Einführung und Textvorstellung
Heute haben wir Markus 12,1-12: das Gleichnis von den bösen Weingärtnern. Diese Texte sind auch in der katholischen Kirche gebräuchlich und gehören zum altkirchlichen Evangelium, das über viele Jahrhunderte hinweg verwendet wurde. Bei uns kommt es nur alle sechs Jahre wieder als Predigttext vor.
Jesus fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu sprechen: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg, zog einen Zaun darum, grub eine Kulter und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Weingärtner und ging ins Ausland.
Als die Zeit kam, sandte er einen Knecht zu den Weingärtnern, damit dieser von ihnen seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. Doch sie nahmen ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort.
Er sandte erneut einen anderen Knecht. Diesem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Wieder sandte er einen weiteren Knecht, den töteten sie. Viele andere Knechte sandte er noch; den einen schlugen sie, den anderen töteten sie.
Schließlich hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn, den sandte er als Letzten zu ihnen. Er sagte sich: „Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen.“ Doch die Weingärtner sprachen untereinander: „Das ist der Erbe. Kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein.“
Sie nahmen ihn, töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg.
Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen, die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben.
Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen? Psalm 118: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und es ist ein Wunder vor unseren Augen.“
Sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, fürchteten sich jedoch vor dem Volk, denn sie verstanden, dass er dieses Gleichnis gegen sie gerichtet hatte. So ließen sie ihn und gingen davon.
Die grausame Geschichte und ihre Bedeutung
Eine ganz furchtbare Geschichte hat sich dort zugetragen – grausam, blutrünstig, hinterhältig und gemein. Es kommt zu schlimmsten Misshandlungen, ja regelrechten Folterungen.
Eigentlich hat es nur mit ganz höhnischen Sprechchören angefangen. Dann wurden die ersten Boten, die der Herr des Weinbergs geschickt hatte, einfach geschmäht und mit leeren Händen zurückgeschickt. Doch dann flogen Fäuste, mitten ins Gesicht. Einem zerschlugen sie das Haupt, der Nächste liegt tot da. So geht es der Reihe nach, einer nach dem anderen.
Zum Schluss ist der Sohn des Weinbergsbesitzers plötzlich auch unter den Toten. Dann nehmen sie den Leichnam und werfen ihn zur Tür hinaus.
Fragen Sie sich, wo so etwas eigentlich steht? In der Bildzeitung oder im Evangelium? Wie kann Jesus so eine blutrünstige Geschichte erzählen?
Jesus tut das, um uns zu zeigen, wie zerrüttet unser Verhältnis zu Gott ist, wie das Tischtuch zerschnitten ist und mit welch brutaler Gewalt man Gott ablehnt!
Die menschliche Freiheit und ihre Folgen
Machen Sie sich einmal kurz bewusst, wenn Sie die Gleichnisse Jesu an sich vorüberziehen lassen, wie wunderbar Jesus das beschrieben hat: bei den Vögeln die Harmonie, bei der Saat, die wächst, oder beim Gras und den Blumen, beim Weinstock und den Reben. Jesus hat ganz herrliche Bilder aus der Natur gewählt.
Aber sobald der Mensch erscheint, ist eine ganz andere Energie da. Mit dem Menschen kommt kriminelle Energie, es kommt zu schrecklichen Auseinandersetzungen, zu Gewalttaten, Blut fließt. Ob das bei dem ist, der unter die Mörder gefallen ist und vom barmherzigen Samariter gefunden wird, oder ob das der ungerechte Haushalter ist, der betrügt und feilscht – oder bei den Gleichnissen, die Sie immer wieder hören, wie dem verlorenen Sohn, der sich gegen seinen Vater auflehnt, oder hier bei der Geschichte von den bösen Weingärtnern.
Das hat Jesus ganz bewusst gewählt, um uns etwas zu zeigen. Ich meine zuerst unseren unbändigen Freiheitswillen. Warum lehnen sich denn diese Winzer auf? Es geht doch ganz einfach um die Macht. Machtergreifung pur, Revolution: „Wir wollen das Sagen haben, soll niemand mehr über uns bestimmen können! Wir wollen über uns selbst verfügen. Da soll keiner mehr in unser Leben hineinfunken oder hineinreden können. Wir brauchen keinen Herrn mehr, der über uns bestimmt, und niemanden, der etwas zu uns sagt.“
Glauben Sie, dass es in der ganzen Welt irgendeinen Herrn gibt, in welchem Amt auch immer, der sich so etwas gefallen lässt? Ich hätte nach der ersten Misshandlung die Polizei gerufen – und Sie wahrscheinlich auch. Da geht ja alles drunter und drüber! Wo kommen wir denn hin, wenn wir uns das gefallen lassen? Wo gibt es denn so etwas?
Da wird das Gleichnis fast absurd: Der Besitzer des Weinbergs schickt den nächsten Knecht, dann noch einen, als ob er es gar nicht zur Kenntnis nehmen würde. Und wieder und wieder kommt es zu Misshandlungen, zu Quälereien, zu Misshandlungen – und schließlich zum ersten Mord, dann zum nächsten Mord. Es wird immer deutlicher: Sie wollen dieses Wort nicht hören, das diese Boten überbringen.
Auch der Gedanke des Weinbergsbesitzers: „Kein Mensch könnte so einen Gedanken haben, sie werden sich vor meinem Sohn scheuen.“ Sie wissen schon lange, um wen es sich handelt und wer da verglichen werden kann. Eine solche Geduld hat nur der ewige Gott. Kein Mensch kann so etwas tun, so unendlich. Wie er immer wieder darauf eingeht, immer wieder probiert und anknüpft.
Das ist ja keine Geschichte, die Jesus erzählt, keine Erzählung, sondern das ist wirklich so passiert. Schauen Sie sich einmal die ganze lange Geschichte der Propheten an, wie Gott im ganzen Alten Bund seinen Boden geschickt hat – schließlich an Jeremia, den man in einen Brunnen wirft, wie viele sind umgekommen.
Und dann denkt man immer daran, wenn man in Jerusalem am Ölberg steht, an der Stelle Dominus Flevit – „Der Herr weinte“. Da saß Jesus und blickte auf die Stadt hinunter: „Erkennst du nicht, was zu deinem Frieden dient?“ Nein, der Widerspruch war so groß, der Widerspruch bis in unsere Tage: Wir wollen nichts davon wissen. Mit Empörung, mit Leidenschaft, das trotzige Nein: „Wir wollen nichts mehr!“
Das Nein zum Ruf Gottes in der Gegenwart
Wenn man heute von dieser Stelle am Ölberg, von der Dominus-Flevit-Kapelle, hinunterschaut auf den Platz, wo zur Zeit Jesu noch der große Tempel stand und wo sich die Menschen zum Gottesdienst drängten, fällt etwas Besonderes auf. Dort steht heute eine Moschee, ein Symbol einer Großmacht des Islam.
Was Mohammed aus den Religionen zusammengeschrieben hat, stellt unversöhnlich das Nein zum Christusgott dar: keine Vergebung, keine Erlösung, keine Auferstehung durch Jesus. Und da gibt es keinen Dialog. Dieses Nein ist so klar geworden und heute sichtbar aufgerichtet – das Nein zum Ruf Jesu.
Wenn man die Winzer fragt: „Was wollt ihr denn eigentlich? Was ist euer Wunsch?“ lautet die Antwort: „Wir sind die Erben. Wir wollen das Erbe selbst haben, wir wollen es uns unter den Nagel reißen, wir wollen es selbst bestimmen.“
Wir leben heute in einer Zeit der Emanzipation, und jeder von uns ist irgendwo von dieser Zeitmeinung beeinflusst. Welche Frau beschäftigt sich nicht damit, ob sie in ihrem Leben nicht doch den Kürzeren zieht? Sicher ist das richtig. Aber passen Sie auf: Diese Emanzipation, diese Ich-Sucht tobt ganz stark gegen Gott. Das ist fast zum Symbol unserer Zeit geworden.
„Ich will mir doch nichts mehr vorschreiben lassen von Gott. Ich weiß doch selbst, was richtig ist. Ich brauche niemanden mehr, der mir Leitlinien und Richtungen gibt.“
Ich weiß nicht, wo Sie arbeiten, aber stellen Sie sich vor, Sie würden im Geschäft sagen: „Es ist mir ganz egal, ich kümmere mich einen Kehricht darum, was mein Chef von mir will und was meine Kollegen sagen. Hauptsache, ich schaffe meine Tasche.“
Das ist heute das Selbstverständliche des modernen Menschen im Umgang mit Gott: „Ich will mein Leben selbst verfügen, ich will das tun, was mir Spaß macht.“
Und es kommt dazu, so wie Jesus schreibt: Die ganze friedliche Idylle des Weinbergs – eigentlich ein schönes Plätzchen – ist plötzlich erfüllt von Streit, von Hass, von Blut, von Schlägen und von Kampf.
Das ist der Grund, warum unsere Welt so geprägt ist von all dem. Ein unbändiger Freiheitswille tobt sich da aus, ein unbändiger Freiheitswille.
Mitleid mit den unglücklichen Winzern
Jetzt möchte ich zum Zweiten noch über die unglücklichen Winzer sprechen. Diese Winzer tun mir einfach leid, mit ihnen habe ich heute Mitleid. Die unglücklichen Winzer, weiß Vergissmann, werden in den Predigten so dargestellt, als seien sie die auftrumpfenden Leute.
Ich habe lange darüber nachgedacht. Wenn man das Gleichnis ein wenig weiterdenkt, stellt sich die Frage: Werden sie überhaupt glücklich mit dem, was sie sich da gemacht haben? Werden sie wirklich glücklich? Oder schielen sie dauernd ängstlich um die Ecke? Ob nicht doch noch der Herr des Weinbergs mit der Polizeitruppe anrückt und sie alle wegführt?
Ein schlechtes Gewissen im Leben ist nicht typisch dafür, dass Menschen immer Angst vor Gott haben. Es macht ja gar keine Freude, wenn man sich den Raum für sein Leben so erobert. Aber jeder weiß ganz genau, was da geschehen ist. Doch man will es nicht wahrhaben, wenn man darüber redet.
Werden sie überhaupt glücklich bei ihrer Arbeit? Liebe Freunde, ich glaube, das ist heute das Typischste bei uns. Ich wollte eigentlich heute damit anfangen in der Predigt und sagen: Ich habe sie überschrieben mit „Erfolg – und was dann?“ Jeder von Ihnen könnte von seiner Arbeit, von seiner Lebensarbeit ohne Punkt und Komma erzählen, wie schwierig die Kollegen sind, wie belastend die Arbeit ist, wie ungerecht man bezahlt wird und was da alles für Tücken drinstecken.
Wir finden irgendwo keinen Frieden bei unserer Arbeit. Und wenn wir dann sagen, sie ist doch erfüllend – ist Ihre Arbeit wirklich erfüllend? Können Sie auch wie manche alte Leute auf ihre Lebensarbeit zurückblicken und sagen: Ja, ich habe viel gearbeitet, immer gearbeitet? Ich glaube kaum, dass das wirklich befriedigt.
Ich weiß, wie da unter der Oberfläche die Unruhe ist: Ist meine Arbeit wirklich befriedigend? Lohnt sie sich wirklich? Denn für wen arbeiten wir eigentlich? Und was kommt bei all dem Arbeiten heraus?
Dass wir die Frage nach dem Lebenssinn oft nicht beantworten können, zeigt doch nur, dass wir unser Leben überhaupt nicht mehr richtig begreifen, was da los ist. So wie die Winzer gar nicht mehr wissen, warum sie in diesen Weinberg gestellt sind. Das war ja eigentlich das Große in ihrem Leben.
Sie waren ja nur als Knechte bestellt. Wir überschätzen alle unsere Kraft vielmals, wenn wir meinen, wir seien Weltverbesserer und große Leute, die alles durch ihr Leben machen wollen. Wie viele zerbrechen an den eigenen Zielsetzungen, denen sie sich gegeben haben!
Ist es nicht genug, dass da steht: Da war ein Herr, der einen Weinberg hatte, und dann hat er die Knechte hineingestellt? Darüber haben wir ja neulich schon gesprochen, als wir das Weinberg-Gleichnis hatten. Das ist der Adel unseres Lebens: Ich muss nur noch fragen, Herr, welche Aufgabe hast du für mich mit meinem Leben?
Ich brauche mich nicht mit anderen messen. Gott hat eine spezielle Aufgabe für Sie. Diese ist anders als für den, der neben Ihnen sitzt. Und Gott verlangt nicht mehr, als Sie leisten können, auch nicht mehr, als er Ihnen Gaben gegeben hat. Aber er hat Ihnen Aufgaben gegeben, auch wenn Sie nur noch begrenzte Kraft haben.
Und da gibt es keinen Ruhestand und keine Pensionierung. Selbst die Kranken haben Aufgaben, wo sie wirken können.
Die Bedeutung des Fruchtbringens
Was ist das eigentlich – Frucht bringen? Es ist etwas so Wunderbares, dass man gar nichts erzwingen muss. Die Frucht reift organisch, wächst still und unbemerkt unter dem Sonnenschein. Da entsteht eine herrliche Frucht.
Bei uns ist es oft anders. Wir haben ständig das Gefühl, wir müssten selbst die Herren sein. Und dann versuchen wir, uns durch Lob wieder in die richtige Position zu bringen. Dabei ist das gar nicht nötig. Wenn uns etwas gelungen ist, dann haben wir Gott zu danken, der es uns hat gelingen lassen.
Auch in Schwierigkeiten dürfen wir mehr mit Gott rechnen. In diesem Leben bekommen wir Aufgaben, die uns anvertraut sind. Ich freue mich immer, wenn ich Menschen sehe, die in schweren Lebenssituationen nicht verzweifeln. Zum Beispiel eine junge Frau, die ihren Mann verloren hat und sich nicht in Bitterkeit zurückzieht, sondern sagt: „Jetzt möchte ich noch einmal Liebe in diese Welt hineingeben.“ Sie öffnet sich, sucht Menschen, bei denen sie etwas bewirken kann. So reift Frucht – Frucht!
Es sind eigentlich arme Tropfen, diese Winzer, die so verbissen um ihren Lebensraum kämpfen. Sie merken gar nicht, dass der gütige Gott, der ewige Vater, ihnen den Raum gibt. Woher nehmen sie ihre Lebenskraft? Sie sind doch nicht selbst in die Welt geboren, sondern hineingestellt worden.
Und da steht der Herr des Weinbergs. Er hat den Weinberg gemacht, angelegt, die Mauer drumherum gebaut, die Gräben gegraben und den Boden bearbeitet. Gerade in dem steinigen Boden Israels ist das eine schwere Arbeit. Er hat mein Leben so vorbereitet, dass es Frucht bringen kann.
Das ist so wichtig, dass ich das zuerst einmal erkenne: Alles kommt von ihm. „Es ging durch unsere Hände, kam aber her von Gott“, sagt Matthias Claudius. So einfach ist das.
Ich wünsche mir, dass Sie heute neu umkehren und sagen: Ich möchte in meinen Schwierigkeiten wieder lernen. Bei Gott gibt es kein unnützes Leben. Er stellt die Menschen in seinen Weinberg. Gerade die Zeiten, die wir für besonders schwierig halten – traurige oder krankheitsbedingte Zeiten – sind oft besonders wertvoll, um Frucht zu bringen. Dort können wir für den Herrn wirken.
Was kann Gott aus Ihrem Leben an Frucht gewinnen, wenn er seine Boten schickt? Sind da nur Dornen und Disteln? Oder wächst etwas heraus von der Frucht, die er in Ihrem Leben treiben lässt?
Hat diese Glaubensgemeinschaft bei Ihnen eine solche Wirkung, dass Sie sagen: Da geht etwas hervor, da bekomme ich neue Kraft, Freude und Mut? Und kann ich andere daran teilhaben lassen?
Die Liebe Gottes und ihre Herausforderung
Noch ein letztes: Verschmähe diese Liebe nicht!
Das ist eigentlich ein tolles Gleichnis von der Liebe. Jesus hat ja viel von der Liebe geredet. Aber wissen Sie, die meisten Leute sprechen von der Liebe Gottes so farblos und blass, dass es auch gar nicht stimmt. Sie sagen: „Ach, Gott ist eben lieb, nicht?“ Das klingt fast schwach, dumm oder blöd – so lieb, als wäre es ein Zeichen menschlicher Ohnmacht.
Man sollte von der Liebe Gottes nur so reden, wie es Jesus hier im Gleichnis tut: mit dem großen Opfer, das er bringt. Mit dem Einsatz seines Lebens. Man kann von der Liebe Gottes nicht reden, ohne vom Blut zu sprechen, das fließt. Gott erweist seine Liebe durch etwas ganz Furchtbares, wenn man die Liebe Gottes mit Füßen tritt.
Ich will Ihnen ein Beispiel erklären. Da war eine Frau, die eine kleine Witwenrente hatte. Weil es so schwierig war, ihre Kinder durchzubringen, arbeitete sie nebenher bis in die Nacht, um ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sie tat also alles für ihre Kinder.
Als die Kinder erwachsen waren, gaben sie der Mutter einen Fußtritt und sagten: „Ich brauche die Alten nicht mehr.“ Verschmähte Liebe. Da regen Sie sich auf: So darf man doch die Liebe einer Mutter nicht behandeln, einer Mutter, die die Liebe mit Schweiß für ihre Kinder gegeben hat.
Ja, was machen wir dann mit der Liebe Gottes? Bei Gott ist die Liebe noch viel heiliger und kostbarer. Was hat Gott in Ihr Leben hineingeredet? Man legt den Geist nicht so gern richtig aus und sagt: Das war das Schicksal vom Volk Israel, dass die Römer kamen, die Stadt eroberten, die Mauern schleiften und die Juden vertrieben wurden.
Was ist das für eine Geduld Gottes in meinem Leben? Mein Haus steht noch, er hat mein Leben bis zum heutigen Tag erhalten. Wo ist die Frucht? Und das Erschütternde ist, dass Gott seine Liebe gegen uns erweist, obwohl wir ihm immer wieder den Rücken zeigen, ihn ablehnen und seine Liebe verschmähen.
„Ich brauche deine Liebe nicht“, in diesem maßlosen Egoismus: „Ich kann mein Leben selbst packen. Ich kriege das schon hin. Ich bin clever genug und werde das schon irgendwie richtig machen.“ Und er steht doch da, Tag für Tag, nur mit der Liebe.
Haben Sie es gemerkt? Er sucht Sie mit der Liebe: „Wo kann ich dir helfen? Lass mich es doch machen!“ Es ist überhaupt keine Schande, den ganzen Schlamassel Jesus vor die Füße zu werfen. Es ist nicht einmal eine Schande, Jesus die ganzen Versäumnisse, die Riesenschuld und alles, was wir falsch gemacht haben, einfach hinzulegen. Dafür ist er da. Komm doch!
Das Allerfurchtbarste ist, ihn abzuweisen, ihn nicht mehr haben zu wollen und ihn abfahren zu lassen. Und wenn das immer blutrünstiger wird, ja immer heftiger: „Ich will ihn nicht haben, ich kann es nicht mehr ertragen.“ Und es geht mir ins Gewissen, und er ruft fort und fort bis heute.
Das Martyrium und die Antwort auf den Liebesruf
Am Sonntag des Ministers erinnert man sich auch gerne an die große Blutspur des Martyriums für Jesus. In unseren Tagen sind viele Mitchristen in anderen Teilen der Welt in große Not und Bedrängnis geraten. Sie sind in Haft, benachteiligt und leiden wegen ihres Zeugnisses für Jesus. Ihnen ist deutlich bewusst, dass ihr Zeugnis für Jesus Widerstand provoziert.
Man sollte nie erwarten, dafür Lob zu erhalten! Feindschaft, Verachtung und Hass gehören ganz natürlich dazu. Dennoch freuen wir uns, dass bis heute der Liebesruf Jesu an uns ergeht. Wie ist Ihre Antwort darauf? Sie brauchen jetzt gar nicht beeindruckt zu sein, aber umkehren sollen Sie – umkehren.
Herr, ich will deine Liebe heute an diesem Sonntag in mein Herz strahlen lassen. Ich möchte, dass du mein Leben ergreifst. Ich will Frucht bringen für dich.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden – das ist ungeheuerlich. Selbst aus Ablehnung, Feindschaft und Gotteshass hat die Liebe Gottes ein Rettungsinstrument gemacht. Das ist das Wunderbare am Kreuz.
Das Kreuz ist ein Symbol der Menschenfeindschaft gegen Jesu Einladungsruf. Es zeigt, dass wir ihn nicht hören wollen. Wir meinen oft, unsere Ablehnung sei vielleicht ein bisschen eleganter gewesen. Doch wir begreifen nicht, dass auch unser Nein gegenüber Jesu Reden die gleiche Aufruhrbewegung ist wie die der bösen Winzer: Wir wollen ihn nicht.
Es ist wichtig, den ganzen Kurswechsel zu vollziehen und zu sagen: Ja, Herr, dein Kreuz und Leiden soll für mich nicht vergeblich sein. Ich will dich aufnehmen in mein Herz. Das ist der Anfang von Freude, Frieden, Zuversicht und neuem Mut.
Hier beginnt der Herr das Leben. Ich bin in seinen Weinberg gestellt und darf für meinen Herrn Frucht bringen. Unser Leben – wie kurz oder lang, schwierig oder von Dunkelheit geprägt es auch sein mag – ist nur unter diesem Blick zu sehen: dass ich für den ewigen Herrn etwas wirken darf zu seinem Lob.
Amen.
