Jerusalem war an Pfingsten überfüllt mit Menschen, die aus den verschiedensten Ländern dieser Welt eigens für diese Festtage nach Jerusalem reisten. Sie befolgten damit die Anweisungen Gottes, die sie bereits während der Wüstenwanderung, also hunderte Jahre zuvor, von Mose erhalten hatten.
Dreimal jedes Jahr sollen alle Männer Israels zum Herrn, eurem Gott, an die Stätte kommen, die er auswählen wird. Das war dann Jerusalem, wo der Tempel stand. Sie sollten zum Fest der ungesäuerten Brote, zum Pfingstfest und zum Laubhüttenfest kommen.
In Israel gab es zwei Zyklen: den Frühlingszyklus und den Herbstzyklus. Die ersten Verse erwähnen beide Feste, die zum Frühlingszyklus gehören – das Fest der ungesäuerten Brote, das gleichzeitig das Passahfest integriert, und das Pfingstfest. Zum Herbstzyklus der Feste gehörte das Laubhüttenfest.
Auch Paulus war es wichtig, zu diesen Festen in Jerusalem zu sein, wenn das irgendwie möglich war. Lukas berichtet, Paulus war deshalb so in Eile, weil er, wenn irgend möglich, zum Pfingstfest in Jerusalem sein wollte.
Das waren also die großen Feste, bei denen die Juden in Israel eigentlich zum Fest erscheinen sollten. Der Frühlingszyklus der jüdischen Feste startete mit dem Passahfest, das gleichzeitig der Auftakt zum sieben Tage dauernden Fest der ungesäuerten Brote war. Danach, sieben Wochen oder fünfzig Tage später – denn Pfingsten, Pentecost, bedeutet eigentlich „fünfzig“ – feierte man das Pfingstfest, das diesen Zyklus im Frühling abschloss.
Das einmalige Ereignis des Heiligen Geistes an Pfingsten
Nun beschäftigen wir uns mit einem einmalig geschichtlichen Ereignis, das die Menschheitsgeschichte bis heute stark beeinflusst. Der Heilige Geist nimmt Wohnung bei den Menschen, die Jesus lieben und ihm nachfolgen.
Lesen wir zuerst, was an diesem Pfingsttag in Jerusalem Einzigartiges geschah. Das, was an Pfingsten geschah, ist nicht wiederholbar – genauso wenig wie der Tod Jesu am Kreuz. Es ist ein historisches Ereignis im Rahmen der Heilsgeschichte, der Geschichte Gottes mit seinem Plan, seinem Rettungsplan für uns Menschen.
Als das Pfingstfest kam, waren an diesem Tag alle, die zu Jesus hielten, wieder am selben Ort versammelt. Plötzlich setzte vom Himmel her ein Rauschen ein, ein Geräusch wie von einem gewaltigen Sturm. Das ganze Haus, in dem sie sich befanden, war von diesem Brausen erfüllt.
Gleichzeitig sahen sie so etwas wie Flammenzungen, die sich verteilten und sich auf jeden Einzelnen von ihnen niederließen. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden. Jeder sprach so, wie der Geist es ihm eingab.
Wegen des Pfingstfestes hielten sich damals fromme Juden aus aller Welt in Jerusalem auf. Als nun jenes mächtige Brausen vom Himmel einsetzte, strömten sie in Scharen zusammen. Sie waren zutiefst verwirrt, denn jeder hörte die Apostel und die, die bei ihnen waren, in seiner eigenen Sprache oder in seinem eigenen Dialekt reden.
Fassungslos riefen sie: „Sind das nicht alle Galiläer, die hier reden? Wie kommt es, dass jeder von uns in seiner Muttersprache reden hört? Wir sind Parther, Meder und Elamiter, wir kommen aus Mesopotamien, aus Judäa, aus Kapadokien, aus Pontus und aus der Provinz Asien, aus Phrygien und Pamphylien, aus Ägypten und aus der Gegend von Kyrene in Libyen. Sogar aus Rom sind Besucher hier, sowohl solche, die von Geburtsjuden sind, als auch Nichtjuden, die den jüdischen Glauben angenommen haben. Auch Kreter und Araber befinden sich unter uns, und wir alle, alle hören sie in unserer eigenen Sprache von den wunderbaren Dingen reden, die Gott getan hat.“
Alle waren außer sich vor Staunen. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte einer den anderen, aber keiner hatte eine Erklärung dafür.
Es gab allerdings auch einige, die sich darüber lustig machten. „Die haben zu viel süßen Wein getrunken“, spotteten sie.
Jesu Abschied und die Verheißung des Heiligen Geistes
Vor ungefähr vierzehn Tagen verabschiedete sich Jesus von seinen Jüngern. Er ging zurück zu seinem Vater und setzte sich auf seinen Thron. Doch bevor er vor den Augen der Jünger in einer Wolke aufgenommen wurde – die Wolke hat ihn sozusagen verschlungen – geschah etwas Besonderes.
Es ist nicht so, dass die Wolke einfach kam und Jesus darauf stand, wie es manchmal in Bildern dargestellt wird, wo die Wolke hochsteigt. Vielmehr wurde Jesus hochgehoben, und die Wolke hat ihn verschlungen. So ging er hinüber in die andere Welt, in die für uns noch unsichtbare Welt.
Doch bevor das geschah, sagte er seinen Jüngern, dass er sie nicht allein zurücklassen werde. Er versprach ihnen: „Ich werde die Kraft aus der Höhe auf euch herabsenden, wie mein Vater es versprochen hat. Bleibt hier in der Stadt, bis ihr damit ausgerüstet seid.“
Sie sollten für den Auftrag, den Jesus ihnen gab, das Evangelium in der ganzen Welt zu verkünden, mit göttlicher Kraft aus der Höhe ausgerüstet werden. Sonst konnte man sich gar nicht vorstellen, wie diese kleine Gruppe so etwas schaffen sollte. Die Jünger, es waren ungefähr 120 Personen, blieben in Jerusalem und warteten, ohne zu wissen, wie und wann das geschehen würde, was Jesus versprochen hatte.
Vierzehn Tage sind eine lange Zeit, wenn man auf etwas wartet und nicht weiß, wann und wie es in Erscheinung treten wird. Sie hatten keine Ahnung, wie das kommen würde. Ich kann mir vorstellen, dass sie manchmal zusammensaßen und dachten: „Wenn es irgendwo rumpelt, ist es jetzt das?“ Vierzehn Tage können sich sehr lang anfühlen.
Doch plötzlich änderte sich in einem Augenblick alles. Ein gewaltiges, furchteinflößendes Rauschen, wie ein heftiger Sturm, brauste durch das Haus, so dass es ganz Jerusalem auf sich aufmerksam machte. Von oben sahen sie etwas, das wie Feuerzungen aussah. Diese verteilten sich im Raum und ließen sich auf jeden einzelnen Nachfolger von Jesus nieder. So wurden alle sichtbar mit dem Heiligen Geist erfüllt.
Von da an wohnte der Geist Gottes in diesen Menschen. Heute kommt der Heilige Geist in der Regel nicht auf so spektakuläre Weise zu einem Menschen. Aber im Prinzip geschieht heute noch genau dasselbe.
Jesus sagte den Jüngern, welche Voraussetzungen dafür nötig sind: „Wer mich liebt, wird sich nach meinem Wort richten. Dann wird ihn mein Vater lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“
Er wird in uns wohnen. Gott wohnt in uns – das ist einer meiner 200 Lieblingsverse. Er wird in uns wohnen.
Die Hauptaufgabe des Heiligen Geistes: Evangelium verkünden
Der Heilige Geist bewirkt, dass die Jünger über die großen und wunderbaren Taten Gottes sprechen. Das Hauptthema des Heiligen Geistes sind offensichtlich Gottes große Taten. Seine für uns größte Tat war das Opfer seines Sohnes. Und genau darüber will der Heilige Geist gerne sprechen.
So sagte Jesus seinen Jüngern im Hinblick auf dieses Ereignis: Wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr mit seiner Kraft ausgerüstet werden. Das wird euch befähigen, meine Zeugen zu sein. Es wird euch ermöglichen, das Evangelium zu verkündigen und in die ganze Welt hinauszugehen, um von mir zu erzählen – in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samaria und überall sonst auf der Welt, selbst in den entferntesten Gegenden der Erde.
Das werdet ihr mit der Kraft des Heiligen Geistes vollbringen. Der Heilige Geist befähigt die Christen zur Verkündigung des Evangeliums. Ohne Pfingsten gäbe es unsere Gemeinde nicht. Das Evangelium wäre nicht nach Europa gekommen. Denn nicht Menschen sind die treibende Kraft für die Ausbreitung der Gemeinde, sondern der Heilige Geist treibt dieses Werk bis heute voran.
Letztlich ist es der Heilige Geist, der Menschen dazu befähigt, an der Ausbreitung des Evangeliums beteiligt zu sein. Natürlich benutzt Gott uns nicht einfach als einen Kanal und lässt unsere Persönlichkeit außer Acht. Der Heilige Geist ist nicht einfach eine Kraft, die uns braucht und uns instrumentalisiert.
Manchmal spricht man vom Heiligen Geist, als würde er sich unser bemächtigen. Das ist Gottes Art ganz unwürdig. Es ist die Gegenseite von dem, was Gott will, denn Menschen zu instrumentalisieren und unter Zwang zu setzen, widerspricht seinem Wesen. Gott macht frei und arbeitet mit Freiwilligen. Der Heilige Geist zwingt niemanden.
Wir müssen dem Heiligen Geist gestatten, durch uns zu wirken. Denn der Heilige Geist wird uns nicht den Mund öffnen. Aber wenn wir ihn öffnen, wird er uns in dem, was wir sagen, unterstützen. Jesus sagte einmal zu seinen Jüngern, sie sollen sich keine Sorgen machen, was sie sagen sollen, wenn man sie zur Rechenschaft zieht.
Warum sollen sie sich nicht sorgen? Nicht ihr seid es, die dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden. Sobald ihr den Mund öffnet, wird der Geist Gottes durch euch sprechen. Deshalb ist es manchmal besser, den Mund zu öffnen, anstatt zu denken: „Ich weiß eh nicht, was ich jetzt sagen soll.“ Wenn ich ihn nicht öffne, sage ich gar nichts. Wenn ich ihn öffne, gebe ich Gott die Gelegenheit, durch mich zu sprechen.
Die Geburtsstunde der Kirche und die neue Zeit des Heiligen Geistes
Mit diesem Ereignis an Pfingsten beginnt die Ausbreitung des Evangeliums und der Aufbau der Gemeinde Gottes in dieser Welt. Dieses Pfingstwunder ist sozusagen die Geburtsstunde der Kirche. Pfingsten markiert den Beginn und den Aufbruch in ein neues Zeitalter.
Früher standen nur wenige Menschen unter der Leitung des Heiligen Geistes, meist zeitlich begrenzt und an ein Amt gebunden, wie Könige, Priester und Propheten. Nun ist die Zeit gekommen, in der Gott durch den Heiligen Geist in jedem Menschen wohnt, der an Jesus glaubt und ihm nachfolgt. Dadurch wird der Mensch zum Tempel Gottes.
Paulus sagt: „Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und dass Gottes Geist in eurer Mitte wohnt?“ Wisst ihr nicht, dass das, was ihr früher im Tempel in Jerusalem, dem Ort der Gegenwart Gottes im Allerheiligsten, erwartet habt, jetzt in euch ist? Ihr seid nun selbst zum Tempel geworden. Deshalb ist der Vorhang im Allerheiligsten zerrissen, weil eine neue Zeit angebrochen ist: Gott wohnt in uns.
Würde mich jemand fragen, welches die wichtigste Aufgabe des Heiligen Geistes ist, müsste ich nicht lange überlegen: Es ist die Verkündigung des Evangeliums. Der Heilige Geist will den Namen Jesu in der ganzen Welt bekannt machen, damit noch viele Menschen gerettet werden.
Jede Lehre über den Heiligen Geist beginnt mit seiner Hauptaufgabe, der Verkündigung des Evangeliums. Ich weiß, der Heilige Geist wirkt noch vieles andere in unserem Leben, aber die Verkündigung des Evangeliums und das Großmachen von Jesus in dieser Welt ist sein Hauptanliegen.
Symbolik der jüdischen Feste im Zusammenhang mit Jesus und dem Heiligen Geist
Der Frühlingszyklus der Feste Israels, der im dritten Buch Mose beschrieben ist, begann mit dem Passafest. Am Passa erinnerte sich Israel an die zehnte Plage, von der sich die Israeliten durch das Opfer des Lammes schützen konnten. Sie mussten mit dem Blut des Lammes die Türpfosten, den oberen Balken und die Seitenpfosten anstreichen. So konnten sie sich vor dem Gericht Gottes schützen, das über Ägypten kam.
Während die Feierlichkeiten im Zusammenhang mit dem Passafest im Gange waren, wurde Jesus als Lamm Gottes hingerichtet. Durch das Opfer Jesu und sein Blut werden wir nun vom Gericht Gottes geschützt. Jesus bezahlte für unsere Schuld. Deshalb sagte Johannes der Täufer, als er Jesus sah: „Seht, hier ist das Opferlamm Gottes, das die Sünde der ganzen Welt wegnimmt.“ Er sagte dies im Blick auf das Lamm.
Es ist wirklich faszinierend, dass genau dann, wenn das Passalamm geschlachtet wird, Jesus gekreuzigt wird. Dieses Timing kann nur Gott bringen. Es hätte ja noch 363 andere Tage im Jahr gegeben, an denen Jesus hätte gekreuzigt werden können, aber es geschah genau dann.
So findet das Passafest in Jesus Christus seine wirkliche Bedeutung. Über all die vergangenen Jahrhunderte wies das Passafest auf Christus hin, auf dieses Lamm Gottes – einerseits auf die Befreiung und andererseits auf die Erlösung durch Jesus Christus.
Mit Pfingsten findet der Festzyklus im Frühling seinen Abschluss. Man könnte sagen, dass das Kommen des Heiligen Geistes das Werk und die Aufgabe von Jesus vorerst zu einem Abschluss brachte. Jesus ist weg, jetzt beginnt eine neue Zeit, und wir warten darauf, dass Jesus wiederkommt. Die Erfüllung des Heiligen Geistes ist dann wieder ein Abschluss.
Das stimmt, jetzt könnte eine neue Zeit unter neuen Bedingungen beginnen. Aber es wäre interessant zu sehen, ob es noch eine Symbolik im Pfingstfest zu entdecken gibt. So wie das Lamm für Jesus stand, stellt sich die Frage: Was symbolisiert das Pfingstfest? Was steht beim Pfingsten für den Heiligen Geist?
Die Erstlingsgabe des Heiligen Geistes als Symbol der Ernte
Pfingsten war ein Erntedankfest, das am Ende der Weizenernte gefeiert wurde – genau fünfzig Tage nach dem Fest der ungesäuerten Brote. Mose gab dazu folgende Anweisungen: Jede Familie bringt zwei Brote zum Heiligtum, die aus je zwei Zehnteln Ephas – das sind zweieinhalb Kilo – neuem Weizenmehl bestehen. Dieses Mehl stammt von der aktuellen Ernte und die Brote werden mit Sauerteig gebacken. Als Erstlingsgabe der Weizenernte gehören sie dem Herrn.
Diese beiden Brote waren die ersten Gaben der Weizenernte, der erste Teil, den man Gott gab. Es ist die Erstlingsgabe. Und um diese Erstlingsgabe geht es, zumindest sagt das Paulus. Er schreibt: „Wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt, nicht allein sie, sondern auch wir selbst. Und jetzt kommt’s: wir, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben.“ Damit macht er eine klare Anspielung auf Pfingsten, die Erstlingsgabe der Weizenernte. Sie ist symbolisch für die Erstlingsgabe des Heiligen Geistes.
Wir haben den Geist als Erstlingsgabe und seufzen in uns selbst. Wir sehnen uns nach der Kindschaft, nach der Erlösung unseres Leibes. Der Heilige Geist ist die Erstlingsgabe an diejenigen, die Jesus nachfolgen. Wir bekommen sozusagen einen ersten Teil der Ernte; der Rest kommt später. Es ist eine Anzahlung, wie Paulus den Ephesern schreibt. Der Heilige Geist ist gewissermaßen eine Anzahlung, die Gott uns macht – der erste Teil unseres himmlischen Erbes.
Gott verbürgt sich damit für die vollständige Erlösung derer, die sein Eigentum sind. Das soll auch zum Ruhm seiner Macht und Herrlichkeit beitragen. Die bevorstehende vollständige Erlösung ist dann der Rest der Ernte, den wir später erhalten werden. Die zwei Brote, die Symbolik dieser Brote, stehen für die Anzahlung, die Erstlingsgabe, die Gott uns gegeben hat – wie ein Vorgeschmack auf die Herrlichkeit.
Natürlich ist es von großer Bedeutung, ob wir diese Erstlingsgabe bekommen haben. Denn diese Gabe zeigt, ob ich ein Kind Gottes bin oder nicht. Falls du diese Gabe noch nicht erhalten hast, könntest du sie heute bekommen. Heute könnte dein persönliches Pfingsten sein – nicht so spektakulär wie damals, aber dennoch entscheidend für dein Leben.
Wie das geht, beschreibt Paulus den Ephesern: „Ihr habt die Botschaft der Wahrheit gehört“ – das ist die Voraussetzung, das Evangelium, das euch Rettung bringt. Weil ihr diese Botschaft im Glauben angenommen habt und ihr vertraut habt, hat Gott euch, wie er es versprochen hat, durch Christus den Heiligen Geist gegeben. Damit hat er euch sein Siegel aufgedrückt, die Bestätigung dafür, dass auch ihr jetzt sein Eigentum seid.
Jeder Mensch, der an Jesus glaubt, bekommt diese Erstlingsgabe, die Anzahlung: den Heiligen Geist. Oder wie Petrus am Pfingsttag sagte, als die Leute ihn nach seiner Predigt fragten, was sie tun müssten: „Kehrt um und jeder von euch lasst sich auf den Namen von Jesus Christus taufen. Dann werden euch eure Sünden vergeben, und ihr werdet seine Gabe, den Heiligen Geist, empfangen.“
Zuerst sollen wir unsere Schuld einsehen und bekennen. Wir bekennen, dass wir Gott nicht wirklich beachtet und ernst genommen haben. Ab jetzt wollen wir unser Leben in Abhängigkeit von ihm und mit ihm gestalten. Das müssen wir tun – das ist unsere Seite. Die Erstlingsgabe aber kommt von Gott.
Die besondere Wirkung der Zungenrede am Pfingsten
Die Erfüllung mit dem Heiligen Geist wurde von einem außergewöhnlichen Zeichen begleitet. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden. Jeder sprach so, wie der Geist es ihm eingab. Die Lutherbibel übersetzt dies mit „Sie sprachen in anderen Zungen“, was vom Grundtext her durchaus korrekt ist.
Was man darunter auch immer verstehen mag – was diese Zungenrede oder Sprachenrede sein könnte – eines ist sicher: Sie sprachen nicht in ihrer eigenen Sprache. Das Ganze kam ihnen anders aus dem Mund heraus. Für uns ist das vielleicht ein bisschen unheimlich, vor allem für nüchterne Menschen, die eher schematisch denken. Das macht die Sache heikel.
Das ist natürlich etwas Außerordentliches, und viele erinnern sich daran an die Sprachenverwirrung beim Turmbau zu Babel. Doch am Pfingsten geschah praktisch das Gegenteil wie in Babel. In Babel wurden die Menschen auseinandergetrieben, weil sie sich gegen Gott auflehnten. Es war ein Gerichtshandeln Gottes.
An Pfingsten hingegen werden die Menschen durch den Heiligen Geist zusammengeführt. Es ist ein Gnadenzeichen Gottes. Es ist, als würde durch den Heiligen Geist das, was in Babel in Scherben gegangen ist, wieder zusammenkommen. Jedenfalls haben wir es mit einem Sprachwunder zu tun.
Nun hat man sich darüber den Kopf zerbrochen, wie dieses Sprachwunder zu verstehen sei. Die einen meinen, dass die Jünger einfach in bekannten Sprachen gesprochen hätten. Deshalb übersetzen viele gern, dass sie in „fremden Sprachen“ gesprochen hätten, und weniger gern mit „in Zungen“, weil man dann nicht so recht weiß, was das ist. Sie verstehen es so, als ob jemand plötzlich Englisch, Thai oder Chinesisch sprechen würde, ohne diese Sprachen je gelernt zu haben.
Wenn das so wäre, dann müssten wir sagen, dass diese Gabe der Zungenrede heute eine außerordentlich wichtige Gabe wäre, nach der wir wirklich streben sollten. Das würde den Missionaren unglaublich viel Zeit beim Sprachenlernen ersparen. Denken wir nur, wie wichtig diese Gabe im Bereich der Bibelübersetzung wäre.
Ich könnte in ein Land gehen und, wenn ich die Gabe hätte, einfach die Bibel lesen. Die Menschen dort könnten das schnell in ihrer Sprache notieren, und dann hätten wir die perfekte Bibelübersetzung. Das wäre eine wunderbare Sache.
Oder wenn ich diese Gabe hätte, dann müsste mich niemand mehr übersetzen, wenn ich in der chinesischen Gemeinde in Zürich predige. Sie könnten einfach reden, reden, reden. Ich müsste sie ja dann nicht verstehen, wenn sie reagieren, aber sie würden mich verstehen. Das wäre wirklich cool.
Ich müsste kein Manuskript mehr vorher schicken, und alles würde optimal laufen.
Die mögliche Art der Zungenrede und das doppelte Wunder
Eine andere Ansicht besagt, dass es sich um eine eigene Art der Sprache handelt, die von keinem Volk auf dieser Welt gesprochen wird. Persönlich bin ich der Meinung, dass dies zutrifft. Meines Erachtens handelt es sich um dasselbe Phänomen, über das Paulus im Korintherbrief spricht, wenn er von der Zungenrede spricht.
Wenn man das so sieht, hätten wir an Pfingsten ein doppeltes Wunder erlebt: Es wäre nicht nur ein Sprachwunder, sondern gleichzeitig auch ein Hörwunder gewesen. Lukas berichtet von den Menschen, die sich bei den Jüngern versammelt hatten. Sie waren zutiefst verwirrt, denn jeder hörte die Apostel – im Plural – und die, die bei ihnen waren, in seiner eigenen Sprache.
Im griechischen Text steht hier für Sprache nicht das Wort „Zunge“. Diese Zungenrede wurde von jedem Zuhörer verstanden, und zwar in seiner eigenen Sprache, in seinem eigenen Dialekt. Es steht hier „Dialektos“, und bei der Sprache heißt es „Glosse“. Jeder verstand es in seiner eigenen Sprache, in seinem eigenen Dialekt. Die Zürcher verstanden es in Zürichdeutsch, die Berner im Berndeutsch, die Franzosen in Französisch, die Italiener in Italienisch, die Thailänder in Thai. Jeder verstand es in seinem eigenen Dialekt.
Ich finde es bemerkenswert, dass betont wird, dass jeder diese Zungenrede in seinem eigenen Dialekt verstand. Die Leute waren völlig verwirrt und riefen fassungslos: „Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Die haben ja einen ganz anderen Dialekt als wir, eine andere Sprache. Wieso können wir sie verstehen? Wie kommt es, dass jeder von uns sie in seiner Muttersprache hört?“
Hier steht auch nicht „Zunge“, sondern ein anderes Wort, das man mit „Muttersprache“ übersetzen muss. So stelle ich mir das vor: Während ich hier spreche, würde mich jeder, wenn ich diese Gabe hätte – falls es sie noch gäbe –, in seiner Muttersprache verstehen, wenn Pfingsten wäre. Dann bräuchte ich gar keinen Übersetzer mehr.
So könnte Corinne aufhören, so könnte Nan aufhören, denn sie würden es im Berndeutsch verstehen, die anderen im Zürichdeutsch, wie auch immer. Was für ein Wunder wäre das! Ich müsste nicht einmal überlegen, in welchem Land ich predige. Ich könnte einfach predigen, und alle würden mich verstehen.
Das war an Pfingsten so, nur an Pfingsten. Bei diesem besonderen geschichtlichen Ereignis hat, so sehe ich das, der Heilige Geist die Übersetzung übernommen. Paulus schrieb ja den Korinthern, dass der Geist den einen befähigt, in unbekannten Sprachen zu reden, während anderen die Fähigkeit gegeben wird, das Gesagte zu deuten.
An Pfingsten hatte jeder Zuhörer die Gabe der Übersetzung. Deshalb konnte man in diesem Moment – und nur in diesem geschichtlichen Moment – jeden Jünger in seinem eigenen Dialekt verstehen. Ich hätte mit Petrus sprechen können, mit irgendeinem anderen Jünger oder mit einem Nachfolger von Jesus. Ich hätte es in meinem Dialekt verstanden.
Wenn das so war, könnten wir von einem doppelten Wunder sprechen: einem Sprachwunder und einem Hörwunder.
Die heutige Debatte um die Zungenrede
Leider hat dieses Pfingstereignis, insbesondere die Zungenrede oder Sprachenrede – wie man sie auch nennen mag –, die eigentlich Menschen verbinden sollte, in der Christenheit zu großen, bösen Spaltungen geführt.
Die einen behaupten, jeder Christ könne in Zungen sprechen. Man könne das sogar einüben, wenn man wolle. Und wenn man richtig wiedergeboren sei, dann könne man in Zungen sprechen. Andere lehnen das komplett ab und behaupten, dass es heute gar keine Zungenrede mehr gäbe, dass die Gabe nicht mehr existiere. Wenn heute jemand in Zungen rede, dann käme das sicher nicht von oben, sondern von unten.
Das waren diese harten Positionen, zwischen denen man sich gegenseitig bekämpft hat.
Obwohl ich selbst nicht in Zungen rede und noch nie eine Zungenrede gehört habe, von der ich mit Überzeugung sagen könnte, dass sie göttlichen Ursprungs ist, scheue ich mich trotzdem, einfach zu behaupten, dass es das heute nicht mehr gibt. Wenn ich etwas nicht kann und etwas noch nicht erlebt habe, heißt das noch lange nicht, dass es das nicht mehr geben soll. Ich bin nicht der Maßstab aller Dinge.
Wir haben auch in unserer Gemeinde Geschwister, die Zungen reden können und das auch praktizieren. Ich habe sie einfach noch nicht gehört, deshalb kann ich nichts dazu sagen. Aber ich weiß, dass sie es können und praktizieren.
Im Brief an die Korinther macht Paulus deutlich, dass die Zungenrede eine der Gaben ist, die der Heilige Geist austeilt, die aber nicht jeder bekommen hat. Paulus hat nie gesagt, dass diese Gabe einmal aufhören wird. Er sagt, nicht jeder habe sie bekommen, aber die Zungenrede existiert, auch wenn sie uns unheimlich sein mag.
Wenn wir uns an die Anweisungen des Paulus orientieren, die er diesbezüglich ausführlich gegeben hat, dann werden wir das Richtige tun. Ja, so meine ich, wäre auch die Spaltung unter Christen nicht nötig gewesen.
Die Menschen in Jerusalem, die das miterlebten, wunderten sich sehr. Alle waren außer sich vor Staunen. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte einer den anderen. Aber keiner, wirklich keiner hatte eine Erklärung dafür. Später, könnt ihr heute noch weiterlesen oder nächste Woche, erklärte ihnen Petrus das in seiner großen Pfingstpredigt. Er erklärte den Leuten, was da vor sich ging.
Es gab aber auch Menschen, die sich durch das, was sie miterlebten, nicht beeindrucken ließen. Sie machten sich darüber lustig und meinten, die Leute seien doch betrunken.
Es gibt Menschen, die sich dem göttlichen Wirken verschließen, selbst wenn sie mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören. Sie ziehen alles ins Lächerliche. Sie haben von nichts Respekt, und es ist ihnen nichts heilig.
Sogar in einem solch beeindruckenden Moment hätten sie doch die Klappe halten können und mal überlegen, was hier geschieht. Und dann mal hören, was Petrus sagt, statt alles immer sofort ins Lächerliche zu ziehen.
Die Kraft des Heiligen Geistes bis zur Wiederkunft Jesu
Am Pfingsten wurde die Gemeinde Jesu im wahrsten Sinne des Wortes mit Kraft aus der Höhe ausgestattet. Der Heilige Geist kam zu den Jüngern von Jesus, um bei ihnen zu wohnen – und das bis zur Wiederkunft Jesu.
So leben wir bis zu dieser Wiederkunft in der Kraft Gottes. Paulus beendet deshalb seinen zweiten Brief an die Christen in Korinth mit dem Segenswort: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Kraft des Heiligen Geistes, der euch Gemeinschaft untereinander schenkt, sei mit euch allen.“
Was damals an Pfingsten geschah, macht überhaupt erst das möglich, was Paulus hier den Christen zuspricht.
Gebet zum Abschluss
Ich bete mit uns. Ja, Vater, weil wir den Heiligen Geist nicht sehen und nicht greifen können, ist das für uns oft ein bisschen verschwommen, manchmal vielleicht sogar ein wenig unheimlich.
Aber wir sind froh, dass wir dein Wort haben und uns darin orientieren können. Wir wissen: Wenn du durch deinen Geist nicht in uns leben würdest, dann wären wir nicht deine Kinder. Dann könnten wir dich nicht lieben. Dann würde uns die Hoffnung auf die Herrlichkeit fehlen, und wir wären einfach leer.
Doch du wohnst in uns. Lass uns das nie vergessen. Lass uns auch nicht vergessen, dass du in deiner Kraft durch uns und mit uns wirken willst. So hilf uns, dass wir nicht immer nur auf unsere eigenen Fähigkeiten schauen, sondern auf deine Möglichkeiten, die ja bereits in uns sind. Gerade wenn wir unseren Mund öffnen, gib uns die richtigen Worte, wenn wir von dir erzählen möchten.
Wir danken dir für das große Geschenk dieser Erstlingsgabe, das du uns gemacht hast. Es ist eine Anzahlung, ein Vorgeschmack auf die Herrlichkeit, die so großartig sein wird, dass wir dann wirklich staunen werden. Dann werden wir nur noch staunen, dich anbeten und dir von ganzem Herzen danken, dass du uns durch die Kraft des Heiligen Geistes an dieses Ziel gebracht hast. Amen.