Persönliche Lebensstationen und die Bedeutung der Kirche vor Ort
Volker, du bist verheiratet, hast bereits drei Kinder, ein Theologiestudium abgeschlossen, zehn Jahre im Bengelhaus gearbeitet, warst kurz im Hänsel in der Metzow und neun Tage dort, und jetzt bist du im Übergangsdienst als Pfarrer in Herrenberg tätig.
Das ist ja die Gemeinde oder die Kirche, die auf die Gemeinde zugeht. Eine kurze Frage: Was bedeutet dir das? Wie wichtig ist dir, dass Kirche auf die Gemeinde zugeht?
Also, das ist das Entscheidende, worum es auch heute Morgen geht: dass wir uns aufmachen und nicht eine Kirche sind, in die alle nur kommen, sondern dass wir hinausgehen.
Wobei man das vielleicht erklären muss: Herrenberg – wir bewegen uns auf die Menschen zu, und das gilt für die Kirche, also das Gebäude. In den letzten siebenhundert Jahren ist die große Herrenberger Stiftskirche 70 Zentimeter ins Tal gerutscht. Deshalb sagt man in Herrenberg: eine Kirche, die sich auf die Menschen zubewegt.
In 40 Jahren werden wir mit dieser Kirche im Tal sein. Der Berg ist nämlich porös, und die ganze Kirche rutscht komplett. Das ist eigentlich eine eher bedrohliche Ankündigung, dass wir uns auf die Menschen zubewegen. Denn es sind dann ein paar tausend Tonnen Kirche, die da ins Tal rutschen.
Der Rutschfaktor ist allerdings relativ langsam, etwa ein Millimeter pro Jahr. Ich hoffe, wir sind schneller, wenn es bei uns darum geht, auf die Menschen zuzugehen.
Diese 40 Jahre – wie viele davon wirst du noch in Herrenberg miterleben? Weißt du das schon?
So genau weiß man das nicht, aber ich werde wahrscheinlich nur bis zum Sommer dort sein. Im Übergangsdienst nutze ich die Zeit, mir eine neue Aufgabe zu suchen, also einen neuen Job zu finden.
Neujahrsvorsätze und persönliche Identität
Jetzt ist das erste Wochenende im Jahr 2006. Viele von uns werden sich etwas vorgenommen haben. Volker, hast du dir auch etwas für das neue Jahr vorgenommen?
Ja, meine Hauptaufgabe im Leben ist es gerade, eine Aufgabe zu finden. Darüber hinaus habe ich mir vorgenommen, neu zu begreifen, wo meine allerletzte und tiefste Identität liegt. Es geht darum zu verstehen, was mein Leben ausmacht – nicht, dass ich bin, was ich tue, sondern dass ich das bin, was er in mich hineingelegt hat, dass er mich liebt. Das wird später auch noch einmal zum Ausdruck kommen.
Das Jahr 2006 – wir alle sind schon ganz gespannt. Und Volker, ich glaube, du bist es ganz besonders, weil das natürlich auch dein Hobby ist: Fußball und mitzufiebern.
Jetzt der ultimative Tipp: Wer wird Fußballweltmeister 2006? Tipps sind ja immer schwierig. Natürlich hofft man als Deutscher, dass Klinsmann mit seinen Jungs möglichst weit kommt. Aber wenn es nicht Deutschland sein soll, welchen Wunsch hast du?
Ich wünsche mir tatsächlich, obwohl sie schon so oft Weltmeister waren, dass es die Brasilianer wieder werden. Denn wenn die Brasilianer Weltmeister werden, ist das immer eine spontane Mini-Evangelisation. Kein Kameramann und kein Regisseur dieser Welt können dann ausblenden, dass die Brasilianer so deutlich machen, wer wirklich der Meister der Welt ist. Das wäre toll – eine kleine Botschaft für Christen weltweit: Wir sind vor drei Milliarden Menschen. Von daher wünsche ich mir, dass, wenn es nicht Klinsmann und seine Jungs schaffen, es die Brasilianer werden.
Ob das die Deutschen auch machen, wenn sie die WM gewinnen? Wir sind gespannt.
Noch ein Satz aus deinem Referat, so als Vorgriff?
Es geht nicht darum, dass wir den Kunden als König bedienen, sondern dass wir die Kunde vom König weitersagen.
Wir sind gespannt. Vielen Dank.
Die innere Motivation zur Weitergabe des Evangeliums
Jugendkonferenz für Weltmission – dabei geht es darum, weiterzusagen.
Was mich an diesen brasilianischen Kickern fasziniert, ist, dass sie einen inneren Überdruck haben, von Jesus zu erzählen. Sie haben früher immer ihre Trikots hochgerissen, als sie das noch durften. Darauf war dann jeweils eine kurze Botschaft des Evangeliums zu sehen.
Mittlerweile hat der DFB in seiner Regelungswut verfügt, dass private Werbeanzeigen verboten sind. Deshalb dürfen sie das nicht mehr zeigen. Aber diesen inneren Druck, das Evangelium weiterzusagen, spüre ich auch im Neuen Testament. Dort sind überall Menschen, die gar nicht anders können, als von Jesus zu erzählen.
Die Hirten auf dem Feld hören die Weihnachtsbotschaft und müssen loben und preisen. Die Emmaus-Jünger begegnen dem Auferstandenen und können gar nicht anders, als zurück nach Jerusalem zu laufen und weiterzusagen, was sie erlebt haben.
Die ersten Jünger stehen vor dem Hohen Rat. Ihnen werden Schläge und Strafen angedroht, und trotzdem sagen sie: „Wir können es überhaupt nicht lassen.“ Sie können nicht aufhören, von dem zu erzählen, was sie gehört und gesehen haben.
Dieser Überdruck muss auch in uns wieder entstehen. Wir dürfen gar nicht anders können, als den Menschen in unserer Umgebung – unseren Freunden, Verwandten und wem auch immer – weiterzusagen, was wir gehört und gesehen haben.
Der Wendepunkt im Wirken Jesu und die Bedeutung des Petrusbekenntnisses
Ich habe euch heute Morgen eine Geschichte ausgesucht, die zu den Schlüsselpassagen der synoptischen Evangelien gehört. Gerade diese drei Evangelien haben eine Mittelpassage, einen Kern, ein Scharnierstück, um das sich alles dreht und wo sich die Dinge entscheiden.
Wir befinden uns an der Wendemarke des Weges Jesu. Vorher hat Jesus Israel gesammelt. Er hat in allen Dörfern Galiläas gepredigt und versucht, Israel wieder zu seinem Gott zu bringen, damit sie ihn als den Messias anerkennen. Diese Sammlungsbewegung findet sich in der Mitte dieser Evangelien.
Man kann das ziemlich genau nachvollziehen: Das Markus-Evangelium hat 16 Kapitel, und in Markus 8 findet man diesen Wendepunkt. Heute geht es um Matthäus, der 28 Kapitel hat. Dort ist der Wendepunkt im Kapitel 16, also auch relativ in der Mitte.
An dieser Stelle kommt es zu einem Wendepunkt, und zwar dort, wo Petrus von Jesus gefragt wird: „Wer glaubt ihr, dass ich bin?“ Darauf folgt das Bekenntnis: „Du bist der Messias, der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“
An dieser Stelle möchte ich jetzt ansetzen. Ich habe die Verse hier eingeblendet, wir lesen sie mal zusammen. Es sind die Verse unmittelbar nach der Geschichte von Petrus’ Bekenntnis.
Dort heißt es: Seit der Zeit, also nachdem Petrus Jesus als Messias anerkannt und beim Namen genannt hatte, fing Jesus an, seinen Jüngern zu zeigen, dass er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse – von den Ältesten, den hohen Priestern und den Schriftgelehrten –, dass er getötet werden und am dritten Tag auferstehen werde.
Petrus nahm ihn beiseite, fuhr ihn an und sprach: „Gott bewahre dich, Herr, das widerfahre dir nicht!“ Er aber wandte sich um und sprach zu Petrus: „Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“
Dann sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.
Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei Schaden an seiner Seele nimmt? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele erlösen könnte?“
Wie gesagt, das ist eine Schlüsselpassage, ein Wendepunkt. An solchen Wendemarken wird immer wieder deutlich, wohin die Reise geht. Wohin soll es mit Jesus und seiner Mission gehen, und wohin soll es nicht gehen?
Das ist hier eine Entscheidungssituation der Jünger auf dem Weg mit Jesus. Unmittelbar voraus liegt das Petrusbekenntnis, wo Petrus Jesus als Messias bekannt hat. Und jetzt geht es schnurstracks Richtung Jerusalem.
Die Sendung ist vorbei, jetzt geht es hinauf nach Jerusalem. Jetzt geht es zur Entscheidung, zum Leiden, zum Kreuz und auch zur Auferstehung.
Der Weg führt nach Jerusalem, und jetzt wird es bitter. Die Zeit der Erfolge ist vorbei. Die Zeit, in der alles auf Jesus zuläuft, ist vorbei. Jetzt wird es knallhart für die Jünger.
Die Bedeutung des Kreuzeswegs für Jesus und seine Nachfolger
Und nun möchte ich diese Verse, die wir gerade gelesen haben, an die große Geschichte vom Bekenntnis des Petrus anschließen.
Das hat einen sehr tiefen Sinn. Jesus offenbart hier nicht nur, in welcher Weise er der Messias ist und in welcher Weise er es nicht ist, sondern auch, was es bedeutet, ein Nachfolger Jesu Christi zu sein.
Ich habe drei Punkte dazu.
Erstens: Der Weg Jesu. Es ist nicht der Königsweg, sondern der Kreuzesweg. Nicht Königsweg, sondern Kreuzesweg.
1. Der Weg Jesu: Nicht Königsweg, sondern Kreuzesweg
Ich will noch einmal diese erste Szene genau anschauen, die wir gelesen haben. Sie gehört zu den erstaunlichsten Szenen des Neuen Testaments überhaupt. Es ist der rapide Stimmungsumschwung im Verhältnis zwischen Petrus und Jesus.
In der vorherigen Szene fragt Jesus: „Wer glaubt ihr, dass ich bin?“ Darauf antwortet Petrus stellvertretend für die ganze Gruppe: „Du bist der Christus, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Es herrscht große Stille und tiefe Ehrfurcht – eine beeindruckende Situation.
Wenige Verse später bestätigt Jesus dieses Bekenntnis: „Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Doch gleich danach kommt es zu einer knallharten Auseinandersetzung zwischen Jesus und seinem Jünger Petrus.
Jesus hatte Petrus gerade zum Felsen bestimmt, auf den er seine Gemeinde bauen will. Und nun spricht Jesus über sein bevorstehendes Leiden, über Verrat und Tod, aber auch über Auferstehung. Ausgerechnet Petrus, der eben noch das Bekenntnis abgelegt hatte, fällt ihm ins Wort und fährt ihn an: „Gott bewahre, das widerfahre dir nur nicht!“
Darauf folgt ein scharfer Verweis. Es gibt in der ganzen Bibel kein schärferes Wort, das Gott oder Jesus an einen Menschen richtet. Und ausgerechnet dieses Wort gilt dem zukünftigen Leiter der Gemeinde: „Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“
Wir stehen hier vor einem Rätsel. Dieses Rätsel löst sich erst, wenn wir verstehen, was Petrus eigentlich bekannt hat, als er Jesus als den Messias bezeichnete. Petrus verstand unter dem Begriff „Messias“ etwas ganz anderes als Jesus selbst.
Für Petrus war der Messias ein politischer Titel, ein politisches Wort. Der Messias war für ihn ein irdischer König, der mit irdischer Macht und Gewalt den Thron erobert und regiert. In diesem Bild hatte Leiden und Tod keinen Platz. Das Sterben passte nicht in dieses Bild hinein.
Wenn wir die Geschichte weiterverfolgen, merken wir, dass Petrus bis zur Nacht von Gethsemane, eigentlich bis Ostern, nicht begriffen hat, in welcher Weise Jesus wirklich Messias war, sein wollte und sein musste.
Petrus verband mit seinem Bekenntnis rein irdische Hoffnungen, sehr menschliche Geltungsansprüche und Bedürfnisse – all das, was auch wir haben. Er projizierte diese Wünsche auf Jesus: „Du musst diese Wünsche erfüllen, du musst dieses Bild erfüllen.“
Er sah Jesus in Jerusalem auf dem Thron erhöht, nicht am Kreuz. Er sah Jesus als Sieger, nicht als Opfer. Das, was Jesus hier ankündigte, hatte in seinen Vorstellungen, Wünschen und Erwartungen keinen Platz. Deshalb reagierte er so heftig. Und auch Jesu Reaktion war nicht weniger heftig.
Diese Reaktion verstehen wir erst, wenn wir begreifen, dass Jesus in dieser Szene selbst ein angefochtener Mensch war, der in einer tiefen Versuchung stand. Jesus war kein abgehobener Menschensohn, kein abgehobener Sohn Gottes, der nichts berührte.
Jesus hat gelitten am Kreuz. Er konnte traurig sein und angefochten werden. Er wusste: Sein Weg führt jetzt hinauf nach Jerusalem. In diesem Moment war er zutiefst angefochten. Es war die letzte Chance für ihn, zu fliehen, sich dem Leiden zu entziehen, in heidnisches Land auszuweichen und allem, was kommen würde, zu entgehen.
In dieser Situation war Petrus für Jesus ein teuflischer Versucher, der ihn von seiner eigentlichen Sendung abbringen wollte. Hinter Jesu Entschluss, nach Jerusalem zum Leiden zu gehen, stand eine Gehorsamsentscheidung gegenüber seinem himmlischen Vater.
Jesus entschied sich hier in großem Gehorsam: „Ich gehe diesen Weg, weil es mein Weg ist, weil es der Weg des Messias ist, weil es der einzige Weg ist, um die Welt von ihrer Schuld zu retten.“ Es geht hier wirklich um Heil und Verlorenheit der ganzen Welt.
Es geht um die Entscheidung: Erfülle ich meine Sendung oder weiche ich ihr aus?
In dieser Szene wird auch deutlich, wie wichtig es ist, Jesus richtig zu verkündigen. Wir können auf eine theologisch klare und eindeutige Lehre von Jesus Christus nicht verzichten. Sonst verlieren wir automatisch das Wesen der Nachfolge aus den Augen.
Petrus hatte ein halbrichtiges Bild von Jesus. Er war der Messias, aber nicht so, wie er es sich vorstellte. Halbe Wahrheiten sind in der Theologie immer ganze Lügen. Er ist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes. Aber es geht um die Frage: Wie ist er das? Wie sollen wir es verstehen? Und wie sollen wir ihm nachfolgen?
Nicht so, wie es die Juden damals verstanden, sondern mit der Wahrheit seiner Identität als Messias. Sein Weg ist der des Opferlamms. Seine Erhöhung führt nicht auf den Thron, sondern zum Kreuz. Sein Sieg vollzieht sich in tiefster Schande.
Mit halben Wahrheiten wird die praktische Nachfolge zur ganzen Lüge. Das wird bei Petrus hier sehr deutlich. Nur fällt Jesus nicht in den Arm. Das war in dieser Situation nicht göttlich, sondern ganz menschlich.
Nun war es nicht mehr halbrichtig, wie das Messiasbekenntnis, sondern auf einmal ganz falsch.
Für eure Gemeindearbeit und Jugendarbeit ist eine gute biblische Arbeit unverzichtbar, völlig unverzichtbar. Wir dürfen um der Menschen willen nicht auf eine biblische Schulung verzichten, denn halbes Wissen über Jesus reicht nicht aus. Mit halben Wahrheiten finden wir den Weg nicht.
Unser Weg ergibt sich immer aus dem Weg Jesu. Wir werden Jesus nur dann richtig nachfolgen, wenn wir ihn richtig verstehen. Das Wesen der Nachfolge ist immer eine Folge unserer Lehre von Jesus.
Wenn die Lehre richtig ist, wird auch die Nachfolge richtig sein. Wenn sie nur halbrichtig ist, wird die Nachfolge nicht halbrichtig, sondern ganz falsch.
Ein zweiter Punkt: Die Nachfolge der Jünger bedeutet nicht nehmen, sondern hingeben.
2. Die Nachfolge der Jünger: Nicht geben, sondern hingeben
Jesus sagt: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.
Ich glaube, dass wir hier an einem Schlüsselvers unserer gegenwärtigen Gemeindearbeit und Jugendarbeit stehen. Ich möchte es an einer anderen Geschichte erklären.
Aus dem Mittelalter, genauer gesagt aus der Renaissancezeit, ist uns eine Geschichte überliefert. Damals machte in Rom gerade der junge Bildhauer Michelangelo seine Lehre, seine Ausbildung, bei dem damals sehr berühmten Bildhauer Romano. Romano war der Lehrer, Michelangelo der Schüler.
Es zeichnete sich bereits ab, dass Michelangelo ein Jahrhundert- oder vielleicht sogar ein Jahrtausendgenie werden würde, der wie kein Zweiter mit Marmor und Farbe umgehen konnte. Nun wird erzählt, wie Michelangelo eines Tages dabei war, eine riesige Marmorstatue aus einem großen Marmorblock herauszuklopfen. Man konnte schon deutlich die Konturen sehen, die Fertigstellung würde nicht mehr lange dauern.
Während Michelangelo auf seiner Leiter stand und an seiner Statue arbeitete, kam sein Lehrer Romano herein. Er stellte sich hin, betrachtete das Werk zehn Minuten, lief um den Marmorblock herum und sagte dann zu Michelangelo: „Komm bitte mal von der Leiter herunter.“
Michelangelo stieg von der Leiter, stolz geschwellter Brust, denn er erwartete nun Lob von seinem Lehrer. Doch dann nahm Romano einen riesigen Steinhammer und schlug die halbfertige Marmorstatue in tausend Einzelteile.
Michelangelo stand fassungslos da, und nachdem er sich nach einigen Minuten gefasst hatte, fragte er Romano: „Warum hast du das getan?“
Romano antwortete mit dem Satz, den ich heute Morgen für diese Bibelarbeit aufgeschrieben habe: „Michelangelo, Begabung ist billig, Hingabe ist kostbar.“
Der Lehrer hatte gesehen, dass Michelangelo begabt war – begabt wie kein Zweiter, vielleicht wie niemand zuvor im Umgang mit Marmor, Stein und Farbe. Doch er wollte ihm klar machen: Begabung allein reicht nicht. Was ein Kunstwerk kostbar macht, ist die Hingabe.
Wer schon einmal die Fresken in der Sixtinischen Kapelle oder andere Kunstwerke Michelangelos in Rom gesehen hat, weiß, dass Michelangelo diese Lektion verstanden hat. In seinen Werken steckt nicht nur Begabung, sondern vor allem Hingabe. Nur was aus Hingabe erwächst, hat Bestand.
Warum bringe ich diese Geschichte und dieses Zitat in Verbindung mit dem Thema Nachfolge? Ich glaube, wir alle – mich eingeschlossen – laufen immer wieder Gefahr, Gott nur unsere Begabungen zu geben, nicht aber unsere Hingabe. Wir denken vielleicht: „Ich gebe Gott meine Gaben, die kann er haben, und die sind ja so toll.“ Aber das müsse dann auch reichen.
Heute machen wir viele Gabentests und forschen intensiv nach unseren Begabungen, auch nach geistlichen Gaben. Das ist nicht falsch. Oft steckt darin auch eine gewisse Unsicherheit: Was ist eigentlich meine Identität? Was kann ich richtig gut? Wer bin ich und was kann ich nicht? Manchmal geht es auch um unser angekratztes Selbstwertgefühl.
Es ist gut, sich immer wieder zu fragen, was man kann und was nicht. Wenn es um die Mitarbeit in der Gemeinde geht, wünschen wir uns, dass die richtigen Leute an den richtigen Platz kommen. Es ist schwierig, wenn der Chorleiter keine Noten lesen kann oder unmusikalisch ist. Es ist schwierig, wenn der Kassierer keine Ahnung von Geld hat oder nicht zählen kann. Es ist immer schwierig, wenn jemand eine Aufgabe übernimmt, die er nicht kann.
Ich habe Ähnliches erlebt: Neun Tage in einer Firma, um zu erkennen, dass ich die Aufgabe nicht bewältigen kann. Ich habe dann schnell die Konsequenzen gezogen, bevor andere darunter leiden mussten.
Wer erlebt hat, wie ein Mitarbeiter einen Dienst blockiert, für den er keine Begabung hat, wird sicherlich befürworten, dass wir auf unsere Gaben achten, Begabungen prüfen und die richtige Platzanweisung suchen.
Aber Begabung ist dennoch nicht das Entscheidende im Reich Gottes. Begabung allein wird keine Frucht bringen, wenn wir Gott nur unsere Gaben geben, aber nicht unsere Hingabe.
Was ist Hingabe? Hingabe bedeutet nicht, dass wir von vornherein Märtyrer werden sollen oder müssen. Hingabe heißt auch nicht, dass ich meine Identität und Geschöpflichkeit verleugnen muss, so wie Gott mich geschaffen hat. Hingabe bedeutet erst recht nicht, dass ich meine Kräfte im Dienst für Jesus verheizen muss. Das wäre ein Missverständnis von Hingabe.
Hingabe heißt, Gott zu lieben – von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deinem ganzen Verstand, Willen und Verlangen. Darauf kommt es an.
Am Ende des Johannesevangeliums gibt es eine sehr bewegende Szene, die das noch einmal deutlich macht. Es geht um die Erneuerung der Berufung des Petrus. Petrus, der von Jesus zum Felsen der Gemeinde berufen wird, der das große Bekenntnis spricht, der aber auch seinen Herrn dreimal verleugnet hat und an seinem falschen Messiasbild gescheitert ist.
Am Ende des Johannesevangeliums beruft Jesus Petrus noch einmal neu. Die Szene spielt sich am See Genezareth ab. Petrus ist wieder fischen gegangen, hatte eine sinnlose Nacht, und ein Fremder am Ufer fordert ihn auf, die Netze auszuwerfen. Die Netze sind, wie bei seiner ersten Berufung, zum Bersten voll. Wieder steht Jesus am Ufer.
Dann beginnt ein bewegender Dialog, in dem Petrus neu berufen wird. Interessant ist, was Jesus von Petrus wissen will. Er fragt nicht nach seinen Begabungen, nicht nach seiner Belastbarkeit, nicht nach seinen Opferbereitschaften, nicht nach seinen Zukunftsvisionen für die Gemeinde.
Jesus fragt nur einen Satz mit vier Worten: „Hast du mich lieb?“ Und er fragt es dreimal.
Das bedeutet: Jesus will wissen, ob Petrus wieder in Gemeinschaft mit ihm leben will, ob er seine Berufung wieder annehmen will. Mehr will Jesus nicht wissen.
An dieser Stelle wird deutlich, was unsere Berufung ist und was Hingabe bedeutet: Die Berufung ist die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Gott und Mensch.
Berufen wird man nicht zu einer bestimmten Aufgabe, nicht in einen bestimmten Dienst, nicht in den Dschungel von Papua-Neuguinea oder in die Höhen von Tadschikistan. Berufen wird man immer nur zur Gemeinschaft mit dem Sohn Jesus Christus. Anders gesagt: Man wird berufen, Christ zu sein.
Diese Berufung können wir in jeder Lebenssituation leben. Niemand kann heute sagen: „Ich sitze in einer schwierigen Lage und kann meine Berufung nicht leben.“ Nein, deine Berufung zu Jesus Christus kannst du in allen Umständen leben, die es in deinem Leben und auf dieser Welt gibt.
Wir sind nicht zu einer konkreten Aufgabe berufen, sondern zur Gemeinschaft mit Jesus. Das ist die Grundberufung.
Von dieser Berufung müssen wir die Sendung unterscheiden. Gott ruft uns zuerst in die Gemeinschaft mit ihm – das ist Hingabe. Ich gebe mich der Gemeinschaft mit Jesus Christus hin.
Dann sendet er uns in eine bestimmte Aufgabe. Es ist wichtig, Berufung und Sendung auseinanderzuhalten, nicht zu trennen, aber klar zu unterscheiden. Warum? Weil deine Hingabe sich immer auf deine Berufung beziehen muss, nämlich in Gemeinschaft mit Jesus zu leben.
Aus dieser Berufung, aus dieser Gemeinschaft ergibt sich deine Identität – nicht aus deiner Aufgabe. Du bist nicht das, was du tust.
Ich bin gerade dabei, das in meinem Leben neu zu entdecken: Wir sind nicht, was wir tun. Das ist nicht unsere Identität – nicht unser Erfolg, nicht die Frucht, die wir bringen. Unsere Identität ist, dass wir geliebte Kinder des himmlischen Vaters sind. Wir sind, weil er uns liebt und uns mit seinem Ruf in die Gemeinschaft ruft. Das ist unsere tiefste Identität.
Deshalb ist es völlig nebensächlich, wie erfolgreich du in deinem Dienst für Jesus bist. Erfolg kann ausbleiben. Wenn wir uns über unsere Aufgabe definieren und diese wegfällt, dann sind wir nichts – und die Krise kommt. Wenn wir uns aber über die Liebe Gottes definieren, die Jesus in unser Leben fließen lässt, dann sind wir etwas – egal, wie erfolgreich oder erfolglos wir sind. Dann bleibt das.
Entscheidend ist nicht, dass du beliebt bist wegen deines Aussehens, Erfolgs oder Zeugnissen, sondern dass du geliebt bist. Bestimme deine Identität niemals über deine Aufgabe, deinen Erfolg oder deine Beliebtheit, sondern einzig über dein Geliebtsein.
Du bist berufen zur Gemeinschaft mit Jesus Christus – das ist der Kern. Von diesem Kern muss alles andere ausgehen.
Nachfolge heißt deshalb zunächst einmal ganz schlicht: Hingabe an Jesus Christus, in Gemeinschaft mit ihm leben. Die Beziehung zu ihm ist das Entscheidende.
Deshalb fragt Jesus Petrus: „Hast du mich lieb?“ Nicht: Welche Visionen hast du? Nicht: Welche Begabungen hast du? Nicht: Welche Opferbereitschaft oder Kompetenzen? Sondern: „Hast du mich lieb?“ Darauf kommt es an.
In dieser Gemeinschaft wird Jesus dich mitnehmen auf seinem Weg – und das ist nicht der Königsweg, sondern der Kreuzesweg.
Das heißt aber nicht, dass du unbedingt Märtyrer werden musst. Im Gegenteil: Menschen, die unbedingt Märtyrer werden wollen, sind oft sehr schwierige Menschen, die man in der Gemeinde nicht gebrauchen kann. Wer unbedingt Märtyrer werden will, soll es werden – aber nicht in der Gemeinde. Verschone die Gemeinde damit.
Martin Luther hat zu dieser Stelle einmal Folgendes gesagt: Im Mittelalter wollte man unbedingt leiden, weil man dachte: Je mehr ich leide, desto mehr gefalle ich Gott. Luther sagte: Nicht das Werk, das du erwählst, nicht das Leiden, das du erdenkst, sondern dass dir wieder dein Erwählen, Denken und Begehren zukommt – da ist es, da folge ich, da rufe ich, da sei Schüler, da ist es Zeit, dein Meister ist da gekommen.
Such dir nicht dein Martyrium selber aus, sondern folge Jesus dorthin, wo er dich hinstellt. Wenn er dich in eine Familie gestellt hat, die Multimillionäre sind, folge Jesus als Multimillionär nach. Wenn Jesus dir ein Milliardenerbe schenkt, nimm dein Kreuz auf dich und trage dieses Erbe. Es ist ein erhebliches Gewicht, das zu tragen ist.
Wenn Jesus dich kerngesund hierher gesetzt hat, dann nimm es an als von Gott gegeben. Wenn er dich krank hierher gestellt hat, dann nimm dieses Kreuz auch an. Das heißt nicht, dass du nicht zum Arzt gehen darfst, aber nimm die Dinge an, wie Jesus sie dir schenkt.
Selbstverleugnung ist etwas völlig anderes als Selbstverneinung – eine wichtige Unterscheidung, an der wir oft scheitern.
Selbstverleugnung ist nicht immer der Weg des größten Widerstands, der größten Qualen oder der größten Armut. Nein, Selbstverleugnung ist schlicht der Weg der Liebe zu Jesus. „Hast du mich lieb?“ heißt, dass die Liebe zu ihm seinen Wünschen und Plänen Vorrang gibt vor meinen eigenen Wünschen und Plänen.
Weil ich ihn liebe, gebe ich Jesus das letzte Wort – und er hat das letzte Wort, nicht ich.
Ich darf nicht sagen: Ich will den Weg des größten Widerstands, der größten Qualen und Leiden gehen. Nein, ich muss den Weg Jesu gehen.
Jesus sagt: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten. Wer mich nicht liebt, der hält mein Wort nicht.
An dieser Geschichte merkt man, dass Liebe in der Bibel keine Frage des Gefühls ist, sondern des Gehorsams. Zuerst kommt der Gehorsam: Ich gehe Jesus nach, ich folge ihm nach. Dann werden sich möglicherweise auch Gefühle einstellen.
Liebe ist zuallererst eine Frage des Gehorsams. Wer Jesus liebt, der folgt ihm nach – und der wird sein Held sein.
3. Die Botschaft der Nachfolge: Nicht der Kunde ist König, sondern die Kunde vom König
Was bedeutet das jetzt für unser Zeugnis, für unser Weitersagen gegenüber unseren Freunden, Klassenkameraden, Arbeitskollegen und so weiter? Wozu ladet ihr eure Freunde ein?
Damit bin ich beim Dritten: unserer Botschaft. Nicht der Kunde ist König, sondern die Kunde vom König.
Oft werde ich eingeladen zu Jugendgottesdiensten und Evangelisationen. Ich bin immer wieder begeistert – total begeistert –, wenn ich erlebe, wie kreativ, liebevoll, engagiert und hingebungsvoll junge und ältere Menschen eine Evangelisation oder einen Jugendgottesdienst vorbereiten. Fantastisch! Ich bin beeindruckt von der gewaltigen Mühe und der Liebe, die darin steckt.
Da steckt eine riesige Sehnsucht drin, es den eigenen Freunden so leicht wie möglich zu machen, in die Nachfolge Jesu zu kommen. Die Sache mit Jesus soll so attraktiv und anziehend wie nur irgend möglich sein. Das berührt mich. Und dann singen und predigen wir von Jesus, dass er der Tollste, der Beste und der Allergrößte ist – und das ist ja auch gar nicht falsch.
Die Frage ist nur: Ist das auch ganz richtig? Ich frage mich manchmal, ob wir nicht unabsichtlich eine andere Botschaft mittransportieren, wenn wir das so tun. Ob wir unter der Hand einen anderen Jesus verkünden.
Ich will erklären, welches Bild vom Christsein wir dabei vermitteln. Was sollen die Menschen eigentlich konkret werden, wenn sie Christen werden, wenn wir Jesus so verkündigen? Was passiert, wenn wir unsere Freunde und Kollegen wie Kunden behandeln, die auf ein möglichst attraktives Angebot eingehen sollen?
Es passiert Folgendes: Wenn ich meine Freunde wie Kunden zu Jesus einlade, dann werden sie sich auch so verhalten. Sie werden sich irgendwann auch wie Kunden benehmen. Wenn wir in unseren Gemeinden, Jugendkreisen, in unserer Jugendarbeit oder in der weltweiten Mission Menschen wie Kunden ansprechen, dann werden sie sich auch so benehmen.
Wie verhält sich ein Kunde? Das kennt ihr doch: Wir sind doch jeden Tag irgendwo Kunde. Und als Kunde versuche ich doch, möglichst viel zu bekommen und dafür möglichst wenig zu geben oder zu zahlen. „Geiz ist geil“ – das ist professionelles Kundenverhalten. Das haben wir uns alle schon verinnerlicht: möglichst viel für möglichst wenig.
Nur, das ist das genaue Gegenteil von dem, was Jesus eigentlich wollte. Jesus will meine Hingabe, er will meine Liebe, Jesus will mein Leben. Das will Jesus, das ist Nachfolge. Und was hat er zu bieten? Er hat sein Kreuz zu bieten, den Spott der Welt und manchmal sogar Verfolgung und den Hass der Welt.
Es ist für mich überhaupt kein Wunder, dass das Evangelium bei den ersten Hörern als kompletter Schwachsinn verstanden wurde. Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit, ein Blödsinn, ein Schwachsinn, ein Irrsinn denen, die verloren gehen, schreibt Paulus. Das war seine alltägliche Erfahrung.
Das kann man gut nachvollziehen. Wer soll eigentlich auf so ein absolut hirnrissiges und verrücktes Geschäft eingehen?
Was sagte denn Jesus zu den Menschen? Was sagte er uns? Jesus sagt nicht: „Hey Leute, heute Abend eine mega coole Party, das Event des Jahres, kommt doch mal vorbei, wenn ich gerade mal zufällig vorbeikomme und Lust habe, ganz unverbindlich. Nur wenn ihr nichts Besseres vorhabt, ist es ganz easy, ganz cool, auf alle Fälle aber mega toll, und wenn es dir gefällt, kannst du ja auch mal länger bleiben.“ Nein, Jesus sagt das nicht.
Jesus sagt: „Komm, steh auf, nimm dein Kreuz und folge mir nach.“ Und das Verrückte geschieht – das Verrückte, Irrsinnige und Schwachsinnige in den Augen dieser Welt –, dass bis auf diesen Tag Millionen und Abermillionen von Menschen diesen Ruf hören und ihm gefolgt sind. Angefangen bei Petrus, Johannes, Paulus und all den anderen.
Und warum machen die das? Warum gehen sie auf dieses verrückte Angebot ein? Weil sie bei Jesus eine Liebe erfahren, wie sonst nirgends auf dieser Welt.
Gott hat die Welt, dich und mich persönlich so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit wir nicht verloren gehen. Gott hat mir seine Liebe bewiesen, als ich noch gar nichts von ihm wissen wollte.
Und diese Liebe provoziert uns, jetzt zurückzulieben. Was Jesus ansehend macht, ist nicht der Unterhaltungswert unserer Gottesdienste – nichts gegen gutgemachte Gottesdienste, bitte nicht falsch verstehen. Es ist nicht der Kuschelfaktor unserer Jugendkreise – bitte nichts gegen eine freundliche, warme Atmosphäre im Jugendkreis.
Was Jesus ansehend macht, ist seine Liebe. Und wer erlebt hat, dass er geliebt wird, der fängt an, zurückzulieben. Wer zurückliebt, der kann und wird nicht mehr unverbindlich bleiben. Er wird Jesus nicht nur seine Begabungen geben, sondern seine Hingabe.
Wer die Liebe Jesu erfahren hat, der wird Jesus nicht nur einen Teil seines Geldes, einen Teil seiner Zeit, einen Teil seiner Kraft und einen Teil seiner Zukunft geben – eben so ein bisschen von allem. Sondern der wird ihm seine Liebe und damit sein Leben geben. Das ist Hingabe, das heißt Nachfolge.
Jetzt sitzt vielleicht die eine oder der andere da und rechnet sich das durch, ob sich das lohnt, ob es das wirklich bringt. Und im Hinterkopf immer das Mediamarkt-Prinzip: „Ich bin doch nicht blöd“ – professionelles Kundenverhalten.
Wisst ihr, für diese Frage muss man sich nicht schämen. Die Jünger Jesu haben sich diese Frage auch gestellt: „Ich bin doch nicht blöd, lohnt sich das?“
Abends in der letzten Nacht vor seinem Tod hat Jesus seinen Jüngern eine Frage gestellt. Er sagte: „Als ich euch ausgesandt habe, ohne Geldbeutel, ohne Tasche, ohne Schuhe, habt ihr da je Mangel gehabt?“
Und die Jünger antworteten: „Niemals.“
Seht ihr, so wird es bei uns auch sein, bei euch und bei mir. Jesus wird uns mal im Himmel empfangen mit dieser Frage: „Und wie war es, als ihr euer Leben meinetwillen hergegeben habt? Habt ihr da je Mangel gehabt?“
Jetzt werden wir vielleicht nicht spontan „niemals“ rufen, sondern wir werden vielleicht einige Sekunden brauchen. Wir werden vielleicht einige Sekunden brauchen, in denen uns manche Entbehrungen durch den Kopf gehen, manches, auf das wir verzichtet haben, manche harten Wege, mancher Spott, den wir in dieser Welt erlitten haben, der uns wehgetan hat, manches, was wir verloren haben, was wehgetan hat, manche Tränen, die wir um seines Willens vergossen haben.
Wir werden vielleicht ein paar Sekunden nachdenken müssen. Aber dann werden uns die anderen Dinge einfallen: was wir gewonnen haben in diesem Leben, dieser Friede, der in uns eingezogen ist, diese Geborgenheit, die man nur erlebt, wenn man in Gemeinschaft mit Jesus Christus ist, diese riesige Freiheit, wenn die Last der Schuld weggenommen ist.
All das wird uns dann auch einfallen, und dann werden wir sagen: „Niemals, niemals Mangel gehabt.“
Abschließende Gedanken und Gebet
Zum Schluss ein Wort von Jim Elliot. Jim Elliot war ein junger Missionar, der mit 29 Jahren in den Amazonas-Dschungel gezogen ist, um den Oka-Indianern das Evangelium zu verkündigen. Er wurde von genau diesen Indianern, denen er die gute Nachricht bringen wollte, ermordet – ebenfalls mit neunundzwanzig Jahren.
In einem Brief an seine junge Frau, den er wenige Monate vor seinem Tod schrieb, steht dieser Satz: „Der ist keiner, der gibt, was er nicht behalten kann, um zu bekommen, was er nicht mehr verlieren kann.“
Ich danke euch fürs Zuhören. Amen.
Lasst uns noch beten miteinander.
Herr Jesus, du hast dein Leben für uns hingegeben. Du hast dich uns hingegeben in großer Liebe. Nun erwartest du keine Wunderdinge von uns. Du erwartest keine unendlichen Kompetenzen und keine großen Zukunftsvisionen. Du erwartest von uns nicht viel, und doch erwartest du Unendliches.
Hast du mich lieb? Herr Jesus, ich bin berührt von dieser Frage. Du fragst nach unserem Herzen, und wir tun uns oft schwer mit unserem Herzen. Wir ringen oft mit unserem Herzen – in unserem Herzen mit dir.
Ich möchte dich bitten, dass du unser Herz eroberst, es zu dir ziehst und dass du uns mehr und mehr zur Liebe befähigst – zu dir und zu den Menschen, die du uns vor die Füße stellst.
Herr Jesus, gib uns wieder ein klares Bild von dir, von dem, wer du bist, und von dem, wie wir dir nachfolgen sollen. Gib uns ein klares Bild von den Menschen, denen wir deine gute Nachricht sagen sollen.
Gib uns den Mut, sie nicht als Kunden zu behandeln, sondern ihnen die ganze Herausforderung deines Evangeliums zuzumuten: „Komm und folge mir nach!“ Gib uns den Glauben, zu glauben, dass das genügt und dass diese verrückte Botschaft deines Evangeliums auch heute noch Menschen berührt.
Hilf uns, dass wir nicht auf unsere Kraft, unsere Klugheit oder unsere Formulierungskunst vertrauen, sondern auf deinen guten Geist. Der allein kann Menschen bewegen, verändern und zur Umkehr führen.
Ich danke dir an diesem Morgen dafür, dass du unter uns bist. Nun geh du mit uns auch in diesen Tag, in die kommende Woche und in dieses Jahr, damit wir leben, was wir glauben.
In deinem Namen, Amen.
Zeugnisse aus der Mission: Luis Trujillo und Silvia Fikus
Jugendmissionskonferenz – da steckt das Wort Mission schon drin. Wir werden jetzt zwei Schlaglichter aus der Mission hören: zuerst von Luis Trujillo und dann von Silvia Fikus.
Guten Tag, ich heiße Luis Trujillo. Ich komme aus Ecuador, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Ich bin verheiratet mit Ute Hermstrüber, einer Missionarin der Deutschen Missionsgemeinschaft (DMG). Gott hat uns drei gesunde Töchter geschenkt, wofür wir sehr dankbar sind.
Ich komme aus Ecuador, dem Land, in dem Jim Elliot wirkte. Damals wusste ich nicht, dass ich einmal Missionar werden würde. Weiß jemand von euch, ob Eltern oder Freunde für euch beten, dass ihr ganz Gott dienen möchtet? Ich weiß, dass meine Mutter für ihre sechs Söhne betete, dass wir Gott dienen sollen. Gott hörte das Gebet meiner Mutter. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Alle in meiner Familie sind gläubig und haben eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Der Älteste ist Pastor, einige meiner Brüder sind ebenfalls Missionare, und ich bin Missionar. Doch nun von Anfang an: Bei einer Kinderfreizeit akzeptierten drei meiner Brüder und ich Jesus Christus als unseren persönlichen Retter. Jesus ist in meinem Herzen.
Als Jugendlicher nahm ich an missionarischen Einsätzen teil, unter anderem bei Indianern im Urwald und bei evangelistischen Veranstaltungen in der Stadt. Oft hörte ich den Ruf des Herrn zum vollzeitlichen Dienst. Lange antwortete ich nicht, denn der Besitzer meines Lebens war immer noch ich. Jesus war zwar mein Retter, aber nicht mein Herr.
Nach einer schwierigen Zeit in meinem Leben und in meiner Familie betete ich schließlich: „Nimm, oh Gott, mein Leben in deine Hände. Aber bitte, bitte sag mir klar, was du möchtest, dass ich tue. Ich möchte eine Beziehung mit dir, du als Herrn in meinem Leben, nicht nur als Retter, sondern auch als Herrn.“ Durch Bibelverse, Lieder und Menschen hörte ich den Ruf des Herrn zum vollzeitlichen Dienst.
Ungefähr einen Monat später lernte ich die Missionarin Ute Hermstrüber kennen. Sie machte gerade ihr Spanischstudium in Ecuador und sagte zu mir: „Luis, nur wenn du unabhängig von mir den Ruf in die Mission hast, können wir vielleicht eine Freundschaft beginnen. Denn ich bin Missionarin und werde die Missionsarbeit für dich nicht aufgeben. Wenn ja, dann heißt das für dich: eine Bibelausbildung machen, Gemeindepraktikum absolvieren, Deutsch lernen, Englisch lernen, Ecuador verlassen, Deutschland mit seiner komplizierten Kultur kennenlernen, Kandidat bei der Deutschen Missionsgemeinschaft sein, Freundeskreis aufbauen und so weiter.“
Als ich hörte, was meine Frau mir sagte, dachte ich: Mensch Luis, dein Gebet ist erhört. Du hast gebetet: „Nimm, oh Gott, mein Leben in deine Hände. Aber bitte sag mir klar, was du möchtest, dass ich tue.“ Und mehr Klarheit gibt es nicht.
In Ecuador absolvierte ich die Bibelschule, parallel machte ich ein Gemeindepraktikum. Danach ging ich allein nach Deutschland, um Deutsch zu lernen, die Kandidatenzeit bei der Deutschen Missionsgemeinschaft zu durchlaufen, einen Freundeskreis aufzubauen und so weiter.
Vielleicht klingt das alles sehr schön, aber es hat viel gekostet. Es hat wirklich viel gekostet. Doch es hat sich gelohnt, denn nichts ist mit diesem Abenteuer zu vergleichen: ein Instrument Gottes zu sein und andere Menschen mit seiner Liebe, seiner Wahrheit und seinem Leben anzustecken – Menschen, die ihm unendlich wichtig sind.
Gottes Segen euch! Dankeschön!
Mein Name ist Silvia Fikus, und das hier erinnert mich schon an Afrika. Dort bin ich nämlich in Äthiopien, und die Leute sitzen dort auch vorne bis ganz nah. Ich darf dort sein.
Ich bin vor 15 Monaten mit christlichen Fachkräften in den sogenannten „Nationaldienst“ gegangen, und jetzt ist mein erster Heimaturlaub.
Wisst ihr, ich bin nach Äthiopien gegangen, ich hatte mich vorbereitet. Ich habe unheimliche Angst vor Schlangen, vor Skorpionen, vor Löwen und so weiter. Und das gibt es dort alles – aber nicht nur das, sondern auch Flöhe.
Mir machten die Flöhe Probleme. Es war so schlimm. Ich bin ins Hochland gegangen, wo meine Arbeitsstätte ist. Dort beschäftige ich mich mit Apfelanbau, Birnen, Zwetschgen und Medizinalpflanzen.
Meine Begabung ist es, auf Menschen zuzugehen. Aber die Menschen dort hatten Flöhe. Ich hatte ungefähr hundert Bisse und wusste gar nicht mehr, wie ich mich noch kratzen sollte. Es war schrecklich, ich kannte das überhaupt nicht. Man kommt aus Deutschland, und so etwas macht einem Probleme.
Mir schossen Gedanken durch den Kopf: Wenn ich mich den Menschen nicht nähere, bekomme ich auch keine Flöhe. Aber meine Begabung ist es, auf Menschen zuzugehen. Doch da waren diese Flöhe, die mich irgendwie bremsten.
Da fing es an mit Hingabe. Was mache ich jetzt? Gehe ich meiner Begabung nach oder halte ich Distanz? Wenn ich Distanz halte, bekomme ich keine Flöhe. Aber dann habe ich diese Distanz.
Dann fing ich an zu beten: „Herr, du hast die Menschen geschaffen und auch die Tiere. Du bist Herr über die Menschen und über die Tiere.“ Ich habe gebetet wie ein Weltmeister, aber die Flöhe blieben.
Doch der Herr schenkte mir auch Gnade. Es gab Tage, an denen ich keine Flöhe hatte. Und dann dachte ich: Ja, ich gehe weiter. Ich gehe in meiner Berufung und gehe auch heute noch.
Es war diese Entscheidung: Gehst du mit Gott? Gehst du deiner Begabung nach, auf Menschen zuzugehen?
Warum bin ich in Äthiopien? Ich bin in Äthiopien, um das Wort Gottes weiterzugeben, um die Menschen anzunehmen und ihnen Liebe zu zeigen – so wie Jesus.
Es ist kein großes Ding, denn Evangelisation und Mission sind kein großes Ding. Es ist einfach, auf Menschen zuzugehen und die Liebe, die wir von Jesus erfahren haben, weiterzugeben.
Ich habe mich in meinem Leben entschieden: Egal wie viele Flöhe sie haben, Wanzen oder was auch immer, ich gehe zu den Menschen und sage ihnen von Jesus. Ich bringe ihnen die Liebe und nehme sie an – egal, ob da jetzt ein Floh sitzt oder wie sie aussehen.
Dieses Zeugnis möchte ich weitergeben. Und ich werde gesegnet, weil ich die Menschen liebe und die Menschen mich zurücklieben. Ich bin viel mehr gesegnet, weil die Menschen auf mich zugehen, mich in den Arm nehmen und ich Beziehungen habe. Das ist so etwas Tolles, kann ich euch sagen.
Ich möchte jedem Mut machen: Geht einfach auf die Menschen zu, egal was sie haben, auch wenn sie Flöhe haben. Und das möchte ich weitergeben: Geht raus, egal wohin euch Gott berufen hat, und setzt das ein.
Und wenn ihr so jemand seid wie ich, scheut euch nicht vor Flöhen!
Silvia Fikus: Hingabe trotz Herausforderungen in Äthiopien
Mein Name ist Silvia Ficus, und das hier erinnert mich schon an Afrika, denn ich bin in Äthiopien. Dort sitzen die Leute auch ganz vorne, und ich darf einfach dabei sein.
Vor 15 Monaten bin ich mit christlichen Fachkräften in die Nationalmission gegangen, und jetzt ist mein erster Heimaturlaub. Wisst ihr, ich bin nach Äthiopien gegangen, ich hatte mich gut vorbereitet. Aber ich hatte große Angst vor Schlangen, Skorpionen, Löwen und so weiter. All das gibt es dort.
Und wisst ihr, was mir wirklich Probleme gemacht hat? Flöhe! Es war schlimm. Ich bin ins Hochland gegangen, wo meine Arbeitsstelle ist. Dort beschäftige ich mich mit Apfelanbau, Birnen, Zwetschgen und Medizinalpflanzen. Meine Begabung ist es, auf Menschen zuzugehen. Aber die Menschen dort hatten Flöhe. Ich hatte ungefähr hundert Bisse und wusste gar nicht mehr, wie ich mich noch kratzen sollte.
Das war für mich etwas ganz Neues. In Deutschland hat man solche Probleme nicht. Da schossen mir viele Gedanken durch den Kopf: Wenn ich mich den Menschen nicht nähere, bekomme ich auch keine Flöhe. Aber meine Begabung ist es, auf Menschen zuzugehen. Doch da waren diese Flöhe, die mich irgendwie bremsten.
Da fing es an mit Hingabe. Was mache ich jetzt? Gehe ich meiner Begabung nach oder halte ich Distanz? Wenn ich Distanz halte, bekomme ich keine Flöhe. Aber dann fehlt etwas.
Auf einmal fing ich an zu beten: „Herr, Du hast die Menschen geschaffen und auch die Tiere. Du bist Herr über beides.“ Ich betete wie ein Weltmeister, aber die Flöhe blieben. Doch der Herr schenkte mir auch Gnade. Es gab Tage, an denen ich keine Flöhe hatte.
Dann dachte ich: Ja, ich gehe weiter. Ich gehe meiner Berufung nach und gehe auf Menschen zu – auch heute noch. Es war diese Entscheidung: Gehst du mit Gott und deiner Begabung, auf Menschen zuzugehen?
Warum bin ich in Äthiopien? Ich bin dort, um das Wort Gottes weiterzugeben, um die Menschen anzunehmen und ihnen Liebe zu zeigen – so wie Jesus es getan hat. Es ist kein großes Ding. Evangelisation und Mission sind nicht kompliziert. Es ist einfach, auf Menschen zuzugehen und die Liebe, die wir von Jesus erfahren haben, weiterzugeben.
Ich habe mich in meinem Leben entschieden: Egal wie viele Flöhe oder Wanzen die Menschen haben, ich gehe zu ihnen und sage ihnen von Jesus. Ich bringe ihnen die Liebe. Ich drücke sie und nehme sie an, egal ob da gerade ein Floh auf ihnen sitzt oder wie sie aussehen.
Dieses Zeugnis möchte ich weitergeben. Ich werde gesegnet, weil ich die Menschen liebe, und die Menschen lieben mich zurück. Ich bin viel mehr gesegnet, weil die Menschen auf mich zugehen. Sie nehmen mich in den Arm. Ich habe Beziehungen – das ist etwas Tolles, kann ich euch sagen.
Ich möchte jedem Mut machen: Geht einfach auf die Menschen zu, egal was sie haben, auch wenn sie Flöhe haben. Das möchte ich weitergeben: Geht hinaus, egal wohin Gott euch berufen hat, und setzt euch ein!
Und wenn ihr so seid wie ich, scheut keine Flöhe!