Wir lesen aus dem Ersten Buch Mose, Kapitel 43.
Die Notwendigkeit einer neuen Reise wegen der Hungersnot
Die Hungersnot drückte das Land schwer. Als das Getreide, das sie aus Ägypten gebracht hatten, aufgebraucht war, sprach ihr Vater zu ihnen: „Zieht wieder hin und kauft uns ein wenig Getreide.“
Da trat Juda vor und sprach: „Der Mann hat uns eindringlich gewarnt und gesagt, ihr sollt sein Angesicht nicht sehen, es sei denn, euer Bruder ist mit euch. Willst du nun unseren Bruder mit uns senden? Dann wollen wir hinabziehen und dir Essen kaufen. Wenn du ihn aber nicht senden willst, ziehen wir nicht hinab. Denn der Mann hat zu uns gesagt: Ihr sollt sein Angesicht nicht sehen, es sei denn, euer Bruder ist mit euch.“
Israel antwortete: „Warum habt ihr mir so übel getan, indem ihr dem Mann gesagt habt, dass ihr noch einen Bruder habt?“ Sie erwiderten: „Der Mann hat so genau nach uns und unserer Verwandtschaft gefragt und gefragt: Lebt euer Vater noch? Habt ihr noch einen Bruder? Da haben wir ihm geantwortet, wie er uns gefragt hat. Wie hätten wir wissen können, dass er sagen würde: Bringt euren Bruder mit herab?“
Judahs Bürgschaft und die Vorbereitung zur Reise
Da sprach Judah zu Israel, seinem Vater: „Lass den Knaben mit mir ziehen, damit wir uns aufmachen, reisen und leben und nicht sterben – wir, du und unsere Kinder. Ich will Bürge für ihn sein.“
Und das ist nun der neue Sprachgebrauch, der plötzlich unter den Brüdern Josephs aufkommt: „Ich will Bürge für ihn sein. Von meinen Händen sollst du ihn fordern. Wenn ich ihn dir nicht wiederbringe und vor deine Augen stelle, will ich mein Leben lang die Schuld tragen.“ Zum ersten Mal wird hier das Thema der Schuld angesprochen.
Denn wenn wir nicht gezögert hätten, wären wir wohl schon zweimal wiedergekommen, da sprach Israel, ihr Vater, zu ihnen: „Wenn es denn so ist, wohlan, so tut es! Nehmt von des Landes besten Früchten in eure Säcke und bringt dem Mann Geschenke hinab: ein wenig Balsam und Honig, Harz und Myrrhe, Nüsse und Mandeln. Nehmt auch anderes Geld mit euch und das Geld, das ihr obenauf in euren Säcken wiederbekommen habt, bringt auch wieder hin. Vielleicht ist ein Irrtum geschehen.“
„Dazu nehmt euren Bruder, macht euch auf und geht wieder zu dem Mann. Aber der allmächtige Gott gebe euch Barmherzigkeit vor dem Mann, damit er mit euch ziehen lasse euren anderen Bruder und Benjamin. Ich aber muss sein wie einer, der seiner Kinder ganz und gar beraubt ist.“
Die Ankunft in Ägypten und die Begegnung mit Joseph
Da nahmen sie diese Geschenke und das doppelte Geld mit sich, dazu Benjamin. Dann machten sie sich auf, zogen nach Ägypten und traten vor Joseph.
Als Joseph sie sah, sprach er mit Benjamin zu seinem Haushalter: „Führe diese Männer ins Haus und schlachte und richte zu, denn sie sollen zum Mittag mit mir essen.“ Der Mann tat, wie Joseph es ihm gesagt hatte, und führte die Männer in Josephs Haus.
Sie fürchteten sich jedoch, weil sie in Josephs Haus geführt wurden, und sprachen: „Wir sind hereingeführt wegen des Geldes, das wir in unseren Säcken beim letzten Mal wiedergefunden haben. Man will auf uns eindringen, über uns herfallen, uns zu Sklaven machen und uns die Esel nehmen.“
Darum traten sie zu Josephs Haushalter und redeten mit ihm vor der Haustür. Sie sagten: „Mein Herr, wir sind beim letzten Mal herabgezogen, um Getreide zu kaufen. Als wir in die Herberge kamen und unsere Säcke auftaten, siehe, da war bei jedem das Geld oben in seinem Sack, mit vollem Gewicht. Darum haben wir es wieder mit uns gebracht. Wir haben auch anderes Geld mitgebracht, um Getreide zu kaufen. Wir wissen aber nicht, wer uns das Geld in unsere Säcke gesteckt hat.“
Er aber sprach: „Seid guten Mutes, fürchtet euch nicht! Euer Gott und der Gott eures Vaters hat euch einen Schatz in euren Säcken gegeben.“
Es ist ein interessanter Hinweis, dass schon der Verwalter von Joseph ein so klares Gotteszeugnis gibt. Dies erinnert an den lebendigen Gott der Familie Jakobs.
Simeon wird freigelassen und die Vorbereitung zum Essen
Euer Geld habe ich erhalten, und er führte Simeon zu ihnen heraus. Von ihm war bisher gar nicht mehr die Rede, und das Schicksal schien wie vergessen.
Er führte Simeon zu ihnen heraus, brachte sie in Josefs Haus, gab ihnen Wasser, damit sie ihre Füße wuschen, und gab ihren Eseln Futter. Sie richteten das Geschenk her, bis Josef mittags käme, denn sie hatten gehört, dass sie dort essen sollten.
Als nun Josef ins Haus trat, brachten sie ihm das Geschenk, das sie mitgebracht hatten, ins Haus und fielen vor ihm nieder zur Erde. Er aber grüßte sie freundlich und sprach: „Geht es eurem alten Vater gut, von dem ihr mir sagtet, lebt er noch?“
Sie antworteten: „Es geht einem Knecht, unserem Vater, gut, und er lebt noch.“ Dann verneigten sie sich und fielen vor ihm nieder.
Josephs emotionale Reaktion auf Benjamin
Und er hob seine Augen auf und sah seinen Bruder Benjamin, den Sohn seiner Mutter. Das war Rachel, die besonders innig geliebte Frau Jakobs, die im Straßengraben von Bethlehem starb. Dort befindet sich heute noch das Grabmal zu Ehren Rachels. Schwangere Mütter Israels gehen immer dorthin, um zu beten.
Er sprach: „Ist das euer jüngster Bruder, von dem ihr mir erzählt habt?“ Dann sagte er weiter: „Gott sei dir gnädig, mein Sohn.“ Joseph eilte hinaus, denn sein Herz entbrannte vor Liebe zu seinem Bruder. Er suchte einen Ort, an dem er weinen konnte, und ging in seine Kammer, wo er weinte.
Nachdem er sein Gesicht gewaschen hatte, kam er heraus, fasste sich und sagte: „Legt die Speisen auf!“ Man servierte ihm und den anderen jeweils besonders, auch den Ägyptern, die mit ihm aßen. Denn die Ägypter durften nicht mit den Hebräern essen, da dies für sie ein Gräuel war.
Sie setzten sich ihm gegenüber, den Erstgeborenen nach seiner Geburt und den Jüngsten nach seiner Jugend. Dabei wunderten sie sich gegenseitig. Von seinem Tisch erhielt jeder Speisen, doch Benjamin bekam fünfmal mehr als die anderen. Sie aßen, tranken und wurden fröhlich mit ihm.
Aufgrund einer kleinen Panne bei der Überspielung unseres Bandes werden wir nun versuchen, den Anschluss an die alte Originalkassette wiederzufinden. Ich hoffe, dass der Übergang jetzt gelingt.
Er sprach erneut zu seinen Brüdern: „Ist das euer jüngster Bruder, von dem ihr mir erzählt habt?“ Dann sagte er: „Gott sei dir gnädig, mein Sohn.“ Joseph eilte hinaus, denn sein Herz entbrannte vor Liebe zu seinem Bruder. Er suchte einen Ort, an dem er weinen konnte, und ging in seine Kammer, wo er weinte.
Nachdem er sein Gesicht gewaschen hatte, kam er heraus, fasste sich und sagte: „Legt die Speisen auf!“ Man servierte ihm und den anderen jeweils besonders, auch den Ägyptern, die mit ihm saßen und aßen. Denn die Ägypter durften nicht mit den Hebräern essen, da dies für sie ein Gräuel war.
Die Sitzordnung und das Mahl bei Joseph
Und man setzte sie ihm gegenüber: die Erstgeborenen nach seiner Erstgeburt und die Jüngsten nach seiner Jugend. Darüber verwunderten sie sich untereinander.
Man trug ihnen Essen von seinem Tisch auf, doch Benjamin erhielt fünfmal mehr als die anderen.
Persönliche Erinnerung und Zeugnis von Gottes Wundern
Da war ich sechs Jahre alt, in der großen Hungerzeit 1946. Deshalb habe ich die Geschichte so geliebt: „Und sie tranken und wurden fröhlich mit ihm.“
Ich habe vorhin etwas Nettes erlebt. Eine Frau aus Korntal hat angerufen und gesagt: „Heute ist ein besonderer Tag.“ Sie erzählte, dass vor 25 Jahren etwas Tolles passiert sei. Daran konnte ich mich gar nicht erinnern.
Heute vor 25 Jahren kam ein Anruf. Die lieben Wallners aus Korntal waren damals in Rumänien. Ich erinnere mich noch gut: Heinemann hatte damals einen Staatsbesuch in Rumänien gemacht. Die Wallners hatten große gesundheitliche Probleme mit ihrem Sohn. Ich schrieb ein schlichtes Brieflein, wie man das so macht, an Heinemann.
Das ist eigentlich nicht meine Art. Ich habe in meinem Leben sicher nie mehr an den Bundespräsidenten geschrieben. Aber ich bat ihn, bei seinem Staatsbesuch zu versuchen, diese Familie herauszubekommen. Es war damals etwa fünf Jahre vor Ceausescus Hochzeit. Innerhalb weniger Stunden konnten sie das Land verlassen.
Es war einfach schön, das so zu erleben und den Dank von einem Menschen zu spüren. Ich hatte ganz vergessen, dass das jetzt schon 25 Jahre her ist. Die Frau sagte: „Wir vergessen es nie. Es ist das Wunder unseres Lebens.“ Wenn man in so einem Terrorregime lebt, ist es ein großes Wunder, in wenigen Stunden seine Koffer packen zu können und die ganze Familie friedlich ausreisen zu dürfen – mit dem richtigen Flugzeug, offiziell, mit Pass und allem fertig.
Denn solche Akte der Menschlichkeit geschehen bei Staatsbesuchen. Da dachte ich: Es gibt doch viele Wunder Gottes im Leben. Kennen Sie auch solche Wunder Gottes, bei denen man sagt: „Ich verstehe das bis heute nicht“? Natürlich kann man sagen, das war der Brief, der bewirkt hat, dass aus den vielen tausend Briefen, die das Bundespräsidialamt erhält, plötzlich genau dieser Brief herausgesucht wurde und die Familie herauskam.
Man erlebt einfach viele Erfahrungen mit Gott. Merkwürdig, dass wir das so schnell wieder vergessen. Heute hat es mir einfach Freude gemacht, an so etwas erinnert zu werden. Gott tut mächtige Wunder.
Die Lebensführung Gottes und der Umgang mit Schwierigkeiten
Und so ist eigentlich jeder Tag angefüllt mit großen Wundern Gottes. Sie erleben Gottes Wunder in Krankheitsnot, in Berufsnöten und in menschlichen Schwierigkeiten – ganz herrlich, wie Gott eingreifen kann, auch mit schwierigen Menschen.
Aber am tollsten ist doch, dass Ihr ganzes Leben eine Lebensführung Gottes ist. Ist es Ihnen klar, wenn Sie sich in die Hand Gottes hineingeben? Aber wie führt Sie Gott? Gott führt Sie so, wie er die Brüder Josephs geführt hat. Das heißt, Gott hat manchmal Interesse, uns in unserem Leben etwas fühlen zu lassen, womit wir gar nicht rechnen.
Das ist heute Abend für mich in der Vorbereitung neu geworden. Ich habe mich schon gestern hingesetzt. Wir hatten heute einen großen Sitzungstag in unseren Werken, und ich habe mich so gefreut. Ich habe gedacht, es geht eigentlich weiter mit dem, was ich am Sonntag in der Predigt zu sagen versucht habe.
Andere Menschen nehmen von uns das Evangelium nicht an, wenn wir sie belehren. Niemand will belehrt werden. Wenn jemand sagt: „Du verstehst nicht, ich sage es, wie es ist“, dann nimmt es niemand an. Das ist uns irgendwie so eingeprägt, dass wir nicht lernen wollen. „Ich bin doch selbst gescheit“, denken viele. Dass man einem anderen sagt: „Kannst du mir helfen?“, ist ja ganz selten. Der Mensch ist so stolz in seinem Wissen.
Deshalb hat Gott auch große Mühe, uns etwas zu erklären. Das kann man eigentlich erst in der Lebensführung erkennen. Meine Entdeckung war jetzt, für mich völlig neu: Gott will uns durch alle Erlebnisse, durch seine Führung, irgendetwas sagen.
Wenn wir uns nur sagen: „Lieber Gott, warum hast du mir so schwierige Menschen in den Weg gestellt?“ – aha, du hast sicher irgendeine Absicht damit. Du nimmst sie nicht weg und änderst sie nicht. Oder: „Warum habe ich so viele Krankheitsnöte durchzumachen?“ Sicher hast du eine Absicht damit.
Wenn Sie beten: „Herr, ich will mich ganz von dir führen lassen, und ich möchte nicht, dass der Teufel noch irgendwelche Macht in meinem Leben hat“, dürfen Sie beten: „Herr, so nimm denn meine Hände und führe mich.“ Aber in Ihrem Leben bleiben viele Schwierigkeiten. Es sind pädagogische Absichten, durch die Gott Ihnen etwas sagen will.
Sie können auf der einen Seite erleben, dass Gott Wunder wirkt, wie bei der Familie Wallner. Unglaublich, dass sie, nachdem sie angerufen wurden, binnen weniger Stunden Koffer packten und ausreisten. „Wir stehen in Deutschland“, sagten sie. Dieser Tag bleibt uns unvergesslich – der Tag unserer großen Freiheit, bis heute das große Geschenk Gottes Führung.
Aber es gibt auch Führung, bei der Gott uns sehr schwere Wege gehen lässt. Das gehört dazu, weil er uns zu einer Erkenntnis führen will. Die Josefsgeschichte dauert so lange, weil die Brüder ganz lange brauchen, bis sie es kapieren. Und das brauchen wir nämlich auch ein Leben lang, bis wir merken: „Ach so, ich habe etwas Falsches gemeint.“
Man kann sich gegen Gottes Führung auflehnen, dann protestieren und sagen: „Gott, warum machst du das so schwer bei mir?“ Die Brüder haben ja auch nicht verstanden: „Warum läuft das denn so? Warum ist denn der Mann so böse?“ Zuerst haben sie ihn vergessen, aber sie müssen sich mit der Sache auseinandersetzen. Gott lässt sie nicht los. Er führt sie wie an einer Leine.
Jetzt müssen sie wieder herunter. Die Hungersnot treibt sie, sie ist der Hund Gottes, wie in der Schäferherde, der sie wieder heruntertreibt. Sie müssen dort wieder diesem strengen Herrn gegenübertreten. Und über dem Ganzen macht es Gott so wunderbar – mit einer ganz feinen Art –, bis sie auf einmal wach werden.
Wenn Sie jetzt Ihr Leben verfolgen, müssen Sie sagen: Erst durch meine Lebensführung bin ich in der Erkenntnis Gottes wirklich weitergekommen. Wenn man es wach verfolgt, wenn man sich nicht auflehnt gegen seine Lebensführung, sondern sie akzeptiert und sagt: „Herr, ich bin bereit zu fragen, was ist der Sinn bei dir? Du hast sicher eine Absicht.“
Also noch einmal: Man nimmt eigentlich sehr wenig theoretisch an. Deshalb ist es so wichtig, dass wir unsere Lebensführung verstehen. Darum dürfen Sie auch in der Seelsorge immer wieder fragen: Warum lässt Gott das mit mir geschehen?
Umgang mit Leid und Gottes Absichten
Sie wissen, dass wir in letzter Zeit einige Familien in der Gemeinde hatten, in denen kleine Kinder ganz plötzlich und ohne erkennbaren Grund gestorben sind. Dafür gibt es eigentlich keine menschliche Erklärung.
Trotzdem, auch wenn uns das überrascht, hören wir Menschen sagen: „Ich habe Gott ganz neu gefunden.“ Das ist wunderbar. Nicht, dass dadurch das Schwere verschwindet, aber Gott hat ein Ziel. Wir müssen darauf achten, uns nicht zu versündigen und nicht gegen Gott zu lästern. Gott führt uns weiter.
Es gibt verschiedene Arten von Führung: das Wunder, wie bei den Rumänen, und das Wunder, dass der Herr uns durch einen langen, dunklen Weg führt. Vorhin haben wir das Lied gesungen: „Ich habe einen herrlichen König.“ Dort heißt es schmetternd: „Ich stelle mich gerne dem König zur Verfügung, der königlich liebt.“
Man soll sich wirklich so zur Verfügung stellen. Sie müssen wissen: Jeder Abschnitt Ihres Lebens ist voller wunderbarer Wirkungen Gottes. Bei unserem Herrn gibt es keine Zeit für geringe Dinge. Alles ist ganz erfüllt. Er will Großes durch Sie wirken, auch wenn Sie körperlich geschwächt sind oder in einem Alter, in dem Sie müde werden.
Der Herr will Großes tun. Solange Sie leben, wirkt der Herr mächtig. Sie müssen nur darauf achten, sich in seine Hand zu geben, sich nicht aufzulehnen und nichts festzuhalten. „Aber das hat mir der Herr weggenommen.“ Der Herr nimmt uns vieles aus der Hand, doch er braucht das alles nicht, wenn er uns segnet.
Gottes Führung als Seelsorge
Deshalb gehen wir jetzt Schritt für Schritt vor, um die Führung Gottes richtig zu verstehen. Ich habe mir notiert: Gottes Führung ist immer Seelsorge – und das gilt besonders in den Fällen, in denen uns kein Wunder geschenkt wird.
Heute betonen viele Gruppen stark die Wunder. Was mich dabei immer wieder erstaunt, ist Folgendes: Ja, natürlich, ich denke, Sie erleben jeden Tag viele Wunder – und ich hoffe das auch. Gott wirkt machtvolle Wunder, die wir oft nicht begreifen können. Wunder über Wunder erleben wir mit Dingen, die wir rational nicht mehr verstehen.
Doch wir wissen: Gott hat noch viel mehr vor. Er möchte uns in der Seelsorge im Glauben wachsen lassen. Es geht ihm nicht nur um den wiedergefundenen Schlüssel oder um den geheilten Körper. Es geht ihm vor allem darum, dass wir ihn neu erkennen und in einem festen Vertrauen mit ihm leben. Es geht um den Glauben.
Warum führt Gott eine solche Erziehung mit seinen Menschen durch? Damit wir für ihn brauchbar werden. Wir werden nur dadurch brauchbar, dass wir all dies mit uns geschehen lassen. Deshalb ist es nötig, genau hinzuhören und in Zeiten der Stille zu fragen: Was will Gott mit mir?
In unserem Leben gibt es viele Zeiten, in denen wir das nicht verstehen. Manche Brüder sind noch nicht so weit, dass sie fragen: Was hat das alles für einen Sinn? Sie leben noch in dem Gefühl, dass ihnen Unrecht geschieht. Erst am Ende sind sie beschämt und verstehen, wenn Josef sagt: Gott hat es gut gemacht. Dann sagen sie: Ja, das ist wahr. Das Geheimnis in der Geschichte von Josef ist, dass Gott immer da war.
Aber die größte Veränderung im Herzen ist das größte Wunder. Das allergrößte Wunder ist, wenn harte Männer – so harte Männer, die ihren Bruder verkauft haben – in ihrem Herzen so weich werden, dass sie Gottes Führung verstehen und preisen.
Die Entwicklung der Bruderliebe und Jakobs Sorgen
Was uns zuerst eigentlich bestürzt in dem Kapitel, ist, dass sie den Simeon völlig vergessen. Im Herzen der Brüder ist noch nicht viel passiert. Eigentlich hätten sie ja sagen müssen: Vater, wir müssen runter. Und wenn wir bloß den Simeon rauslösen, wo ist da die Bruderliebe?
In der Bibel wird die Bruderliebe sehr hoch gesetzt und gestellt. Man würde erwarten, dass sie irgendwo zum Ausdruck kommt. Nachher treten sie für den Bruder ein, und der Jude fängt schon an, für seinen Bruder zu bürgen. Es wird immer wunderbarer, wie die Bruderliebe wächst.
Die Bruderliebe ist etwas ganz Großes, wenn die Bibel davon spricht. Es ist nicht nur die Liebe zum fleischlichen Bruder oder zur Schwester, sondern später auch die Liebe derer, die zum Volk Gottes gehören. Es ist das wunderbare Eintreten füreinander.
Ich möchte all denen danken, die das immer wieder spüren lassen. Die in fernen Ländern leben, keine Heimat haben und so weiter. Liebe ist etwas Schönes, auch wenn sie sich in Gastfreundschaft zeigt. Oft denken wir, man müsse zuerst die Wohnung aufräumen und das ideale Gastzimmer herrichten. Doch es geht darum, die Liebe an Menschen spüren zu lassen: Ich lade dich an meinen Tisch ein, obwohl es nichts Besonderes gibt, aber du bist mein Freund.
Das ist für viele Menschen etwas ganz Großes. Bruderliebe wird in der Bibel immer hoch genannt. Und das ist hier noch nicht geschehen. Sie sorgen sich bloß um ihren Leib, ganz materiell. Erst als es ihnen schlecht geht und sie nichts mehr zu nagen oder zu beißen haben, sagen sie: Dann gehen wir halt wieder runter.
Umgekehrt sehen wir Jakob als einen Menschen, der seine Kinder behält, seinen Benjamin. Es war ja auch nicht recht, dass er einen Lieblingssohn hat. Das ist der Bibel völlig klar. Sie verurteilt nicht alles einfach in Gut und Böse, wie manche es sich vielleicht vorstellen, mit Schubladen „böse“ und „gut“. Man sieht einfach Menschen in ihrer Begrenzung.
Beim Jakob ist das besonders schlimm, weil er ja bei seinen Eltern schon diese furchtbare Erziehung erlebt hat, dass es auch dort Muttersöhnchen und Vatersöhnchen gab. Er muss doch irgendwann Benjamin freigeben. Was ist unser Glaube, wenn wir Gott nicht blind vertrauen können?
Ich sage das jetzt so munter, aber als Frau Munsinger dort oben stand, da kann ich kaum mehr sagen, was es für einen Menschen bedeutet. Man sagt zwar theoretisch, man habe die Situation lange bewältigt, aber wenn man mittendrin steckt, ist es so finster, dass man nicht mehr hinausblickt. Es ist ein Wunder, wenn Jesus einem wieder das Licht gibt.
Zum Trost hat der Herr versprochen, dass er zu uns redet. Er hat gesagt: Ich verstehe Jakob, dass er den Sohn nicht hergeben will. Deshalb argumentiert er auch blöd: „Warum habt ihr es dem Herrn gesagt?“, als ob das die Lösung wäre. Es ist so: Er muss den Sohn rausrücken.
Gott ist in der Seelsorge bei Jakob. Und da wissen Sie, wenn Gott in Ihrem Leben anfängt, Sie in die Seelsorge zu nehmen, dann suchen Sie das Gespräch. Rufen Sie an, setzen Sie sich hin und fragen: Was ist da bloß mit mir los? Warum muss ich da durch?
Ich halte es nicht für eine große Form der Gläubigkeit, wenn man mit Gott Lästersprüche loslässt. Vielmehr ist es etwas Großes, wenn Gläubige einfach sagen: Helfen Sie mir! Und das ist so etwas Großes, wenn der andere kommt und sagt: Der Herr ist treu und lässt uns nicht los.
Gerade in solchen dunklen Perioden, in denen Jakob durchmuss, in denen die Brüder durchmüssen und Angst haben, noch einmal diesem reichen, großen, mächtigen Herrn in Ägypten entgegenzutreten.
Die Bedeutung der biblischen Geschichten und Judahs Wandel
Wenn Sie heute liberale Theologen über solche Bibelgeschichten reden hören, werden Sie feststellen, dass sie nie in die Tiefe der Geheimnisse eindringen. Sie verstehen nicht, dass die Bibelgeschichten keine alten Erzählungen sind. Sie sprechen darüber naiv, als wären es bloß Geschichten. Doch es sind ganz originale, echte Lebenszeugnisse – so wie Sie es in Ihrem eigenen Leben erfahren.
Wenn Sie nicht den wirkenden Gott dahinter erkennen, bleiben Sie blind für all das, was dort steht. Ich sehe bei Juda jetzt schon das erste Aufbrechen einer inneren Wandlung seines Herzens. Er sagt: Vater, mein ganzes Leben will ich für diese Sache gerade stehen. So blöd und unsinnig das auch klingt, was er sagt, ist es doch der verzweifelte Versuch – so wie ein Kind der Mutter etwas sagen will. Es ist echt gemeint, wirklich treu und lieb, so wie man manchmal in seiner Hilflosigkeit etwas zum Ausdruck bringt.
Das Allerschönste ist, wenn man dann sagen kann: Es kann mir nichts geschehen, als das, was Gott vorhergesehen hat. Denn denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Gott wird das irgendwie hinausführen. Das ist im Grunde das Ende der Josefsgeschichte. Aber so weit sind die alle noch nicht.
Dann ist da Jakob, der hier auch Israel genannt wird – ein toller, kluger Mann. Die Bibel ist immer schön, wenn sie auch weltliche, menschliche Klugheit zeigt. Er sagt: „Ihr müsst den Mann besänftigen.“ Das kann man immer lernen. Wir Schwaben sind auch oft ungeschickt und verprellen viele durch unsere unbeholfene Art. Jakob sagt, ihr müsst ihm etwas mitbringen, das ihn besänftigt.
Zweitens sagt er, ihr müsst gleich am Anfang etwas sagen, das euch vom Verdacht des Unrechts befreit. Ihr sollt vorbereitet sein, das Geld extra dazu legen, damit gar kein böser Schein auf euch fällt. Das war wichtig: Lebt so, dass er gar keinen bösen Verdacht bekommt.
Und dann sagt er noch das Allerschönste: „Da steckt mir das Herz.“ El Shaddai ist barmherzig. Ich habe immer gesagt, das ist im ersten Buch Mose im Grunde der Schlüssel, aber auch später bei Mose: El Shaddai, der allmächtige Gott. Das heißt nicht einfach der allmächtige Gott, wie wir es verstehen, sondern der Gott der Genügsamkeit. Im Neuen Testament ist es genau das: Der Gott, dessen Kraft in den Schwachen mächtig ist, der sei mit euch.
Dieses Wort El Shaddai hat man nie richtig übersetzen können. Ich habe mal eine Adventspredigt darüber gehalten, glaube ich, über die Verheißung in 1. Mose 49, als der sterbende Jakob seine Kinder segnet und auf den Gott schaut, der die Geringen segnet. Beim Abraham war es ganz toll, wie er an diese Stelle kam – ich kann immer an den Herrn denken.
Dann hatten wir es, falls Sie es noch wissen: Es war so schön in Batu bei einem großen Bibelseminar. Dort haben sie mich immer morgens und nachts gebeten, zu sprechen. Es ist immer ein kurzer Moment, was man in der Morgenandacht macht. Ich habe dann einfach die Geschichte von Mose erzählt, wie er den El Shaddai fand, in 2. Mose 6. Das hatten wir hier in der Bibelstunde. Daraufhin haben sie mich gleich für eine ganze Woche zu ihrer Festkonferenz eingeladen. Ich habe natürlich abgesagt, weil ich bei Ihnen bleiben wollte. Aber es war so schön, dass es bei den Studenten verstanden wurde – viele hundert indonesische Studenten.
Sie sagten: Mose war gerufen. Zuerst hat ihn Gott am Sinai gerufen. Er hat die Schuhe ausgezogen und gesagt: Herr, ich kann nicht. Schließlich hat Gott ihn stark gemacht. Dann ist er zum Pharao gegangen, hat seinen ganzen Mut zusammengenommen – und dann war er riesig ängstlich. Seine eigenen Brüder kamen und sagten: Mach es nicht mehr, es wird nur schlimmer, was du tust. In diesem Augenblick sagte Mose: Herr, ich habe es doch gewusst. Da begegnet ihm El Shaddai und sagt: Ich bin da.
Verstehen Sie, wenn Sie keinen Mut mehr haben, wenn selbst der ganze Glaubensmut des Mose, der mühsam aufgebaut wurde, fast erlischt? Zuerst hat er gesagt, ihr habt doch einen Sprachfehler, dann, ihr habt keinen Mut, und dann, Aaron geht doch mit euch. Und dann gibt es noch eine Pleite. Das zeigt: Der Weg des Glaubenden ist ein schwieriger Weg. Aber am Ende stehen sie nur noch vor dem Wunder und sagen: Nur Gott allein war es, niemand sonst.
Wir hatten ja unsere tolle Fahrt zu verschiedenen Stätten des Reiches Gottes, eindrucksvoll mit herrlichem Wetter. Wo gibt es so etwas schon? Ich denke jetzt immer daran, wie wir am 17. Juni bei einer Jugendmissionskonferenz in Ludwigsburg damals so gefroren haben, dass man heute Handschuhe anziehen möchte. Freuen wir uns an den Sommertagen, die wir erlebt haben. Der 17. Juni wäre gestern gewesen – so ein extrem herrlicher Juni.
Auf unserer Fahrt ist uns auch etwas sehr Schönes aufgefallen, was uns beeindruckt hat: Wenn man die Reformationsgeschichte überschaut, war es doch wirklich so, dass alles verloren schien. So wie man heute sagt: Das Reich Gottes ist vorbei, die Kirche ist nichts mehr wert, das Evangelium ist verraten, das Volk ist gottlos. Und dann kam der Herr, El Shaddai, der Gott der Genügsamkeit, der überwältigend in menschlichem Versagen wirkt.
Und das ist in Ihrem Leben genauso. Es ist ein solches Entdecken, wenn man ganz am Ende ist und nicht mehr weiterweiß, dann erlebt man Gottes Hilfe. Es ist eigentlich überraschend, dass bei den meisten Gottesbegegnungen dasselbe Muster zu erkennen ist.
Jakob sagt das schon aus der Erfahrung seines Vaters Abraham: Der allmächtige Gott, der alle Macht hat in meiner menschlichen Schwachheit, der sei mit euch. Der gebe euch Barmherzigkeit vor dem Mann! Und es ist doch gewaltig, so sind sie hinuntergezogen. Aber Sie müssen es auch selbst erleben. Man predigt das vielleicht mal anderen, aber bis man es selbst entdeckt und sagt: Es ist wirklich so, so kommen Sie dorthin.
Es ist toll, dass Jakob in diesem Augenblick so weit ist, dass er seinen Benjamin hergibt. Hätte er es übers Herz gebracht? Nachdem seine Rachel gestorben war, war Benjamin die letzte Verbindung zu ihr. Man sieht, er hatte ja noch viele andere Frauen, was uns manchmal anstößig erscheint. Aber die Liebe zu Rachel war eben nicht zu ersetzen.
Er gibt diesen Benjamin, den heiß Geliebten, frei und lässt ihn ziehen. Er bleibt zurück, als einer, der es selbst nicht fassen kann, dass Gott ihn beschämt und dass Gott kein Opfer von ihm verlangt.
Wissen Sie, dass Gott von Ihnen nie ein Opfer verlangt? Wir hatten heute die Familie Honegger kurz in unserer Sitzung. Sie sind jetzt neun Jahre im Dienst, er war neun Jahre im Einsatz in Afrika. Er war schon krebskrank, als er dorthin ging, und hat jetzt seinen 75. Geburtstag gefeiert. Vor unserem Komitee sagte er: „Ich muss heute sagen, mir geht es gesundheitlich besser als vor neun Jahren. Ich fühle mich heute kräftiger als damals.“ So hat uns der Herr im Dienst beschenkt.
Und ich glaube es wirklich: Es waren Opfer, die Enkelkinder so lange nicht zu sehen, oft über zwei Jahre nicht. Ich kann mir vorstellen, was das für Opfer sind. Aber noch einmal: Der Herr will von Ihnen nie ein Opfer. Der Herr wird Sie immer beschenken.
Sie werden merken, wo Sie dem Herrn etwas geben, macht Gott Sie nicht arm, sondern reich. Er will Ihren Glauben und wird Sie mit Gutem überschütten, wenn Sie ihm vertrauen. Das gilt auch im Dienst, wenn Sie ein Opfer bringen und sagen: Ich kümmere mich um jemanden. Sie werden durch alle Formen des Dienstes gesegnet.
Es ist doch keine Last, den Herrn zu verkündigen oder sich um andere zu kümmern. Das ist immer ein Gewinn. Von jedem Krankenbesuch geht man beglückt nach Hause, wenn es für den Herrn getan ist. Und jede Gastfreundschaft, die Sie üben, wird Sie beschenken. Das war so schön.
Vorher denken wir immer an uns und zweifeln im Unglauben, dass es ein Opfer sei. Es ist nie ein Opfer.
Gottes Führung in Angst und Prüfung
Und dann gehen sie dorthin, kommen in dieses Haus, und dort wird das Essen vorbereitet. Sie werden hineingeführt. Sehen Sie, so kann Gott auch führen.
Wir erleben verschiedene Arten der Führung. Er kann uns sogar in die Angst führen. Gott hat eine besondere Art, uns zu therapieren. Ich merke das in meinem Dienst, besonders am Sonntag. Da wurde ich durch jemanden darauf aufmerksam gemacht, wie sehr ich versagt habe, weil ich einen Kranken nicht besucht hatte. Am Sonntag war ich fast schwermütig.
Das ist so wunderbar: Gott weiß genau, wann er uns dämpfen muss und wann er uns zeigt: „Schau mal, du machst alles falsch und vergisst das Naheliegendste.“ So wird es Ihnen auch im Leben gehen, weil wir es nötig haben. Wir brauchen immer wieder diese Art von Gottes Führung. Wir können nicht immer nur vom Triumph leben.
Doch dann hat Gott eine Möglichkeit, uns zu erhöhen – manchmal an Orten, wo wir es gar nicht verdient haben. Es ist gut, wenn wir in solchen Momenten nicht stolz werden, sondern erkennen, dass alles Gnade ist. So wie die Menschen, die plötzlich hineingeführt werden. Sie erschrecken, denken, es sei eine Verwechslung, und fragen sich, was los ist.
Vielleicht meinen sie, jetzt kommt gleich jemand und verlangt das Geld zurück. Sie wollen dem Verwalter sagen: „Entschuldigung, wir haben das Geld sofort.“ Doch der Verwalter will davon gar nichts wissen. Er sagt zu ihnen: „Seid guten Mutes, fürchtet euch nicht! Euer Gott und euer Vater hat euch einen Schatz gegeben – eure Säcke.“
Er spricht nicht von den Göttern Ägyptens, nicht vom Sonnengott oder anderen Göttern, die dort verehrt werden, sondern von eurem Gott. So werden sie darauf aufmerksam gemacht, dass es in ihrem Leben eine Segensspur gibt.
Und so wird es auch in Ihrem Leben sein. Sie dürfen ganz fröhlich wissen: Durch Jesus sind wir gesegnet, und keine dunkle Macht hat mehr Macht über uns. Wissen Sie das? Wenn Sie sich Jesus ausliefern, wird Ihr Leben gesegnet sein – auch wenn er Sie durch manche Bedrängnisse und Nöte führt.
Dann werden Sie plötzlich merken, dass er uns wunderbare Zeiten schenkt. Oft blicken wir sorgenvoll in die Zukunft, doch später können wir nur staunen, wie er alles gemacht hat.
Die Begegnung beim Essen und die Bedeutung der Sitzordnung
Nun kommt Josef, und sie waschen ihre Füße. Es entsteht eine Begegnung, bei der man wunderbar die menschliche Regung sieht, wie Josef von seinen Gefühlen überwältigt wird, als er Benjamin sieht. Das zeigt, was Bruderliebe wirklich bedeutet. Josef spricht ihm zu: „Gott sei dir gnädig, mein Sohn.“ Danach kehrt er zurück in den Raum.
Beim Essen ist es besonders wichtig zu beachten, dass die Ägypter normalerweise nicht mit den Beduinen zusammen essen. Doch Josef lässt von seiner Speise den Brüdern geben. Sie können ja nichts dagegen tun. Die Brüder wundern sich darüber, denn die Ägypter essen doch sonst nicht mit ihnen. Dennoch essen sie nun das Gleiche, sitzen aber separat.
Josef setzt die Familienmitglieder so, dass es nur eine Vorbereitung auf die nächste Prüfung ist. Deshalb möchte ich hier nicht lange verweilen.
Im Kapitel 4, das wir am nächsten Dienstag behandeln, geht es weiter mit der Ängstigung der Brüder. Sie werden auf eine ganz furchtbare Weise noch einmal in die Mangel genommen, um zu prüfen, ob sie wirklich für ihren Bruder einstehen. Das will Gott wissen.
Sie können nur froh sein, wenn Gott von Ihnen keine harten Prüfungen verlangt. Aber manchmal ist es so, dass Gott wirklich wissen will, ob wir ihm die Ehre geben. Ich vertraue den Worten des Königs, wie wir sie gesungen haben. Vertrauen Sie wirklich ihm?
Ich habe mir noch einen Satz unten hingeschrieben, über den wir zehn Minuten reden könnten, aber ich will es nicht tun: Erst durch die Sünde unseres Lebens lernen wir Gott kennen. Sehen Sie, da waren wieder die Brüder das Problem.
Über viele, viele Missstände kann man erst ganz langsam lernen. Es ist so wichtig, dass man immer in allem fragt: Herr, was willst du mit mir? Sonst kann man sich in der Welt erregen, so wie David sich später aufregte. Das ist ja unerhört, wenn es so einen Mann gibt, der dem armen Mann das Schaf aus dem Schoß reißt.
Und Nathanael, du warst doch der Kerl gewesen. Es ist also immer gut, wenn Sie Ihr Leben einfach an sich selbst prüfen. Herr, was sagt das für mich?
Die Bedeutung von persönlicher Reflexion und Seelsorge
Wir hatten ja ein volles Programm auf unserer Reise. Deshalb war auch die Überlegung, ob wir in Weimar, wo wir an dem Tag verschiedene Programme hatten, wirklich noch nach Buchenwald hochfahren sollten.
Aber ich finde immer wieder, dass das wichtig ist. Für mich ist das nie eine Anklage gegen irgendjemanden, sondern eher: Herr, das ist doch mein Menschenherz. Aus einem solchen Menschenherz komme auch ich. Können Sie sich so leichter trennen?
Wo ist das Geschehen, wenn man so etwas sieht oder in der Zeitung davon hört? Wenn man liest, beispielsweise über Kriminalfälle, dann ist das doch mein Menschenleben. Was wird einmal bei mir am Jüngsten Tag ausgepackt, wenn ich es nicht vor dem Herrn bereinigt habe?
Es ist so schön, dass die Geschichte von Josef uns zeigt, wie Gott Menschen seelsorgerlich nachgeht und ihr Leben heilen will. Wenn wir die Bibel anschauen, ist das, was Josef tut, letztlich nur ein prophetischer Hinweis auf das, was uns angesichts Jesu begegnet.
Das kann uns manchmal sehr tief demütigen. Jesus kann auch zerschlagen, Jesus kann uns ängstigen, er kann uns erschrecken. Aber er kann uns auch herrlichen Frieden geben. Wir haben es nötig, dass er uns zurechtweist.
Wir müssen immer wieder merken, dass es eine Seelsorge ist, die wir brauchen, und eine Heilung unseres Wesens. Es ist wunderschön, wenn Menschen sich ändern können – bis ins hohe Alter hinein. Sie können sagen: Ich darf mich immer weiter verändern lassen von diesem Herrn.
Das spürt man auch, wenn Menschen diese Offenheit haben und sagen: Ich möchte noch lernen. Ich bin noch nicht am Ende, ich habe es noch nicht ergriffen, aber ich bin unterwegs und möchte immer mehr entdecken von dem Herrn, der in meinem Leben die Spur führt.
Es gibt gar keinen Zweifel, dass er sie führt. Er führt ganz konkret jeden Einzelnen. Es ist ein segensreiches Leben, in dem er sie erhöhen will. Er will viel aus ihrem Leben machen. Er will sie zubereiten als Teilhaber der Ewigkeit, als einen, der berufen ist, mit ihm in der Ewigkeit zu herrschen.
Da hat er viel, viel vor. Das ist eigentlich wichtig: Heute verkürzen wir unsere Verkündigung oft auf Evangelisation – glaubst du, dass es Gott gibt? Das ist ja erst der Anfang.
Es geht noch weiter: Dass ich mich jetzt auch zubereiten lasse und ein brauchbares Werkzeug meines Herrn werde. Ich will in meinem Leben, in meinem ganzen Denken und Fühlen immer mehr zum Ebenbild Gottes werden, von ihm verändert, erneuert und bereichert.
