Einleitung
Es war zu der Zeit, als es in den USA noch Sklaverei gab. Ein alter Mann namens Mose war es leid geworden, Tag für Tag und Jahr für Jahr Holz zu fällen. Eines Tages dachte er darüber nach, wer wohl die Schuld daran trage, daß er solch ein schweres Leben führen müsse. Er fand für alle, an die er sich erinnern konnte, triftige Entschuldigungsgründe. Schließlich kam er zu dem Schluß, daß letztlich alles Adams Schuld war. Hätte er doch nur nicht die Frucht gegessen! Deshalb mußte der Mensch das herrliche Paradies verlassen und auf dem Feld arbeiten, um sich im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu verdienen. Je mehr der alte Mose darüber nachdachte, desto ärgerlicher wurde er auf Adam. Bei jedem Axtschlag murmelte er: "Alter Adam, alter Adam!" Und mit jedem Wort schlug er etwas fester zu. Eines Tages - Mose war noch nicht zur Arbeit gegangen - hörte ihn der Gutsbesitzer schimpfen. Er fragte ihn, was das zu bedeuten habe. "Ach", antwortete Mose, "wenn Adam nicht die Frucht gegessen hätte, dann müßte ich mich nicht dauernd abschinden. Dann könnte ich zu Hause bleiben, mich ausruhen und Limonade schlürfen." Der Grundbesitzer dachte nach. Schließlich sagte er: "Du darfst zu Hause bleiben, Mose, wie es dein Wunsch ist. Ab sofort brauchst du keine Arbeit mehr zu verrichten. Du kannst dich den ganzen Tag hinlegen und tun, was dir gefällt - allerdings unter einer Bedingung: Siehst du das Kästchen dort auf dem Tisch? Du darfst es nicht öffnen! Einverstanden? Gut, dann genieße deine Ferien!" In den nächsten Wochen konnte Mose sein Glück kaum fassen. Er lief im Haus herum und genoß seine Muße und schlürfte seine Limonade. Dann stieß er auf das Kästchen. Zunächst betrachtete er es nur. Doch im Laufe der Zeit wurde die Versuchung, es zu berühren, immer mächtiger. Als er es schließlich nach mehreren Tagen betastete und sogar mit sich herumtrug, wurde ihm die Versuchung zu stark. Es konnte doch so schlimm nicht sein, nur einmal kurz hineinzuschauen! Als er den Deckel vorsichtig an einer Seite hochhob, fiel sein Blick auf ein beschriebenes Blatt Papier auf dem Boden des Kästchens. Moses Neugier war erst befriedigt, als er den Zettel herausgenommen und gelesen hatte. Darauf stand: "Mose, du alter Schurke! Ich möchte dich nie mehr über Adam schimpfen hören. Wenn du im Garten Eden gewesen wärst, hättest du genauso gehandelt wie Adam. Gehe wieder in den Wald zurück und fälle Holz!" (1)
Ja, die Sünde sitzt tief in unserem menschlichen Wesen. Man kann die Sünde nicht einfach auf jemanden anders abschieben. Paulus sagt deutlich: Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben. Rö.5,12. Jeder von uns hat gesündigt, weil unser Wesen von der Sünde geprägt und bestimmt ist. Deshalb ist die Tatsache so wichtig, die Johannes betont, wenn er schreibt: ...und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. 1.Joh.1,7b. Doch scheint die Wichtigkeit des Opfers Jesu nicht allen bedeutungsvoll zu sein, wie unser nächster Abschnitt im Johannesbrief nahelegt. Text lesen: 1. Joh. 1,8-10
I. Die grosse Selbsttäuschung (8 [10])
Die Gemeinde war also mit der Überzeugung von Leuten konfrontiert, die behaupteten, sie hätten keine Sünde. Sie seien ohne Schuld. Sie sahen also nicht, dass eine unüberwindbare Distanz zu Gott besteht. Das Licht Gottes, von dem Johannes deutlich sprach, meinten sie nicht scheuen zu müssen. Sie können mit Gott Gemeinschaft pflegen, ohne sich grundsätzlich zu verändern. Eine Veränderung ist nicht nötig, weil sie keine Sünde haben. So nähern sie sich nicht durch eine radikale Sinnesänderung, sondern durch eine wachsende Erkenntnis. Man bezeichnet diese Lehre als eine Erkenntnislehre. Sie benötigen für ihre Rechtfertigung vor Gott das Blut Jesu eben nicht, weil sie keine Sünde haben. Somit hat das Kreuz und die Sühnung die Jesus damit für die Menschen vollbrachte keine besondere Bedeutung. Jesus wird lediglich zum Vorbild herabgewürdigt. Wer aber diese Überzeugung vertritt, der täuscht sich selbst, fährt Johannes weiter, und die Wahrheit ist nicht in ihm. Er gehört zu den Menschen, die im blinden Eifer einer Überzeugung nachrennen. Wer seine Sündhaftigkeit leugnet, beweist, dass er mit der Wirklichkeit des neuen Menschen, mit der Gottesgegenwart im neuen Menschen nichts zu tun hat. Diese Menschen sind einer Selbsttäuschung verfallen. Sie bilden sich etwas ein, was nicht den Tatsachen entspricht. Die Tatsache ist, dass der Mensch vor der Heiligkeit Gottes nicht bestehen kann. Diese Tatsache bezeichnet die Bibel mit dem Wort „Ungerecht“. So lesen wir beispielsweise im Römerbrief: Da ist keiner der gerecht ist, auch nicht einer. Rö.3,10. Jeder Mensch ist also Sünder. Das heisst aber nicht, dass der Mensch in unseren Augen schlecht sein muss. Aber aus Gottes Sicht ist der Mensch Sünder und jeder Mensch wird von Gott zur Verantwortung gezogen. So heisst es im Hebräerbrief: Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht;
Unsere Zeit ist davon geprägt, dass wir vom guten Menschen ausgehen. Überall hört man die Botschaft, der Mensch sei im Grunde gut. Er habe einen guten Kern in sich. Selbst in gewissen christlichen Kreisen ist ein solches Gedankengut vorhanden. Da wird dann behauptet, Christus sei schon von Natur aus im Menschen. Der Mensch sei eigentlich gut und bedürfe der persönlichen Erlösung durch Christus nicht.
Nach Auffassung des Taizé-Gründungsvaters Roger Schutz sollen Gott und Christus schon von Natur aus im Menschen sein. Der Mensch sei eigentlich gut und bedürfe der Erlösung durch Christus nicht. In dem regelmässig erscheinenden „Brief aus Taizé“ (Sonderausgabe 1996), der in 58 Sprachen übersetzt wird, formuliert Schutz das aktuell so: „Wir alle sind Menschen, die bewohnt sind, bewohnt von der Gegenwart, mit der Christus unser Leben durchdringt.“ Auch den Jugendlichen im Stuttgart wurde von Roger Schutz mehrfach verkündet, dass der Heilige Geist, der Geist Gottes, in jedem Menschen wohne. Deshalb ist auch nicht verwunderlich, dass in Taizé die Anschauung vertreten wird, dass sich Christus in allen Religionen manifestiere. (2)
Wenn nun der Mensch im Grunde so gut ist, darf ich einmal fragen: Woher kommt das Böse im Menschen? Keine Philosophie hat bis jetzt eine einleuchtende Erklärung gefunden, wie das gehen soll, wenn der Mensch gut ist und er trotzdem vom Bösen beherrscht wird. Wer mordet? Wer ist geizig? Wer vergewaltigt? Wer führt Kriege? Wer betrügt? Wer lügt? Wer foltert? usw. Es ist doch immer der Mensch. Die ganze Menscheitsgeschichte gibt Zeugnis von der Bosheit des Menschen. Unsere sogenannte aufgeklärte Welt hat einfach die Sünde abgeschaft. Da wird eine Frau gefragt, die gesündigt hatte: Schuldgefühle hattest du nicht? Sie antwortete: Ich dachte schon, daß es verboten ist und daß der liebe Gott es nicht so gern hat, aber ich kam dann ohnehin in ein Alter, in dem man den lieben Gott über Bord wirft. Ich habe es mir erlaubt. (3)
Gott über Bord zu werfen, oder sich einen eigenen Gott zu machen ist eine Methode, die in diesem Leben hilft, die Schuldgefühle abzulegen. Man schaltet den aus, vor dem man sich verantworten müsste. Aber die Schuld bleibt trotzdem bestehen, auch wenn wir das Gefühl beseitigt haben. Auch unsere Rechtssprechung geht nicht vom Schuldgefühl des Verbrechers aus, sondern von dem Gesetz, das übertreten wird. Ob sich der Täter schuldig fühlt oder nicht ist unwesentlich, die Frage ist, ob er schuldig ist oder nicht. Die Ohnmacht des Menchen, dass er sündigt, sollte ihn doch davon überzeugen, dass er ein Sünder ist. Wer sich für sündlos hält, beweist damit, dass er in einer selbstgemachten, phantastischen Religion lebt. Er ist verblendet und erhebt sich über den Schöpfer, indem er ihn zum Lügner macht.
II. Die rechte Selbsterkenntnis (9a)
Wir lösen unser Problem des sündigen Wesens nicht indem wir die Tatsache der Sünde leugnen. Denn die Tatsache bleibt bestehen: ...Denn es ist hier kein Unterschied: / sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, Rö.3,22b-23. Die Folge ist die Verlorenheit des Menschen - das Verderben. Johannes zeigt nun, wie wir das Problem unseres sündigen Wesens lösen, denn das Evangelium ist eine frohe Botschaft, d.h. das Evangelium führt uns nicht ins Verderben sondern aus dem Verderben. Der Weg ist folgender: Wenn wir unsere Sünden bekennen. Bekennen meint hier schlicht und einfach zu sagen, was falsch ist. Hier spricht Johannes auch nicht mehr von der Sünde in Einzahl, sondern in Mehrzahl: die Sünden. Es handelt sich also nicht nur um das sündige Wesen des Menschen, daß wir grundsätzlich von Gott abgewandt leben, das können wir übrigens auch dann, wenn wir tief religiös leben. Er spricht von den Sünden. Das kommt daher, dass der, welcher erkannt hat, dass er ein Sünder ist, weiss, dass sein sündiges Wesen ein sündiges Verhalten zur Folge hat. Infolgedessen hat er Sünden zu bekennen. Bekennen meint hier, dass wir Gott sagen was wir falsch gemacht haben. Bekennen meint hier: das gleiche sagen. Wenn ich gestohlen haben, dann sage ich eben: ich habe gestohlen. Wenn ich gelogen habe, sage ich: ich habe gelogen. usw. Sicher, Gott weiss alles, wir sagen ihm dies nicht zur Information, weil er es sonst nicht wüsste. Wir sagen ihm das, dass er sieht, ob wir unseren Fehler eingesehen haben. Wer seine Sünde leugnet, dem wird's nicht gelingen; wer sie aber bekennt und läßt, der wird Barmherzigkeit erlangen. Spr.28,13.
Gott will sehen, ob wir erkannt haben, was wir falsch machen. Oft hören wir die Bitte: Herr vergib mir alles was ich falsch gemacht habe. Frägt man zurück, was hast Du denn falsch gemacht, dann begegnet uns oft eine Stille. Man weiss eigentlich gar nicht, was man falsch gemacht hat. Sünde ist immer etwas Konkretes und soll auch konkret bekannt werden. Wir sind Künstler im verschieben der Schuld. Wir spielen den Ball gerne einem anderen zu. Der Vorteil für uns ist, dass ich mich selbst nicht ändern muss und ich kann mir dabei noch recht fromm vorkommen. Lernen wir aber Sünden klar beim Namen zu nennen. Wenn ich nämlich sage: Ich habe hier gelogen und das ist falsch, dann werde ich mir überlegen, ob ich das nächste Mal wieder lüge. Lernen wir also genau zu sagen, was wir falsch gemacht haben, denn Gott weiss es sowieso, wir werden ihn mit unserem Bekenntnis nichts Neues erzählen, aber wir zeigen ihm, dass wir eingesehen haben, dass unser Verhalten falsch war. Anstatt pauschal um Vergebung zu beten, empfehle ich sowieso, Gott zu bitten, dass er zeigt, wenn wir noch Sünden haben, die nicht vergeben sind. Was uns dann deutlich wird, das sollen wir bekennen.
III. Die wahre Gerechtigkeit (9b)
Wenn wir mit dieser Klarheit und Aufrichtigkeit Gott begegnen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Gottes Treue und Gerechtigkeit führen dazu, dass er sich über uns erbarmt. Er ist treu dem, was er den Menschen versprochen hat und darauf ist Verlass. Er erlässt uns unsere Sünden, dass heisst sie sind vergeben, sie werden uns niemehr angerechnet. Hier handelt es sich um die Tat der Sünde: Lüge, Diebstal, Eifersucht, Geiz, usw. Und er reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Hier handelt es sich um unser sündhaftes Wesen, dass wir durch und durch Sünder sind, dass wir ungerecht sind. Er reinigt uns aber von unserer Ungerechtigkeit und macht uns Gerecht. So verliert die Sünde ihre Macht über uns, denn Paulus schreibt: So auch ihr, haltet dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus. Rö.6,11. Denn die Sünde wird nicht herrschen können über euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade. Rö.6,14. Das ist aber nur möglich, weil Jesus an unserer Stelle die Strafe auf sich genommen hat. Das war die Aufgabe Jesu, als er auf diese Welt gekommen ist. So lesen wir im Titusbrief: und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus, / der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken. Tit.2,13-14. Wäre Jesus nicht für uns gestorben, so müsste jeder für seine eigene Sünde sterben, das wäre die gerechte Strafe, die jeder von uns verdient hätte. Gott handelte aus seiner grossen Lieben, indem er seinen eigenen Sohn hingerichtet hat, damit jeder der an ihn glaubt nicht verloren geht. So lesen wir im Korintherbrief: Denn er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. 2.Kor.5,21.
Es geht also um die Gerechtigkeit die vor Gott gilt. Und wenn Du Deine Sünden aufrichtig bekennt, dann wirst Du gerecht und zwar die Gerechtigkeit die vor Gott gilt. Vielleicht meinst Du, dass Du auch so Gerecht bist, aber mit welchem Maßstab willst Du Deine Gerechtigkeit messen? Die Bibel kennt nur einen Maßstab: Jesus Christus. Nur wer durch Jesus Christus erlöst ist, der hat die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Evtl. Bsp. mit Hallenbadkarte und Postcard Willst Du die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt? Dann tue, was hier in unserem Abschnitt steht: Bekenne deine Sünden!
Schluss
Möge die Erfahrung des David die unsere sein, er schrieb: Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist! Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zurechnet, in dessen Geist kein Trug ist! / Denn als ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen. / Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir, daß mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. / Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen, Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde. Ps.32,1-5. Amen
(1)Beispiel Nr.566. (2) Topic Nr. 1/97, S. 5. (3) Ingrid Kolb: Das Kreuz mit der Liebe (Goldmann Stern-Bücher, 1982), S. 45.