Einführung in die Episode und thematische Einordnung
Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 360: Die Syrophenizierin, Teil eins.
Wir haben das Thema Unreinheit nun hinter uns gebracht. Wenn wir weiterlesen, stoßen wir auf eine nichtjüdische Frau mit einem großen Problem.
Zuerst möchte ich darauf aufmerksam machen, dass sowohl Matthäus als auch Markus – und nur diese beiden – von dem vorausgehenden Konflikt mit den Pharisäern und Schriftgelehrten zum Thema „Hände waschen vor dem Essen“ berichten. Beide schließen direkt an diesen Konflikt die Episode mit einer kanaanäischen Frau an.
Wenn ihr euch erinnert, habe ich an anderer Stelle bereits gesagt, dass Erzähltexte in der Bibel oft bewusst aneinandergereiht werden, um Themen zu entfalten. Wenn also dieselbe Geschichte von zwei Autoren direkt nach dem Konflikt mit den Pharisäern und Schriftgelehrten über das Thema Unreinheit erzählt wird, kann das darauf hinweisen, dass hier ein Thema fortgeführt wird.
Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, was die Heilung der Tochter einer syrophenizischen Frau so besonders macht.
Es braucht nicht viel, um zu sehen, dass diese Frau für strenggläubige Juden der Inbegriff von Unreinheit war: eine Frau, eine Heidin und noch dazu so tief in okkulte Dinge verstrickt, dass ihre Tochter von einem bösen Geist besessen ist. Unreiner geht es kaum.
Die Bedeutung der Heilung als Antwort auf Reinheit vor Gott
Und deshalb erlaube ich mir, die Ereignisse um die Heilung der Tochter dieser Frau als Antwort auf die Frage zu verstehen, wie man echte Reinheit vor Gott erlangt.
Wie wir gesehen haben, ist Reinheit nicht eine Frage des Händewaschens oder des Essens. Wenn wir uns aber durch das verunreinigen, was aus unserem Herzen an bösen Gedanken, Worten und Taten herauskommt, stellt sich die Frage: Wie kann ein Mensch dann vor Gott rein werden?
Diese heidnische Frau zeigt uns, worauf es ankommt. Reinheit vor Gott ist eine Frage des Glaubens. Es ist wichtig, dass wir das gut verstehen. Nach meinen Ausführungen zu der Sündenliste Jesu könnte die Idee im Raum stehen, dass Reinheit eine Frage der Heiligung ist. Man könnte denken, wir werden rein im Sinne von angenehm vor Gott, weil wir als Jünger Jesu weniger sündigen und weil wir Sünde ernst nehmen. Das ist falsch, ganz falsch.
So wünschenswert es ist, weniger zu sündigen – wahre Reinheit ist immer eine Frage des Glaubens. Es gibt nur einen, der uns vor Gott reinmachen kann, und das sind nicht wir selbst. Das Problem des Bösen und der Unreinheit in meinem Leben wird nicht durch Hingabe, sondern durch Glauben gelöst.
Die Begegnung Jesu mit der Syrophönizierin in Markus 7,24-26
Von dort brach Jesus auf und ging in das Gebiet von Tyrus. Er trat in ein Haus ein und wollte, dass niemand davon erfuhr. Doch es blieb nicht verborgen.
Sogleich hörte eine Frau von ihm. Sie hatte eine Tochter, die von einem unreinen Geist besessen war. Die Frau kam und fiel Jesus zu Füßen.
Diese Frau war eine Griechin, eine Syrophönizierin von Geburt. Sie bat Jesus, den Dämon aus ihrer Tochter auszutreiben.
Jesus verlässt Israel. Tyrus ist eine phönizische Hafenstadt, etwa fünfundsechzig Kilometer nordwestlich vom See Genezareth entfernt. Jesus wollte allein sein, doch es gelang ihm nicht.
Eine Frau erfährt von ihm. Sie ist eine Syrophönizierin, also eine waschechte Heidin, eine Griechin. Sie hat ein Problem: Ihre Tochter ist besessen. Ihre einzige Idee ist, diesen Rabbi aus Galiläa zu bitten, den Dämon auszutreiben.
Die Darstellung der Szene in Matthäus 15,21-23 und das Schweigen Jesu
Matthäus 15, Verse 21 und 22: Jesus ging von dort weg und zog sich in die Gegenden von Tyrus und Sidon zurück. Da kam eine kanaanäische Frau aus jenem Gebiet. Sie schrie und sprach: „Erbarme dich meiner, Herr, Sohn Davids! Meine Tochter ist schlimm besessen.“
Jetzt wird es ganz interessant, denn in Matthäus 15, Vers 23 lesen wir: „Er aber antwortete ihr kein Wort. Seine Jünger traten hinzu und baten ihn und sprachen: Entlasse sie, denn sie schreit hinter uns her.“
Wenn man das liest, denkt man zuerst: Was für ein Stoffel! Hat Jesus kein Verständnis für die berechtigten Sorgen einer Mutter? Doch Vorsicht! Immer wenn wir solche Gedanken haben, sollten wir uns daran erinnern, dass die Geschichte bewusst so erzählt wird, dass wir uns wundern.
Der Herr Jesus ist kein Stoffel, der eine verzweifelte Mutter arrogant mit Nichtachtung straft. Das ist überhaupt nicht seine Art. Aber warum sagt er dann nichts? Meine Antwort darauf ist: Weil Gottes Schweigen provoziert.
Die Bedeutung des Schweigens Gottes und die Herausforderung an den Glauben
Aber ist das etwas Gutes? Heißt es nicht in Galater 5,26: „Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, indem wir einander herausfordern, einander beneiden“? Das Wort für „herausfordern“ kann man auch mit „provozieren“ übersetzen. Und es ist doch nichts Gutes, wenn man als Aggressor, als Störenfried oder Unruhestifter bekannt ist.
Und doch passiert hier genau das, weil es beim Provozieren um die Motivation geht. Diese ist bei dem Herrn Jesus völlig in Ordnung. Manchmal ist es gut, jemanden aus gutem Grund herauszufordern. Seine Jünger haben damit jedoch definitiv ein Problem, denn sie bitten ihn: „Entlass sie, denn sie schreit hinter uns her.“ Komische Situation, oder?
Da kommt eine Frau, wirft sich vor Jesu Füßen nieder und bittet Jesus darum, ihre Tochter zu retten. Jesus sagt kein Wort, geht womöglich weiter, und die Frau hört nicht auf, hinter ihm und seinen Jüngern herzurufen. Den Jüngern wird es langsam peinlich. Auch deshalb, weil sie sich nicht in Galiläa befinden, sondern im Ausland sind. Eine Ausländerin schreit hinter ihnen her – was denken denn die Leute, die das mitbekommen?
Noch einmal die Frage: Warum sagte Jesus nichts? Meine Antwort ist, weil Gott durch sein Schweigen provoziert. Das Schweigen Gottes fordert uns heraus. Es zwingt uns, eine Entscheidung zu treffen: Will ich Gott versuchen oder will ich ihm vertrauen?
Von Gott etwas zu fordern, ist noch kein Ausdruck von Vertrauen. Deshalb steht in dem Moment, wo Gott schweigt, die Frage vor mir: Will ich Gott versuchen oder will ich ihm vertrauen? Wenn ich ihn nur versuchen will, wenn es mir primär darum geht, etwas für mich zu bekommen und Gott selbst mir eigentlich egal ist, dann werde ich mit dem Schweigen Gottes nicht klarkommen.
Wo Versuchung auf Schweigen trifft, kommt es zum Murren und zum Misstrauen. Aber wo echter Glaube auf Schweigen trifft, da passiert etwas ganz anderes. Da höre ich nicht auf mit dem Schreien. Ich höre nicht auf, weil ich Gott vertraue. Ich höre nicht auf, weil es mir nicht darum geht, ihn zu testen. Ich bin bereits sicher, dass nur er allein mir helfen kann. Also schreie ich weiter, bis er hört.
Ich habe als Glaubender auch kein Problem damit, dass Gott schweigt. Ich weiß, dass Gott eben Gott ist und dass seine Gedanken höher sind als meine eigenen. Ich muss ihn auch nicht verstehen. Gott muss mir nicht beweisen, dass er es gut mit mir meint.
Die Prüfung des Glaubens der Syrophönizierin und Anwendung für das Gebet
Und jetzt verstehen wir vielleicht, warum Jesus nichts sagt. Er möchte wissen, was in der Frau vorgeht und was sie antreibt. Geht es ihr nur um die Not ihrer Tochter, oder steckt mehr dahinter? Hat sie ein tieferes Verständnis davon, wer er ist? Gibt es vielleicht echten Glauben in ihr?
Als Christen sollten wir das nicht vergessen, wenn wir beten. Unsere Reaktion auf Gottes Schweigen zeigt manchmal mehr über die Echtheit unseres Glaubens als unsere Reaktion auf eine schnelle Gebetserhörung.
Was könntest du jetzt tun? Überlege einmal, wie du damit umgehst, wenn Gott schweigt, deine Gebete nicht erfüllt werden oder sich zurückzieht.
Abschluss und Segenswünsche
Das war's für heute. Weißt du, dass es ganz leicht ist, aus einer Podcast-Episode einen Hauskreis zu machen? Probier es einfach mal aus.
Der Herr segne dich. Erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
