Studienreihe über biblische Lehren von Doktor Martin Lloyd-Jones
Band eins: Gott der Vater
Kapitel neun: Die ewigen Ratschlüsse Gottes
Bevor wir uns der Schöpfungslehre widmen, gibt es etwas, worüber wir nachdenken müssen. Und wir tun das, weil die Bibel uns darüber berichtet. Es handelt sich um Folgendes: Bevor die Bibel uns sagt, was Gott getan hat, zeigt sie uns etwas über den Charakter aller Aktivitäten Gottes. Die Bibel sagt uns, wie ich versuchen werde, darzulegen, sehr viel über die Art und Weise, wie Gott handelt.
Es ist wichtig, dass wir darüber nachdenken, bevor wir uns genauer mit dem beschäftigen, was er getan hat. Die Bibel beschreibt die Vorgehens- und Arbeitsweise Gottes als das, was man allgemein die ewigen Ratschlüsse Gottes nennt. Dabei handelt es sich um Dinge, die Gott beschlossen und angeordnet hat, bevor er überhaupt irgendetwas tat.
Ich gebe ganz offen zu, dass ich Ihre Aufmerksamkeit erneut auf ein höchst schwieriges Thema lenke. Ich entschuldige mich nicht dafür, denn dies ist keine Frage der freien Auswahl. Die Aufgabe der Bibelauslegung ist es, die gesamte Bibel auszulegen. Aber ich gebe zu, dass dies ein sehr schwieriges Thema ist, und ich kann mir vorstellen, dass das der Grund ist, warum viele Bücher es nicht behandeln.
Doch es steht so eindeutig in der Bibel, dass man sich ihm stellen muss. Es ist wie die Lehre von der heiligen Dreieinigkeit: Sie geht in gewisser Hinsicht über unseren Verstand hinaus. Aber wie wir bei jener Lehre gesehen haben, dürfen wir ihr nicht aus dem Weg gehen, nur weil sie schwierig ist.
Zu Ihrer Ermutigung kann ich Ihnen jedoch versprechen, dass manche dieser grundlegenden einleitenden Lehren zu den schwierigsten gehören, weil wir uns mit dem Geist und Verstand des Ewigen beschäftigen. Dementsprechend denken wir über etwas nach, was unseren begrenzten Verstand und das Fassungsvermögen unseres winzig kleinen Intellekts übersteigt.
Man könnte auch sagen, dass die Lehren über den Menschen, über die Schöpfung und die Errettung notwendigerweise sehr viel einfacher sind. Aber mag jemand einwenden: In Anbetracht der Schwierigkeit und Unergründlichkeit des Themas, warum sollen wir überhaupt darüber nachdenken? Warum gehen wir nicht geradewegs zu den Lehren von der Schöpfung, vom Menschen und vom Sündenfall? Das ist es, was uns wirklich interessiert, das ist es, was wir wissen wollen.
Nun, auf einen solchen Einwand müssen wir einige konkrete Antworten geben. Mein erster Grund, warum ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese Lehre lenke, ist – wie ich schon gesagt habe –, dass sie in der Bibel offenbart wird. Deshalb ist sie ohne Frage dazu bestimmt, dass wir über sie nachdenken und sie studieren.
Ich möchte es so ausdrücken: Ist es nicht ziemlich überraschend festzustellen, wenn wir darüber nachdenken, wie anfällig wir dafür sind, nur Teile der Bibel zu lesen? Ich frage mich, ob Sie das neunte Kapitel des Römerbriefes genauso oft lesen wie das achte. Wenn Sie die Bibel ganz wahllos lesen, dann werden Sie das wahrscheinlich nicht tun. Dennoch haben wir kein Recht, Bibelstellen einfach nach Belieben herauszusuchen.
Wir sind bereits darin übereingekommen, dass die Bibel das inspirierte Wort Gottes ist. Wenn ich glaube, dass das auf die Bibel zutrifft – von der ersten bis zur letzten Seite –, dann muss ich meine Bibel als Ganzes nehmen. Die Tatsache, dass es Teile gibt, die mich verwirren, darf mich nicht davon abhalten. Ich muss das Ganze lesen und mit dem Ganzen ringen. Ich muss versuchen, alles zu verstehen.
Da nun diese wichtige Lehre über die Ratschlüsse Gottes in der Bibel steht, ist es meine Aufgabe, sie zu studieren.
Ein anderer Grund ist – und ich denke, dass Sie mir da zustimmen werden –, dass sie uns neue Aspekte der Herrlichkeit Gottes offenbaren wird. Sie wird uns gleichsam eine größere und grandiosere Vorstellung von Gott vermitteln. Das wiederum wird Gottes Anbetung fördern.
Ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die wirkliche Schwierigkeit, der wir heute in der Evangelisation gegenüberstehen, darin liegt, dass wir nicht genug Zeit mit der Lehre von Gott verbringen. Wir interessieren uns so sehr für subjektive Erlebnisse und subjektive Errettung, dass wir diese großartige Lehre über Gottes eigene Person vergessen. Das ist eine Erklärung für viele unserer Schwierigkeiten und Probleme.
Je mehr wir über Gott in seiner Unbegrenztheit wissen, desto mehr werden wir ihn anbeten.
Ein weiterer Grund für die Betrachtung dieser Lehre ist, dass sie uns vor vielen Irrtümern bewahren wird. Die meisten Irrtümer, denen Christen über die Jahrhunderte hinweg zum Opfer gefallen sind, und viele andere Fragen, die aufgetreten sind, haben ihre Ursache darin, dass sie das, was die Bibel über die ewigen Ratschlüsse Gottes lehrt, niemals so wahrgenommen haben, wie sie sollten.
Mein letzter Grund, weshalb ich Ihre Aufmerksamkeit darauf lenke, ist ganz persönlich gesprochen: Ich kenne nichts, was mir größeren Trost bedeutet als diese besondere Lehre. Ich zögere nicht zu sagen, dass mich nichts mehr ermutigt, als zu wissen, dass hinter mir – diesem kleinen, unbedeutenden Geschöpf, das durch diese vergängliche Welt unterwegs ist – die Lehre der ewigen Ratschlüsse Gottes steht.
Nun gut, wenn das die Gründe sind, weshalb wir über diese Lehre nachdenken, dann lassen Sie mich noch ein Wort dazu sagen, wie wir vorgehen wollen. Das ist äußerst wichtig.
Das Erste, was Sie stets tun müssen, wenn Sie über diese Lehre nachdenken, ist, sich von Ihren Vorurteilen und jedweder Parteilichkeit freizumachen. Mit Parteilichkeit meine ich, dass wir alle dazu neigen, bestimmte Positionen einzunehmen. Oft geht es uns dann mehr darum, das zu verteidigen, was wir schon immer geglaubt haben, anstatt die Wahrheit herauszufinden.
Das Zweite, was ich sagen möchte, ist, dass wir dieses Thema nicht philosophisch angehen dürfen. Ich weiß, dass ich schon wieder davon spreche. Philosophie ist jedoch ein großes Unheil auf dem Gebiet des christlichen Glaubens. Denn Philosophie versucht per Definition immer, alles als Ganzes zu verstehen. Das ist das Anliegen der Philosophie: alles mit dem menschlichen Verstand zu erfassen.
Doch wir haben es jetzt mit etwas zu tun, für das der Verstand völlig unzulänglich ist. Daher müssen wir uns bewusst machen, dass es im Hinblick auf dieses Thema Aspekte geben wird, die wir per Definition nicht verstehen können. Deshalb müssen wir dieses Thema mit Demut angehen und uns ihm mit Ehrfurcht nähern.
Wir müssen es im Glauben angehen und mit einem bereitwilligen Eingeständnis unserer eigenen Grenzen. Wir müssen uns eine innere Offenheit bewahren und nach dem suchen und forschen, was die Bibel lehrt. Wir müssen in einem kindlichen Geist kommen, bereit zu empfangen, was uns offenbart worden ist. Dabei sollten wir, wenn ich das anfügen darf, keine Fragen stellen, die über die Offenbarung der Schrift hinausgehen.
Je mehr ich über den Glauben nachdenke, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, dass Glaube eine Bereitschaft ist, sich den biblischen Grenzen zu unterwerfen. Glaube ist die Bereitschaft, keine weiteren Fragen über Sachverhalte zu stellen, die in der Bibel nicht offenbart wurden. Glaube sagt: Nun gut, ich will alles nehmen, was gegeben wird, und mehr als das will ich nicht wissen. Ich begnüge mich mit Gottes Offenbarung.
Auf diese Weise müssen wir diese großartige Lehre angehen. Vor allem anderen werden wir uns aber bewusst machen müssen, dass es aufgrund unseres begrenzten Verständnisses Dinge geben wird, die wir wiederum mit anderen Dingen nicht in Einklang bringen können.
Nun, ich versuche den Gebrauch von Fachbegriffen soweit es geht zu vermeiden, aber hier muss ich das Wort Antinomie einführen – nicht zu verwechseln mit Antimon. Was ist eine Antinomie? Es handelt sich um den Fall, in dem Ihnen zwei Wahrheiten gegeben werden, die Sie selbst nicht miteinander in Einklang bringen können.
Es gibt in der Bibel bestimmte finale Antinomien. Als Menschen des Glaubens müssen wir bereit sein, das zu akzeptieren. Wenn jemand sagt: „Entschuldigen Sie, aber Sie können diese zwei Sachen nicht miteinander vereinbaren“, dann müssen Sie bereit sein zu antworten: „Ja, ich kann es nicht. Ich will auch nichts so tun, als könnte ich es. Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, was mir in der Bibel mitgeteilt wird.“
Wir wollen uns nun dieser großartigen Lehre auf folgende Weise nähern:
Im Licht der Dinge, über die wir bereits nachgedacht haben – das Wesen, die Natur und den Charakter Gottes – muss die Lehre von Gottes ewigem Ratschluss als äußerste absolute Notwendigkeit folgen. Weil Gott ist, wer und was er ist, muss er so handeln, wie er es tut.
Wie wir gesehen haben, stehen alle Lehren der Bibel miteinander im Einklang. Wenn wir über eine bestimmte Lehre nachdenken, müssen wir uns daran erinnern, dass sie stets mit allen anderen übereinstimmen muss.
Wenn wir also untersuchen wollen, was uns die Bibel darüber sagt, wie Gott handelt, müssen wir sehr vorsichtig sein, nichts zu sagen, was dem widerspricht, was wir bereits über seine Allwissenheit, seine Allmacht und all die anderen Dinge wissen, von denen wir übereinstimmend festgestellt haben, dass sie in der Schrift stehen.
Nach diesen Vorbemerkungen möchte ich die Lehre positiv betrachten. Um sie in aller Deutlichkeit zu erklären, werde ich eine Reihe von Wesensmerkmalen nennen.
Das Erste ist, dass Gott von Ewigkeit her einen unveränderlichen Plan hinsichtlich seiner Geschöpfe gehabt hat. Die Bibel verwendet wiederholt Ausdrücke wie „Vorgrundlegung der Welt“ (Epheser 1,4) oder wie der Apostel Paulus über die Geburt unseres Herrn sagte: „Als aber die Fülle der Zeit kam“ (Galater 4,4).
Wir können dies auch negativ formulieren: Gott tut niemals etwas halbherzig. Es gibt nichts, was hinsichtlich seiner Aktivitäten ungewiss ist. Und wenn ich es noch einmal anders ausdrücken darf: Gott stellt keine nachträglichen Überlegungen an.
Erinnern Sie sich daran, dass wir uns darin einig waren, dass er allwissend und allgegenwärtig ist; dass er alles weiß, von Anfang bis Ende, sodass ihm nichts im Nachhinein einfallen kann, was er vergessen haben könnte. Nichts ist unbeabsichtigt, willkürlich, ungewiss oder zufällig.
Gott hat einen genauen Plan und ein genaues Ziel für die Schöpfung, für die Menschen, für die Errettung und für die Gesamtheit des Lebens in dieser Welt, deren Ende und des endgültigen Schicksals. Alles, was Gott getan und geschehen lassen hat, entspricht seinem ewigen Plan. Es ist festgelegt, sicher, unveränderlich und vollkommen.
Das ist die erste Aussage.
Die zweite Aussage besagt, dass der Plan Gottes alle Dinge und Ereignisse jeder Art einschließt und festlegt. Wenn man daran glaubt, dass Gott bestimmte Ziele festgelegt hat, dann muss man auch glauben, dass er alles bestimmt, was zu diesen Zielen führt.
Wenn man daran glaubt, dass Gott beschlossen hat, zu einem festgelegten Zeitpunkt zu erschaffen, oder dass das Ende der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden wird, dann muss alles, was zu diesem Ende führt, ebenfalls festgelegt sein. Dabei erkennt man sicher, dass es Wechselbeziehungen zwischen allen Ereignissen und Dingen geben muss, die geschehen, und dass all dies zu diesem Ende führt.
Die Lehre von den ewigen Ratschlüssen Gottes besagt also, dass alle Dinge letzten Endes von ihm bestimmt und beschlossen sind. Wenn also alles von Gott bestimmt ist, muss das notwendigerweise auch die Handlungen derer einschließen, die frei und freiwillig handeln. Dies ist eine fundamentale Aussage.
Diese Aussage soll nun genauer erklärt und mit einem Schriftbeweis untermauert werden. Bezüglich des gesamten Systems hat der Apostel Paulus sehr deutlich gesagt: „Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens.“ (Epheser 1,9-11)
Was Paulus sagt, bezieht sich auf alles. Er spricht davon, dass der gesamte Kosmos in Christus vereint wird und dass Gott das auf diese Weise geschehen lassen wird.
Dann gibt es weitere Schriftbeweise, die zeigen, dass Gott auf diese Weise Ereignisse beherrscht, lenkt und bestimmt, die uns ganz zufällig erscheinen. Im Buch der Sprüche lesen wir: „Der Mensch wirft das Los, aber es fällt, wie der Herr es will.“ (Sprüche 16,33)
Wir nennen ein Los normalerweise eine Sache des Glücks und des Zufalls, nicht wahr? Man zieht ein Los oder wirft die Würfel. Doch der oben genannte Abschnitt aus der Bibel sagt, dass alle Entscheidungen vom Herrn kommen.
Oder im Neuen Testament lesen wir, dass unser Herr sagt: „Werden nicht zwei Sperlinge für ein paar Pfennige verkauft? Und nicht einer von ihnen wird auf die Erde fallen ohne euren Vater.“ (Matthäus 10,29)
Ein kleiner Sperling stirbt und fällt tot auf die Erde – Zufall, sagen viele. Schicksal? Völlig falsch. Nicht einer von ihnen wird auf die Erde fallen ohne euren Vater. Das Leben eines kleinen Spatzes ist in der Hand Gottes.
Er fährt fort: „Bei euch aber sind selbst die Haare des Hauptes alle gezählt.“ Es gibt Ereignisse, die ganz zufällig erscheinen, aber sie werden von Gott gelenkt.
Nehmen wir außerdem unsere freien Handlungen. Lesen wir Sprüche 21,1: „Wie Wasserbäche ist das Herz eines Königs in der Hand des Herrn; wohin immer er will, neigt er es.“ Der König scheint in seinen Entscheidungen frei zu sein, aber Gott lenkt ihn, so wie er auch die Flüsse lenkt.
Epheser 2,10 teilt uns mit: „Denn wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.“
Und in Philipper 2,13 wird uns gesagt: „Denn Gott ist es, der in euch wirkt, sowohl das Wollen wie auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen.“
Doch kommen wir zu etwas noch Außergewöhnlicherem und Eindrucksvollerem. Die Schrift lehrt uns, dass selbst sündige Handlungen in den Händen Gottes sind.
Hören Sie auf Petrus, wie er zu Pfingsten in Jerusalem predigt: „Diesen Mann, der nach dem vorbestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes hingegeben worden ist, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und umgebracht.“
In Apostelgeschichte 4,27-28 fasst Petrus es in folgende Worte: „In dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, sowohl Herodes als Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, um alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss vorherbestimmt hat, dass es geschehen sollte.“
Die schreckliche Sünde dieser Männer war also im Voraus im Ratschluss Gottes festgelegt worden.
Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für denselben Sachverhalt finden wir im ersten Buch Mose, in der berühmten Aussage, die Joseph seinen Brüdern gegenüber macht. Joseph wandte sich, während er bis ins kleinste Detail die Fakten seiner Geschichte wiedergab, an seine Brüder und sagte: „Und nun, nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott.“
Aus unserer Sicht waren sie es, die es getan hatten. Sie hatten eine feige und sehr gottlose Tat begangen, aus gewinnsüchtigen Motiven und als Ergebnis ihrer Eifersucht. Aber, sagt Josef, nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott. Diese sündigen Handlungen fallen unter Gottes großartigen, ewigen Ratschluss.
Wir sollten genau wissen, was wir sagen. Im Hinblick auf das, was wir bereits über die Heiligkeit Gottes festgestellt haben, müssen wir ohne zu zögern sagen: Das Böse wird in keinster Weise und auch nicht ansatzweise von Gott verursacht. Gott billigt das Böse nicht. Er erlaubt denen, die gottlos handeln, es auszuführen, setzt es dann außer Kraft und gebraucht es für seine eigenen weisen und heiligen Ziele.
Oder falls Ihnen das mehr zusagt, betrachten Sie es folgendermaßen: Derselbe Ratschluss Gottes, welcher das Moralgesetz anordnet, das Sünde verbietet und bestraft, erlaubt auch, dass sie vorkommt. Aber er grenzt sie ein und bestimmt den genauen Spielraum, auf den sie sich beschränkt, und das genaue Ziel, auf das sie hingelenkt werden soll. Und so wendet Gott ihre Konsequenzen zum Guten.
Die Bibel lehrt uns das eindeutig. Hören Sie noch einmal auf den Bericht über Joseph und seine Brüder in 1. Mose 50,20: „Ihr zwar, ihr hattet Böses gegen mich beabsichtigt, Gott aber hatte beabsichtigt, es zum Guten zu wenden, damit er tue, wie es an diesem Tag ist, ein großes Volk am Leben zu erhalten.“
Doch das in vieler Hinsicht beeindruckendste Beispiel ist, so glaube ich, der Verrat Jesu durch Judas. Eine freie und selbstbestimmte Tat und doch ein Teil von Gottes großem, ewigem Ziel und Plan.
Das bringt mich zu meiner dritten allgemeinen Behauptung: Alle Ratschlüsse Gottes sind souverän und bedingungslos. Sie hängen in keiner Weise von menschlichen Handlungen ab. Nichts, was Menschen tun oder unterlassen, bestimmt sie.
Gottes Ratschlüsse sind nicht einmal im Licht dessen festgelegt, von dem er weiß, dass Menschen es tun werden. Sie sind durch absolut nichts bedingt. Sie hängen ausschließlich vom Willen Gottes und seiner eigenen Heiligkeit ab.
Aber ich möchte keinen Zweifel daran lassen: Im Leben gibt es so etwas wie Ursache und Wirkung. Das bedeutet nicht, dass es kein bedingtes Verhalten gibt. In der Natur und im Leben existieren Ursache und Wirkung. Doch diese Lehre besagt, dass jede Ursache, jede Wirkung und jede freie Handlung Teil des göttlichen Ratschlusses sind. Gott hat entschieden, dass dies der Weg ist, den er gehen will.
Er hat beschlossen, dass das Ende, das er ins Auge gefasst hat, sicher und unweigerlich erreicht wird. Nichts kann dies verhindern oder zunichte machen.
Lassen Sie mich nun den Nachweis für all dies liefern. Nehmen Sie die Prophetie Daniels: „Und alle Bewohner der Erde sind wie nichts gerechnet, und nach seinem Willen verfährt er mit dem Heer des Himmels und den Bewohnern der Erde. Und da ist niemand, der seiner Hand wehren oder zu ihm sagen könnte: Was tust du?“ (Daniel 4,32).
Nichts kann der Hand Gottes wehren oder sie auch nur in Frage stellen.
Oder hören Sie, wie unser Herr diese Sache in Matthäus 11,25-26 ausdrückt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart.“
Warum hat Gott diese Dinge vor Weisen und Verständigen verborgen und sie Unmündigen offenbart? Darauf gibt es nur eine Antwort: Denn so war es wohlgefällig vor dir.
Paulus sagt dasselbe: „Der uns vorherbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens“ (Epheser 1,5).
Ich empfehle, die erste Hälfte des ersten Kapitels im Epheserbrief sorgfältig zu untersuchen. Beobachten Sie alles, was dort gesagt wird, und Sie werden erkennen, dass alles, was Gott jemals getan hat, stets nach dem Wohlgefallen seines Willens geschieht – aus keinem anderen Grund. Es ist alles Gnade.
Diese Lehre wird aber am klarsten im neunten Kapitel des Römerbriefs dargelegt, wo großartige und gewaltige Aussagen getroffen werden. Besonders möchte ich an dieser Stelle Vers 11 betonen:
„Denn als die Kinder noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten, damit der nach freier Auswahl gefasste Vorsatz Gottes bestehen bliebe – nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund des Berufenden.“
Paulus argumentiert, dass Gott beschlossen hatte, dass der Ältere dem Jüngeren dienen sollte. Dies geschah, weil Gott schon vor der Geburt gesagt hatte: „Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst“ (Römer 9,13).
Warum liebte Gott Jakob und hasste Esau? War es wegen etwas, das sie taten? Nein. Bevor sie überhaupt geboren oder gezeugt waren, hatte Gott Jakob erwählt und nicht Esau. Dies hatte in keiner Weise etwas mit ihren Taten zu tun. Gottes Vorsatz ist vollkommen souverän.
Hören Sie noch einmal auf Paulus: „Was sollen wir nun sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne!“ (Römer 9,14). Es ist undenkbar, diesen Gedanken auch nur zu hegen.
Denn er sagt zu Mose: „Ich werde begnadigen, wen ich begnadige, und mich erbarmen, wessen ich mich erbarme.“ (Römer 9,15).
So liegt es nun nicht am Wollenden noch am Laufenden, sondern am begnadigenden Gott.
Denn die Schrift sagt zum Pharao: „Eben hierzu habe ich dich erweckt, damit ich meine Macht an dir erzeige und damit mein Name verkündigt werde auf der ganzen Erde.“ (Römer 9,17).
So denn: „Wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er.“ (Römer 9,18).
Lassen Sie mich auf das vierte Prinzip zu sprechen kommen: Gottes Ratschlüsse sind wirksam.
Dies ist eine zwangsläufige Schlussfolgerung. Weil Gott ein souveräner Herr ist und über unbegrenzte Stärke sowie Allmacht verfügt, können seine Vorsätze niemals fehlschlagen.
Was Gott bestimmt und beschließt, muss unfehlbar eintreffen. Nichts kann es verhindern, und nichts kann es vereiteln.
Und das bringt mich zum Fünften. Gottes Ratschlüsse stimmen in allen Aspekten vollkommen mit seiner eigenen, absolut weisen, gütigen und heiligen Natur überein. Ich denke, dass ich das nicht weiter begründen muss.
Mit anderen Worten: Es gibt in Gott keinen Widerspruch. Das kann es nicht geben. Gott ist vollkommen, wie wir gesehen haben, und er ist absolut. Alles, was ich jetzt sage, passt ohne Abstriche zu dem, was wir vorher festgestellt haben.
Wenn ich Sie bereits in der Einführung gewarnt habe, dann deshalb, weil wir auf dieser Erde mit unserem begrenzten und sündhaften Verstand vor einem Problem stehen. Dieses Problem lautet: Warum hat Gott beschlossen, Sünde zuzulassen?
Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: Wir wissen es nicht. Wir wissen, dass Gott beschlossen hat, Sünde zu dulden, denn sonst wäre niemals gesündigt worden. Warum er das jedoch getan hat, wissen wir nicht. Es ist ein unlösbares Problem. Hoffentlich werden wir es verstehen, wenn wir in der Herrlichkeit sind und Gott von Angesicht zu Angesicht sehen.
Über zwei Dinge können wir uns sicher sein, und auf diesen müssen wir jederzeit bestehen. Erstens: Gott ist niemals die Ursache für Sünde. In Habakuk 1,13 heißt es: „Du hast zu reine Augen, um Böses mitansehen zu können.“ Und Jakobus 1,13 schreibt: „Gott kann nicht versucht werden vom Bösen; er selbst aber versucht niemand.“
Zweitens: Der Vorsatz Gottes stimmt in allen Aspekten vollkommen mit der Natur und Art des Handelns seiner Geschöpfe überein. Mit anderen Worten: Obwohl wir es nicht miteinander in Einklang bringen können, gibt es eine letztendliche Versöhnung. Die Ratschlüsse Gottes leugnen nicht die Existenz frei handelnder Personen und freier Handlungen.
Alles, was wir sagen, ist: Obwohl Gott diesen Freiraum gewährt hat, lenkt er die Dinge dennoch so, dass seine endgültigen Ziele zustande kommen.
Aber Sie mögen fragen: Wie bringen Sie diese beiden Dinge in Einklang? Meine Antwort ist: Ich kann es nicht. Ich weiß, dass die Bibel mir beides mitteilt. Der Mensch ist in gewissem Sinn eine frei handelnde Person, andererseits wird alles von Gottes ewigen Ratschlüssen regiert.
Ich muss nun zu meiner letzten Feststellung kommen. Die Errettung von Männern und Frauen, von Engeln und insbesondere von bestimmten unter ihnen, war von Gott vor Grundlegung der Welt beschlossen. Er tut dies gemäß seinem eigenen guten Willen und seiner Gnade.
Ich möchte erneut auf Matthäus 11,25-26 hinweisen. Lesen Sie diese Verse noch einmal durch. In Johannes 6,37 lesen wir: „Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen.“ In Vers 44 sagt unser Herr: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht.“ Und in Apostelgeschichte 13,48 steht: „Und es glaubten so viele, wie zum ewigen Leben verordnet waren.“
In 2. Thessalonicher 2,13 lesen Sie: „Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang an erwählt hat zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit.“
Dann schreibt Paulus in seinem Brief an Timotheus in 2. Timotheus 1,9: „Der hat uns errettet und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben worden ist.“
Doch möchte ich erneut auf die großartige Aussage aus Römer 9,20-23 hinweisen. Während Paulus diese großartige Lehre von Gottes ewigen Ratschlüssen predigt, stellt sich der Apostel jemanden aus der Gemeinde in Rom vor, der die Frage stellt, indem er sagt: „Ich verstehe das nicht, es scheint mir widersprüchlich und unfair zu sein. Wenn das, was Sie mir über Gottes Ratschlüsse sagen, wahr ist, dann scheint es mir, dass Gott ungerecht ist.“
Der Fragesteller fragt also Paulus: „Warum tadelt er noch, denn wer hat seinem Willen widerstanden?“ (Römer 9,19). Die Antwort, die Paulus gibt, lautet: „Ja, freilich, o Mensch, wer bist du, der du das Wort nimmst gegen Gott? Wird etwa der Geformte zu dem Former sagen: ›Warum hast du mich so gemacht?‹ Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse das Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen? Wenn aber Gott, obwohl er seinen Zorn erweisen und seine Macht kundtun wollte, mit vieler Langmut die Gefäße des Zorns ertragen hat, die zum Verderben zubereitet sind, und damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung kundtue, die er zur Herrlichkeit vorher bereitet hat.“
Das ist die schriftgemäßere Antwort des Apostels. Das ist Gottes Antwort an uns und für uns, während wir in dieser vergänglichen Welt leben. Das zu begreifen, ist zu hoch für uns. Wir können die endgültigen Beweggründe des göttlichen Verstandes nicht erfassen.
Es macht keinen Sinn, zu fragen: Warum dies? Warum das? Warum hat Gott den Pharao erweckt? Warum erwählte er Jakob und nicht Esau? Warum bestraft er uns, wenn alle Dinge festgelegt und beschlossen sind? Die Antwort ist: „Ja, freilich, Mensch, wer bist du?“ Du legst dich mit Gottes Verstand an. Du vergisst, wie klein du bist, wie begrenzt, wie sündig als Resultat des Sündenfalls.
Du musst auf das endgültige Verstehen verzichten, bis du in der Herrlichkeit bist. Alles, was du hier zu tun hast, reicht, daran zu glauben, dass Gott alle Zeit in Einklang mit sich selbst ist und zu akzeptieren, dass er uns seine ewigen Ratschlüsse offen und klar dargelegt hat. Das, was er bestimmt und entschieden hat, bevor er die Welt überhaupt erschuf.
Werden Sie sich im Besonderen darüber klar, dass Sie, wenn das der Fall ist, deshalb ein Kind Gottes sind, weil Gott es so bestimmt hat. Was er über Sie bestimmt hat, ist gewiss, zuverlässig und sicher. Nichts und niemand kann Sie jemals aus seiner Hand reißen oder ihn dazu bringen, seine Absichten für Sie zu vergessen.
Die Lehre von Gottes ewigen Ratschlüssen, die er vor Grundlegung der Welt traf, bedeutet: „Er kannte mich, er kannte Sie, und unsere Namen waren in das Lebensbuch des Lammes geschrieben, noch bevor die Welt gemacht wurde.“
Wir wollen uns tief vor seiner Majestät beugen.
Wir wollen uns in seiner heiligen Gegenwart demütigen.
Wir wollen uns der Offenbarung unterwerfen, die er uns durch seine Gnade gegeben hat.
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