Missverständnisse über den geistlichen Kampf
Es freut mich immer, wenn man auf Predigten angesprochen wird. Ich bin froh, wenn ich ein Missverständnis ausräumen kann, zu dem das Lied natürlich auch einiges hergeben könnte.
„Fort streiten wir in deiner Hut, wohl gilt es zu streiten immerzu“ – damit ist nicht gemeint, dass man mit seiner Frau einen Krach anfangen soll. Das Missverständnis entstand, weil manche dachten, wir wären dafür, Kriege zu führen.
Der Streit, den Sie führen müssen, betrifft noch viel mehr als nur die Auseinandersetzungen mit Familienangehörigen. Zuerst müssen Sie ihn mit sich selbst führen. Danach geht er weit über Ihre Person hinaus.
Sie merken, dass Unglauben, Verzagtheit, Lüge und Sünde in dieser Welt vorhanden sind. Es gibt falsche Kompromissbereitschaft, und dagegen gilt es tatsächlich, einen Krieg zu führen.
Die Geschichte Deborahs und die Richterzeit
Wir haben heute Deborah, eine Frau, die ihr Volk rettet. Ich lese das ganze Kapitel aus Richter 4. Das ist zwar ein Stück lang, aber es ist für mich schon eine Überwindung, dass ich nicht auch das fünfte Kapitel mitlese. Das müssen Sie zuhause nachlesen. Es ist das Siegeslied der Deborah, eines der größten Lieder der Weltliteratur, wie Fachleute sagen.
Wir sind jetzt in der Richterzeit. Das Volk Israel hat das Land besiedelt, aber nur einen Teil. Im Land leben noch Stadtstaaten, Königtümer und die Kanaaniter, die das Volk Israel unterdrücken – also bevor es Könige in Israel gab.
Die Kinder Israel taten wieder, was dem Herrn missfiel, nachdem Ehud gestorben war. Ehud war ein Richter gewesen. Der Herr verkaufte sie in die Hand Jabins, des Königs von Kanaan. Das war so ein Stadtkönigtum, das zu Chatzor herrschte. Wenn man heute eine Israelreise macht, kommt man an Chatzor vorbei, das ist eine große Ausgrabung.
Sein Feldhauptmann war Sisera. Er wohnte in Haroschet der Heiden. Die Kinder Israel schrien zum Herrn, denn Jabin hatte neunhundert eiserne Wagen und unterdrückte die Kinder Israel mit Gewalt zwanzig Jahre.
Zu der Zeit war Richterin in Israel die Prophetin Deborah, die Frau Lapidots. Es stimmt also gar nicht, dass die Bibel schlecht von Frauen denkt. Sie erreichen schon in der Frühzeit des Alten Testaments die höchsten Ämter.
Deborah hatte ihren Sitz unter der Palme der Boras, zwischen Rama und Bethel auf dem Gebirge Ephraim. Die Kinder Israel kamen zu ihr hinauf zum Gericht.
Sie sandte hin und ließ Barak, den Sohn Abinoams aus Kedesch in Naphtali, rufen. Sie ließ ihm sagen: Hat nicht der Herr, der Gott Israels, dir geboten: „Geh hin und zieh auf den Berg Tabor und nimm zehntausend Mann mit dir von Naphtali und Sebulon? Ich will Sisera, den Feldhauptmann Jabins, dir zuführen an den Bach Kison mit seinem Wagen und mit seinem Heer und will ihn in deine Hände geben.“
Barak sprach zu ihr: „Wenn du mit mir ziehst, so will auch ich ziehen. Ziehst du aber nicht mit mir, so will ich auch nicht ziehen.“
Sie antwortete: „Ich will mit dir ziehen, aber der Ruhm wird nicht dein sein auf diesem Kriegszug, den du unternimmst, sondern der Herr wird Sisera in die Hand einer Frau geben.“
So machte sich Deborah auf und zog mit Barak nach Kedesch. Da rief Barak Sebulon und Naphtali, das sind zwei Volksstämme, nach Kedesch. Es zogen zehntausend Mann ihm nach. Deborah zog auch mit ihm.
Heber aber, der Kenit, war von den Kenitern, vom Geschlecht Hobabs, mit dem Mose verschwägert war, weggezogen und hatte sein Zelt aufgeschlagen bei der Eiche in Zaanim bei Kedesch.
Da wurde Sisera angesagt, dass Barak, der Sohn Abinoams, auf den Berg Tabor gezogen sei. Er rief alle seine Kriegswagen zusammen – neunhundert eiserne Wagen – und das ganze Volk, das mit ihm war, aus Haroschet an den Bach Kison.
Deborah aber sprach zu Barak: „Auf, das ist der Tag, an dem dir der Herr den Sisera in deine Hand gegeben hat, denn der Herr ist vor dir ausgezogen.“
So zog Barak vom Berg Tabor hinab, und die zehntausend Mann zogen ihm nach. Der Herr erschreckte Sisera samt allen seinen Wagen und dem ganzen Heer vor der Schärfe von Baraks Schwert. Sisera sprang von seinem Wagen und floh zu Fuß.
Barak jagte den Wagen und dem Heer nach bis Haroschet. Siseras ganzes Heer fiel durch die Schärfe des Schwertes, so dass auch nicht einer übrigblieb.
Sisera aber floh zu Fuß in das Zelt Jaels, der Frau des Keniters Heber. Denn der König Jabin von Chatzor und das Haus Hebers, des Keniters, lebten miteinander im Frieden. Dort lebten also verschiedene Völkerschaften.
Jael aber ging hinaus Sisera entgegen und sprach zu ihm: „Kehre ein, mein Herr, kehre ein bei mir und fürchte dich nicht.“ Er kehrte bei ihr ein in ihr Zelt, und sie deckte ihn mit einer Decke zu.
Er bat sie: „Gib mir doch ein wenig Wasser zu trinken, denn ich habe Durst.“ Da öffnete sie den Schlauch mit Milch und gab ihm zu trinken und deckte ihn wieder zu.
Er sagte zu ihr: „Tritt in die Tür des Zeltes, und wenn jemand kommt und fragt, ob jemand hier sei, so sprich niemand.“
Das wird hier nicht zum Nachmachen erzählt. Sie werden manches merken, wenn da gesagt wird „Ihr müsst lügen“. Nichts anderes steht in der Bibel. Die Bibel erzählt historisch getreu, wie die Dinge abliefen, nur damit kein Missverständnis entsteht.
Das Nächste, was jetzt kommt: Jael, die Frau Hebers, nahm einen Pflock von dem Zelt und einen Hammer in ihre Hand. Sie ging leise zu ihm hinein und schlug ihm den Pflock durch die Schläfe. Er drang in die Erde. Sisera war ermattet und in einen tiefen Schlaf gesunken, so starb er.
Als Barak Sisera nachjagte, ging ihm Jael entgegen und sprach: „Komm her, ich will dir den Mann zeigen, den du suchst.“ Als er zu ihr kam, lag Sisera tot da, und der Pflock steckte in seiner Schläfe.
Herr, erkläre uns auch dieses Wort. Amen.
Die Notwendigkeit von Eignung und Prüfung im Glauben
Vor vielen Jahren wurde die Misere des deutschen Bildungswesens mit einem Witz spitz gezeichnet. Da treffen sich zwei auf der Straße, und einer sagt zum anderen: „Du, da hast du ja einen neuen Mandel, woher hast du den?“
Der andere antwortet: „Ja, ich war in Tübingen und habe meinen Leib, wenn ich mal gestorben bin, der medizinischen Forschung vermacht. Dafür habe ich 150 Mark bekommen. Davon habe ich einen neuen Mandel gekauft.“
Der erste sagt: „Das mache ich auch.“
Vierzehn Tage später treffen sich die beiden wieder. Da sagt der erste: „Hat es nicht geklappt? Du hast ja immer noch deinen alten Mandel.“
Der andere antwortet: „Nein, die nehmen jetzt bloß noch mit Abitur.“
Das ist heute die Not: Man muss überall Eignungen nachweisen. Es gibt keinen Beruf, in dem man nicht fortwährend wieder in Kurse geschickt wird. Man muss weitere Prüfungen und Zusatzausbildungen absolvieren. Danach wird man erneut getestet, ob man an dem Platz wirklich richtig ist. Das gehört einfach zu unserem modernen Leben dazu.
Wenn man jemanden trifft, fragt man: „Was machst du?“ – „Ich mache einen Kurs, ich habe nochmal eine Prüfung, ich habe einen Test, ich habe nochmal eine Ausbildung, ich studiere nochmals, ich mache nochmal die mittlere Reife, und ich mache irgendwo etwas Zusätzliches.“
Uns interessiert nun: Wie ist das eigentlich mit der Mitarbeit bei Gott? Wenn es dort einen Eignungstest gibt, was braucht man dazu? Vielleicht würden wir zuerst denken, bei Gott braucht man gar keine Voraussetzungen. Das ist ganz anspruchslos. Hauptsache, man kommt mit ein bisschen gutem Willen.
Wenn wir uns kritisch fragen: „Warum bin ich für Gott tauglich?“, haben wir uns das vielleicht noch nie überlegt. Wir denken einfach, dass Gott jeden brauchen kann, er hat ja Personalprobleme. Oder jemand sagt: „Ich war schon immer in der Jungschar und bin seit Kindertagen mit der Kirche verbunden.“ Oder ein anderer sagt: „Meine Frau macht da mit, deshalb glaube ich, ich kann auch irgendetwas für Gott tun.“ Oder man wird immer eingeladen.
Aber nein, was sind die Voraussetzungen beim Eignungstest für die Mitarbeit an der Sache Gottes? Jesus hat gesagt, es gibt tatsächlich Kriterien, die einen auch bescheiden können, wenn man nicht tauglich ist. „Der ist nicht geschickt zum Reich Gottes“, sagt Jesus, und zwar mit ganz besonderen Hinweisen und Maßstäben.
Das wollen wir heute Morgen an Deborah untersuchen, einer Frau, die tauglich war zur Mitarbeit am Reich Gottes. Was sind die Voraussetzungen? Was hatte sie, dass Gott sie gebrauchen konnte?
Ich möchte drei Voraussetzungen herausgreifen.
Erste Voraussetzung: Kritische Haltung mit festen Prinzipien
Die erste Voraussetzung, die ich sehe, ist: Sie ist eine kritische Frau mit festen Prinzipien. Sie haben sich nicht verhört – sie ist tatsächlich eine kritische Frau.
Wir wollen die Kritik ja nicht verteufeln. Nein, die Kritik gehört zu unserem Leben. Es stellt sich nur die Frage, gegen wen sich diese Kritik richtet. Kritisch müssen wir sein, denn wir können nicht einfach jedem glauben, was er sagt. Wir können nicht jedes Wort ungefragt übernehmen.
Deborah war eine Richterin. Stellen Sie sich vor, sie hätte einfach jedem geglaubt. Da hat der eine so gesprochen, der andere so. Wenn die mit ihren Streitigkeiten hochgezogen sind – das steht einem gläubigen Menschen wohl an, dass er kritisch prüfen kann, dass er ein scharfes Auge hat für die Dinge dieser Welt, einen weiten Blick und einen weiten Horizont. Das hatte Deborah.
Heute ist es oft so, dass sich Kritik in erster Linie gegen den lebendigen Gott und sein Wort richtet. Das ist nichts Neues, sondern etwas Uraltes. Schon Adam und Eva haben im Paradies Zweifel an dem angemeldet, was Gott gesagt hat.
Hier unterscheidet sich Deborah ganz wesentlich: Sie ist eine kritische Frau, aber sie hat feste Prinzipien. Sie weiß vom lebendigen Gott und denkt von der Königsherrschaft Gottes aus.
Ich habe mir überlegt, was wir sonst noch über Deborah sagen können. Welche Eignungen hatte sie? Was für Qualitäten besaß sie? Vielleicht war sie eine hübsche Frau. Vielleicht war sie intelligent. Ich glaube nicht, dass sie auf den Kopf gefallen war. Aber davon ist hier nicht die Rede. Nicht, weil Gott solche Gaben nicht achtet, sondern weil sie zweitrangig werden gegenüber der ersten Gabe: dass sie eine Frau mit Prinzipien ist, die über dieser Welt eine Ordnung erkennt.
Das ist ganz wichtig, denn sie lebte in einer wirren Zeit, als Israel in großer äußerer Not war. Es lässt sich schwer in Kürze wiedergeben, wie sich die Schreckensherrschaft Jabins und Siseras auswirkte. Jabin hatte 900 Streitwagen und besetzte Israel gewaltsam. Die Menschen konnten keine Ernte einbringen, ohne dass sie von den Feinden weggenommen wurde.
Im Siegeslied Deborahs heißt es: Die Wege waren verlassen, und die, die auf Straßen gehen sollten, wanderten auf ungebahnten Wegen. Man konnte nicht mehr riskieren, über die Straße zu gehen. Man musste Schleichwege nehmen, aus Angst vor der Willkür Siseras und seiner Soldaten.
Da ist eine Frau, die nicht sagt: „Ach, wir leben in schweren Zeiten.“ Was war denn mit den anderen Gläubigen? Ich glaube, die suchten nur Seelentrost in ihren Stübchen. Deborah war eine Frau, die von Gott weiß. Ihr Wissen von Gott bedeutet auch: Ein Jabin, auch ein Sisera, untersteht der Macht unseres Gottes.
Wenn Gläubige anfangen, die Königsherrschaft Gottes richtig zu begreifen – die über die ganze Welt, über die Natur, über die Schöpfung und über die Menschen geht – dann entsteht ein neues Denken. Das war das Große an Deborah.
Das ist es, was man braucht beim Eignungstest für die Mitarbeit Gottes: Menschen, die groß von Gott denken und diesen Glauben an Gott in den Bezügen unserer Welt durchdenken können. Was heißt das für unsere Sorgen, Ängste und Probleme?
So hat Deborah gerechnet und durchgedacht – mit Gott rechnen wie mit Zahlen. Das war bei ihr konkret in der Not des Volkes.
Damals gab es viele fromme Leute. Ich sagte schon, sie hatten sich zurückgezogen. Im Siegeslied wird erzählt, dass Deborah die Menschen aufrief mitzumachen. Doch sie blieben sitzen und sagten: „Wir können nicht, wir sind zu schwach.“
Erleben wir das nicht auch heute, wenn andere uns aufrufen, für unseren Gott noch einmal Großes zu wagen? Seine Herrschaft über die Welt zu bezeugen, trotz allem gegenteiligen Reden, trotz Unglauben, trotz Gleichgültigkeit? Dann sagen viele: „Wir können nicht, wir wissen nicht, wir haben so viel, wir trauen uns das nicht zu.“
Das Volk Gottes hatte schon damals diese alte Krankheit, in Stammestreitigkeiten zu fallen. Das heißt hier, nach dem Siegeslied in Kapitel 5, Vers 7: „Still war es bei den Bauern, ja still Israel, keiner rührt sich, keiner wagt etwas, keiner denkt, man könne etwas unternehmen.“
Der Glaube an Gott wird letztlich zur Ausflucht, zur Feigheit. Man wagt nichts. Still war es, bis du, Deborah, aufstandest. Bis du aufstandest, eine Mutter in Israel, eine Frau, die Gott beim Wort nimmt, die Gott glaubt und die Gott traut.
Die Rolle Deborahs als Anführerin und Motivatorin
Es fällt auf, dass Deborah vieles nicht kann. Das mag sie trösten: Deborah hat keine Schlacht geführt und konnte kein Heer leiten. Sie konnte kein Schwert in die Hand nehmen.
Das ist auch gar nicht der Sinn, dass jemand alles können muss. Was macht Deborah eigentlich? Deborah ist nur der zündende Funke. Sie ist diejenige, die andere mitreißt. Und sie weiß: Da ist Barak.
Sie spricht ihn darauf an: „Du hast doch das Wort Gottes schon lange gehört. Warum bist du eigentlich so ein müder Kerl? Warum wagst du es nicht, Gott zu trauen? Warum unternimmst du nichts? Warum bist du seinem Befehl nicht gehorsam?“
Das Einzige, was Deborah kann, ist das. Und sie wird eine Heldin – so möchte ich hier sagen – im Glauben. Sie wird eine Säule im Reich Gottes, weil sie ihren Platz, den Gott ihr zuweist, erfüllen kann. Weil sie an ihrem Platz treu ist.
Sie müssen nicht alles können. Reden Sie sich nicht dauernd heraus: „Ich kann das nicht, ich kann jenes nicht.“ Dass Gott in unserer Welt noch einmal Aufbrüche schenken will, dass Gott durch seine Christen heute in der Welt Großes wirken will, das steht so felsenfest. Das hat er so oft gesagt.
Es braucht nur solche Deborah-Frauen, die aufstehen, die andere mitreißen und sagen: „Wir wollen anfangen. Ich erinnere euch an die Befehle Gottes, die an euch ergangen sind.“
Da geht sie auf Barak zu und spricht ihn an. Das war mein erster Punkt: Sie ist eine kritische Frau mit festen Prinzipien. Sie nimmt es nicht einfach hin, dass es so üble Zustände gibt. Sie setzt sich damit auseinander. Sie will Neues machen für ihren Gott. Und sie kämpft dagegen – mit den Prinzipien ihres Glaubens.
Zweite Voraussetzung: Bescheidenheit und Vermeidung von Protzen
Das Zweite, was man beim Eignungstest für Gott braucht: Deborah ist gegen Protzen.
Als Mann darf ich es aussprechen: Wenn wir Männer Kinder gebären müssten – was ja unvorstellbar ist – würden wir nach jeder Entbindung wahrscheinlich ein Denkmal bauen lassen. Frauen leisten in der Welt so viel stillschweigend, ohne großes Reden. Wir Männer hingegen machen oft viel Lärm um wenig.
Ich meine manchmal auch, dass es in unseren Ehen gar nicht so ist, dass der Mann wirklich führt. Vielmehr hat der Mann nur das große Wort, während die Frau im Grunde die Fäden spinnt. Wenn die Frau in der Emanzipation meint, sie müsse das Laute nachahmen, dann wird es falsch.
Umgekehrt lehrt die Deborah den Barak, dass er sich das bei Gott abgewöhnen soll: das große Geschrei, die Männerart. Deborah sagt zu Barak: „Du wirst einen großen Sieg erringen, aber bitte nicht protzen.“ Sie weiß, dass es ihm im Blut liegt, aber bei Gott darf er es nicht tun, sonst geht es nicht.
Interessant ist Barak. Es könnte sein, dass wir ihn als eine schwache Figur sehen müssen, wenn er zu Deborah sagt: „Also Deborah, ich gehe nur in den Kampf, wenn du mit mir gehst.“ Man könnte sich vorstellen, dass er am Rockzipfel von Deborah hängt. Nur wenn sie geht, also wenn sie ihn noch einmal ermuntert, dann geht er mit. Das wäre eine denkbare Auslegung.
Eine andere Möglichkeit ist, dass Barak sagt: „Gott verteilt die Aufgaben verschieden. Du bist die Prophetin und ich der Kämpfer. Wir beide müssen miteinander gehen. Wenn einer es allein macht, geht es nicht und misslingt.“ Hier wird ein Grundgesetz des Reiches Gottes sichtbar: Man kann etwas nicht allein schaffen.
Die Ordnung unserer Kirchengemeinden leidet nicht daran, dass der Pfarrer überfordert ist. Es tut uns gut, wenn wir etwas schaffen. Die Not liegt nicht im Ein-Mann-System, sondern darin, dass die Gaben einer Gemeinde verkümmern, wenn eine Gemeinde nicht mehr die Vielfalt darstellen kann, weil man nicht miteinander arbeitet.
Diese Auslegung leuchtet mir ein: Barak sagt zu Deborah: „Du musst mitgehen, allein mache ich es nicht.“ Einzelgänger können im Reich Gottes nichts ausrichten. Wenn, dann wir miteinander. Wir bilden eine Zweierschaft und holen noch andere dazu. Wir holen die Zehntausend von den Bergen, und mit ihnen zusammen wollen wir es schaffen.
Merkwürdig: Eine Frau ist der zündende Funke, aber sie nimmt andere mit. Und mit dem anderen werden wieder andere mitgerissen. So entstehen Bewegungen im Reich Gottes. Man braucht andere, man muss es gemeinsam wirken. Deshalb hat das Protzen so wenig Sinn, weil der Sieg letztlich nicht aus unserer Kraft errungen wird.
Deborah weist Barak noch darauf hin: „Der Herr hat sie in deine Hand gegeben.“ Wir können die Schlachten nicht selbst schlagen. Ob Gott uns Dinge in die Hand gibt, entscheidet. Man kann jahrelang um Dinge kämpfen und ringen, und Gott gibt sie einem nicht. Man kann darum beten, und wenn Gott will, gibt er sie einem. Dann kann man sie an einem Tag haben, wenn Gott die Türen öffnet.
„Der Herr hat sie in deine Hand gegeben.“ Das sind keine Kraftleistungen. Wenn wir heute Missionsunternehmungen starten, Diakonie betreiben, Taten der Liebe setzen oder Gemeinschaft gründen wollen, kommt es darauf an, ob der Herr uns das gibt. Ob wir Gemeinschaft bilden und mit anderen zusammen die Aufgabe erkennen.
Deborah sagt: „Bloß nicht protzen, bloß nicht protzen.“ Wie viele Siege Gottes können uns geschenkt werden, wenn wir am Ende unsere eigenen Siege daraus machen!
Ich hätte Ihnen gern das Siegeslied der Deborah vorgelesen, in dem sie Gott die Ehre gibt. Wie so oft machen wir, wenn uns Gott Dinge gelingen lässt, wenn Veranstaltungen gelingen, wenn wir anderen Menschen etwas bedeuten dürfen oder unser Leben Frucht trägt, vor uns selbst etwas Großes daraus. Wir tun so, als hätten wir es gemacht. Und Gott muss uns alles wieder zusammenschlagen.
Vielleicht müssen wir deshalb heute durch eine Zeit kleiner Dinge hindurchgehen, weil uns das Protzen so naheliegt. Ich habe nichts gegen Öffentlichkeitsarbeit. Aber wenn es nur ein Geschrei um unsere Siege wird, und dabei sind es Herrensiege, ist es nicht auffällig, dass die großen Wunder Gottes und Bewegungen unserer Zeit oft bei Gruppen zu finden sind, von denen man vor einem halben Jahr noch keinen Namen kannte. Gott gibt den Sieg dort, wo Menschen auf ihn bauen und mit ihm rechnen – wie mit Zahlen.
Es sind oft schwache Leute. Man braucht das für den Eignungstest Gottes: zu wissen, nicht zu protzen, nicht das Letzte herauszuholen. Deborah will das Größte. Deborah will das Größte.
Dritte Voraussetzung: Der Anspruch auf das Größte
Nun, wer eignet sich zur Mitarbeit im Reich Gottes? Wir haben jetzt zwei Dinge gehört. Zum einen ist es Deborah als Frau, die sich kritisch mit ihrer gegenwärtigen Lage auseinandersetzt und mit Gottes Herrschaft rechnet – mit den Prinzipien der Herrschaft Gottes. Eine Frau, die nicht prahlen will, sondern weiß, was vor der Welt verachtet ist, hat Gott erwählt. Das Unedle hat Gott erwählt, das Schwache hat Gott erwählt, so macht Gott seine Siege.
Nun kommt noch das Letzte: Deborah will das Größte haben. Sie will nicht nur Großes erreichen, sondern das Größte. Deborah könnte auch sagen: „Ich bin so froh, wenn Gott uns nur ein Stück weit weiterhilft.“ Doch das wäre Unglauben. Wenn jemand sagt, wir wollen nur etwas ändern, ich bin ja schließlich auch nicht für alles da – nein. Deborah ist darin so groß, dass sie vor Gott denkt und sagt: Das Größte muss es sein. Es kann nicht sein, dass die alten Abrahamsverheißungen einfach in unserer Generation stecken bleiben.
Wenn wieder Menschen in unserer Welt aufstehen, die die Verheißungen Gottes annehmen und wissen, dass Gott will, dass allen Menschen geholfen werde, dann beginnt eine Missionsbewegung, die weltweit ist. Eine Bewegung, in der nicht geprahlt wird, sondern in der Gottes Wille und sein Heil für die ganze Welt ernst genommen werden.
Da wird nicht gesagt: „Ich möchte nur mit meinem Leben etwas tun.“ Wenn wir unsere Stadt Stuttgart nehmen, ist es uns doch wichtig, dass in unserer Stadt Stuttgart noch einmal eine Erweckung kommt, dass durch unser Württembergland noch einmal eine Erweckung hindurchgeht. Wie soll das anders gehen, als dass Menschen anfangen, auf die Verheißungen Gottes zu bauen, mit großen Dingen Gottes rechnen und auf diese Ziele hinleben und darauf hinwirken?
Dann darf es keinen kranken Menschen mehr geben, der verzweifelt, weil er die Liebe Gottes nicht kennt. Dann wollen wir die Ziele weit stecken. Wir wollen darum beten, dass Gott Menschen erweckt und uns Brüder und Schwestern an die Seite stellt, die sich seiner Aufgabe mitverschreiben – so wie Barak plötzlich Zehntausende herbeiführen kann, weil der Herr die Siege in seine Hand gibt.
Deborah rechnete mit Gott wie mit Zahlen, aber Gott hat immer große Zahlen. Man darf das auch einmal so sagen. Das erzählt uns die Bibel.
Die grausame Realität und die Botschaft der Liebe
Nun endet die Geschichte ganz grausam: Jael nimmt diesen großen, langen Zimmermannsnagel, täuscht Sisera und treibt ihm den Nagel in den Pflock.
Gott hat den Nagel nicht hineingeschlagen. Man sollte Gott nicht für etwas verantwortlich machen, wo er nicht hingehört.
Sisera erliegt den Gesetzen dieser Welt, er kommt in dieser Welt um. Es war nicht einmal eine gläubige Frau aus dem Volk Gottes, die dies getan hat.
Solche Dinge sind in der Welt geschehen: Der eine tötet den anderen, und so geht er darin unter.
Ich bin auch froh, dass uns Jesus ganz deutlich gemacht hat, dass es nicht unsere Aufgabe sein kann, anderen Menschen Nägel durch die Schläfen zu treiben. Vielmehr sollen wir mit Liebe anderen von der Barmherzigkeit Gottes erzählen.
Wir dürfen selbst die Feinde Gottes durch Liebe und durch die Macht seines Geistes überwinden.
Was für eine Siegesbewegung beginnt da! Schlachten werden geschlagen, aber nicht mehr mit Waffen und Speeren.
Gott gewinnt diese Schlachten ohne Speere und ohne Macht, allein durch das Wort des Zeugnisses vom gekreuzigten Jesus, durch das Menschen Frieden bei ihm finden.
Die Kraft der Liebe und des Glaubens im Reich Gottes
Am Schluss dieses Lobliedes, das Deborah und Barak miteinander singen, steht ein Wort, über das man lange meditieren kann: „Die ihn aber lieb haben, sollen sein wie die Sonne, die aufgeht in ihrer Pracht.“
Als meine Großmutter starb, wurde genau dieses Wort in der Todesanzeige verwendet. Seitdem ist mir dieses Wort besonders lieb geworden.
Die Sonne ist die Energiequelle dieser Welt. In einer kalten Herbstnacht, wenn man den frierenden Mantel anzieht, bricht am Morgen die Sonne hervor und alles beginnt erneut zu leuchten. Die gesamten Naturprozesse werden durch die Sonnenenergie in Gang gesetzt.
Was ist das für eine Lebensmacht? Ohne Sonne wäre alles tot, müsste alles sterben.
Und dann singen Deborah und Barak: Im Reich Gottes ist es so, dass man eine bestimmte Eignung braucht, um dazu zu gehören – nämlich die, Gott lieb zu haben. Die Menschen, die Gott lieb haben, strahlen eine Energie aus, eine solche Energie, die nur mit der Macht der Sonne zu vergleichen ist.
Das gilt auch für Ihr Leben, wenn Sie die Voraussetzungen erfüllen, die Gott haben will. Nicht einfach so – Gott kann jeden brauchen –, sondern man muss ihn lieb haben.
Und dann strahlt diese Energie in die Welt hinein, und Großes geschieht. Und bald viertausend Jahre später reden wir noch von einer Deborah, weil sie Geschichte gemacht hat.
Gott will, dass Ihr Leben Geschichte macht. Ihr Leben ist zu wichtig, Ihr Leib ist zu kostbar, Ihre Person zu groß, als dass Sie es einfach nur für sich leben könnten.
Gott will Sie zur Mitarbeit haben. Sie brauchen die Voraussetzung, die Gott fordert: „Die ihn lieb haben sollen sein wie die Sonne, die aufgeht in ihrer Pracht.“
Amen.