für das Volk Gottes beten.
Herr, belebe dein Volk, belebe dein Werk, mach es kund inmitten der Jahre. Herr, belebe dein Werk.
Dann auch beten für unsere Zeit im Zorn: Gedenke des Erbarmens!
Manchmal geht es uns so, dass wir wie Habakuk den Herrn vorhalten: Wie lange willst du noch zuschauen? Schlag doch ein in dieses fette, satte und undankbare Volk, in dem wir leben!
Habakuk hat hier gebetet: Im Zorn, im Zorn, gedenke des Erbarmens.
Was ihn selbst betrifft, wo er all das sieht und begreift, davon redet, wie Gott handelt, ausgezogen ist von Paran her, wie Licht um ihn ist, sagt er:
Ich vernahm es, und es zitterte mein Leib, bei der Stimme bebten meine Lippen, Morschheit drang in meine Gebeine, und wo ich stand, erzitterte ich (Habakuk 3,16).
Zweimal sagt er: Es zitterte mein Leib.
Es gibt Krankheiten, bei denen man zittert. Wenn jemand zittert, merkt er, dass er die Herrschaft nicht mehr über sich selbst hat.
Hier erkennt Habakuk in Gottes Gegenwart: Ich kann nur durch Gott stehen. Es ist Gott, der mich erhält.
Ich habe mich nicht so in der Hand, wie ich meine. Ich bin völlig auf Gott angewiesen.
In mir ist keine Kraft, keine Macht, mich zu erhalten. Ich bin ganz in Gottes Hand.
Dann bebten seine Lippen. Wenn unsere Lippen beben, können wir nicht richtig reden, verlieren die Sprache.
So weiß er vor Gott nichts zu sagen, hat die Sprache verloren.
Morschheit drang in meine Gebeine – alle Kraft verloren.
Die Gebeine stützen den Körper. Wenn die Gebeine morsch werden, sackt man zusammen.
Alle Kraft vor Gott verloren, alle Selbstsicherheit verloren.
Aber das wunderbare Ergebnis ist: Ich werde ruhen am Tag der Drangsal.
Darin findet er Ruhe, und wir finden Ruhe, wenn uns bewusst wird, dass alle Kraft im Herrn ist und dass wir völlig von ihm abhängig sind.
Wir haben nicht uns selbst in der Hand, sondern der Herr hat uns in der Hand.
Unsere einzige und ganze Selbstbeherrschung liegt darin, dass wir von ihm beherrscht sind.
Selbstbeherrschung ist eine Frucht des Geistes, nicht eine Frucht der Selbstzucht und schon gar nicht der Selbstsicherheit.
Eine Frucht des Geistes Gottes, der uns an den Herrn bindet.
So kann er sagen: Der ich ruhen werde am Tag der Drangsal.
Das ist etwas, das man nicht einfach so sagen kann. Wirklich ruhen am Tag der Drangsal – das kann nur Gott wirken.
Wir wissen, wie schnell wir die Fassung verlieren und ins Rotieren kommen, wenn nur geringfügige Dinge passieren.
Nein, wir sind wirklich vollständig auf Gott angewiesen, damit wir ruhen können am Tag der Drangsal.
Auch wenn der Feind gegen das Volk heranzieht, auch dann.
Auch wenn das geschieht, was für den Juden die größte Katastrophe ist: die Zerstörung der geliebten Stadt und des Tempels, des Hauses Gottes.
Denn der Feigenbaum wird nicht blühen, kein Ertrag an den Reben sein, die Frucht des Olivenbaumes trügt, die Getreidefelder tragen keine Speise, das Kleinvieh ist verschwunden, kein Rind in den Ställen.
Alle Güter sind genommen – aber Gottes Güte bleibt.
Darum fährt er fort und sagt:
Ich will in dem Herrn frohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils.
Wir sehen, Habakuk ist jemand, der tatsächlich im Gott seines Heils frohlocken kann, ohne vor der Wirklichkeit zu fliehen.
Es ist keine Wirklichkeitsflucht.
Er hat ganz offene Augen, wie wir gesehen haben.
Und obwohl er alles so klar sieht, kann er in dem Herrn frohlocken.
Aber das kann er nur in dem Herrn, sonst kann man das nicht.
Ich will jubeln im Gott meines Heils.
Jahwe, der Herr, ist meine Kraft, er macht meine Füße denen der Hinde gleich und lässt mich einherschreiten auf meinen Höhen.
Auch wenn die Umstände sich nicht ändern und noch bedrückend sind, sehen wir hier, dass der Glaube ihn über die Umstände triumphieren lässt.
Glauben und dem Herrn vertrauen bedeutet nicht, dass sich die Umstände ändern.
Die Umstände bleiben gleich schwierig und bedrückend.
Aber der Glaube verbindet den Propheten mit dem Gott seines Heils.
So kann er sagen: Wenn ich auch keine Güter mehr habe, so kann und will ich doch frohlocken, denn der Herr ist meine Kraft.
Er macht meine Füße denen der Hinde gleich, ganz leicht, nicht mehr beschwert wie am Anfang.
Dort war er niedergedrückt von dem, was er sah und hörte, Tag für Tag, wirklich beschwert.
Hier ist er ganz leicht.
Nicht leichtfertig und nicht leichtsinnig, aber doch leicht.
Leichtfüßig geht er, weil der Herr seine Füße denen der Hinde gleich macht und ihn einherschreiten lässt auf seinen Höhen.
So sehen wir am Ende diesen Gegensatz zum Anfang.
Wir rufen uns noch einmal in Erinnerung, woran sich die ganze Sache wendet und entscheidet.
In Kapitel 2, Vers 4 haben wir den Dreh- und Angelpunkt:
Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben (Habakuk 2,4).
Das kommende Reich und die Gegenwart Gottes
Beachten wir zwei Aussagen in diesem Kapitel, die in einer ganz bestimmten Beziehung zueinander stehen. Habakuk sieht im Vers 14 das kommende Reich. Er sagt, die Erde wird voll werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn. Das wird dann sein, wenn der Messias regiert. Das ist das Ziel, das großartige Ziel, das Ende, auf das alles zugeht.
Nun zu Vers 20: Was ist jetzt, bevor die Erde erfüllt sein wird von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn? Der Herr ist in seinem heiligen Palast. Habakuk sieht ihn nicht, die Nationen sehen ihn nicht. Weil die Menschen ihn nicht sehen, weil die Heiden ihn nicht sehen, leben sie, als gäbe es keinen Gott. Sie sind sich selbst Gesetz und Gott, wie wir bei den Babyloniern gesehen haben.
Aber der Gerechte glaubt, und durch diesen Glauben lebt er. Der Herr ist in seinem heiligen Palast. Er ist auf dem Thron, er ist da. Er ist der Heilige, er ist der Gerechte, und er hat den Thron nicht verlassen.
Habakuks Gebet im Kapitel 3 – Ausdruck des Glaubens
Gut, kommen wir nun zu Kapitel 3. Dieses Kapitel ist Habakuks Antwort auf das, was Gott ihm in Kapitel 2 gesagt hat. Hier sehen wir, dass Habakuk ein Gerechter ist, der durch seinen Glauben lebt. Seine Worte sind ein Ausdruck seines Glaubens.
Das Gebet Habakuks, des Propheten, nach Shigyonot lautet:
„Herr, ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich. Herr, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es Kunde im Zorn. Gedenke des Erbarmens.“
Das ist ein auffälliger Unterschied zu den ersten Worten Habakuks. Vergleichen wir sie einmal miteinander: Habakuk begann mit seiner Klage darüber, dass der Herr nicht eingreift und die Gesetzlosen und Sünder nicht richtet. Er fragte: „Herr, wie lange, wie lange willst du zuschauen?“ Das ist gewissermaßen eine Bitte: „Herr, greif ein, schlag ein! Lass dich daran erinnern, dass du der Gerechte und der Heilige und der Gott des Gerichts bist.“
Nun hat Gott zu ihm gesprochen und dem Propheten diese Wehe geoffenbart. Habakuk sieht das Ende und sagt daraufhin: „Ich habe deine Kunde vernommen, ich habe verstanden, was du sagst, ich fürchte mich.“ Dann bittet er um Erbarmen: „Inmitten des Zornes gedenke des Erbarmens, erbarm dich über dein Volk, erbarm dich über die Irrenden.“
Es gibt einige Propheten, die mitten in ihren Aussprüchen über Gericht Gott um Schonung und Erbarmen bitten. Amos tat das, Jeremia tat es, und hier tut es auch Habakuk: „Herr, inmitten des Zornes gedenke des Erbarmens.“
So finden sich Furcht und Fürbitte inmitten der Völkerwelt und von Gottes Handeln in der Heilsgeschichte.
Gottes Offenbarung am Sinai als Maßstab
Gott kommt von Teman her, und der Heilige vom Gebirge Paran. Seine Pracht bedeckt die Himmel, und die Erde ist voll seines Ruhmes.
Nun, wenn wir uns fragen: Was meint Habakuk mit Paran? Dann gibt uns 5. Mose 1,1 Aufschluss. Dort wird eine Strecke genannt, die sich zwischen Paran und Tophel, Laban, Harzeroth und Dizahab erstreckt.
Auch in 5. Mose 33,2 heißt es: „Der Herr ist zum Sinai hergekommen und ist ihnen aufgegangen von Seir, er ist hervorgestrahlt vom Berg Paran und ist gekommen von heiligen Myriaden, aus seiner Rechten ging Gesetzesfeuer für sie hervor.“
Paran ist offensichtlich eine Bezeichnung für den Berg der Offenbarung Gottes, nämlich den Sinai. Wenn Habakuk hier sagt, Gott komme von Teman her, der Heilige vom Gebirge Paran, dann bezieht er sich auf die Offenbarung Gottes am Sinai. Dort hat Gott sein Wort gegeben.
Was hat das mit dem Problem zu tun, mit dem Habakuk gerungen und für das er gebetet hat, um dann diese Antworten zu erhalten? Warum sagt er das hier? Er muss sich etwas dabei gedacht haben.
Gott ist von Paran hergekommen. Vielleicht möchte er damit sagen: Wir müssen alles, was wir sehen, an Gottes Offenbarung messen. Das ist das einzige Licht, das wir haben. Alles, was um uns herum geschieht, alles, was wir erfahren – wir können es nie richtig verstehen, wenn wir es nicht im Licht der Offenbarung Gottes sehen.
Das ist das einzige Licht, das wir haben. So sollen wir nie klug werden aus dem Gang der Dinge in dieser Welt. Wir werden sonst nur irre oder zu Toren.
Jeremia sagt seinen Zeitgenossen: Sie haben das Gesetz des Herrn verworfen. Welche Weisheit haben sie noch? Keine!
In Jeremia 8,9 heißt es: „Die Weisen werden beschämt, bestürzt und gefangen werden. Siehe, das Wort des Herrn haben sie verschmäht; welcherlei Weisheit haben sie?“
Der Heilige ist gekommen vom Paran. Das ist das Licht, das der Gerechte kennt, das ist das Wort, dem er vertraut. Durch diesen Glauben wird er leben.
Gottes Schreiten durch die Welt
Und wie beschreibt er es jetzt, da er im Glauben spricht? Er stellt keine Fragen mehr wie: Herr, warum? Wie kann das sein? Warum lässt du das zu? Stattdessen sagt er: Gott ist vom Gebirge Paran erschienen, und es entsteht ein Glanz wie das Sonnenlicht. Strahlen sind zu seinen Seiten, Licht!
Sein Ton ist lauter Segen, sein Gang ist lauter Licht. So ist es, wie Paul Gerhard es gedichtet hat. Plötzlich sieht er Gottes Schreiten durch die Welt. Es ist Licht, das dort, wo im Feuer nur Finsternis war, jetzt erscheint.
Beachte, wie er von den Wegen Gottes spricht, ab Vers 5: Vor ihm her geht die Pest, die Seuche zieht aus seinen Füßen nach. Er beschreibt hier Gottes Wege, wie Gott durch die Welt schreitet. Er stand und ließ die Erde schwanken, er schaute und ließ die Nationen beben. Die Berge der Vorzeit zerbarsten, die ewigen Hügel senkten sich. Seine Wege sind Wege von alters her.
Unter Trübsal sah ich die Zelte Kuhschahns, es zitterten die Zeltbehänge des Landes Midi. Ist der Herr gegen die Ströme entbrannt? Ist etwa dein Zorn gegen die Ströme, dein Grimm gegen das Meer, dass du ein Heer ziehst auf deinen Rossen, deinen Wagen des Heils? So zieht dein Heer aus (Vers 12). Im Grimm durchschreitest du die Erde, im Zorn stampfst du die Nationen (Vers 13). Du zogst aus zum Heil deines Volkes (Vers 13). Du betratest das Meer (Vers 15).
So sieht er plötzlich, dass all das, was in der Welt geschieht – zuerst spricht er von Pest, also Seuchen, dann von Beben und von Strömen, also Naturkatastrophen, und schließlich von Kriegen – nicht bedeutet, dass Gott die Welt sich selbst überlassen hat. Ganz im Gegenteil: Das ist der Widerhall seiner Schritte, wie er schreitet. Das ist Gott, der hier geht.
Mit einem Mal sieht er alles, was er vorher nicht sehen konnte. Der Glaube lässt ihn das erkennen. Er sieht, wie Gott einerseits handelt, um seine Feinde und die Feinde des Volkes Gottes zu richten. Gleichzeitig ist es Gottes Ausziehen zum Heil seines Volkes.
Denjenigen, die Gott vertrauen und sich im Glauben an ihn halten, geschieht alles zum Heil – auch das, was für unsere Augen und unsere Wahrnehmung nur wie Katastrophe und Zerstörung aussieht. Gott verfolgt seine Absichten des Heils: Du zogst aus zum Heil deines Volkes.
Die Wirkung des Glaubens auf den Propheten
Es ist wirklich überraschend, dass Habakuk so sprechen kann, obwohl er weiß, dass Gott die Babylonier senden wird und das Zerstörung bedeutet. Alles, was scheinbar Gottes Verheißungen widerspricht, sind Schritte auf dem Weg zum Ziel, zum Heil.
Wie wirkt das alles nun auf den Propheten? Wir haben bereits gesehen, dass er am Anfang sagt: „Ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchtete mich.“ Das weckt in ihm Gottesfurcht und auch das Verlangen, sein Volk zu beleben.
Hier sehen wir zwei Dinge, die ineinandergreifen und sich für unser Verständnis sowie unser Urteil widersprechen. Einerseits ist Gott der, der alles wirkt, der sein Ziel verfolgt und seinen Willen vollendet. Andererseits haben wir hier jemanden, der betet.
Die Tatsache, dass Habakuk erkennt, dass Gott der ist, der im Regiment ist und dessen Wille geschieht, bedeutet nicht, dass er sich einfach an den Stadtrand setzt und zuschaut, wie Gott alles vollendet. Vielmehr lehrt ihn das, zu diesem Gott zu beten, sich an seine Verheißungen zu klammern, zu ihm zu rufen und zu flehen.
Genau das wollen wir von Habakuk lernen. Wenn wir erkannt und begriffen haben, dass alles in Gottes Hand liegt, sollten wir daraus nicht den Schluss ziehen, uns einfach zurückzulehnen und zuzusehen, denn Gott wirkt ja alles. Nein, wenn Gott alles in der Hand hat, soll uns das zu ihm drängen.
Wenn wir das wirklich sehen, wird es uns zu ihm treiben. Dann lernen wir zu beten und zu bitten, dass der wirkt und handelt, der wirklich alles in der Hand hat und der allein vermag. Es lehrt ihn also zu beten, Gott zu fürchten und für sein Volk zu bitten.
Ich meine, wir sollten ebenfalls für das Volk Gottes beten. Es ist eine Versuchung, wenn wir sehen, wie die Gleichgültigkeit im Volk Gottes überhandnimmt, wie auch die Liebe erkaltet, Sünde und Untreue geschehen und Gott scheinbar nicht eingreift. Dann besteht die Versuchung, das Volk Gottes innerlich abzuschreiben und zu sagen: „Ach, zu so keinem Wert, ich schaue einfach, dass ich mit meinem Glauben durchkomme, vielleicht mit zwei oder drei Getreuen.“
Wir sollten dieser Versuchung widerstehen und für das Volk Gottes beten: „Herr, belebe dein Volk, belebe dein Werk, mach es kund, mach es kund inmitten der Jahre. Herr, belebe dein Werk!“
Auch sollten wir für unsere Zeit im Zorngedenken des Erbarmens beten. Manchmal geht es uns so, dass wir wie Habakuk den Herrn vor uns sehen und fragen: „Wie lange willst du noch zuschauen? Schlag doch ein! Schlag doch ein in dieses fette, satte und undankbare Volk, in dem wir leben!“
Habakuk hat hier gebetet – im Zorn, aber im Zorn mit dem Gedenken des Erbarmens.
Die körperliche Reaktion des Propheten in Gottes Gegenwart
Und dann, was ihn selbst betrifft: Er sieht all das, begreift es und spricht davon, wie Gott handelt. Er beschreibt, wie Gott ausgezogen ist von Paran her und wie Licht um ihn ist.
Ich vernahm es, Vers 16, Habakuk 3, Vers 16: „Ich vernahm es, und es zitterte mein Leib, bei der Stimme bebten meine Lippen, Morschheit drang in meine Gebeine, und wo ich stand, erzitterte ich.“ Zweimal sagt er, es zitterte sein Leib.
Es gibt ja Krankheiten, bei denen man zittert. Wenn jemand zittert, merkt man, dass er die Herrschaft über sich selbst verloren hat. Hier, in Gottes Gegenwart, erkennt Habakuk: Ich kann nur durch Gott stehen. Es ist Gott, der mich erhält. Ich habe mich nicht so in der Hand, wie ich meine. Ich bin völlig auf Gott angewiesen.
In mir ist keine Kraft, in mir ist keine Macht, mich selbst zu erhalten. Ich bin ganz in Gottes Hand. Dann bebten seine Lippen. Wenn unsere Lippen beben, können wir nicht richtig reden. Wir verlieren die Sprache. So weiß er vor Gott nichts zu sagen, die Sprache ist verloren.
Und dann drang Morschheit in seine Gebeine – Morschheit, alle Kraft verloren. Die Gebeine stützen ja den Körper, und wenn die Gebeine morsch werden, dann sackt man zusammen. Alle Kraft vor Gott ist verloren, alle Selbstsicherheit ist vor Gott verloren.
Aber das Ergebnis ist das wunderbare Ergebnis: „Der ich ruhen werde am Tag der Drangsal.“ Da findet er Ruhe. Und dort finden wir einzig Ruhe, wo uns bewusst wird, dass alle Kraft im Herrn ist und dass wir völlig von ihm abhängig sind.
Wir haben uns nicht selbst in der Hand, sondern der Herr hat uns in der Hand. Unsere einzige und ganze Selbstbeherrschung liegt darin, dass wir von ihm beherrscht sind. Selbstbeherrschung ist eine Frucht des Geistes, nicht eine Frucht der Selbstzucht und schon gar nicht der Selbstsicherheit.
Es ist eine Frucht des Geistes Gottes, der uns an den Herrn bindet. So kann er sagen: „Der ich ruhen werde.“ Darin ruht er, ruht sogar am Tag der Drangsal. „Der ich ruhen werde am Tag der Drangsal.“ Nun,
Vertrauen und Freude trotz äußerer Not
Das ist etwas, das man nicht einfach so sagen kann. Wirklich am Tag der Drangsal zu ruhen, das kann man gar nicht aus eigener Kraft. Das kann nur Gott bewirken. Wir wissen ja, wie schnell wir die Fassung verlieren und ins Rotieren geraten. Schon geringfügige Dinge reichen aus, um uns aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Wir sind wirklich vollständig und völlig auf Gott angewiesen, damit wir am Tag der Drangsal ruhen können – selbst dann, wenn derjenige gegen das Volk heranzieht, der es angreifen wird. Auch wenn das geschieht, was für den Juden die größte aller Katastrophen ist: die Zerstörung der geliebten Stadt und des Tempels, des Hauses Gottes.
Denn der Feigenbaum wird nicht blühen, kein Ertrag wird an den Reben sein, die Frucht des Olivenbaumes trügt, die Getreidefelder tragen keine Speise, das Kleinvieh ist aus der Hürde verschwunden und kein Rind ist in den Ställen. Alle Güter sind genommen, aber Gottes Güte bleibt.
Darum fährt er fort und sagt: „Ich aber will in dem Herrn frohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils.“ Wir sehen hier, dass Habakuk jemand ist, der tatsächlich im Gott seines Heils frohlocken kann, ohne vor der Wirklichkeit zu fliehen. Es ist keine Wirklichkeitsflucht. Er hat ganz offene Augen, wie wir gesehen haben.
Und obwohl er jetzt alles so klar sieht, kann er in dem Herrn frohlocken. Aber das kann er wirklich nur in dem Herrn, sonst ist es nicht möglich. Er sagt: „Ich will jubeln im Gott meines Heils.“
„Jabe, der Herr ist meine Kraft, und er macht meine Füße denen der Hinde gleich und lässt mich einherschreiten auf meinen Höhen.“ Auch wenn sich die Umstände nicht ändern und noch bedrückend sein mögen, sehen wir hier, dass der Glaube ihn über die Umstände triumphieren lässt.
Glauben und dem Herrn vertrauen bedeutet nicht, dass sich die Umstände ändern. Die Umstände bleiben gleich, gleich schwierig, gleich bedrückend. Aber der Glaube verbindet den Propheten mit dem Gott seines Heils.
So kann er sagen: Wenn ich auch keine Güter mehr habe, so kann und will ich doch frohlocken, denn der Herr ist meine Kraft, und er macht meine Füße denen der Hinde gleich – ganz leicht, nicht mehr beschwert wie am Anfang.
Dort war er niedergedrückt von dem, was er sah und hörte, Tag für Tag, wirklich beschwert. Hier ist er ganz leicht. Nicht leichtfertig und nicht leichtsinnig, aber doch leicht. Leichtfüßig geht er, weil der Herr seine Füße denen der Hinde gleich macht und ihn einherschreiten lässt auf seinen Höhen.
So sehen wir hier am Ende diesen Gegensatz zum Anfang. Wir rufen uns noch einmal in Erinnerung, wo die ganze Sache wendet und woran es sich entscheidet. Wir haben gesehen: Kapitel 2, Vers 4 – hier haben wir den Dreh- und Angelpunkt. „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“ (Habakuk 3,17-19; Habakuk 2,4)