Heute Abend setzen wir unser Generalthema „Jesus lieben mit Herz, Seele, Verstand und Kraft“ fort. Hans-Peter Euer hat den heutigen Abend überschrieben mit „Gott anbeten mit Herz und Verstand“.
Der Untertitel lautet: „Wie betet man eigentlich an?“
Eröffnung und Gebet zur Einstimmung
Wir wollen beten.
Lieber himmlischer Vater, wir danken dir für diesen Abend und für die Gemeinschaft, die wir unter deinem Wort erfahren dürfen. Wir bitten dich, dass du uns dein Wort durch deinen Geist erschließt, damit wir Verständnis gewinnen. Lass uns wirklich Hörende, Lernende und Verstehende sein.
Wir danken dir auch für Hans-Peter Heuer und bitten dich für ihn. Sprich durch ihn zu uns und konkretisiere deine Worte in unser Leben. Wir danken dir für deine Treue, die sich auch an diesem Abend zeigt. Du gibst, und wir dürfen nehmen – dafür sind wir dankbar.
So wollen wir dich ehren, loben und preisen und deinen Namen hoch erheben, in dem allein das Heil ist.
Persönliche Bekenntnisse und Beobachtungen zur Anbetung
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, da ist auch noch ein Sitz frei. Ist noch irgendwo ein Sessel frei? Okay, dann guten Abend mal alle zusammen.
Wie Rainer gesagt hat, geht es heute um das Thema: Gott anbeten mit Herz und Verstand. Zu diesem Thema muss ich persönlich eingestehen, dass ich mein ganzes Leben lang bereits darum kämpfe, herauszufinden, wie man Gott eigentlich anbetet. Ich hatte immer das dumpfe Gefühl, dass ich tatsächlich keine Ahnung davon habe, wie man Gott überhaupt anbetet, obwohl ich es immer irgendwie versucht habe.
Wenn ich ehrlich bin, muss ich feststellen, dass die Christenheit als Ganzes, glaube ich, nicht so recht weiß, wie man Gott anbetet. Wenn ich euch fragen würde: Betest du Gott an? Dann würden die meisten sagen: Ja, glaube schon. Und wenn ich dann frage: Wie tust du das? – dann gibt es oft keine klare Antwort.
Ich habe vor ein paar Jahren einen Zeitungsausschnitt gelesen, in dem über eine Umfrage in den USA berichtet wurde. Dort sehnt sich der durchschnittliche Gottesbesucher am meisten nach Anbetung. Es wurde auch festgestellt, dass viele Kirchenbesucher unzufrieden sind mit der Art und dem Erlebnis der Anbetung. Die meisten Erwachsenen beklagen, dass sie die Nähe und Gegenwart Gottes während der Anbetungszeit zu wenig spüren.
Zusammenfassend sagte der Artikel: Da viele nicht geschult sind, wie man richtig anbetet, sind sie sehr frustriert über ihre Unfähigkeit, mit Gott auf einer tieferen Ebene zu kommunizieren. Gleichzeitig wissen sie nicht, was sie dagegen tun sollen.
Das Thema Anbetung zeigt oft die Hilflosigkeit in unseren verschiedenen Kirchen. In manchen Gemeinden, wie in meiner, die ganz traditionell und konservativ sind, ist es so, dass wenn jemand bei der Predigt emotional wird, das schon als aufregend gilt. Das ist ähnlich wie hier. Und wenn jemand dann noch intensiver reagiert, wird das schon als Ekstase bezeichnet.
Ich war auch schon in Gottesdiensten, in denen die Menschen hüpfen, rollen, bellen, nach hinten oder vorne fallen. Das gibt es wirklich. Ich frage mich dabei, ob das dieselbe Art von Anbetung ist. Da bin ich mir nicht ganz sicher.
Unterschiedliche Formen und Missverständnisse von Anbetung
Es gibt eine Geschichte von einem alten Bauern. An einem Wochenende ist dieser Bauer vom Land in die Stadt gefahren, um dort die große Stadtkirche zu besuchen.
Als er nach Hause kommt, fragt ihn seine Frau, wie es in der Stadtkirche war. Der Bauer antwortet, es war nicht schlecht, aber es war etwas anders als bei ihnen auf dem Land. Dort hätten sie nämlich Anbetungslieder gesungen, statt der gewohnten Kirchenlieder.
Die Frau fragt: "Anbetungslieder? Was ist das?" Der Bauer erklärt, sie seien ähnlich wie Kirchenlieder, nur ein bisschen anders.
Daraufhin möchte sie wissen, wie sie anders sind. Der Bauer sagt: "Das ist so: Wenn ich zum Beispiel zu dir sage, 'Froni, die Kühe sind auf dem Feld', dann wäre das ein Kirchenlied. Wenn ich aber sage: 'Froni, Froni, meine Froni, Froni, die Kühe, die weißen Kühe, die braunen Kühe, die schwarzen Kühe, alle Kühe sind auf dem Feld, sie sind auf dem Feld, auf dem Feld!', dann ist das etwas anderes. Das ist der Unterschied."
Er erzählt weiter, dass es in Amerika einen Drink gibt, der heißt Seven Eleven. Kennt ihr den? Seven Eleven bedeutet sieben elf, keine Ahnung wie. Jemand hat mal gesagt, Anbetungslieder seien oft wie Seven Eleven: sieben Worte, elfmal wiederholt.
Der Bauer schließt mit den Worten: "Ich glaube, ich weiß schon länger, was Anbetung nicht ist. Aber nur zu wissen, was etwas nicht ist, heißt noch lange nicht, dass man weiß, was es ist."
Das Gesetz der ersten Erwähnung als Schlüssel zum Verständnis
Eine hilfreiche Methode, um herauszufinden, was ein Begriff biblisch bedeutet, ist das sogenannte Gesetz der ersten Erwähnung. Es funktioniert nicht immer, aber sehr oft.
Kommt ruhig rein, hier haben wir ein paar Plätze. Schau, dort steht noch ein Sessel. Wenn wir den Aufnahmerekord runterschmeißen oder so, haben wir da noch einen. Oder da ist auch noch einer. Kommt ruhig rein, schau, da gibt es noch etwas.
Das Gesetz der ersten Erwähnung besagt: Wenn du wissen willst, was ein bestimmtes Wort oder ein Begriff biblisch bedeutet, dann schau in der Bibel nach, wo dieses Wort zum ersten Mal vorkommt – im Alten oder Neuen Testament. Das kann dir unter Umständen helfen zu erkennen, was das Wort bedeutet.
Das Wort „Anbetung“ beziehungsweise „anbeten“ kommt zum ersten Mal vor in 1. Mose 22,5. Das ist die Geschichte, in der Abraham seinen Sohn Isaak auf dem Berg Moria opfern soll. Dort sagt Abraham zu seinen Knechten: „Ihr wartet hier, ich und mein Junge, wir gehen auf den Berg, um anzubeten.“
Man könnte sich vorstellen, dass sie die Gitarre und Liederbücher mitgenommen hätten und gemeinsam gesungen haben. Aber das ist nicht so. Sie hatten keine Gitarre, keine Liederbücher und haben auch kein persönliches Zeugnis gegeben, aber sie haben angebetet.
Im Neuen Testament kommt das Wort „Anbetung“ zum ersten Mal vor in Matthäus 2,11. Das ist die Geschichte von den Heiligen Drei Königen – die weder heilig noch drei noch Könige waren, aber legal. Sie kamen nach Bethlehem und brachten ihre Gaben: Gold, Myrrhe und Weihrauch. Dann lesen wir: „Sie beteten an.“
Auch hier haben sie nicht gesungen und kein Zeugnis gegeben. In beiden Fällen, im Alten und im Neuen Testament, hat Anbetung damit zu tun, dass man etwas Wertvolles gibt. Anbetung, zumindest in diesen zwei Passagen, hat wenig mit Wohlfühlen zu tun. Abraham hat sich sicher nicht wohlgefühlt, aber er hat angebetet.
Anbetung hat auch nichts damit zu tun, dass ich Lieder singe – so wertvoll das auch sein mag. Ich fühle mich übrigens gerne wohl, und Liedersingen ist auch ganz nett. Ich bin nur nicht sicher, ob das unbedingt etwas mit Anbetung zu tun hat.
Aber wie gesagt: Zu wissen, was etwas nicht bedeutet, heißt noch lange nicht, zu verstehen, was es bedeutet. So geht es mir auch. Ich kämpfe mit der Frage: Wie kann ich Gott anbeten? Was meint er damit?
Die Herausforderung, Gott als Geist anzubeten
Im Johannes 4,24 lesen wir: Jesus sagt, Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Das ist mein Problem: Gott ist Geist, und ich weiß nicht genau, wie ich mit einem Geist reden soll. Ich weiß, wie ich mit meiner Frau spreche – sie kann ich anfassen, anschauen. Ich weiß, wie ich mit meinen Kindern rede. Die sitzen zwar nicht mehr auf dem Schoß, zumindest die Älteren nicht, aber die Jüngsten ein bisschen mehr.
Doch wie redet man mit einem Geist? Das sind so nette Worte: Wir müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Ja, aber wie geht das? Ich weiß nicht, ob ich euch heute Abend eine Hilfe sein kann, aber ich versuche es einfach mal.
Etwas, das mir sehr geholfen hat, lese ich gerne: C.S. Lewis. Er hat ein Buch über die vier Lieben geschrieben – über Agape, Phileo, Storge und Eros. Aber er sprach auch von fünf verschiedenen Lieben oder Bedürfnissen. Das hat mir ein Stück weit geholfen, um anzubeten.
Das möchte ich heute mit euch teilen.
Die fünf Arten der Liebe nach C.S. Lewis als Grundlage für Anbetung
C.S. Lewis schreibt, dass jeder Mensch mit einer sogenannten Bedürfnisliebe ausgestattet ist. Das versteht jeder. Wir alle haben das Bedürfnis, geliebt zu werden – auch Rambo, egal wie wild jemand ist. Jeder Mensch sehnt sich nach Wertschätzung, nach Anerkennung, nach Liebe. Nicht jeder kann das ausdrücken, aber jeder hat dieses Bedürfnis. Ich glaube, niemand hier versteht das nicht. Das ist die Bedürfnisliebe.
Jeder Mensch ist aber auch mit einer sogenannten Hingabeliebe ausgestattet, wie Lewis sie nennt. Jeder Mensch hat auch die Sehnsucht, Liebe zu teilen und Liebe zu geben. Diese Hingabeliebe ist freundlich, großzügig und freut sich daran, Gutes zu tun. Auch Atheisten und Menschen anderer Religionsgemeinschaften zeigen diese Hingabeliebe.
Ich habe lange geglaubt, so wie es manche Theologien lehren, dass der Mensch von Grund auf schlecht ist. Das glaube ich immer noch. Aber ich dachte auch, der Mensch sei nicht in der Lage, irgendetwas Gutes aus sich heraus zu tun – die absolute Schlechtheit des Menschen. Diese Meinung musste ich revidieren, aus zwei Gründen: aufgrund der Bibel und aufgrund meiner Erfahrung.
Seht ihr, egal ob ihr Christ, Agnostiker oder Atheist seid – wenn ein Kind ins Wasser fällt, springen die Menschen nach und retten es, auch wenn sie dabei selbst ihr Leben riskieren. Wenn es das eigene Kind ist, ist das nicht heroisch, sondern einfach der Schutz des eigenen Fleisches und Blutes. Aber es gibt auch Menschen, die dasselbe für ein fremdes Kind tun. Das ist Hingabe, das ist Liebe.
Ich bin im Bergrettungsdienst und im Höhlenrettungsdienst aktiv. Wir haben öfter Einsätze, bei denen auch Retter ihr Leben verlieren. Warum tut ein Mensch das? Man könnte sagen: Er ist selbst schuld, wenn er da in Gefahr gerät, und soll halt sterben. Das ist ein Problem. Warum riskiert jemand sein Leben, um einen anderen zu retten?
Oder Clubs wie Rotary Club, Lions Club und andere, die viel Gutes tun und oft extrem sinnvoll helfen. Jesus sagt in Matthäus 7 zum Beispiel: „Ihr, die ihr böse seid, wisst doch, euren Kindern Gutes zu tun.“ Das bedeutet, der Mensch ist von Grund auf böse, aber das heißt nicht, dass er nichts Gutes tun kann. Man kann auch ohne Gott viel Gutes tun, und man soll es tun.
In Markus 9 sagt Jesus einmal: „Wer euch einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört, wird seinen Lohn nicht verlieren.“ Das heißt übrigens, wir müssen Menschen die Chance geben, uns einen Schluck Wasser zu geben. Gute Werke dürfen wir nie schmälern. Gute Werke sind gut, egal wer sie tut, und Gott freut sich immer über gute Werke.
Im Apostelgeschichte 10 lesen wir von Cornelius. Als Petrus zu ihm kam und ihm das Evangelium brachte, lesen wir, dass Gott an deine Almosen gedenkt – egal, ob du Atheist oder Christ bist. Das ist wichtig zu verstehen.
Aber wie gesagt, wir haben nicht nur die Bedürfnisliebe, sondern auch die Hingabeliebe.
Dann gibt es, wie Lewis sagt, noch die Bedürfnisfreude. Das heißt, wir haben auch ein Bedürfnis nach Freude. Das kann zum Beispiel ein Glas Wasser sein, wenn du durstig bist – eine gewisse Freude. Wenn du so gestrickt bist wie ich, kann das eine Bergtour sein, eine schwierige Klettertour, eine schöne Skitour oder Ähnliches. Es kann ein Wiener Schnitzel sein, das du genießt, oder die Toilette nach einer langen Autofahrt. Es ist eine gewisse Freude, die mit einem Bedürfnis verbunden ist. Wenn das Bedürfnis gestillt ist, ist die Freude auch vorbei.
Es gibt dann noch die Wertschätzungsfreude. Diese Freude empfindet ein Mensch zum Beispiel, wenn er einen Sonnenuntergang erlebt. Da empfindet man Freude darüber, etwas Wertzuschätzen. Das kann eine Blumenwiese sein, über die du dich einfach freust. Es kann sich auch auf einen Menschen beziehen: Wenn du jemanden triffst, den du wertschätzt, entsteht Freude in dir.
Diese Wertschätzungsfreude hat jeder Mensch, auch ein Atheist. Jeder Mensch kann sie genießen. Ich sage nicht, dass jeder sie immer genießt, aber jeder kann sie genießen.
Damit kommen wir jetzt zum Fünften, und über das möchte ich ein bisschen sprechen: die Wertschätzungsliebe.
Die Wertschätzungsliebe als tiefste Sehnsucht und höchste Tugend
Und die Wertschätzungsliebe ist, so glaube ich, die tiefste Sehnsucht im Menschen und gleichzeitig die höchste Tugend, zu der wir fähig sind. Was meine ich mit Wertschätzungsliebe? Ich hoffe, ich nehme an, es ist jedem von euch schon mal passiert – ich kann nur von mir reden.
Wenn ich auf einem Berggipfel sitze und sehe, wie die Sonne untergeht, sehe ich die hunderten Bergspitzen um mich herum. Es ist so schön, da möchtest du eine Kamera haben, alles fotografieren und mitnehmen. Da wird man sogar poetisch und möchte ein Gedicht schreiben. Das sind die Momente, in denen du jemanden an deiner Seite haben möchtest, um diese Freude, diesen Moment teilen zu können.
In solchen Augenblicken zückst du das Handy und sagst: „Es ist so schön, ich konnte es mir überhaupt nicht vorstellen.“ Es tut fast weh, wenn du eine so tiefe Freude empfindest, aber niemanden hast, dem du sie weitergeben oder dem du dafür danken kannst.
Jetzt kommt der Unterschied zwischen einem Christen und einem Atheisten. Der Atheist kann dasselbe Schöne erleben, aber er hat niemanden, dem er dafür danken kann. Darum kann er nicht anbieten und seine tiefste Herzenssehnsucht nicht stillen. Siehst du, du kannst den Berg nicht umarmen – das geht geografisch einfach nicht. Du wirst auch die schöne Höhle nicht liebkosen, und das Meer wirst du auch nicht küssen.
Aber als Christ kann ich still werden und Gott danken, der das gemacht hat. Damit stille ich die tiefste Sehnsucht in meinem Inneren und gleichzeitig praktiziere ich die größte Tugend, nämlich ich bete Gott an.
Anbetung bedeutet, glaube ich, in erster Linie, meine Wertschätzung für Gott auszudrücken. Dass er derjenige ist, der größer ist als alle anderen und der Geber aller Freude und Liebe.
Ravi Zacharias, den ich sehr gerne lese – er wird auch der C. S. Lewis des einundzwanzigsten Jahrhunderts genannt –, ist ein hochintelligenter Kerl aus Indien. Er hat sehr viele Apologeten, hält viele Vorträge an Universitäten und hat geschrieben:
Diese Wertschätzungsliebe ist so etwas, wie wenn du vor einem einzigartigen, fantastischen Bild stehst und überwältigt bist von der Schönheit des Gemäldes. Selbst wenn du der einzige Mensch auf Erden wärst und morgen sterben würdest, sodass niemand das Bild mehr sehen könnte, würdest du es nie beschmutzen oder zerstören.
Das ist nicht nur Freude, das ist Wertschätzungsliebe, eine völlige Hingabe diesem Bild gegenüber – und das ist Anbetung.
Ich erlebe das manchmal auch gefühlsmäßig, wie gesagt, in meinen Werken. Wenn die Schöpfung die laute Sprache spricht – die Schöpfung spricht eine Sprache. Darum hat übrigens der Mensch, der auf dem Land wohnt, einen Vorteil. In der Stadt bist du nämlich umgeben von Menschenschöpfung, auf dem Land aber von Gottesschöpfung. Und das ist ein Unterschied.
Darum machen wir auch Freizeiten und Camps, bei denen wir Leute in die Natur mitnehmen. Die Natur spricht eine Sprache.
Wir erleben diese Wertschätzungsliebe auch in Bezug auf Personen. Zum Beispiel sagt man ja, wenn man einer Frau Anbetung schenkt, im Deutschen sagt man auch: „Er betet sie an“ oder „Er himmelt sie an“. Bei einem Mann nennt man es „sie verehrt ihn“. Gott gegenüber nennt man es schlicht und einfach „wir beten ihn an“.
Und wisse: Wenn ich meine Frau zum Beispiel anhimmel, dann sitze ich nicht nur da und tue so oder so. Ich rolle mich auch nicht auf dem Boden herum, sondern benehme mich wie ein normaler Mensch und sage, dass ich sie gerne habe.
Denn in der wahren Anbetungshaltung sind immer Liebe, Respekt und Ehrfurcht dabei. Das ist meine Überzeugung.
Das Wunder des Lebens als Anlass zur Anbetung
Nun, wir brauchen nicht jeden Tag Sonnenuntergänge. Wir brauchen auch nicht unbedingt eine liebe Ehefrau oder Kinder, um Gott anzubeten. Es genügt eigentlich das Wunder eines Menschenlebens. Das genügt.
Jeder Mensch ist ein Geheimnis für sich, das wir nie ganz ergründen werden. Und jeder Mensch ist etwas ganz Besonderes. Der Mensch ist ja schon etwas Wildes, eigentlich wirklich etwas Besonderes.
Ohne unser Zutun wurden wir gezeugt. Wir wissen bis heute nicht, was nach der Befruchtung genau vor sich geht. Das, was dann kommt, haben wir zwar ziemlich genau analysiert, aber den Anfang wissen wir nicht.
Wir können uns auch nicht an die Geburt erinnern. Oder gibt es jemanden hier, der sich an die Geburt erinnern kann? Ich glaube, das hat damit zu tun: Es ist ein Geheimnis, es ist ein Wunder.
Früher hat man gesagt: Wenn ihr die irdischen Dinge schon nicht versteht, wie soll ich euch von himmlischen Dingen erzählen? Die Geburt ist etwas Himmlisches. Und was da alles geschieht, rein medizinisch betrachtet, ist gewaltig.
Ein einziger Strang der DNA füllt ein tausendbändiges Lexikon mit sechshunderttausend Seiten. Und diese Information wird zu einer Person, und es gibt nur eine solche.
Ich stelle oft fest, wenn ich mit Leuten rede, die gerade oft vielleicht unter Depressionen leiden oder ein niedriges Selbstwertgefühl haben, dass sie es gar nicht glauben können, wenn man ihnen sagt: Du bist eine schöne, liebenswerte Person.
Heute ist es ja leider oft so, dass, wenn ein Kind in der Schule nicht allzu gut ist, dann hat es halt irgendein Syndrom oder irgendeine Krankheit. Man braucht eine Entschuldigung dafür. Das ist völliger Unsinn.
Ein Mädchen, das auch geglaubt hatte, sie habe irgendein Problem, sagte zu mir: Du hast überhaupt kein Problem, du bist ein gesundes, hübsches, liebes Mädchen. Das war sie auch.
Am nächsten Tag kam sie zu mir, mit Tränen in den Augen, und sagte: Weißt du was? Du bist der Erste, der mir seit Jahren gesagt hat, dass ich normal bin.
Wir haben ja so einen Standard. Und wenn die Kinder den nicht erreichen, dann müssen sie ja krank sein, sonst ist es ja fälschlich. Oder wenn sie nicht ganz richtig geistlich gehen, wie wir wollen, dann ist auch schon wieder etwas schiefgelaufen.
Stattdessen sollten wir ihnen wissen lassen, wie besonders sie sind.
Geschichte einer Adoption als Beispiel für Wertschätzung
Ein Ehepaar aus den USA hat einen kleinen Jungen in einem Waisenheim in Rumänien adoptiert. Wir fahren fast jedes Jahr mit unseren Bibelschülern dorthin, um eine Woche im Waisenheim zu verbringen. Dort halten wir kleine Andachten, bringen Geschenke mit und unterstützen die Kinder.
Eines Tages sahen sie in diesem Waisenhaus einen Jungen, der keine Arme hatte – er war armlos, also ohne Hände und Arme. Irgendwie hatten sie das Gefühl, dass sie dieses Kind adoptieren sollten.
Dann wurde die rumänische Mutter des Jungen geholt. Sie war bekannt und hatte Angst, weil sie im Fernsehen gesehen hatte, dass in den USA Babys importiert werden – oft behinderte Kinder. Diese Kinder werden angeblich für genetische Forschung oder für fehlende Organe gebraucht. Das ist heute ein großes Geschäft.
Das Ehepaar tat etwas sehr Kluges, inspiriert vom Heiligen Geist. Der Mann konnte nicht viel Rumänisch, aber er gab der Mutter eine rumänische Bibel und bat sie, Psalm 139 zu lesen.
Ich lese ein paar Verse aus Psalm 139, Verse 13-18:
„Denn du, Gott, bildetest meine Nieren, du wobst mich in meinem Mutterleib. Ich preise dich dafür, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Übrigens, hast du Gott schon einmal gedankt, wie erstaunlich und ausgezeichnet er dich gemacht hat? Wenn nicht, dann sollst du es heute tun, denn er hat dich auf eine wunderbare Weise genau so gemacht, wie du bist. Er wollte dich so, wie du bist. Wunderbar sind deine Werke, sagt er. Ich bin wunderbar gemacht, und meine Seele erkennt es sehr wohl. Nicht verborgen war mein Gebein vor dir, als ich gemacht wurde, im Verborgenen, gewoben in den Tiefen der Erde. Meine Urform sahst du in deine Augen, und in dein Buch waren sie alle eingeschrieben, die Tage, die gebildet wurden, als noch keiner von ihnen da war.“
Als die Mutter das las, gab sie ihnen ihren Sohn. Sie wusste, dass sie nicht nur ihr Kind schätzten, sondern auch sie selbst.
Seht ihr, das ist das Geheimnis, und darüber kann man jeden Tag staunen.
Ich habe liebe Freunde, Todd und Missy. Sie haben drei Kinder aus Rumänien adoptiert, obwohl einem der Kinder ein Fuß fehlt. Die drei Kinder sind so liebevoll, es ist unglaublich. Sie kommen jedes Jahr mal zu uns.
Interessant ist, dass wir oft kein Problem damit haben, das Wunder Gottes in Kinderaugen zu sehen. Wenn man in Kinderaugen schaut, erkennt man dieses Wunder. Das ist erbauend, und es ist auch wirklich lieb.
Aber wisst ihr, wo wir uns manchmal schwer tun? Bei Erwachsenen. Bei Erwachsenen vergessen wir oft, dieses Wunder zu sehen. Ein Mensch ist eben keine Nummer, sondern ein ganzes Wunder.
Mathematisch mag es stimmen, dass eins und eins zwei ist und dass halb und halb eins ergibt. Aber wenn du ein Baby in der Mitte teilst, funktioniert das mathematisch nicht mehr.
Das hat schon Salomo gewusst.
Anbetung als Ausdruck von Ehrfurcht und Dankbarkeit
Was ist Anbetung? Anbetung bedeutet, vor Gott zu stehen – in Ehrfurcht und Liebe – und ihm zu danken für das Wunder des Lebens, der Schöpfung und auch für das eigene Leben.
Zum Abschluss möchte ich noch eine meiner Lieblingspassagen zum Thema Anbetung lesen. Sie stammt aus Lukas 7,36-50.
Es bat ihn aber einer der Pharisäer, der mit ihm zu essen hatte, dass er mit ihm essen möge. Und er ging in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch. Übrigens ging Jesus auch zu den Pharisäern, die er alle genauso liebte. Er wollte auch sie mit dem Evangelium erreichen, weil sie manchmal so schlecht angesehen werden.
Da war eine Frau in der Stadt, die eine Sünderin war. Als sie erfahren hatte, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch lag, brachte sie eine Alabasterflasche mit Salböl. Sie trat von hinten an seine Füße heran, weinte und begann, seine Füße mit Tränen zu benetzen. Dann trocknete sie sie mit den Haaren ihres Hauptes. Danach küsste sie seine Füße und salbte sie mit dem Salböl.
Als der Pharisäer, der eingeladen hatte, das sah, sprach er bei sich selbst: „Wenn dieser ein Prophet wäre, so würde er erkennen, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt, denn sie ist eine Sünderin.“
Jesus antwortete und sprach zu ihnen: „Simon, ich habe dir etwas zu sagen.“ Er aber sagte: „Lehrer, sprich!“
Jesus begann: „Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Der eine schuldete fünfhundert Denare, der andere fünfzig. Da sie nicht zahlen konnten, schenkte er beiden die Schuld. Wer von ihnen wird ihn am meisten lieben?“
Simon antwortete: „Ich nehme an, der, dem er am meisten geschenkt hat.“
Jesus sprach zu ihm: „Du hast richtig geurteilt.“
Dann wandte er sich der Frau zu und sagte zu Simon: „Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen, du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben, sie aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben, sie aber hat seitdem ich hereingekommen bin nicht aufgehört, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt, sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt.
Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben, denn sie hat viel geliebt. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“
Dann sprach er zu der Frau: „Deine Sünden sind dir vergeben.“
Die, die mit Jesus zu Tisch lagen, begannen bei sich selbst zu sagen: „Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt? Und wer spricht so mit der Frau?“
Jesus aber sagte zu ihr: „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden!“
Die Bedeutung der Geschichte für unser Verständnis von Anbetung
Die Geschichte gefällt mir deshalb so sehr. Jesus hat sich dieser Frau zugewandt – nicht trotz ihrer Sündhaftigkeit, sondern gerade weil sie eine Sünderin war.
Diese Frau kam völlig ungefragt und unpassend in ein Gespräch zwischen zwei Rabbinern hinein. Sie platzt einfach herein, fällt zu den Füßen Jesu und gibt das Beste, was sie hat: Anbetung. Sie benetzt seine Füße mit Tränen und trocknet die nassen Füße mit ihren Haaren. Diese Geste sprach Bände über ihre endlose Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber Jesus.
Jeder, der das gesehen hat – außer den Arrogantesten – muss von dieser Begebenheit sprachlos gewesen sein. Ich lese diese Geschichte gerne, weil sie das Herz anspricht. Sie zeigt die Wertschätzung, die Hinwendung und die Dankbarkeit, die man haben kann.
Ich möchte einfach fragen: Wann hast du zum letzten Mal gestaunt – über die Schönheit der Natur oder über die Einzigartigkeit deines Gegenübers, der gerade neben dir sitzt? Dieser Mensch ist besonders, denn ihn gibt es nur einmal.
Vielleicht denkst du dir: „Gott sei Dank, dieser Mensch ist besonders.“ Übrigens nur am Rande: Die Bibel sagt klar, dass wir alle Menschen lieben sollen. Das heißt aber nicht, dass du jeden mögen musst. Das ist ein Unterschied. Nicht jeder Mensch muss dir sympathisch sein. Du bist damit völlig normal und herzlich willkommen im Club.
Aber wisst ihr, was mir immer sehr hilft? Wenn ich mit einem Menschen zusammensitze, der vielleicht ganz anders gestrickt ist als ich und der mir nicht sympathisch ist, weil wir so verschieden sind – dann denke ich, dass dieser Mensch wahrscheinlich genauso über mich denkt. In solchen Momenten sage ich mir: „Herr, du liebst diesen Menschen genau wie mich. Du hast ihn wunderbar gemacht, auf seine Weise. Danke für ihn.“
Das schenkt mir – und es funktioniert immer bei mir – Wertschätzung, Respekt und Achtung für diesen Menschen. Er muss nicht mein bester Freund werden, aber ich habe eine Wertschätzung für ihn oder sie.
Und die Frage ist: Wann hast du zum letzten Mal angebetet? Wann hast du Gott gesagt, wie sehr du ihn wertschätzt – für das, wer er ist, und für das, was er tut? Dazu sind wir bestimmt. Ich glaube, das ist die höchste Tugend und eigentlich das tiefste Verlangen in unserer Seele, nämlich anzubeten.
Schlussgebet als Ausdruck der Anbetung
Wollen wir noch miteinander das tun? Lieber Vater, wir möchten dir von Herzen danken für das Geschenk der Anbetung. Wir sind dankbar, dass wir dich wertschätzen dürfen, dass wir dir sagen dürfen, dass wir dich lieben – oder zumindest lieben lernen wollen. Ebenso sind wir dankbar für das Wunder des Lebens, für unser eigenes Leben und auch für das Leben unseres Nachbarn.
Nun, Vater, ich bitte dich um die Gnade, dass du uns befähigst, dieses Wunder zu erkennen. Lass uns im Nächsten nicht nur ein lästiges Problem sehen, sondern ein Wunder. Und aus dieser Wertschätzung heraus möchten wir sie auch ausdrücken, damit auch er oder sie erkennt, wie wertvoll er in deinen Augen ist.
Vater, so danke ich dir auch für diesen Abend. Wir wollen lernen, recht anzubeten, so wie diese Frau, diese Sünderin. Wir sind alle im selben Boot. Wir alle sind schuldig vor dir. Und so dürfen auch wir uns hinknien und unsere Dankbarkeit ausdrücken.
Das wollen wir vielleicht ganz neu lernen, neu einüben und somit unser tiefstes Verlangen stillen. Gleichzeitig üben wir damit die höchste Tugend aus, die du uns als Menschen gegeben hast.
So danke ich dir für den Abend, für dein gutes Wort und für deine Gegenwart. Amen.