Ich möchte für diesen Gottesdienst ein anderes Thema wählen als bei der Konfirmation. Dabei möchte ich anknüpfen an den heutigen Anlass: Viele Menschen sind vom Muttertag erfüllt.
Von Kindheit an wurde uns eingebläut, dass Christen keinen Muttertag feiern sollten. Dahinter steckt sicherlich eine richtige Erkenntnis. In unserer Zeit ist das vierte Gebot so weit aufgeweicht, dass die Ehre gegenüber den Eltern und Alten kaum noch Bedeutung hat.
Der Muttertag kann dann leicht zu einem billigen Alibi werden. Man bringt der Mutter einmal das Frühstück ans Bett, obwohl sie es dort oft viel ungemütlicher isst, als wenn sie es am Tisch einnehmen dürfte.
Uns geht es jedoch nicht um diese oberflächlichen Gesten. Wir wollen den Anlass nutzen, weil heute viele Menschen in unserem Land der Mütter gedenken. Dabei sagen wir: Als Christen haben wir dazu tatsächlich etwas beizusteuern.
Die Bedeutung von Müttern im Glauben
In der Bibel wird viel von Müttern gesprochen. Heute möchte ich von einer gläubigen Mutter lesen. Dabei soll jedoch niemand in unserer Mitte sich so bedrückt fühlen, als liege an der Mutter mehr Verantwortung oder Bedeutung als an demjenigen, der allein oder kinderlos durchs Leben geht. Die Bibel meint das niemals so.
Es geht heute vielmehr darum, dass auch die Mütter wissen, dass sie nicht weniger wert sind als eine berufstätige Frau. Haben Sie gehört, dass sie nicht weniger wert ist als eine berufstätige Frau?
Auch das, was nach außen hin klein erscheint – zum Beispiel die Frage: „Was tue ich dort?“ – kann eine ganz enorm wichtige Glaubensaufgabe im Reich Gottes sein.
Die Geschichte von Jochebed, der Mutter Moses
Zweite Mose 2, Verse 1-10, von Jochebed, der Mutter Moses. Diesen Abschnitt möchte ich mit dem Titel überschreiben: Was eine Mutter vermag.
2. Mose 2, Verse 1-10, Seite 69, am Anfang unserer Bibel:
Und es ging ein Mann vom Hause Levi hin und nahm ein Mädchen aus dem Hause Levi zur Frau. Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Als sie sah, dass es ein schönes Kind war, verbarg sie ihn drei Monate.
Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, machte sie ein Kästchen aus Rohr. Sie verklebte es mit Erdharz und Pech, legte das Kind hinein und setzte das Kästchen in das Schilf am Ufer des Nils.
Seine Schwester aber stand von ferne, um zu sehen, wie es ihm ergehen würde.
Die Tochter des Pharao ging hinab, um im Nil zu baden, und ihre Gespielinnen gingen am Ufer hin und her. Als sie das Kästchen im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen.
Als sie es öffnete, sah sie das Kind, und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sprach: „Es ist eins von den hebräischen Kindlein.“
Die Schwester des Kindes sprach zur Tochter des Pharao: „Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, damit sie das Kindlein stille?“
Die Tochter des Pharao antwortete: „Gehe hin!“
Das Mädchen ging und rief die Mutter des Kindes.
Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: „Nimm das Kindlein mit und stille es mir! Ich will es dir lohnen.“
Die Frau nahm das Kind und stillte es.
Als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharao zurück. Es wurde ihr Sohn, und sie nannte ihn Mose, denn sie sprach: „Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.“
Herr, segne du dieses Wort jetzt an uns! Amen!
Die Realität des Leids und die Macht des Glaubens
Liebe Schwestern und Brüder,
wie furchtbar es in unserer Welt zugeht, erkennt man erst, wenn man in der Bibel liest. Ich meine immer wieder, die ganzen Sensationsberichte unserer Illustrierten und der Fernsehreportagen gehen den Problemen noch gar nicht richtig auf den Grund.
Darum ist auch die Aufarbeitung unserer deutschen Geschichte so wenig tiefsinnig. Da hört man ja oft die Worte: Es gibt nicht das Böse, es gibt nur böse Menschen. Wer nicht aus dem Wort Gottes weiß, wie in dieser Welt gottwidrige Mächte zerstören, der ist naiv und mit seiner ganzen Blitzgescheitheit doch strohdumm. Er geht so unbekümmert in diese Welt hinein und weiß gar nicht, was auf ihn zukommt.
Dieser Pharao hat das Volk Israel in der Knechtschaft gehalten. Die Juden haben sich durch Jahrhunderte hinweg darin wiedergefunden, auch mit den unvorstellbaren Leiden, die ihnen von unseren Vorvätern zugefügt wurden. Sie hatten nirgendwo eine Bleibe. Und wenn einer irgendwo durch seinen Fleiß etwas erreichte, dann hat es die nächste Generation ihm wieder weggenommen und ihn aus der Stadt getrieben – wenn er überhaupt sein Leben retten konnte.
Wir sind heimatlose Fremdlinge in Ägypten. Bis heute lesen die Juden diese Abschnitte mit einer ganz besonderen inneren Bewegung, mit Tränen in den Augen derer, die nicht mehr wiederkamen. Diese leidvolle Geschichte, die von Ägypten an bis heute weitergeht, bewegt sie tief.
Wir sollten gar nicht so klagen. Wir leben heute in einer Zeit, in der uns Gott viel Gutes schenkt – unverdient Gutes, Freiheit. Wir werden noch die Jahre erleben, in denen wir zurückblicken auf diese Freiheit, die nie ein deutsches Volk je in dieser Größe genossen hat, in diesem Wohlstand, in diesem Reichtum. In dieser großen, üppigen Weise von Gerechtigkeit.
Was gibt es doch in der Welt für Leiden! Warum wird das so ungleich verteilt? Wir haben so viel Gutes, und andere haben es so schwer. Nun wollen wir immer anklagen und sagen: Lieber Gott, warum lässt du denn so Schweres in dieser Welt geschehen? Kümmerst du dich nicht darum?
Doch, Gott kümmert sich darum.
Gottes Handeln durch Menschen im Leid
Äußerlich wütet dieser Pharao. Er hat eine ganz grausame Methode der Geburtenkontrolle beschlossen: Alle Jungen, die geboren werden, müssen sofort bei der Geburt getötet werden. Die Frauen kann man noch in den Harems festhalten, aber die Männer müssen umgebracht werden. Das jüdische Volk soll ausgerottet werden.
Furchtbar – das sind doch keine Träume, das sind Dinge, die in der Welt geschehen.
Und wie handelt Gott in diesem unvorstellbaren Leid? Gott kann diese Welt noch nicht zerschlagen. Er kann noch kein Gericht halten über alle Ungerechtigkeit und alles Böse. Der Zorn Gottes ist noch zurückgehalten. Er handelt jetzt durch glaubende Menschen.
Ich möchte, dass Sie heute ahnen, was es bedeutet, wenn ein Mensch des Glaubens sich gegen einen Strom von Unrecht und Leid stellt. Gott bleibt doch nicht untätig, er ringt um uns.
Und wenn in unseren Tagen immer wieder gesagt wird: „Er macht doch etwas, er macht doch etwas“, dann ist Glaube der größte Protest gegen alles Leid und gegen alle Ungerechtigkeit der Welt.
Der Kampf einer gläubigen Mutter
Mein erster Punkt: Der Kampf einer gläubigen Mutter. Was kann diese Jochebed, die Mutter Moses, tun? Sie ist doch wehrlos. Heute sind Christen oft fasziniert von den Mitteln der Welt. Es gibt eine lange Diskussion darüber, ob Christen die Methoden der Welt gutheißen dürfen. Man fragt sich, ob man in bestimmten Konfliktsituationen nicht auch die Waffen dieser Welt benutzen müsse. Vielleicht könnten Befreiungsbewegungen in bestimmten Engpässen nur mit Waffen erfolgreich sein.
Wir wollen beide Seiten betrachten, wo Menschen die Waffen als Heil ansehen. Doch das ist nie der Weg der Bibel. Wir wollen nur nachdenken. Dort ist kein Heil zu finden. Muss Jochebed nicht zum bewaffneten Aufstand aufrufen? Muss sie nicht Kampagnen organisieren, Menschen auf die Straße bringen, damit sie dort ihren Protest laut hinausrufen? Muss sie demonstrieren oder einen Guerillakrieg gegen die Ägypter beginnen?
Christen waren immer unterlegen, wenn sie sich der Methoden der Welt bedienten – immer. Wenn wir zu den Mitteln der Welt greifen, sind wir schwach und wehrlos. Ich möchte Ihnen das jetzt ausführlich darstellen. Wir bräuchten Zeit dafür, aber nachher kommen die Kinder.
Beim Hugenottenaufstand, als die evangelischen Christen wehrlos starben, ihre Knochen gebrochen wurden, als sie auf dem Scheiterhaufen lagen und ihre Lieder sangen, da waren sie stark. Man riss ihnen die Zungen heraus und ließ sie elend umkommen. Doch als sie im Hugenottenaufstand schließlich die Waffen ergriffen, waren sie schwach.
Sagen Sie nicht immer, es sei nichts wert, allein im Glauben zu ringen. Ich will Ihnen heute zeigen: Es gibt nichts Größeres, als allein auf Gott zu bauen. Das ist das Größte, was man tun kann. Manche haben im Dritten Reich erzählt, manche hätten dort geglaubt, die Faust sei ein Mittel gewesen. Nein, das Wort, das gepredigte Wort, war das Größte.
Dort drüben in den Kirchen, in der Johanniskirche, hat mein Vater erzählt, wie sie sonntags mit den Kirchengemeinden redeten und die Sicherung der Kanzel übernehmen mussten, damit der Gottesdienst ungestört abgehalten werden konnte. Dort war die Macht größer als an anderen Orten, zum Beispiel als man am Silberbuckel Lieder für den inhaftierten Bischof Wurm sang.
Sie bedient sich nicht der Mittel der Welt und beschränkt sich nicht auf einen Papierprotest. Was in unseren Augen sofort ins Fernsehen kommt, wenn 30 Leute irgendwo eine Demonstration machen, ist oft nur ein papierner Protest. Wenn sie ein Plakat in einem Parlament entrollen, sind sie vielleicht die Könige der Nachrichten. Aber es bleibt ein papierner Protest, der nichts bewegt. Das steht in den Schlagzeilen der Welt, aber verändert die Welt nicht.
Lassen Sie sich nicht irritieren von dem, was heute groß erscheint. Und sie gibt sich auch nicht einfach geschlagen. Man sagt oft: „Du musst dich damit abfinden.“ Das klingt fromm: „Man muss sich doch damit abfinden, nun ist das eben so.“ Nein! Eine Jochebed, eine Frau des Glaubens, eine Mutter kann sich nicht damit abfinden, dass ihr Kind, das sie geboren hat, stirbt. Da steht das Nein Gottes dagegen, der ein Gott des Lebens ist.
Keine weltlichen Mittel zur Verteidigung, kein Papierprotest – und doch das klare Nein. Sie will sich nicht damit abfinden. Passen Sie bitte auf: Das klingt heute so fromm, wenn man sagt: „Ja, in unserer Zeit kann man eben nicht anders.“ Manche Mütter lassen sich verunsichern, vor allem, weil die Väter noch schneller umkippen als die Mütter und sagen: „In unserer Zeit kann man nicht mehr so streng sein, da kann man nicht mehr von den Kindern dies oder jenes verlangen.“
Haben Sie deshalb mit der Hausandacht kapituliert? Haben Sie deshalb den gemeinsamen Kirchgang aufgegeben, weil Sie hofften, es käme dann doch von hinten wunderbarerweise? Es kommt nicht. Ohne Kampf können Sie nicht bestehen. Das geht nicht. Und Jochebed findet sich nicht damit ab.
Sie sagt auch nicht: „In unserer Zeit muss man sich eben anpassen.“ Wir können uns nicht an eine gottlose Zeit anpassen, egal welches Jahrhundert oder welche Gesetze und Parolen dort gelten. Das, was dieser Pharao ausgibt, kann niemals das Ja eines Glaubens finden. Den Glauben interessiert es gar nicht, ob er durchkommt oder nicht.
Das ist ein Trick, durch den man schnell fällt und umkippt: Wenn einem jemand vorrechnet und sagt, du kannst das nicht durchhalten. Das, was Gott uns aufgetragen hat, kann man nicht durchhalten, weil es unserer Zeit so schroff entgegensteht – auch heute. Wenn eine Mutter ihre Kinder erzieht und ihnen Gottesfurcht ins Herz pflanzen will, wird sie ihre Kinder zur Außenseite machen.
Die Kinder werden weinend aus der Schule kommen und sagen, was man ihnen in der Schule sagt. Wenn sie nicht mitmachen und Widerspruch erheben gegen die Praktiken der Klasse, wenn sie sagen, für uns gibt es heilige Dinge im Leben, die wir nicht zertreten lassen, dann wissen Sie, wie groß heute der Kampf ist, der auch eine Mutter zerbricht.
Da kann sie nicht nachgeben. Im Hebräerbrief steht: „Es ist ein köstlich Ding, wenn das Herz fest wird.“ Es gibt eine wunderbare Sturheit des Glaubens. Lassen Sie die anderen spotten und sagen, das sei fundamentalistisch. Ja, wir wollen ganz fundamental sein, ganz stur, unverrückt, keinen einzigen Schritt weg von den heiligen Ordnungen Gottes.
So wollen wir unsere Familien gründen. Wir wollen es den jungen Leuten sagen, dass das auch so ist. Wir schätzen sogar die leibliche Liebe so hoch ein, dass wir sie mit den Ordnungen der Ehe schützen – kein Tag früher. Wir wollen alles heilig halten und groß nehmen, was Gott uns schenkt, auch das Leben eines Kindes, das geboren wird. Das kann für uns nicht verrechnet werden in Milliarden Menschen, die irgendwo sind.
Ich habe vor ein paar Tagen Anstalten besucht und war ergriffen, was dort die Pfleger tun. Selbst mit Kindern und erwachsenen Menschen, die nicht einmal aufstehen können und nicht einmal einen Löffel mit der Faust greifen können, begegnen sie dem Leben in Ehrfurcht. Das Leben, das Gott in unsere Welt gegeben hat.
In diesen Tagen hat ein Landtagsabgeordneter, Decker aus Böblingen, ganz scharf gesagt: „Ihr Christen braucht nicht zu protestieren gegenüber uns Abgeordneten, dass wir den Paragraphen 218 noch besser schützen sollten.“ Wo ist das Wort der Christen in der Öffentlichkeit bei den Dingen, die heute im Vorfeld unsere Familien zerstören und zu diesen notvollen Zuständen führen?
Hätten die Christen ein klares Wort, unbeugsam und fest, dann wäre es für uns Politiker leicht, auch das ungeborene Leben zu schützen. Er hat Recht. Und diese Haltung, die Jochebed hier lebt, ist ein Protest – aber nicht mit Worten, nicht mit großem Gerede, sondern mit Gehorsam.
Das ist eine Haltung, die wir oft sehen. Sie gebiert ihr Kind, und die jüdischen Mütter taten dies oft ohne Hebamme, denn die Hebammen waren verpflichtet, jede Geburt zu melden, besonders wenn ein Knabe geboren wurde. So geschah es in der Stille. Sie nahmen den Kampf auf und erzogen das Kindlein.
„Ich will durchhalten, auch wenn ich es nicht darf. Ich will nicht einwilligen in diese gottlose Zeit. Ich will Gott treu sein bis zum Letzten.“ Ich könnte viele Beispiele erzählen, etwa von Daniel, der an einer ganz nebensächlichen Sache festhielt: den Speisegeboten des Königs in Persien. „Ich will nicht mitmachen.“
Behalten Sie diese Sturheit! Denn ohne sie kann Gott Sie nie segnen. Erzählen Sie das Ihren Kindern immer wieder. An allen anderen Punkten können wir unseren Kindern so konziliant, geduldig und tolerant begegnen. Wir können mit ihnen auf dem Boden herumtollen und Witze machen.
Aber an der Stelle, wo es um die Ordnungen Gottes geht, wollen wir treu und stur sein. Wir wollen vor den Kindern offen unsere Schwächen erzählen. Wir wollen keinen Heiligenschein um uns haben, aber ihnen sagen, warum wir da treu bleiben und stur dabei sind.
Friedrich von Bodelschwing erzählt eine ganz andere Geschichte von Pfarrerin Delwig, die in wenigen Wochen alle ihre vier Kinder verliert. Er sitzt draußen auf dem Friedhof und zimmert sich eine Bank. Er will nachdenken: „Was sagt mir Gott?“
Das sind Stunden, in denen Mütter verzagen und Väter fragen: „Hat Gott sich nicht vor mir verborgen?“ Es war in dem Monat nach dem Tod der Kinder, als die Anfrage kam, ob er nicht nach Bielefeld gehen und ein kleines Heim für Epileptische übernehmen wolle. Er sagte: „Ja, diese Welt ist so grausam, so dunkel, so unheimlich.“ Er hat es am eigenen Leib erfahren.
„Da muss man mit allen Zeichen die Liebe Gottes predigen. Ich will hingehen und den Kranken die Liebe Gottes spüren lassen, weil sie sie sonst nie fühlen können.“ Das ist Glaubenshaltung: nicht am eigenen Leid stehenbleiben, sondern anderen etwas von der Liebe Gottes zeigen, die im Kreuz Jesu offenbart ist – in der Liebe seines Sohnes.
Wir sollen der Welt diese Liebe kundtun, damit sie jeder spürt. Wir dürfen uns nicht anpassen an die Traurigkeit und die Ordnungen dieser Welt.
Das Loslassen in Gottes Hand
Jetzt das Zweite: Sie legt es in Gottes Hand.
Diese Jochebet hat einen Kampf gefochten. Da wollte man jetzt aufhören und sagen: Sie sind die Glaubenden, die solche tollen Dinge tun. Wir suchen ja immer nach Geschichten. Wenn wir mit Ungläubigen sprechen, dann wollen wir ihnen erzählen, was für tolle Menschen Christen sind. Dass man neidvoll erblassen muss und dass das doch den einen oder anderen, der so kühn Gott lästert, in die Knie zwingt. Aber das können wir nicht.
Die Geschichten des Glaubens sind immer Geschichten der Niederlage. Jochebet fängt das an mit dem Kind. Nach ein paar Monaten kann sie es nicht mehr durchziehen. Das Kind schreit – und wie schreit ein Kind? Die Mutter sitzt vor diesem Bettlein und sagt: Sei doch still! Und sie stürmt den Himmel: Lieber Gott, lass das Kind doch nicht schreien, das hören sie wieder auf der Straße! Und das Kind schreit weiter. Gott erhört scheinbar diese Gebete nicht.
Darum reden wir in unseren Gottesdiensten so viel von den Niederlagen der Glaubenden. Wir erzählen hier keine Halleluja-Geschichten, weil die nämlich gar nicht stimmen. Wo Gott gehandelt hat, war es immer so, dass die Glaubenden mit all ihrem Glaubensmut in eine Sackgasse geraten sind, wo es keinen Schritt mehr weiterging. Sie standen am Nullpunkt, wussten nicht mehr weiter, hatten Tränen in den Augen und waren verzweifelt.
Da kann es manchmal zu einer Kurzschlussreaktion kommen, zu einer Trotzreaktion des Unglaubens, die sichtbar macht, dass wir Gott gar nicht lieber haben als alle Dinge. Wir sagen dann: Lasse ich doch gleich fahren! Hätte ich doch gar nicht den Weg einmal begonnen! Vielleicht höhnt uns der Teufel noch und sagt: Sieh, was du hier begonnen hast, das war nicht von Gott, sonst lässt er dich nicht sitzen.
Doch Gott lässt seine Leute sitzen – und sie sind in sehr guter Gesellschaft. Es ist nicht so, dass die Kinder frommer Familien aufwachsen wie die Orgel pfeift und alle miteinander schön vierstimmig die Chorele singen. Glaubende gehen durch viele, viele Nöte, auch dort, wo Eltern alles bis zum Letzten gegeben haben.
Wissen Sie noch, wie Elija in der Wüste lag? Er hatte alles erfüllt, alles gekämpft, mutig bis zum Letzten. Er stand vor Ahab und der gottlosen Isebel und sagte: Herr, nimm mich weg! Ich bin der größte Versager, ich mache kein Stück mehr weiter, nimm mich heraus! Die großen Glaubenshelden – ein David, gescheitert, und Jesus in Gethsemane ohne Halleluja-Ruf. Auf den Knien liegend, Schweiß auf der Stirn.
Davon wissen Glaubende ein Lied zu singen, das große, bittere Lied. Ich habe Geschäftsleute erlebt, die sagten: Ich will nicht mehr diese dunklen Machenschaften mitmachen. Dann gründeten sie eine Firma und sagten: Jetzt soll nur noch die Achtung vor meinen Arbeitnehmern vornean stehen. Und dann kamen Wirtschaftskrisen, eine Hiobsbotschaft nach der anderen, das dritte Problem kam auf sie zu.
Glaubenswege sind nie leicht zu gehen. Glaubenswege sind schwere Wege, auf denen am Ende keine äußere Stütze mehr bleibt. Das Einzige, was sie haben, ist, dass sie auf den Herrn harren, mit diesem ganz konzentrierten Blick warten: Was kann der Herr jetzt noch tun?
Die Frau hat ja eigentlich einen Bankrott erlebt mit ihrem Plan, und das muss sie eingestehen. Das Kistlein, das sie da baut, war fast sicher in den Händen der Häscher des Pharaos. Und was die mit hebräischen Buben machen, das wusste man. Es war so aussichtslos, sie konnte gar nichts mehr tun.
Was sie hier zusammenbastelt, ist ein Särglein. Noch keine Mutter von Ihnen musste selbst das Särglein basteln für das eigene Kind und es hineinlegen auf den Nil. Das ist das Größte des Glaubens: in der entscheidenden Stille sagen: Lieber Gott, jetzt machst du fertig. Es ist nicht mehr meine Sache, es ist deine Sache.
Ich habe es gewagt, nicht wegen mir. Das Kind habe ich nicht geboren, weil ich es wollte, sondern weil du das Leben gegeben hast. Sie dürfen heute alles so hinpacken: ihre missratene Erziehung, die Kinder, um die sie sich sorgen, und die anderen Nöte ihres Lebens. Und sagen: Herr, es ist ein Trümmerfeld, aber ich lege es einfach dir hin.
Die größte Tat des Glaubens ist, dass man es gar nicht mehr selber machen muss, sondern am Ende aus der Hand gibt und sagt: Ich bin am Ende. Sie sollen heute wieder hören, dass sie es größer nie machen können, als so aus der Hand zu legen und zu sagen: Da, lieber Herr.
Dieser Augenblick, in dem die Mutter sich die Tränen aus den Augen wischt, ist doch ein seliger Augenblick. Sie haben richtig gehört, wenn wir es im Glauben tun können. Es haben ja auch Eltern schon getan, die ein Kind beerdigen mussten – aber nicht zur Bestattung, sondern in die Hände des ewigen Vaters zur himmlischen Heimat. Doch das ist nicht bloß auf das Sterben bezogen.
Ich bin davon überzeugt, dass Gott uns so oft auf Wege führt, wo wir meinen, wir seien ganz am Ende und wüssten nicht mehr weiter. Wo wir am Ende unserer Kraft sind, kann Gott anfangen zu handeln – auch in Ihrem Leben machtvoll handeln.
Und Gott hat es getan auf einem Weg, den man vorher gar nicht abschätzen konnte: dass das Mitleid der Tochter Pharaos gerührt wird und sie ein hebräisches Knäblein leben lässt. Bei Gott ist gar nichts unmöglich. Gott kann Unfassbares tun, so gewaltig und groß ist er. Er tut dies wunderbar, und dieses Kind wird errettet.
Die fortwährende Not und Gottes Führung
Und jetzt möchte ich die Geschichte noch nicht abschließen. Es wäre mir noch zu viel Unnatürliches darin, zu viel Halleluja von wenig bewährter Lebenserfahrung. Ein dritter Teil muss jetzt doch noch folgen, und die Not bleibt bestehen.
Denn das, was sich löst, ist für die Mutter keine Befreiung. Sie darf das Kindlein stillen – es waren noch einmal wunderbare Monate und Jahre. Doch dann muss sie es wieder abgeben. Wie schwer wird ihr das fallen, ein Kind in diese Welt Ägyptens hineinzugeben, wo solche Gottlosigkeit herrscht?
Diese Gottlosigkeit wird auch den Mose prägen. Richtig, er wurde später ein Mann, der sich der Mittel dieser Welt bediente. Er hat ja zu der Faust gegriffen und einen Ägypter totgeschlagen. Er wusste nicht, welches Gottesrecht über seinem Leben steht.
Manchmal ist uns das noch viel bitterer, wenn wir noch gar nicht sehen können, wie Gottes Wege hinauslaufen auf ihr glückliches Ende hin. Wir können so weit gar nicht sehen, und es erfordert viel Vertrauen in die Wege Gottes. Doch auch dort sind die Gebete einer Mutter nicht verloren.
Die Tochter Pharaos sagt: „Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.“ Ach, nachher heißt es: „Ich habe meinen Sohn aus Ägypten gezogen“, das sagt Gott. Er macht da immer noch seine eigene Geschichte.
Wie gut ist es, dass wir im letzten Ende noch die Statisten sind, obwohl auf diesen Glaubensprotester Jochebe so viel ankam. Am Ende war es Gottes Sache, das allein zu Ende zu führen – so siegreich, so gewaltig. Was für einen Mose hat er sich geholt, wie hat er ihn zur Erkenntnis Gottes geführt!
Ich bin davon überzeugt, dass Gott auch bei Ihnen in Ihren Nöten seine Lebensgeschichte schreibt. Glauben ist ein Kampf, aber Glauben ist auch ein Ruhen, Nicken, Zappeln.
„Wir, die wir glauben, gehen ein zur Ruhe“, heißt es in Hebräer 4. Oder ich übersetze so gern das andere Wort aus dem Psalm: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn“ – ein bisschen anders und sogar nach dem hebräischen Urtext noch genauer: „Kommandiere die Wege deines Lebens ihm und ruhe im Vertrauen auf ihn.“
Dann lasse ich seine Sache sein. Dann will ich nicht mehr zappeln und auch nicht mehr mit einem geängstigten Herzen Sorgen tragen, sondern dann will ich sagen: „Herr, ich kann sowieso nicht mehr steuern, jetzt ist deine Sache.“
Größere Siege Gottes sind in unserer Welt nie errungen. Wer es billiger will, wer heute billiger protestiert, der wird bald müde werden, der wird bald erliegen und muss mit den Wölfen heulen.
Durchhalten kann nur der, der über jeden Schritt seines Lebens sagen kann: „Dein Wille geschehe, wie du es auch zu Ende führst.“ Es werden Wege sein, auf denen ich nur danken und staunen kann.
„Über dich, der Herr gedachte an seinen Bund“, heißt es später. Da steht über uns, dass Gott Gedanken des Friedens und nicht des Leides hat. Das ist kein Wabenspiel, wo man sagen kann: „Geht es so aus oder anders aus?“ Gott geht den Weg des Friedens mit ihnen. Sie brauchen nur zu glauben.
Und dürfen das drüberschreiben und sagen: „Herr, in deine Hand lege ich alles, weil ich am Ende bin.“ Was eine glaubende Mutter vermag! Ja, jetzt müssen Sie erst noch wissen, was Ihr Glaube vermag.
Sie könnten noch ganz anders wirken, wenn Sie fest, stur und unbeweglich am Wort des Herrn bleiben. Amen.