Das Geheimnis der Verstockung und die Vollzahl der Heiden
Nun lesen wir weiter ab Vers 25:
Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet. Die Verstockung, die einen Teil Israels getroffen hat, dauert so lange, bis die volle Zahl der Heiden zum Heil gelangt ist.
Wenn ich das lese, bekomme ich Herzklopfen. Sind sie dabei? Wenn das bei Gott gezählt ist, sind sie dabei. Nicht dass ihr sagt, das ist nicht so genau, dass bei Gott ein Plan, der Zahl erfüllt ist, seine Endgeschichte beginnen kann.
Dann wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: Aus Zion wird der Erlöser kommen, der alle Gottlosigkeit von Jakob abwenden wird. Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.
Weil sie das Evangelium ablehnen, sind sie Feinde Gottes. Und das ist um eures Willen, sonst hätten wir das Evangelium gar nicht bekommen. Deshalb ist es umso mächtiger in die Heidenwelt gegangen.
Aber weil Gott sie erwählt hat, sind sie von ihm geliebt um der Väter willen, denn Gottes Gaben und seine Berufung sind unwiderruflich.
Wir haben vor ein paar Jahren mal eine ganze Predigt nur über diesen Vers gehalten. Das ist so ein Angelpunkt des Glaubens und der Glaubensgewissheit – nur dieser Vers: "Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen." Daran kann man sich in den Anfechtungen festhalten.
Wie ihr einst Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt durch ihren Ungehorsam, so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden um der Barmherzigkeit willen, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. Denn Gott hat alle ins Gefängnis des Ungehorsams eingesperrt, um sich aller zu erbarmen.
O, welch eine Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege!
Denn wer hat den Geist des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas gegeben, sodass Gott ihm vergelten müsste?
Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen.
Herr, wenn wir nichts verstehen, dann kannst du dennoch mit deinem Geist uns das Wichtig machen, was wir verstehen müssen – jetzt. Amen.
Die Bedeutung des Erntedankfestes in der heutigen Zeit
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn wir ein Dankfest feiern, mag es heute so sein, dass nur wenige um uns herum mitfühlen können. Warum? Erntedankfest – bei uns kommt das Essen aus der Kantine, das brauchen wir nicht.
Aber ich nehme an, Sie sind in den zurückliegenden Monaten oft nachdenklich, staunend und fröhlich irgendwo an einem Urlaubstag stehen geblieben. Vielleicht im Blick auf die überwältigende Fülle der Schönheiten, die Gott unbegrenzt ausstreut. Oder Sie haben nur ein ganz kleines Bild eines Blumenbeetes gesehen mit der durchdringenden Farbenpracht, die einem dort entgegentritt.
Ein Weizenfeld, das man vor der Ernte sieht, oder wie wir es in Pura am Luganer See erlebt haben, wo wir mitten in den Weinbergen waren. Wenn man diese großen Trauben dort hängen sieht, versteht man so wenig von der Natur. Man möchte heute, im zwanzigsten Jahrhundert, wieder anfangen und sagen: „Ich möchte das, was an Schönheit mir da entgegentritt, neu lernen.“
Und immer wieder sagen mir Leute: „Das ist bis heute so geblieben. Haben Sie auch Freude an der Natur? Ich gehe auch so gern in den Wald. Das ist meine Kirche, da begegne ich Gott.“ Neulich hörte ich jemanden, der sagte ganz nett: „Wenn Sie dort Gott begegnen würden, dann würden Sie gar nicht mehr leben. Denn wenn Sie Gott begegnen, werden Sie als ein sündiger Mensch vernichtet, zusammengeschlagen. Kein Mensch mit seinen Fehlern kann Gott begegnen.“
Wir begegnen nicht Gott, sondern wir begegnen den Werken seiner Schöpfung. Und das ist ein Unterschied. Ein Flugzeug ist etwas anderes als die Konstrukteure, die es gemacht haben. Das ist nicht dasselbe. Wir sehen die Natur, und mir liegt heute sehr viel daran, gerade in einer Zeit, in der sich viele wieder nach dem Schönen der Natur sehnen, dass wir genau wissen, was wir als Christen von der Natur sagen.
Es sind Werke der Schöpfung Gottes, und es geht nicht an, dass wir die Natur ideologisieren. Als ob es jene heile Welt wäre, in die wir uns nur zurückziehen müssten und dann alle Probleme unseres irdischen Daseins los wären. Das stimmt doch gar nicht! Diese Natur ist eine leidende Natur. Es gab und gibt auch noch nie jenes wunderbare biologische Gleichgewicht. Das hat es noch nie gegeben.
Stattdessen gibt es einen furchtbaren Kampf der Insekten und Tiere gegeneinander und der Zerstörung durch Krankheiten. Ein Unkraut will das andere niederringen. Wir hatten ja gerade in diesem Predigttext etwas Unheimliches: dass man an einer Pflanze mit dem Messer herumschnippelt. Das ist gar nicht schön, da blutet einem das Herz.
Das muss in der Natur so sein, denn in der Natur ist Züchtung nötig. Man muss den Gefahren wehren. Sie, die Sie dieses Jahr einen Garten hatten, wissen, was das für eine Plage war. Was haben Sie gehackt und hochgebunden? Und dann kam wieder etwas, sodass am Ende keine Frucht da war – die Schnecken in diesem Jahr und was man alles erzählen kann.
Die Natur ist eine sehr leidende Welt, die sehr wohl Arbeit und Mühe braucht. Das brauchen wir am Erntedankfest nicht zu verschweigen, das gehört ja mit dazu: dass wir Verantwortung tragen und als Menschen von Gott eingesetzt sind, die Natur recht zu behandeln, recht zu pflegen und recht zu betreuen – in der Verantwortung vor ihm.
Die Schöpfung als Bild für unser Leben und die Erwartung von Frucht
Und darum möchte ich das jetzt einfach aufgreifen. Wir wollen nicht nur in der Freude an den Pflanzen stehenbleiben, sondern erkennen, dass in der Bibel die Schöpfung – besonders die Pflanzen – oft ein Bild für unser Leben sind.
An dieser Stelle gibt es einen Vergleichspunkt zwischen den Pflanzen und uns: Gott erwartet von uns Frucht. Es wäre zu wenig, nach Hause zu gehen und zu sagen: „Gut war das dieses Jahr, wir konnten wieder eine Ernte einbringen.“ Gott fragt vielmehr: „Was ist mit deiner Ernte? Wozu habe ich dich eingesetzt?“
Was ist die Frucht unseres Lebens, und was kommt dabei heraus? Über dieses Thema möchte ich gerne schreiben.
Unser Leben gleicht einem nutzlosen Wildwuchs
Das Erste
Unser Leben gleicht einem nutzlosen Wildwuchs. Jetzt habe ich Sie aber fast gekränkt. Wenn wir uns jedoch einmal selbst prüfen und fragen, was mein Leben ist, dann ist unser Leben vielleicht eher vergleichbar mit einer großen, schönen, majestätischen Schwarzwaldtanne oder einer echten deutschen Eiche. Tief verwurzelt steht sie da. Wir sind doch Persönlichkeiten mit einer weiten Ausstrahlung und stellen etwas dar.
Das Bild, das Paulus hier verwendet, ist erschütternd und ernüchternd. Unser Leben gleicht einem Wildwuchs, einem wilden Olearius, einem wilden Ölbaum, der keine Früchte trägt. Das ist das Leben, das nur für sich dahinlebt, wo man sich freut: Hauptsache mein Zweig grünt. Aber für Gott kommt nichts dabei heraus.
Nun wird dieser Wildwuchs genommen und in den Stamm eines alten, wertvollen, kostbaren Ölbaums eingepfropft. Wenn jetzt Baumzüchter unter uns sind, müssen sie eigentlich mit ganzer Leidenschaft protestieren. Es hat immer wieder Bibelleser an dieser Stelle gereizt zu sagen, man sieht, die Theologen verstehen nichts von der Landwirtschaft. Und Paulus war vielleicht Rabbiner und Apostel, aber vom Baumzüchten versteht er nichts. Niemand wird einen wilden Reis in einen guten Ölbaum einpflanzen. Umgekehrt macht man das doch. Man nimmt einen wilden Baum und pfropft einen guten Zweig darauf.
Ich habe extra noch mit einem großen württembergischen Baumzüchter telefoniert und mich informiert. Genau das ist die einzige Methode der Veredlung. Wenn Sie noch alte Bücher von Ihrer Oma haben, zum Beispiel das schöne Buch von Ludwig Schneller vom Heiligen Land, dann werden Sie darin lesen, dass er, der Schwabe, der dort unten war mit dem syrischen Waisenhaus, in seinen sehr zuverlässigen Reiseberichten niederschreibt, dass er sehr häufig dieses umgekehrte Verfahren bei den Südländern angetroffen hat. Vielleicht hat Paulus doch ein bisschen mehr von der Landwirtschaft verstanden.
Darf ich kurz erklären: Ein Ölbaum – wer schon im Garten Gethsemane war, kennt ja diese knorrigen Baumrinden, die man einem zeigt und von denen die Führer erzählen, sie seien zweitausend Jahre alt. Das macht man natürlich um des Tourismus willen. Das dürfte nicht ganz stimmen, aber die Touristen glauben es ja immer gerne. Es stimmt jedoch, dass Ölbäume manche hundert Jahre alt werden können und darum so knorrig und verwachsen sind. Solche Baumrinden sieht man bei uns überhaupt nicht.
Ein Ölbaum hat seinen ersten richtigen Ertrag eigentlich erst nach vierzig Jahren. So lange braucht er. Wenn er nun einige hundert Jahre wächst, kann es vorkommen, dass das Holz müde wird. Dann macht man Folgendes – und jetzt erinnern sich Baumzüchter: Das gibt es tatsächlich. Zur Verjüngung pflanzt man für eine Zwischenzeit in einen guten Ölbaum, der nur etwas müde geworden war durch die viele Frucht, einen wilden Schössling dazwischen. Weil der natürlich keine Früchte bringt, wird er nachher wieder abgeschnitten und wieder edles Reis daraufgepfropft. Er hat nur für eine Zwischenzeit eine Aufgabe.
Daran macht Paulus deutlich: Das ist doch unsere Situation. So sind wir Heidenvölker eingepflanzt worden ins Volk Israel. Weil damals Jesus verworfen wurde, hat Gott diese Reben, diese Zweige ausgebrochen und die Heidenvölker eingepfropft in seine alte Heilsgeschichte.
Ich habe den Eindruck, dass wir manchmal in unserem Glaubensleben nicht bewusst sind, dass es eine Verbundenheit über die Jahrhunderte gibt mit den Vätern des Glaubens. Und die können wir nur lernen, wenn wir die Bibel lesen. Wir stehen in einer Tradition als Volk Gottes mit den Vätern, die uns vorangegangen sind. Das, was ein David einst gelebt hat in seinem Mut, als er dem Goliath entgegenzog – das ist etwas für unsere jungen Leute. Das ist dein Vorbild. Du stehst in der Nachfolge dieses David.
Oder ein Daniel, der so unbeugsam war, als er am babylonischen Hof dieses hohe Amt bekam – dies ist ein Mann, in dessen Spuren du hineintreten sollst. Wir sind eingepflanzt in das traditionsreiche Erbe Israels, und das ist kein Bruch zwischen Altem und Neuem Testament. Das schließt sich nahtlos an, weil das die Geschichte des Glaubens ist.
Man möchte nur bitten: Schließ dich an, lebe doch diese traditionsreiche Geschichte aus dem Stamm, der noch voll Saft und gesund ist. Aus diesen Verheißungen Gottes, die dem alten Bund gegeben waren, darfst du heute leben. Da kannst du deine Krisen bestehen. Du darfst dich trösten mit den Prophetenworten des Jeremia und dich erquicken lassen von den Worten Jesajas. Das ist für dich geredet und für dich gesprochen. Du stehst gar nicht vereinzelt da.
Es ist bewegend, wie Gott hineinpfropft in diesen Baum, in diesen Stamm, die verschiedenen Nationen und Völker der Erde. Sie kommen aus allen Richtungen, damit für Gott die Pflanze wachsen kann und eine große Ernte eingebracht wird.
Das war das Erste: Wir sind nur ein unnützer Wildwuchs, aber hoffentlich sind Sie eingepfropft in die große Gottesgeschichte seines Volkes.
Dann kann ich weitermachen mit dem zweiten Punkt: Eingepfropft – was nun? Eingepfropft – was nun?
Eingepfropft – was nun?
Der Zweig erhält den Saft, und der Wurzelstock mit seinen tiefen Wurzeln holt selbst an heißen Tagen das Wasser aus der Tiefe und lässt es in die Zweige fließen, die eingepfropft sind. Doch nun geschieht etwas Schlimmes. Diese eingepfropften Wildzweige – und das wissen die Baumzüchter – leben häufig sehr vergnügt. Sie wachsen wie wild, wie nie zuvor, weil sie so einen gesunden Wurzelstock noch nie hatten. Sie tragen Blätter über Blätter, das Laub wird immer dichter, der Ast immer größer und mächtiger. Aber es trägt keine Frucht.
Was Paulus hier schreibt, ist ein prophetisches Wort, vor dem wir uns als Christenvölker tief schämen müssen. Was hat Gott uns Deutschen ganz besonders geschenkt? Wie hat er uns in seine alten Verheißungen aufgenommen, und was ist daraus an Frucht entstanden? Wir brauchen nicht einmal nur die belastete Geschichte zwischen Deutschen und Juden zu betrachten.
In keiner judenchristlichen Gemeinde in Israel hängt ein Kreuz, weil das Kreuz ihnen durch die Christen so unheimlich abstoßend gemacht wurde. Sie predigen über das Kreuz Jesu, der für unsere Sünden gestorben ist, aber sie sagen, dass sie so viel von den Christen erlebt haben. Paulus spricht in diesen Versen erschütternd: „Rühme dich nicht über den Stamm!“ War es möglich, dass es über Jahrhunderte hinweg immer wieder unter Christen Tendenzen gab, sich über das Judentum zu erheben und verächtlich über das Alte Testament zu sprechen, als sei es längst überholt?
Es gibt nichts Aktuelleres, als in dieses Reden Gottes hineingewurzelt zu sein – auch heute noch. Rühme dich nicht! Weißt du, woher du deinen Saft bekommst? Die christliche Gemeinde würde in dem Moment sofort absterben, wenn sie von diesem ganzen Segen Gottes abgeschnitten wäre. Das ist der Kernpunkt.
Am liebsten würde ich an dieser Stelle aus den Schriften eines geheiligten Bibelauslegers wie Adolf Schlatter vorlesen, der in der Zeit vor dem Dritten Reich sagte, dass dies der Testfall der Christen werden wird: dass sie sich nicht ein Stückchen vom Judentum trennen lassen, auch wenn wir dem Judentum Christus als den Messias bezeugen müssen. Wir gehören unlösbar zusammen – ohne Überheblichkeit und Verachtung.
Warum rühmst du dich? Die Wurzel trägt dich. Wer bist du eigentlich? Staune über die Güte Gottes, die so groß war – auch im Leben Davids, wo Gott die Sünde zugedeckt hat und diesen Hirtenjungen gebraucht hat, um sein Volk zu segnen. Wie Gott Salomo erhob und ihm ein neues Herz gab. Sieh die Güte Gottes! Du bist beschenkt von der Größe Gottes. Nicht das, was du selbst bist oder mitbringst, ist das Große, sondern das, was Gott dir schenkt.
Wenn man diesen Abschnitt noch einmal liest, muss man sagen: Er kann ein Ja auf den Boden werfen. Da steht etwas vom heiligen Gott, einem heiligen Gott, der die Sünden in seiner Gemeinde nicht durchgehen lässt. Der Israel um des Unglaubens willen ausgebrochen hat. Der damals in Philippi die Frau mit der schönen Purpur-Boutique, Lydia, annahm, weil sie glaubte. Der Gefängnisbeamte war keine besondere Person. Sieh die Güte Gottes in deinem Leben!
Was ist der Ruhm der Christenheit, die sich brüstet, als wären sie die Lehrmeister Gottes? Was ist es, das du nicht empfangen hast? Der heilige Gott sagt uns heute am Erntedankfest: Er lässt es nicht durchgehen! Um des Unglaubens willen sind diese Zweige ausgebrochen. Du stehst nur im Glauben, wenn du es im Glauben annimmst. Um des Unglaubens willen wirst du ausgebrochen, genauso.
Aber dann steht auch noch das andere da: das ungeheure Erbarmen. Der ganze Abschnitt atmet die Heiligkeit Gottes und das Erbarmen Gottes – beides findet sich hier. Das ist das Thema, das sich durch die ganze Bibel zieht: die Heiligkeit Gottes von den ersten bis zu den letzten Blättern. Wer etwas von diesem Buch wegnimmt, dessen Anrecht auf das ewige Leben wird ebenfalls weggenommen.
Und genauso zieht sich das Erbarmen Gottes durch die ganze Schrift: von den ersten Menschen, von Noah, der Gnade vor dem Herrn fand. Du darfst Gnade finden vor Gott! Du darfst dich einpfropfen lassen in die Traditionsgeschichte Gottes und seine Segensgeschichte aus Glauben!
Darum lesen wir das ja auch, weil wir das Lutherjubiläum feiern. Dann versteht man, warum Luther in der Kirche so viel kritisieren konnte. Er sagte: „Nur aus Glauben! Was nicht aus dem Glauben geht, ist Sünde.“ Das war ein apostolisches Wort, das bis heute Geltung hat. Gottes Gnade will heute unser Leben erneuern.
Am Erntedankfest sollen unsere Werke von Gott geprägt sein. Mach in mir deinen Geisterraum, damit ich dir wert bin, ein guter Baum zu sein. Lass mich Wurzeln treiben! Gottes Güte wird uns heute noch einmal angeboten – zur Umkehr, zur Erneuerung und zum Fruchtbringen.
Was bist du ohne Wildwuchs? Eingewurzelt in die Gemeinde Gottes bist du ein Glied der großen, heiligen Gemeinde Gottes. Du gehörst dazu, und Gottes Gnade wartet nun auf Frucht bei dir. Eingepfropft war es nun – das war der zweite Teil.
Nehmen Sie die Frage mit: Die Ernte reift, die Ernte reift.
Hoffnung und Zuversicht trotz der Herausforderungen der Welt
Werfen wir zuerst einen Blick auf unsere Welt. Heute wird man oft getäuscht, wenn man sich die Weltgeschichte vor Augen hält und sieht, welche Nöte und Gefahren vor uns liegen. Ich kann auch nachvollziehen, dass viele junge Menschen angesichts dieser vielen Gefahrenzustände hysterisch reagieren und sie kaum noch bewältigen können. Vielleicht haben wir sie auch zu sehr problemorientiert erzogen.
Heute sprechen wir immer wieder von Problemen und Nöten. Selbst der Religionsunterricht behandelt kaum noch biblische Geschichten, sondern konzentriert sich fast ausschließlich auf Probleme. Welcher junge Mensch kann all diese Probleme noch bewältigen? Sie sind einfach zu groß. Und dann steht er mit seiner kleinen Kraft ohnmächtig davor und fragt sich: Wie kann ich das alles lösen?
Ich meine, es hilft, wenn man ein wenig in der Bibel liest. Denn die Bibel zeigt uns nicht nur Probleme, sondern auch, dass Gott trotz einer wirren und bösen Weltgeschichte einen Heilsplan verfolgt. Das ist tröstlich und macht mich immer wieder ruhig und still. Die Menschen wüten, die Tyrannen toben, aber Gott nimmt all das und benutzt es zum Aufbau seiner Geschichte. Das steht hier zum Beispiel, wenn Sie heute die Nachrichten aus Nahost verfolgen.
Sicherlich steckt viel menschliches Eigeninteresse hinter dem, was die Mächtigen dieser Welt dort tun. Doch Gott wird auch die Fehlentscheidungen dieser Herren brechen, um mit Israel seinen Plan zu vollenden. Das ist für Bibelleser immer wieder atemberaubend, wenn sie die Propheten lesen. Zum Beispiel in Jeremia 31 oder Ezechiel 38 wird vom Volk gesprochen, das von allen Inseln zerstreut ist. Es wird zurückgebracht in ein Land, das aus unbewaldeten Bergen entsteht und wieder grün wird von Bäumen, ein Land, das wieder bewohnbar gemacht wird, während Israel zurückströmt.
Doch das ist noch nicht alles. Das Spannende ist, dass Israel Jesus, den Messias, erkennen wird, wenn die Vollzahl der Heiden eingegangen ist. Etwas Ähnliches hat Jesus in Lukas 21 in seiner Endrede gesagt: Jerusalem werde zertreten, bis die Heidenzeit erfüllt sei. Was ist die Heidenzeit? Das ist die Zeit, die die Heiden für die Mission haben, damit das Evangelium zu ihnen gebracht wird.
Es gibt also eine letzte Missionszeit. Deshalb bemühen wir uns, dem Willen Gottes gerecht zu werden und mitzuhelfen, dass die Vollzahl der Heidenvölker eingebracht wird. Wir wünschen uns, dass unsere Kinder, unsere Verwandten und Freunde Teil dieser Vollzahl sind und keiner fehlt. Gott hat eine bestimmte Zahl. Wir wissen nicht, wie groß sie ist, aber bei Gott gibt es eine Zahl, und dann kann er seine Wiederkunft einleiten. Dann wird Israel Jesus erkennen.
Die Vollzahl der Heiden steht im Vers 25. Im Vers 24 steht, dass Gott die Zwischenwildwuchszweige aus dem Ölbaum herausbrechen wird. Christen haben guten Grund, sehr sorgsam in die Zukunft zu schauen. Herr, lass mich nicht ausgebrochen werden. Lass unsere Gemeinde und unsere Kirche nicht ausgebrochen werden. Ich möchte durch Glauben in diesen Wurzelstock eingepfropft sein. Nichts anderes zählt, das bewahrt mich.
Die Bedeutung der Bibel und der biblischen Endzeit für Christen heute
Und ich möchte an dieser Stelle, weil ich es schon einmal getan habe und vielleicht ist es manchen nicht mehr gegenwärtig, noch einmal ein Wort von David Flusser lesen. Er war Professor an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Flusser wendet sich an die Christen und sagt: Mit eurer Bibelkritik betreibt ihr eine Zerstörung der Bibel. Und zwar mit Mitteln, die mit Wissenschaft sehr oft nur die äußere Form gemeinsam haben.
Er kritisiert, dass die Christen schon lange die Verbindung zum großen Wirken Gottes verloren hätten. Da ihr an Fakten nicht glaubt und euch als Intellektuelle noch brüstet, müsst ihr eine Art von Vorhang vor das Geschehen mit und um Jesus ziehen. Ihr Theologen entfernt die Leute vom Glauben, nach dem sie dürsten.
Ihr aber habt den Glauben verloren und treibt offensichtlichen Betrug. Ihr wisst selber nicht, dass das ein Verbrechen ist. Es ist unbedingt nötig, dass die Christen langsam unter der Leitung von vernünftigen Hirten das Neue und das Alte Testament lesen.
Es ist heute notwendig, sich mit den biblischen Aussagen über die Endzeit zu befassen. Die Juden tun es, und die Christen sollten es umso mehr tun, wenn sie ihrer Erwählung nicht verlustig gehen wollen.
David Flusser fährt dann fort und sagt: „Wir Juden haben die Verheißung, dass wir am Ende wieder eingepfropft werden in den Baum, auch nach dem Neuen Testament, während die Christen nur die Warnung haben, dass Gott sie ausbrechen kann. Für unsere Zukunft ist gesorgt.“
Diesem Erntedankfest sollte uns das Gleichnis vom Ölbaum erschüttern und erschrecken. Nein, es sollte uns ermutigen: Nimm doch von diesen großen Säften, lass sie in dein Leben strömen. Das sind doch alles Bilder, die Jesus in dem Gleichnis vom Weinstock ganz ähnlich gesagt hat – dass er in uns wirken will.
Es wäre mir immer leid, wenn sie jetzt von diesem Gottesdienst betrübt nach Hause gehen und sagen: „Ich habe so viel gemerkt, was bei mir nicht stimmt.“ Wenn sich das doch auf eins konzentriert: Ich will ihn haben. Jesus, den Sohn Gottes, der in meinem Leben wirken will, der bei mir ist, der mich segnet, der mein Leben groß macht und zum Dienst benutzt und gebraucht. Wenn nur etwas herauskommt für ihn, dass es fruchtbar wird.
Und was ist das? So ein Zweiglein wird hineingepflanzt, ein unnützer Wildwuchs, und dann darf er jene kostbaren Oliven hervorbringen. Ich darf das Bild weiter ausdeuten: Es war die kostbarste Wundsalbe, die man im Altertum kannte – ein Heilmittel ohne Gleichen. Das darf mein Leben sein – bloß Verbindung haben im Glauben, verbunden, ganz fest verbunden.
Glauben, ja, dazu sagen: Herr, dir will ich gehören. Welch eine große, ermutigende Zusage ist das heute für uns!
Dann schließt Paulus das Ganze ab: „Oh, welch eine Tiefe des Reichtums, das kann man nicht ergründen, aber man kann staunen.“ Herr, dass du aus meinem Leben so große Dinge machen kannst – ich kann nur staunen, dass du solche Pläne mit uns hast. Es ist wunderbar.
Was hat Gott schon gewirkt? Es waren nicht bloß lauter vergebliche Triebe, die eingepfropft waren. Was hat Gott schon gewirkt, und was kann Gott aus unserem Leben noch tun? Amen.
