Einführung in die gesellschaftlichen Veränderungen und ihre Bedeutung für die Bibelschule
Ja, es ist eine schöne Sache, hier Menschen unterrichten zu können, die besonders wissbegierig sind und zum größten Teil bereits drei Jahre Bibelschule hinter sich haben. Vorausblickend auf ein Thema, das morgen behandelt wird, möchte ich sagen: Das ist zukunftsweisende Bibelschule.
Die Gesellschaft wird älter, und wahrscheinlich werden wir irgendwann auch mit einer Seniorenbibelschule beginnen müssen. Oder man könnte es Bibelschule Brake 2.0 nennen – so wie bei Computersystemen, bei denen es zunächst Version 1.0 gab und jetzt Version 2.0 folgt. Das wären dann diejenigen, die schon drei Jahre Bibelschule oder 50, 60 Jahre Lebenserfahrung hinter sich haben – je nachdem, ob man die Zeit an der Bibelschule oder die Lebenszeit misst.
Heute und morgen werden wir uns mit einigen Entwicklungen auseinandersetzen bzw. ich werde sie euch vorstellen. Wir werden manchmal darüber sprechen und gemeinsam darüber nachdenken. Es geht um Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die das Denken, Fühlen und Empfinden der Menschen verändern, mit denen wir leben.
Manche empfinden diese Veränderungen als beängstigend, wenn sie sich umsehen und feststellen, dass die Menschen ganz anders denken und leben als früher. Wie viele Jahre das zurückliegt, könnt ihr selbst einsetzen – je nachdem, wie lange ihr schon lebt. Diese Veränderungen sind jedoch da.
Soziologen weisen darauf hin, dass diese Veränderungen in mancher Hinsicht tiefgreifender sind als in der Vergangenheit und sich zudem schneller vollziehen als früher. Ich werde einige dieser gesellschaftlichen Tendenzen herausgreifen, die auch schon in der Einladung angekündigt wurden. Dabei möchte ich aber nicht unbedingt dabei stehenbleiben. Wenn ein anderes Thema oder eine andere Beobachtung wichtig wird, greife ich diese gerne auf, und wir versuchen, sie mit einzubeziehen.
Zum Teil habe ich Punkte aufgegriffen, die in der öffentlichen Diskussion eher eine Randbedeutung zu spielen scheinen. Das bedeutet, dass diese Themen nicht oft erwähnt werden. Ihr seht sie nicht jeden Abend im Fernsehen, falls ihr Fernsehen habt, und lest sie nicht täglich in der Zeitung, falls ihr eine habt. Es sind Themen, die das Selbstbewusstsein der Menschen grundlegend verändern und dies in naher Zukunft noch viel stärker tun werden, ohne dass sie groß in der Öffentlichkeit diskutiert werden.
Deshalb sind diese Themen für uns umso wichtiger. Mir geht es hier nicht darum, euch auf einen bestimmten Kurs zu bringen oder zu informieren, welche Mode gerade angesagt ist oder welche Farbe im nächsten Jahr für das Halstuch in ist. Das könnte man zwar machen, aber darin sehe ich nicht meine Aufgabe.
Ich habe einige Bücher über Trendforschung, die sich damit beschäftigen, was sich in der Gesellschaft verändert. Dort geht es zum Beispiel um Trends bei Kleidung – etwa intelligente Kleidung. Diese Dinge werde ich hier nicht erwähnen, weil sie für unsere Selbstwahrnehmung, unser Empfinden und unsere geistige Identität nicht so wichtig sind.
Es gibt andere Dinge, auf die ich mich konzentrieren möchte. Nicht, damit ihr euch anpasst und merkt, dass ihr morgen noch aktuell oder im Trend seid, sondern vielmehr, damit ihr euch selbst – oder besser gesagt: wir uns selbst – besser begreift. Denn wir stehen nicht nur als Beobachter außerhalb dieses Trends, sondern sind mitten darin. Auch unser Denken und unsere Wahrnehmung verändern sich dadurch.
Wir müssen uns immer wieder fragen: Sind wir geeicht an dem, was in der Bibel steht, oder nicht? Plakativ wird das immer wieder geäußert. Wenn ihr heute in verschiedene Gemeindeformen hineingeht, findet ihr manche, die etwas als biblisch verkaufen, das meiner Meinung nach nicht einmal den Geruch von biblisch hat, geschweige denn etwas mit der Bibel zu tun.
Um das selbst zu bemerken – also nicht für andere, sondern für uns selbst – ist es wichtig, etwas von dem zu sehen, was in unserer Zeit läuft. Wir werden beeinflusst, oft unterschwellig. Die meisten Weltbilder entstehen nicht dadurch, dass wir in der Schule haarklein erklärt bekommen, wie die Welt funktioniert, sondern durch unsere Umgebung: was wir hören, sehen und wahrnehmen.
Das prägt unser Inneres, unsere Wertigkeit von Dingen, wonach wir streben und wie wir uns selbst einordnen. Ich möchte euch auf einige Aspekte aufmerksam machen, bei denen ihr hoffentlich während dieses Kurses immer wieder sagen könnt: Ja, genau so ist es, das stimmt. Das habe ich da und dort beobachtet.
Wenn das nicht der Fall sein sollte, kann es daran liegen, dass du dir selbst etwas vormachst oder dass du im Kloster lebst und die Welt draußen seit zwanzig Jahren nicht mehr wahrgenommen hast. Aber dann ist es auch nicht schlecht, mal zu hören, wie die Welt um dich herum weiterläuft.
Erstens dient das der Selbstbestimmung für dich und mich. Zweitens können wir dann feststellen, ob das, was wir sehen, im Einklang mit der Bibel steht oder nicht.
Herausforderungen und Chancen für Gemeinden und Christen im gesellschaftlichen Wandel
Erster Punkt: Zweiter Punkt ist für die Gemeinden, in denen wir alle aktiv sind. Ich gehe davon aus, dass viele von euch irgendwo in Gemeinden engagiert sind. Wenn es nicht im vollzeitigen Dienst ist, dann zumindest in verantwortlicher Position oder in verschiedenen Arbeitsbereichen. Dort habt ihr mit Menschen zu tun. Und spätestens diese Menschen sind von den Veränderungen in der Gesellschaft betroffen.
Es ist wichtig, diese Menschen richtig zu verstehen, um ihnen die Angebote machen zu können, die sie wirklich brauchen – nicht unbedingt die, nach denen sie rufen, sondern die, die sie benötigen. Dafür ist es notwendig zu wissen, wie diese Menschen „gestrickt“ sind und was ihnen wichtig ist.
Ein dritter Punkt ist: Wir wollen als Christen hoffentlich nicht nur unser Gemeindeleben pflegen, sondern auch die Welt da draußen mit dem Evangelium von Jesus Christus erreichen. Dieses Evangelium trifft immer in eine bestimmte Lebenssituation hinein. Damit wir diese Lebenssituation erkennen und wissen, wie wir darauf eingehen können, möchte ich mit euch einige dieser Entwicklungen anschauen und daraus mögliche Konsequenzen ziehen.
Das bedeutet, ich stelle immer etwas vor und möchte dann mit euch gemeinsam darüber nachdenken. Ich frage euch auch: Was denkt ihr, was sollen wir tun? Dabei geht es nicht darum, den Kopf einzuziehen und zu sagen: „Ja, die Welt ist böse, sie wird immer böser.“ Das wissen wir, das wussten auch unsere Vorfahren vor 500 Jahren schon, und das werden unsere Nachkommen auch wissen. Die Welt wird immer böser, und es sollte uns nicht wundern, wenn im Moment keine riesige Erweckungswelle absehbar ist.
Aber wir sollen deshalb nicht wie paralysierte Kaninchen auf die Schlange starren und denken, dass alles böse ist und wir nur warten sollen, möglichst bald zu sterben und entrückt zu werden. Nein, solange du hier auf der Erde bist, hat Gott noch einen Auftrag für dich. Du sollst dich einsetzen – und zwar nicht nur zum Jammern, sondern in deinem Bereich, um Menschen mit Jesus zu konfrontieren und sie weiterzuführen.
Wir werden wahrscheinlich nicht die Trendsetter sein. Ich vermute und hoffe, niemand von euch wird Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin, Ministerpräsident eines Bundeslandes oder Ähnliches. Aber das müssen wir auch gar nicht sein. Veränderung in der Gesellschaft geschieht vor Ort – an deinem Arbeitsplatz, an deinem Wohnort, in deiner Verwandtschaft. Dort entsteht gesellschaftlicher Wandel.
Uns wird häufig eingeredet, wir seien vollkommen machtlos. Aber das stimmt nicht, zumal wir Gott kennen, den wir immer noch um Hilfe bitten können. Andererseits müssen wir auch bereit sein, uns selbst in Frage stellen zu lassen. Denn je älter wir werden, desto größer ist die Gefahr, dass wir nur das mystifizieren, was früher war, und nicht offen sind dafür, dass auch früher Menschen erhebliche Fehler gemacht haben.
Manche Dinge waren vor dreißig Jahren schlechter als heute. Je älter Menschen werden, desto schwerer fällt es ihnen, das zu akzeptieren. Das zeigt sich am typischsten im Streit über Neues in der Gemeinde, etwa bei der Liedauswahl.
Hier kann ich euch sagen: Es war schon immer so in der Gemeinde, dass man um Lieder gestritten hat, und das wird wahrscheinlich immer so bleiben. Das ist oft der Punkt, an dem sich der Generationenkonflikt festmacht. Diejenigen von euch, die gerade erst aus der Bibelschule kommen: Ich kann euch das Versprechen geben, dass ihr spätestens in zwanzig Jahren zu den Älteren gehört, die sagen, „Warum immer diese neuen Lieder und warum jetzt dieses Instrument?“ Dann wird es vielleicht nicht das Schlagzeug sein, sondern ein Tamburin aus Papua-Neuguinea oder eine Riesentrommel aus Japan. Das wird sich immer wieder ändern.
Immer wieder kommt die Idee auf, dass die Lieder, die man selbst kennengelernt und großgezogen hat, die „wahren“ sind. Aber das gab es schon, solange es Kirchengeschichte gibt. Deshalb würde es mich reizen, stattdessen einen Kurs in Kirchengeschichte zu machen. Denn je mehr wir Kirchengeschichte kennen, desto besser verstehen wir die Zukunft und Gegenwart der Gemeinde.
Schüler, die ich hatte, wissen vielleicht, dass es im 11. und 12. Jahrhundert eine große Auseinandersetzung in der christlichen Gemeinde um die Einführung der Orgel im Gottesdienst gab. Fromme Mönche schrieben Traktate, in denen sie die Orgel als „Posaune des Teufels“ bezeichneten und dagegen wetterten. Sie meinten, wenn sich die Orgel durchsetzt, würde das Gemeindeleben abstürzen.
Die Orgel wurde eingeführt, ist in vielen Gemeinden zwischenzeitlich fast wieder verschwunden, und die Gemeinde existiert zum Glück immer noch. Deshalb könnt ihr davon ausgehen: Auch wenn in eurer Gemeinde um Schlagzeuge gestritten wird, wird das Schlagzeug eingeführt und irgendwann wieder vergessen. Die Gemeinde wird weiterleben.
Ich hoffe, das klingt nicht zu pragmatisch und schockiert euch nicht. Das geistliche Leben in der Gemeinde hängt nicht an solchen Fragen. Es ist viel mehr geprägt von unserer Erfahrung, von den Generationen, in denen wir groß geworden sind.
Wir müssen lernen zu unterscheiden, was wirklich biblisch ist und was durch Generationen verändert wurde – gut oder schlecht. Man muss nicht jeden neuen Trend mitmachen. Ich selbst höre lieber Filmmusik ohne Schlagzeug, weil ich Fan von Barockmusik bin, etwa von Telemann und Bach, die weniger Schlagzeug verwenden. Ich versuche meine Kinder davon zu überzeugen, aber sie sagen, „So alte Musik hört doch keiner.“ Ich antworte, es gibt durchaus Leute, die das hören, ich bin nicht der Einzige.
Aber ich werde in meiner Gemeinde nicht dafür kämpfen, dass wir Cembalo einführen. Das habe ich bisher nicht getan und werde es vermutlich auch nicht tun. Hier müssen wir sehen, was eigene Prägung und Geschmack ist und was wirklich biblische Wahrheit.
Vieles, was in christlichen Gemeinden bestritten wird, betrifft nicht die biblische Wahrheit. Oft suchen Menschen nur nach Bibelstellen, die ihren eigenen Geschmack verkleistern, um so zu tun, als ob es sich um einen biblischen großen Kampf handelt. In Wirklichkeit geht es darum gar nicht.
Als Christen sind wir nicht nur Christen, sondern vor allem Menschen. Und als Menschen haben wir bestimmte Geschmäcker. Das eine mag ich, das andere nicht. Das ist geprägt durch unsere Erfahrungen. Ich selbst singe zum Beispiel lieber Lieder, die ich seit meiner Jugend kenne. Wenn es ein neues Lied mit gewöhnungsbedürftiger Melodie und Text gibt, denke ich manchmal: „Was soll das?“ Das ist normal und weder gut noch schlecht. Das erlebt jeder Mensch.
Aber wir müssen bereit sein, das auch ein Stück weit zu überwinden.
Das waren einige Worte zur Zielsetzung. Ich hoffe, ich habe euch nicht verschreckt, sodass ihr denkt: „Was kommt da jetzt alles Böses? Was will uns Michael sagen, wo wir falsch liegen?“ Denkt daran: Es geht mir nur um das Reich Gottes. Wir sollen nicht an Dingen kämpfen, die es nicht wert sind. Wir sollen keine Kräfte an Stellen verbrauchen, wo es total überflüssig ist und die dann nicht mehr da sind, wo wir wirklich eine Auseinandersetzung suchen sollten.
Einführung in das Thema Gender Mainstreaming
Und das werden wir jetzt an einem ersten Beispiel durchgehen, nämlich an dem Beispiel Gender Mainstreaming, das ja auch im Programm als erstes genannt wurde.
Zur Einleitung muss ich sagen: Einige von euch, besonders diejenigen, die die Bischolzzeit schon etwas hinter sich haben, wissen wahrscheinlich, dass die große Auseinandersetzung um die Frage der Geschlechtlichkeit in den 1960er und 1970er Jahren stattfand. Damals ging es um Emanzipation, später um Feminismus. Manche haben den Eindruck, das sei heute immer noch so. Das müsst ihr euch abschminken.
Der Feminismus – also generell – muss ich dazu sagen: Die Frage, wie Geschlechter zusammenleben, fasziniert jede Generation. Jede Generation hat neue Ideen und neue Konzepte. Viele davon sind in der kirchlichen Geschichte auch wieder gescheitert oder haben sich nicht durchgesetzt.
Ich greife jetzt einfach auf die Erfahrung zurück, die hier wahrscheinlich versammelt ist. Diejenigen, die sich an die 1960er und 1970er Jahre erinnern, wissen, dass es damals um Emanzipation und Frauenrechte ging. Es gab Diskussionen darüber, dass man Familien auch ohne Heirat gründen kann, und große Auseinandersetzungen. Diese großen Diskussionen gibt es heute eigentlich nirgends mehr. Ich sage bewusst „eigentlich nirgends mehr“, weil ich zwar noch einige Gemeinden besuche, in denen das tatsächlich noch diskutiert wird, aber das sind die allerwenigsten.
Ihr habt vielleicht mitbekommen, dass jetzt als letzter großer freikirchlicher Bund die FIGs vor ein paar Wochen einen Beschluss gefasst haben: Frauenordination ist jetzt auch dort legal. Die wenigen, die sich noch kritisch geäußert haben, hofft die Leitung, dass sie in ein paar Jahren entweder aus der Gemeinde austreten oder ins Rentenalter kommen. Dann wird es keine Diskussion mehr geben.
Diese Diskussion hat bei den FIGs etwa fünf bis zehn Jahre gedauert und sich durchgesetzt. Ich glaube nicht, dass dabei gleich das Reich Gottes untergeht. Aber man sieht, dieser Prozess ist selbst bei den Frommen lange abgeschlossen.
Manchmal, wenn ich irgendwo in eine Gemeinde komme – das war im Sommer einige Male, gerade bei FEG – die noch im Entscheidungsprozess war, dann hatten sie mich eingeladen, darüber zu reden: Was sagt denn die Bibel über die Rolle der Frau? Manchmal kam ich mir dabei wie ein Dinosaurier vor. Fast am Anfang musste ich mich entschuldigen, weil ich die Meinung vertrete – oder besser gesagt, ich vertrete ja gar nicht einfach eine Meinung, sondern habe den Eindruck, dass die Bibel sagt, dass das Ältestenamt nicht für Frauen vorgesehen ist.
Das meine ich nach wie vor. Aber je mehr Gemeinden ich besuche, desto mehr habe ich den Eindruck, ich muss mich dafür entschuldigen. Entschuldigung, dass ich das noch so sehe. Ich weiß, das ist total altmodisch.
Ich merke in diesen Diskussionen, bei Leuten, die eine andere Position vertreten, dass häufig gar kein biblischer Hintergrund vorhanden ist. Manche sagen mir das auch ganz offen: Wenn ich mit Bibelstellen komme, sagen sie, diese Bibelstellen spielten keine Rolle mehr.
Warum nicht? Die Ehrlichen sagen: Das war damals in der Kultur des Paulus so. Das ist das Hauptargument.
Exegetisch streitet ja niemand ernsthaft darüber, dass Paulus wirklich so unterdrückerisch war, dass er den Frauen das Amt verboten hat. Da sind eigentlich alle Exegeten einig. Ich kenne keinen einzigen, der das bestreitet.
Aber das, was die Leute dann sagen, lautet: Das war nur in der kulturell spezifischen Situation des Paulus so. Heute spiele das keine Rolle mehr.
Das finde ich exegetisch sehr abenteuerlich. Denn kulturell abhängig ist in der Bibel alles. Nennt mir eine einzige Aussage, die nicht in eine Kultur hineingesprochen ist! Sie sind alle in eine Kultur eingebettet. Damals lebte doch niemand in einem luftleeren Raum.
Manchmal versuche ich, die Leute herauszufordern, indem ich frage: Wie sieht das zum Beispiel mit dem Abendmahl aus? Habt ihr schon mal das Passamahl gefeiert? Nein. Gibt es heute viele Juden, die das Passamahl feiern? Nein.
Das Abendmahl ist also kulturabhängig. Es wurde damals den Judenchristen gegeben, die regelmäßig das Passamahl feierten. Also sollten wir das Abendmahl abschaffen? Es ist kulturabhängig.
Und das Abendmahl ist kulturabhängig, ganz klar. Denn was war das erste Abendmahl? Das war ein Passamahl, das Jesus neu interpretiert hat. Das könnt ihr in der Bibel nachlesen.
Aber hier würde ja niemand auf die Idee kommen, das abzuschaffen. Da frage ich mich: Warum ist das an der anderen Stelle, wo es um das Ältestenamt geht, anders? Dort heißt es, es sei in eine Kultur hineingesprochen und deshalb heute nicht mehr gültig. Aber beim Abendmahl, das ebenfalls in eine Kultur hineingesprochen ist, sagt niemand, dass es heute keine Bedeutung mehr habe.
Was dahintersteckt, ist oft einfach, dass einem das eine passt und das andere nicht.
Häufig wird das kulturelle Argument nur dann ausgespielt, wenn eine Bibelstelle einem nicht passt. Dann heißt es: „Das war nur Kultur.“
Dabei soll uns die Kultur helfen, besser zu verstehen, wie die Leute damals gedacht haben. Aber die Aussage selbst dadurch zu relativieren, ist ein falscher Weg. Das ist ein völlig falscher Umgang mit der Bibel.
Entwicklung und Bedeutung von Gender Mainstreaming
Die Geschlechtsdefinition und der Umgang mit Geschlechtern haben in allen Generationen eine wichtige Rolle gespielt. In jeder Gesellschaft gab es maßgebliche Trends, an denen sich die Auseinandersetzungen kristallisierten – also an den Stellen, an denen es Reibungen gab.
Ein Beispiel dafür ist die Emanzipation, später der Feminismus. Heute ist der Feminismus, so könnte man sagen, weitgehend tot. Manche mögen das noch nicht glauben, aber ein Blick auf die Anzahl der feministischen Zeitschriften zeigt es deutlich. In den 1970er und 1980er Jahren gab es allein in Deutschland etwa zehn verschiedene feministische Zeitschriften mit regelmäßigen Abnehmern. Soweit bekannt ist, ist davon heute nur noch eine einzige übrig geblieben.
Nennt man heute berühmte Feministinnen, fällt meist nur ein Name ein. Diese eine verbliebene Feministin hat sich jedoch selbst schon lange überlebt. Ihr neuestes Buch, das gerade diesen Monat erschienen ist, behandelt das Thema Islam. Das heißt, sie kämpft nicht mehr für Feminismus, weil sie merkt, dass es kaum noch Leserinnen dafür gibt. Natürlich schreibt sie in dem Buch über den Islam, weil dieser die Frau unterdrückt. Das Thema Feminismus taucht also indirekt wieder auf. Doch sie erkennt, dass der Islam aktuell populärer ist, und widmet sich deshalb diesem Thema.
Diese einstige Ikone des Feminismus hat sich selbst überlebt. Man wird heute kaum eine Frau treffen, außer vielleicht eine etwa 50-Jährige, die mit Alice Schwarzer groß geworden ist und sich als Feministin bezeichnet. Junge Menschen sehen sich kaum noch als Feministinnen. Der Feminismus hat sich überholt, weil viele seiner Forderungen längst umgesetzt wurden.
Heute sind Frauen in fast allen gesellschaftlichen Bereichen etwa gleich präsent wie Männer. Das ist schon lange Realität. In Umfragen wird oft erwähnt, dass in Führungspositionen noch weniger Frauen vertreten sind. Das liegt jedoch nicht am Feminismus, sondern daran, dass Führungskräfte meist älter sind. Bis sich die feministische Veränderung der Gesellschaft vollständig durchsetzt, dauert es noch einige Jahre.
Die Frauen, die heute im mittleren Management sind, werden in zehn bis zwanzig Jahren auch Führungspositionen einnehmen. Das ist nur eine Frage der Zeit. Man kann nicht einfach heute eine Frau zur Generaldirektorin ernennen, ohne dass sie die Karriereleiter durchlaufen hat. Die Veränderung ist also absehbar, und es muss nicht mehr hart dafür gekämpft werden.
Was heute die Auffassung von Geschlechterrollen, Familie und Sexualität prägt, ist Gender Mainstreaming. Viele haben diesen Begriff vielleicht schon gehört. Er ist in den letzten Jahren häufiger aufgetaucht. Ich habe dazu auch eine Dokumentation herausgegeben mit dem Titel „Abschied von den Geschlechtern“. Es handelt sich dabei um eine Ideendokumentation zum Thema Gender Mainstreaming.
Soweit mir bekannt ist, gibt es im christlichen Bereich nur drei Bücher zu diesem Thema. Eines ist von Dominique Klenk von der Offensive Junger Christen, erschienen im letzten Jahr. Ein weiteres stammt von Gabriele Kubi, die jedoch sehr katholisch geprägt ist und daher nicht für jeden leicht zugänglich. Das dritte Buch ist dieses hier, das ebenfalls im christlichen Bereich in Deutschland erschienen ist.
Gender Mainstreaming ist keine ganz neue Entwicklung. Es hat begonnen, die bundesdeutsche Realität vor etwa zehn Jahren zu prägen. Heute können wir bereits einige Auswirkungen beobachten. Gender Mainstreaming entstand aus den Resten des Feminismus und der Schwulenbewegung.
Die Schwulenbewegung befand sich vor zwei bis drei Jahren in einer tiefen Krise. Das wurde mir von zahlreichen Personen berichtet, die in diesem Bereich tätig sind. Der Grund: Sie hatten fast alle ihre Ziele erreicht. Ehegleichstellung, Abschaffung von Diskriminierung in Städten und Betrieben – vieles ist bereits gesetzlich verankert. Ihnen gingen die Gegner aus, was zu einer Schwäche führte.
Seit etwa zwei Jahren ist die Schwulenbewegung jedoch wieder lebendiger geworden, weil ein neuer Gegner erkannt wurde: die Christen. Wenn man sich auf schwulen Internetseiten umsieht – wobei ich nicht dazu verführen möchte, dort zu surfen, da Google alles notiert und man dann entsprechende Werbung erhält – wird deutlich, dass die Hauptgegner heute die Homophoben sind, also jene, die Angst vor Homosexualität haben. Das sind vor allem Evangelikale.
Ohne es zu wollen, haben die Evangelikalen damit zum Wiedererstarken der Schwulenlobby beigetragen. Dennoch ist nicht mehr viel übrig geblieben, und man muss sich mit diesem Thema manchmal auseinandersetzen.
Die Reste der Schwulenlobby und der Emanzipationsbewegung, des Feminismus, haben sich mit neuen Interessensgruppen verbunden. Sie bilden die Grundlage von Gender Mainstreaming.
Der Begriff Gender Mainstreaming wurde in der großen Öffentlichkeit erstmals bei der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 bekannt. Das ist mittlerweile über 15 Jahre her. Nur fünf Jahre später tauchte Gender Mainstreaming erstmals in der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union auf.
Diese fünf Jahre benötigten die Vertreter von Gender Mainstreaming, um die Idee von der Weltfrauenkonferenz in nationale Parlamente und überregionale europäische Parlamente zu transportieren. Heute, zehn Jahre nach diesem Anfang, ist Gender Mainstreaming fest etabliert.
Wer heute versucht, Gender Mainstreaming abschaffen zu wollen, gleicht Don Quichotte im Kampf gegen Windmühlen. Es ist längst Realität in der Gesellschaft. Wenn wir später darüber sprechen, was Gender Mainstreaming alles beinhaltet, wird deutlich, wie tiefgreifend diese Entwicklung ist.
Begriffserklärung und Grundprinzipien von Gender Mainstreaming
Genau, da mache ich jetzt auch weiter. Ich hatte vor, noch etwas dazu zu sagen. Gut, dass du das ansprichst, ich werde für mich gleich etwas aufnehmen. Wahrscheinlich geht es manchen so, die sagen: Begriff vielleicht schon mal gehört, aber was ist das eigentlich? Wie bei vielen modernen Begriffen muss es natürlich englisch sein. Ich habe auch nichts dagegen, Fachbegriffe sind ja nötig. So ist auch Gender Mainstreaming ein englischsprachiger Begriff, mit dem man das Thema internationalisieren kann. Er besteht aus zwei Worten, die ich euch gerne erkläre: Gender und Mainstream.
Fangen wir mit dem Einfachen an: Mainstreaming heißt einfach die Hauptdenkströmung einer Gesellschaft, also die Grundüberzeugung, der Trend im Denken einer Gesellschaft. Das ist Mainstreaming, der Mainstream, die Hauptüberzeugung. Der wesentliche Punkt ist nun: Was für eine Hauptüberzeugung? Gender.
Im Englischen gibt es zwei Begriffe für Geschlecht, die wir im Deutschen nicht haben. Im Englischen gibt es nämlich den Begriff Sex. Sex ist im englischsprachigen Bereich ganz anders zusammengesetzt als im Deutschen. Im Deutschen hat Sex schnell den anrüchigen Beigeschmack von Sexshop, Pornografie und so weiter. Das gibt es im Englischen nicht. Beispielsweise steht auf einem amerikanischen Pass „Sex“ – und das meint dann: Bist du Mann oder Frau? Da steht nicht „man or female“, also nicht „Mann oder Frau“, sondern „Sex“ ist das angeborene biologische Geschlecht. Sex ist im englischsprachigen Bereich das angeborene biologische Geschlecht, das ist normalerweise Sex. Natürlich ist es mit vielen anderen Assoziationen verbunden, aber nicht so eingeengt, wie der Begriff im deutschen Sprachraum oft gebraucht wird.
Gender hingegen meint, im Gegensatz zum angeborenen Geschlecht, das soziale Geschlecht. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, auf den wir immer wieder eingehen werden. Soziales Geschlecht bedeutet, wie du dich als Mann oder Frau in der Gesellschaft verhältst. Wenn man über Geschlechterrollen und Geschlechterverhalten spricht, ist das der entscheidende Faktor. Das biologische Geschlecht kann man kaum diskutieren: Man schaut das Baby an und weiß Bescheid, wenn es geboren wird. In ganz wenigen Fällen nicht, dazu komme ich noch, das sind die Intersexuellen. Die sind auch in der neuen Diskussion mit drin, aber das ist die große Ausnahme, etwa ein Kind von tausend Geburten. Im Normalfall ist die Sache klar. Deshalb geht die große Diskussion um das soziale Geschlecht, also wie lebst du als Mann oder Frau. Darum geht es.
Ich werde jetzt anhand von drei grundlegenden Aussagen und Zielen von Gender Mainstreaming versuchen, den ganzen Komplex zu beschreiben, der dahintersteht. Dabei wird euch deutlich werden, dass bei Gender Mainstreaming viel Positives enthalten ist. Nicht alles, was Gender Mainstreaming beinhaltet, ist negativ. Das müssen wir uns auch deutlich machen, denn die meisten Entwicklungen und Trends, auf die ich noch eingehen werde und die ich heute Abend bespreche, sind nicht per se böse. Das müssen wir erkennen, damit wir gezielt darauf reagieren können. Sonst kämpfen wir gegen etwas, und andere sagen uns: Was kämpfst du denn da? Das ist doch alles toll.
Ihr werdet viele junge Leute erleben, heute selbst aus christlichen Kreisen, die an die Uni gehen, zum Beispiel Lehrer werden oder Erzieher lernen. Sie kommen heute an Gender Mainstreaming nicht vorbei. Selbst wenn der Begriff nicht immer erwähnt wird, fließt das Thema heute durch alle Lehrpläne, gerade im Bereich der Pädagogik. Warum? Weil hier ein Prinzip der Vertreter von Gender Mainstreaming gilt – ich werde später noch sagen, wer dahintersteckt – nämlich das Prinzip: Wir wollen den Gedanken von Gender Mainstreaming auf die Gesamtgesellschaft übertragen. Und das gelingt sehr gut. Man macht das, indem man die junge Generation prägt. Die Älteren wird man sowieso nicht mehr verändern können, aber in 20 Jahren wird diese Generation die öffentliche Wahrnehmung prägen. Dann ist das Ziel erreicht.
Man hat das Thema bewusst aus der großen Gesellschaft herausgenommen. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern Ideen, die selbst von Politikern so genannt werden. Zum Beispiel hat ein Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Herr Zastrow, vor etwa fünf Jahren einen Artikel darüber geschrieben, in dem er genau dasselbe sagt. Es sind also Laien, Politiker und Soziologen, die dieses Prinzip vertreten: Man will das Thema aus der öffentlichen Diskussion heraushalten, weil man befürchtet, dass eine riesige Diskussion ausbricht und die Hälfte der Gedanken verloren geht.
Deshalb sagt man: Nein, wir machen das über die Vorgabe der Lehrpläne, insbesondere der Pädagogen, denn die prägen die nächste Gesellschaft. So geht das dann auch in die Lehrpläne der Schulen ein. Das ist in den Bundesländern etwas unterschiedlich, aber fast alle Bundesländer haben das heute enthalten. Ich nenne später noch Beispiele dafür.
Ich will jetzt erst mal mit diesen drei Punkten vorankommen. Der erste Punkt von Gender Mainstreaming ist aus meiner Sicht sehr zutreffend und positiv: Mann und Frau sind unterschiedlich. Das müssen wir sagen: Ja und Amen. Das ist genau das, was uns die Bibel sagt. Das ist aber etwas vollkommen Neues, wenn man die Entwicklung vorher anschaut. Die Emanzipationsbewegung, der Feminismus, wollte ja gerade sagen: Nein, es gibt keine Unterschiede. Die typische Feministin hat sich wie ein Mann gekleidet. In Gender Mainstreaming ist das nicht mehr in. Das finden wir als blöd, wenn eine Frau plötzlich Anzug und Krawatte trägt. Das sind diejenigen, die noch vom vorherigen Trend geprägt sind. Gender Mainstreaming sagt: Nein, so nicht. Mann und Frau sind unterschiedlich.
Gerade wenn ihr selbst mal beobachtet, was in den letzten zehn Jahren im Büchermarkt erschienen ist, da sind viele Bücher aufgetaucht, die die Unterschiede von Mann und Frau beleuchten. Manche habe ich mit Genuss und Gewinn gelesen, zum Beispiel „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ oder „Frauen sind anders und Männer auch“ oder „Warum Frauen falsch einpacken und Männer schlecht lügen“ oder ähnliches. Ich habe diese Bücher mit Begeisterung gelesen. Bei manchen Punkten – ich weiß nicht, ob meine Frau sich noch daran erinnert – habe ich ihr daraus vorgelesen und sie gefragt, wie das nun ist. Sie meinte bei einigen Punkten: Ja, das ist tatsächlich so.
Wenn ihr verheiratet seid oder Männer und Frauen miteinander arbeiten, werdet ihr merken: Männer und Frauen sind unterschiedlich, reagieren unterschiedlich, nehmen Dinge unterschiedlich wahr. Allein die Sprache: Vor einigen Jahren gab es ein Buch mit dem Titel „Deutsch, Frau, Frau, Deutsch“. Das sollte auf lustige Weise einem männlichen Publikum zeigen, wie sich Frauen ausdrücken und wie man das interpretieren muss. An manchen Punkten ist das tatsächlich so.
Eine schöne Beschreibung fand ich in einem der Bücher: Die meisten Männer brauchen ihre Höhle. Die Höhle kann die Werkstatt sein, der Garten, das Büro. Männer müssen sich irgendwo zurückziehen, dort reifen Entscheidungen. Deshalb haben die meisten Männer, wenn sie diskutieren, ihre Entscheidung schon getroffen. Die meisten Frauen hingegen entwickeln ihre Entscheidung im Gespräch. Das kann zu Problemen führen. Wenn du mit einer Frau sprichst, vertritt sie am Anfang einer Diskussion eine Position, du kämpfst dagegen, und am Ende hat sie eine ganz andere Position. Sie sieht das nicht als Problem an, du als Mann aber schon. Du denkst: Jetzt habe ich einen Gegner, und ich werde dagegen kämpfen, aber hinterher ist der Gegner vielleicht sogar deiner Meinung.
Frauen entwickeln häufiger Überzeugungen im Gespräch und sind eher bereit, neue Dinge aufzunehmen und einzubeziehen. Manchmal äußern Frauen auch Meinungen, die noch nicht endgültig durchdacht sind. Männer hingegen ziehen sich eher zurück, was manchmal zu Problemen führt. Auch in Gesprächen mit meiner Frau gab es Probleme, weil sie mir manches gesagt hat, das mich geärgert hat oder wo sie meinte: Jetzt muss eine Entscheidung her. Ich habe dann gesagt: Ich muss erst darüber nachdenken. Das ist typisch männlich. Frauen machen das häufig anders, nicht immer, aber häufig anders. Der Mann zieht sich zurück und sagt nach ein, zwei Tagen: Das ist jetzt mal eine Entscheidung, hier ist das Ergebnis. Das wird in der Höhle ausgebrütet, also dort, wo er seine Ruhe hat.
Diese Unterschiede sind weder gut noch schlecht, sondern einfach festzustellen. Männer und Frauen sind unterschiedlich in dem, wie sie denken, wie sie Entscheidungen treffen, was ihnen wichtig ist. Es gibt auch Untersuchungen, beispielsweise zum Einkaufsverhalten, oder ausführliche Studien, die zeigen, dass Frauen ein viel größeres Körperbewusstsein haben als Männer. Das will ich nicht bewerten, sondern einfach festhalten: Es gibt Unterschiede, die Auswirkungen in vielen Bereichen haben, die uns gut tun und notwendig sind.
In den letzten Jahren wurde verstärkt erforscht, wie Männer und Frauen im Unterricht reagieren. Man hat festgestellt, dass Jungen anders lernen als Mädchen. Das wurde lange ignoriert. Man hat nur das Alter berücksichtigt, nicht das Geschlecht. Heute ist die Förderung von Jungen in der Schule ein großes Thema in Gender-Fragen, weil die Realität lange Zeit war, dass Mädchen die Jungen in der Schule abgehängt haben. Eindeutige Statistiken zeigen: In fast allen Schultypen ist es so, außer in der Hauptschule, wo die Jungen noch die Mehrheit sind. In der Hauptschule sind die Jungen stärker vom Schulsystem benachteiligt, oder wie man es auch ausdrücken mag, sie bekommen weniger Lehrunterstützung. Sicherlich spielen auch andere Einflüsse eine Rolle.
In fast jedem Studiengang sind heute mehr Frauen als Männer bei den Studienanfängern. Das bedeutet, dass in ein paar Jahren auch mehr Frauen die Abschlüsse stellen werden. Heute ist es im evangelischen Pfarramt so, dass mehr Frauen als Männer ordiniert werden. Wo vor einiger Zeit noch die Frage diskutiert wurde, ob Frauen ordiniert werden dürfen, geht es heute eher darum, wie man noch einen männlichen Pfarrer retten kann, damit diese Art nicht ausstirbt.
Das hat verschiedene Ursachen, die man untersuchen kann. Insgesamt ist es gut, dass man erkennt, dass Jungen im Schulsystem nicht ausreichend gefördert werden. Vieles im Schulsystem ist mehr auf das Lernen von Mädchen ausgerichtet als auf das von Jungen. In der Grundschule überwiegen Lehrkräfte, und die sind meist Frauen, die oft mehr Probleme mit Jungen haben als mit Mädchen, weil sie sich besser in Mädchen hineinversetzen können.
Was den Jungs fehlt, sind Identifikationspersonen in der Schule. Ein männlicher Lehrer geht anders mit einem Jungen um als eine Lehrerin. Das wird erforscht, und ich finde es gut, dass diese Forschung stattfindet. Derjenige ist im Vorteil, der die Geschichte kennt. Vor der Emanzipationsdiskussion gab es das ja. Lange wurde für gemeinsamen Unterricht gekämpft: Nein, man darf Jungen und Mädchen nicht trennen, weil man meinte, Mädchen würden benachteiligt, wenn sie allein erzogen werden. Heute gibt es moderne pädagogische Diskussionen, die genau das wieder fordern. Das könnte eine nächste Revolution sein: Männer müssen speziell gefördert werden, brauchen besondere Kurse und so weiter.
In der Jugendarbeit in Gemeinden empfehle ich, wenn man junge Frauen und Männer geistlich fördern will, sie getrennt anzusprechen. In der Pubertät werdet ihr kaum Fuß fassen, wenn Jungen und Mädchen gemeinsam in einem Raum sind. Sie hören kaum zu, schauen nur aufeinander, wie der andere gekleidet ist, wie er sich gibt. Jungen und Mädchen müssen besonders cool tun, wenig Interesse am Glauben zeigen, denn fromm sein ist ja nicht cool. Sind sie unter sich, kann man ganz anders mit ihnen sprechen, sowohl mit Jungen als auch mit Mädchen. Das ist eine neue Perspektive, die es früher schon mal gab und die heute wieder modern wird. Es gibt noch einige Schulen, die das praktizieren. Das sind neue Ansätze, die in Gender-Diskussionen aufgegriffen werden und nicht ganz dumm sind. Diese Aspekte sollten wir wahrnehmen, und zwar auf vielen Ebenen.
Das betrifft nicht nur Pädagogik, sondern auch die Medizin. Wusstet ihr, dass es in den letzten zehn Jahren vermehrt Studien gibt, wie bestimmte Therapien für Männer und Frauen unterschiedlich entwickelt werden? Bis Ende der Neunzigerjahre wurden Herzinfarktpatienten alle gleich behandelt – nach dem männlichen Muster. Denn die meisten Studien konzentrierten sich auf Männer, weil Herzinfarkt als typische Männerkrankheit galt: Der gestresste Manager bekommt einen Herzinfarkt.
In den letzten zehn Jahren hat man erkannt, dass Frauen beim Herzinfarkt anders behandelt werden müssen, weil Medikamente anders wirken. Männer und Frauen haben einen unterschiedlichen Fettstoffwechsel. Frauen haben einen höheren Fettgehalt im Körper, was die Wirkung von Medikamenten beeinflusst. Das ist natürlich ein Durchschnittswert, nicht für jeden Einzelnen. Es ist weder gut noch schlecht, sondern einfach so. Männer und Frauen sind körperlich, hormonell und stoffwechselmäßig unterschiedlich. Deshalb geht man heute immer mehr dazu über, bei Medikamenten und Behandlungen stärker darauf zu achten, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Das hat man bis Ende der 90er kaum getan, in den letzten Jahren aber zunehmend. Das ist eine positive Auswirkung von Gender Mainstreaming.
Ich habe euch gesagt: Gender Mainstreaming ist nicht nur böse. Das müssen wir realisieren, sonst kämpfen wir gegen etwas, was viele Menschen gut finden. Viele dieser positiven Aspekte wurden früher vernachlässigt. Ich erinnere mich, wie ich Ende der Siebziger, Anfang der Achtzigerjahre in der Jugendgruppe ein Referat über Unterschiede zwischen Mann und Frau halten wollte. Ich fuhr nach Bielefeld in die Stadtbibliothek und fand kein einziges Buch, das ich empfehlen konnte. Zu der Zeit gab es fast nur Bücher, die sagten: Es gibt keine Unterschiede, weil Unterschiede als Diskriminierung der Frau ausgelegt wurden. Natürlich stand in Aufklärungsbüchern, dass die biologischen Geschlechtsmerkmale unterschiedlich sind, aber ich wollte mehr wissen, ob es weitere Unterschiede gibt. Es gab kaum Literatur dazu.
Heute findet ihr massenhaft Literatur, die zeigt, dass Mann und Frau unterschiedlich sind. Das ist eine neue Phase. Gerade diese Argumente sollten wir lesen und wahrnehmen, denn sie können für unsere Perspektive der Unterschiede zwischen Mann und Frau als Argumente dienen – gerade in einer säkularisierten Welt, die nicht nur biblische Argumente akzeptiert. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse zeigen: Mann und Frau sind unterschiedlich.
Diese Erkenntnisse können auch Gemeinden guttun. Nicht nur Lehrer sollten überlegen, wie sie Männer und Frauen fördern können, sondern auch in der Gemeindearbeit und Seelsorge sollte man darauf achten. Wie muss ich mich verhalten, wenn ich einen Mann oder eine Frau seelsorgerlich betreue? Es geht nicht nur um biblische Wahrheit, sondern auch darum, wie ich bestimmte Dinge sage und interpretiere, was jemand sagt. Ein Mann, der sich nie damit auseinandergesetzt hat, dass Frauen anders ticken und sich anders ausdrücken, wird da Probleme haben.
Ich erinnere mich an frühere Jahre, als ich manchmal typisch männlich reagierte, wenn meine Frau mir abends von Problemen mit den Kindern erzählte. Was ist die typisch männliche Reaktion? Du hörst zu, und dann heißt es: „Mir egal, mach dein Ding.“ Typisch männlich: Männer sind Problemlöser. Wenn eine Frau sagt, etwas klappt nicht, fühlt sich der Mann herausgefordert, das Problem zu lösen. Egal, ob der Wasserhahn tropft – der Mann hört: „Du bist herausgefordert, sorg dafür, dass er nicht mehr tropft.“ So habe ich es gemacht, und dann wunderte ich mich, dass meine Frau nicht zufrieden war. Manchmal geht es eher darum, Anteilnahme zu zeigen. Frauen teilen Dinge oft mit, ohne eine Lösung zu wollen, sondern einfach, um verstanden zu werden: „Ja, die Kinder sind schwierig, du hast es wirklich schwer.“ Das ist ein Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Problemlösung.
Das führt zu Konflikten, auch in der Ehe, in der Seelsorge und in der Gemeinde. Nicht, weil der eine böse und der andere lieb ist, sondern weil man sich nicht richtig versteht und nicht einfühlen kann, dass Mann und Frau unterschiedlich sind. Solche Bücher und Ergebnisse von Gender Mainstreaming können helfen, Konflikte zu überwinden und die Gemeindearbeit spezifischer auf die Unterschiede zwischen Mann und Frau auszurichten.
Wir müssen nicht jedes Klischee übernehmen, manche sind übertrieben, aber sie helfen, eine Wahrheit zu erkennen. Ich habe im christlichen Bereich bisher nie so gute Bücher über dieses Thema gelesen wie im nichtchristlichen Bereich. Ich empfehle euch fast nur nichtchristliche Bücher, in denen auch mancher Unsinn steht, dem ich nicht glaube. Aber ich fand sie viel besser als viele christliche Bücher, die oft herumreden und nicht auf den Punkt kommen. Um die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu erkennen, sind einige dieser Bücher eine große Hilfe.
Ich glaube, es ist ein positiver Aspekt, dass wir neu erkennen, dass Mann und Frau unterschiedlich sind. Dabei müssen wir auch darauf achten, was übertrieben ist, weil das manchmal ein Trend ist, und was wirklich Realität ist. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass jede Frau oder jeder Mann gleich ist, aber es gibt tendenziell deutliche Unterschiede.
Ihr merkt schon, dass ich das hier verteidige. Ich bin in einer Zeit geprägt, in der stark betont wurde, es gäbe keine Unterschiede. Heute ist das ganz anders. Wenn wir in einer Zeit groß geworden sind, in der man sagte: Nein, es gibt keine Unterschiede, dann merken wir heute: Das stimmt so pauschal nicht. Psychologische, pädagogische und medizinische Untersuchungen zeigen immer mehr, wie unterschiedlich Mann und Frau tatsächlich sind. Sie sehen nicht nur anders aus, sondern sie sind wirklich unterschiedlich darin, wie sie lernen, arbeiten, empfinden und sich ausdrücken. Diese Unterschiede zu erfahren ist hilfreich.
Der erste Aspekt von Gender Mainstreaming ist also aus meiner Sicht ganz positiv: Wir lernen diese Unterschiede kennen und können sie auch positiv einsetzen, zum Beispiel in der Gemeinde. Wir merken, dass Männer und Frauen unterschiedliche Fähigkeiten haben und dafür eine stärkere Tendenz zeigen.
Übrigens habe ich vor einiger Zeit eine Statistik gelesen – solche gibt es immer wieder, meist von amerikanischen Wissenschaftlern –, die besagt, dass verheiratete Männer etwa acht Jahre länger leben als unverheiratete. Ich fand das eine tolle Erkenntnis, auch für uns Christen, die wir für die Ehe plädieren. Bei Frauen ist der Unterschied nicht ganz so deutlich. Offenbar ist die Ehe ein besonderer Überlebensvorteil für Männer.
Als ich darüber nachdachte, fiel mir ein, woran das liegen könnte. Zum Beispiel Ernährung: Für mich ist Essen eher eine Sache, ich habe etwas zu essen und bin satt. Meine Frau hingegen hat eine große Begeisterung für gesunde Ernährung. Ich esse regelmäßig Äpfel, weil ich weiß, dass sie gesund sind, aber geschmacklich würde ich lieber Steak nehmen. Frauen kaufen überwiegend viel mehr Bio-Produkte als Männer und achten mehr auf ihren Körper. Das gilt auch für Sport: Junge Männer machen viel Sport, um Frauen zu imponieren, aber mit zunehmendem Alter nimmt das ab. Frauen hingegen bleiben bis ins Alter sensibler und machen Pilates oder Aerobic. Wie viele Männer seht ihr dort? Fast keine. Männer machen Sport, aber meist vor dem Fernseher, etwa Bundesliga schauen – das ist Männersport.
Frauen fördern Männer, weil sie sie herausfordern. Sie haben die Fähigkeit, mehr auf körperliche Gesundheit zu achten, und manchmal ermahnen oder zwingen sie die Männer dazu. Junggesellen, deren Frau stirbt, verlottern meist. Das zeigt die Statistik. Deshalb: Männer, wenn ihr noch nicht verheiratet seid, sucht euch eine Frau, denn ihr lebt länger – in eurem Interesse. Für Frauen trifft das nicht so stark zu. Ihr könnt auch mit euren Fähigkeiten länger leben, aber nicht länger ohne Männer, sondern ungefähr gleich lang.
Was ich damit sagen will, ist hoffentlich deutlich geworden: Wir können dieses Wissen nutzen, um bewusst davon zu profitieren und die positiven Eigenschaften, die Gott in Mann und Frau gelegt hat, zu nutzen. Das ist ein positiver Aspekt.
Also, erster Punkt von Gender Mainstreaming: Mann und Frau sind unterschiedlich, und das ist gut so. Wir müssen das im Alltag berücksichtigen, damit wir Mann oder Frau nicht Unrecht tun – sei es in der Erziehung, Pädagogik, Gemeinde oder Familie. Da wir in all diesen Bereichen als Gemeinde und Christen unterwegs sind, sollten wir diese Ergebnisse nutzen.
Darüber hinaus dienen sie auch als argumentative Hintergründe für die Frage, die später bei Gender Mainstreaming noch kommt: Wir müssen immer in Ehren halten, dass es Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Das ist der erste Punkt.
Jetzt, da ich meinen ersten Punkt abgeschlossen habe, machen wir eine kleine Fragerunde. Ich weiß, hier waren schon Handmeldungen. Ich wollte den Gedanken erst zu Ende bringen. Der erste Gedanke ist hoffentlich klar: positive Aspekte von Gender Mainstreaming.
Jetzt gab es hier, glaube ich, ein paar Meldungen. Zum Beispiel wurde gesagt, dass in einem Studium ein Vortrag über Gender gehalten wurde, und in einigen Büchern wurde auf das Buch von Pinker, „Das Geschlechterparadox“, verwiesen. Dort werden die Unterschiede zwischen Mann und Frau hervorgehoben – biologische, sexuelle, psychische Aspekte – sehr interessant argumentiert. In einem Teil der Literatur wird das als Gegenargument gegen Gender verwendet, und da merkt man, dass das eigentlich nicht funktioniert. Wie siehst du das?
Eigentlich klingt das Buch so, wie wir es mit Gender Mainstreaming in dieser Hinsicht sehen. Ja, das stimmt. Ich komme noch darauf, denn es gibt ein gewisses Paradox. Ich werde noch auf zwei weitere Punkte von Gender Mainstreaming eingehen. Dabei werden wir merken, dass dieser Anfang hinterher ins Gegenteil uminterpretiert wird. Das wirkt erst mal paradox. Man denkt: Wieso? Was soll das? Ich werde erklären, warum das trotzdem zusammenpasst im Bereich von Gender Mainstreaming.
Wir können die Argumente, die uns die Genderforschung liefert, selbst in der Argumentation nutzen, obwohl sie das eigentlich nicht wollen. Das ist erst der erste Punkt in der ganzen Argumentationskette. Vielfach wird in verschiedenen Ausbildungsberufen nur dieser erste Punkt genannt, zum Beispiel in der Medizin. Dort wird fast nur auf diesen ersten Punkt eingegangen, weil er für Mediziner interessant ist. Die Menschen sind schnell bereit, das Gesamtkonzept von Gender Mainstreaming zu unterstützen, obwohl sie es häufig gar nicht kennen. Sie denken: Gender Mainstreaming ist doch toll, das habe ich als Arzt kennengelernt, das ist super.
Aber sie wissen nicht, welche weiteren Folgen damit zusammenhängen. Für ihren kleinen Arbeitsbereich sind das manchmal nur diese Auswirkungen. Wir müssen das Gesamtkonzept im Kopf haben, um das Modell bewerten zu können. Am Ende werden wir wahrscheinlich sagen: Bestimmte Aspekte dieses Modells sind durchaus positiv, wie die genannten, das Gesamtziel hingegen ist problematisch. Dann müssen wir unterscheiden.
Wir müssen ehrlich zugeben, dass es bei den meisten gesellschaftlichen Trends so ist. Christen haben in der Vergangenheit oft versagt, weil sie zu stark schwarz-weiß gemalt haben. Dann waren sie unglaubwürdig, weil niemand ihnen mehr glaubte. Es ist leichter, den anderen als total böse darzustellen, und als Christen glauben wir das auch. Aber außerhalb glaubt das keiner, denn die Leute merken, so böse sind die anderen ja nicht.
Denkt an die Emanzipationsfrage: Christen haben stark dagegen gekämpft, obwohl viele Punkte der Emanzipation gar nicht gegen die Bibel sind, sondern richtig und gut. Es gab in der Vergangenheit ungerechtfertigte Unterdrückung von Frauen. Frauen verdienen für die gleiche Tätigkeit oft weniger, obwohl das ungerecht ist. Das ist immer noch so, aber es ändert sich.
Diese Unterschiede gibt es nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zum Beispiel zwischen Ost und West, in Ausbildung, Betrieben usw. Das ist nicht nur eine Geschlechterfrage. Man muss immer beachten, dass die Daten meist einseitig herausgegeben werden. Zum Beispiel wurde früher das Risiko von Schwangerschaftsausfall bei Frauen höher bewertet, was sich auf die Entlohnung auswirkte. Umgekehrt könnten Männer protestieren, wenn Frauen bezahlt frei bekommen, während sie arbeiten müssen.
Wirtschaftlich wurde das oft so gerechnet: Eine Frau in manchen körperlichen Berufen bringt weniger Leistung. Zum Beispiel transportiert eine Straßenarbeiterin weniger Tonnen Material als ein Mann. In manchen Punkten war das wirtschaftlich gerechtfertigt, in anderen eine Hochrechnung. Häufig wird nicht genannt, wo Frauen profitieren. Zum Beispiel in der Rentenversicherung: Männer und Frauen zahlen gleich viel ein, aber Frauen leben im Durchschnitt fünf bis sechs Jahre länger. Das ist eine Bevorzugung von Frauen im Rentensystem. Deshalb fordern manche, dass Frauen mehr Rente zahlen sollten, weil sie länger davon profitieren.
Es gibt Ungerechtigkeiten in beide Richtungen, die faktisch messbar sind. Meist kommen diese Daten von Gleichstellungsbeauftragten, die im Feminismus eingesetzt wurden und eigene Ideen haben. Teilweise stimmt das, teilweise weniger. Die Unterschiede, die in den Medien genannt werden, sind meist besonders krass, weil Medien Sensationen wollen. In den meisten Berufen spielt das heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Aber es gibt Beispiele, und da besteht Handlungsbedarf. Ich stimme zu, dass es in manchen Bereichen früher mehr Benachteiligung gab, heute aber auch noch. Gender Mainstreaming versucht, auch Benachteiligungen von Männern zu sehen, denn es gibt sie in Wirtschaft und Bildung. Es gibt auch Benachteiligungen von Frauen, und ich finde es gut, wenn man dagegen etwas tut.
Christen haben das manchmal verschlafen, indem sie gegen Feminismus oder Emanzipation kämpften, ohne zu unterscheiden, wo Feminismus berechtigt ist. Ungläubige sahen, dass das stimmt, und sagten: Feminismus ist gut, weil Christen dagegen sind. Dann sei Christsein überholt. Hier hätte man besser differenzieren sollen: Feminismus und Emanzipation haben richtige, positive Ziele und erkennen Probleme. Nicht alles ist schlecht. Wie das Sprichwort sagt: Man muss nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Man hätte sagen können: Das ist positiv, das ist gut, aber hier ist ein Problem, das ist schlecht. So wäre man für viele Menschen glaubwürdiger gewesen, Christen und Nichtchristen.
Dasselbe gilt für Gender Mainstreaming. Wir müssen nicht alles übernehmen oder verwerfen, sondern genau hinschauen. Manche Aspekte sind biblisch korrekt, andere problematisch. Da müssen wir unterscheiden. Es ist wichtig, dass wir das können.
Gender Mainstreaming ist in vielen Bereichen durchgesetzt, aber meist wird nur noch in Bereichen diskutiert, wo prozentual weniger Frauen sind. In Bereichen mit weniger Männern wird kaum über Quoten diskutiert. Hier merkt man, dass Pressemeldungen oft nur für einen kleinen Teil der Gesellschaft gelten. Zwischenzeitlich tendiert die Gesellschaft dazu, dass fast gleich viele Frauen wie Männer berufstätig sind. Der Unterschied wird kleiner.
Das Idealmodell einer Frau ist heute nicht mehr die Frau, die zu Hause bleibt. Das ist ein Auslaufmodell, das es nur noch in einigen christlichen Kreisen gibt. Selbst dort ist es nicht mehr die Norm. Das Normalmodell der Gesellschaft ist heute, dass Mann und Frau arbeiten. Nur für eine kurze Phase, höchstens zwei Jahre nach der Geburt, bleibt einer zu Hause, häufiger die Frau. Aber auch das nimmt ab, weil immer weniger Frauen Kinder bekommen. Nach zwei Jahren gehen die meisten zurück ins Berufsleben. Das ist das angestrebte Ideal, das medial vermittelt wird und vielfach gelebt wird.
Das ändert das Modell, und die Diskussion um Quoten wird dadurch relativiert oder ist nur noch für wenige Bereiche relevant. In manchen Fällen führt das zu absurden Situationen. Ich habe mit einem Maschinenbaustudierenden aus Bielefeld gesprochen. Er sagte mir: Wenn du heute als Frau Maschinenbau studierst, wirst du sofort angenommen. Als Mann musst du viele Tests durchlaufen. Warum? Weil es zu wenige Frauen im Maschinenbau gibt. Die Professoren wollen die Frauenquote steigern, also ist der Zugang für Frauen leichter. Für Männer ist es schwieriger, weil es genügend Männer gibt.
Ihr kennt sicher auch den Girls Day, an dem Mädchen für bestimmte Berufsfelder gewonnen werden sollen. In manchen Bereichen ist das sinnvoll, aber oft scheitert es an Ideologie. Man will eine paritätische Verteilung, ohne zu berücksichtigen, ob es schlimm ist, dass in bestimmten Berufen mehr Frauen oder Männer sind.
Gerade wurde beschlossen, Quoten einzuführen, auch wenn Frauen in der Mehrheit sind, weil die Bezahlung gering ist. Ein Krankenpfleger wird schnell Stationspfleger, weil dort mehr verdient wird. Das ist eine Diskussion von gestern.
Ich habe schon gesagt: Immer mehr Frauen studieren. Inzwischen sind mehr Frauen als Männer Studienanfänger. Das bedeutet, dass eine nächste Generation von Frauen andere Berufe ergreifen wird, die ein Studium erfordern. Im Moment ist es noch so, weil das ältere Modell gilt: Die Frau hat die Verantwortung für Familie und hat einen Nebenverdienst. Es gibt immer mehr Paare, in denen die Frau mehr verdient als der Mann. Das ist eine aktuelle Diskussion, die sich deutlich ändert.