Herzlich willkommen zum Podcast der Eva Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Povileit. Unser Podcast möchte dazu anregen, das praktische Christsein zu leben und zum theologischen Nachdenken einzuladen.
Wer Macht übertragen bekommt, sollte diese nutzen, um andere zu fördern. Viele Leiter tun das auch, und das ist gut so.
Leider begegnen wir jedoch immer wieder Leitern, die ihre Macht missbrauchen, um andere zu manipulieren oder unter Druck zu setzen. Solcher Machtmissbrauch kommt sogar in christlichen Gemeinden vor.
Wie kann man erkennen, wenn jemand seine Macht missbraucht? Und wie geht man mit diesem Machtmissbrauch um? Darüber wollen wir heute miteinander sprechen.
Thomas, stellt uns die Bibel eigentlich Menschen vor, die ihre Macht missbrauchen? Ja, das tut sie. Im dritten Johannesbrief erfahren wir von Diotrephes. Von ihm heißt es, dass er gerne der Erste sein will und Reiseprediger wie Johannes, der einer war, nicht aufnimmt.
Er redet mit bösen Worten gegen diese vorbildlichen Christen. Wenn dann jemand aus der Gemeinde diese Reiseprediger aufnehmen will, stößt Diotrephes diese barmherzigen Christen aus der Gemeinde. Diotrephes war also jemand, der seine Macht offensichtlich missbrauchte.
Gott hatte ihm diese Macht gegeben, als Autorität die Gemeinde zu leiten, aber er unterdrückte die Gemeinde und konnte anscheinend nicht ertragen, wenn man Dinge nicht so machte, wie er es dachte. Er war so der klassische Controllertyp, der alles kontrollieren und alles wissen musste.
Da muss ich jetzt widersprechen: Ein guter Controller führt auch – aber egal, das nur am Rande. Interessant ist, dass die Gemeinde das auch mit sich machen ließ. Das heißt, Machtmissbrauch gibt es nicht nur in der Welt, sondern hier finden wir ein ganz klares Beispiel von Machtmissbrauch nicht nur im Alten Testament bei Königen, wo man es wahrscheinlich vermutet hätte, sondern auch in einer christlichen Gemeinde.
Denkst du, dass so ein Missbrauch heute vor allem in Freikirchen überhaupt möglich ist, so wie wir ihn hier gefunden haben? Ich glaube, gerade in Freikirchen ist das möglich. Klassische Kirchengemeinden haben oft einen vielschichtigen Glauben. Wenn dort jemand sagt: „Mach das mal genau so, wie ich es sage“, dann wird er wahrscheinlich ein gutes Gremium haben, das ihm widerspricht.
Aber in freikirchlichen Gemeinden sehe ich persönlich eine größere Gefahr, dass jemand wie Diotrephes zum Leiter gemacht wird, der ganz klar sagt: „Da geht es lang und nirgendwo anders.“
Das klingt so, als ob Freikirchler ein wenig autoritätsgläubig wären. Was meinst du denn, welche typischen Persönlichkeitsmerkmale so ein Typus hat, wenn man einem Diotrephes begegnet? Denn es geht ja auch darum, wie man das erkennt.
Ja, richtig. Es läuft ja nicht immer offen ab. Ja doch, er war ziemlich offensichtlich, aber ich glaube, anfangs tut man das erst mal ein bisschen verdeckt, oder?
Kann sein. Ich glaube, Diotrephes ist auf jeden Fall ein Leitertyp. Also jemand, der weiß, wo er steht, der vorne ist. Diese Eigenschaft ist ja auch wichtig. Die Gemeinde Jesu braucht ja auch Leiter. Es soll ja nicht heißen, dass Leitung überflüssig ist. Die Bibel spricht sehr viel von Leitung.
Das Entscheidende bei Diotrephes ist, dass er diese Gabe von Gott bekommen hat, sie aber für sich selbst missbraucht. Die Frage ist: Setze ich diese Gabe für Jesus ein oder nutze ich sie, um mich selbst in den Mittelpunkt zu stellen?
Wahrscheinlich hat er beides gemacht. Er wird ja schon irgendwo für Jesus gewirkt haben. Die Frage ist, wie die Gewichtung ist. Bei Diotrephes ist es wahrscheinlich so – manches können wir nur spekulieren.
Du hast gefragt, was der Typ ist, der hier missbraucht, der sehr schnell stolz wird und ein Stück weit davon lebt, dass andere ihn bewundern. So scheint es zu sein.
Diotrephes wollte, dass die Gemeinden so geprägt werden, wie er es für richtig hält. Und das ist ja auch eine Eigenschaft, die gute Leiter haben. Aber er hatte offensichtlich große Schwierigkeiten damit, Menschen stehen zu lassen, die Dinge anders sehen.
Er scheint gar nicht zu lieben, wenn jemand ihm in irgendetwas hineinredet. Dann versucht er, die Leute auszubooten, wie wir es hier gesehen haben, oder er manipuliert sie, um sein Ziel zu erreichen.
Ich glaube, jeder Mensch hat Bereiche, in denen er besonders versuchbar ist. Bei manchen ist es Geld oder Sexualität, was auch immer. Bei Diotrephes ist es der Stolz und das Ausleben seines dominanten Wesens.
Ich fand es sehr hilfreich, ein Beispiel zu hören. Stell dir einen jungen Mann vor, der Student ist und auf einem Campus sehr erfolgreich war. Er hat viele Mädchen ins Bett gebracht und ein sehr unmoralisches Leben geführt. Doch dann hat er sich tatsächlich bekehrt und seinen Lebensstil geändert.
Er war anschließend bei christlichen Treffen aktiv und sorgte dafür, dass auf dem Campus das Evangelium weiterverkündet wurde. In diesen Treffen musste er jedoch immer den Ton angeben. Wenn es nicht nach seiner Nase ging, war er dann tödlich beleidigt.
Jemand, der das schrieb, sagte: Irgendwann habe ich begriffen, dass es genau dasselbe Wesen war. Vorher ging es ihm darum, Macht über andere zu haben, und das hat er damit demonstriert. Es ging also nicht nur um die Lust mit den Frauen, sondern Macht war sicher auch ein wesentlicher Faktor. Die anderen sollten ihn bewundern oder Angst vor ihm haben und vor allem das tun, was er sagt.
Dieses Verhalten setzte sich im Grunde genommen auch in seinem Christsein fort. Das Beispiel des jungen Mannes ist ja relativ jung. Angenommen, er wird irgendwann Gemeindeleiter, hat vielleicht Theologie studiert oder ist auf anderem Weg Gemeindeleiter geworden. Seine Schwäche ist, dass er Macht ausüben will. Es kann sein, dass er gar nicht unbedingt bewundert werden will, sondern einfach nur Macht ausüben möchte. Das gibt es ja auch.
Wie baut er nun im Lauf der Zeit diesen Machtanspruch in der Gemeinde auf? Er kommt ja nicht einfach hinein, und jeder sagt sofort: "Ja, wir machen, was du willst." Natürlich weiß ich nicht, ob das immer so ist, wie ich es erlebt habe. Aber ich war sehr überrascht, als ich nach meinen persönlichen Erfahrungen zu diesem Thema ein Buch von Edwin Loewers las. Es heißt "Wölfe im Schafspelz – Machtmenschen in der Gemeinde".
Beim Lesen dachte ich über verschiedene Passagen nach und erkannte, dass er in derselben Gemeinde war wie ich. Erst dann verstand ich, dass es wahrscheinlich gewisse Prinzipien gibt, die in allen Gemeinden gleich sind. Es gibt unterschiedliche Schwerpunkte, aber es gibt einfach Dinge, die ziemlich gleich ablaufen, wenn jemand seinen Machtanspruch aufbaut.
Das ist natürlich nur mein begrenzter Horizont aus meiner eigenen Erfahrung. Wenn ich ein paar Schlagworte nennen soll, glaube ich, dass so jemand vor allem das Gefühl von Bedeutung hat. Das ist ihm ganz wichtig. Damit fördert er manchmal auch andere Leute. Bei mir war es zum Beispiel der Predigtdienst. Man kam rein, hatte eigentlich keine Ahnung, wurde auf die Kanzel geschoben und konnte dort fünf Minuten irgendetwas sagen. Das schafft natürlich eine gewisse Loyalität.
Vor allem, wenn man nichts kann – so meine ich das –, wenn man so schnell hineingestellt wird, entsteht eine Bindung an den, der einen fördert. Das schafft Loyalität. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Deshalb habe ich vorhin gefragt: Es gibt nicht den reinen Machtmenschen, denn das wäre kein Christ. Ich denke, es ist eine Mischung. Er will schon etwas für Christus tun, aber das andere ist unheimlich stark da drin. Dann manipuliert er vielleicht oder baut sich eine Fanbase auf, die wie in der Politik verbandelt ist und ihm etwas zu verdanken hat.
Ich glaube, das Gefühl von Bedeutung ist sehr wichtig. Außerdem gibt er Leuten eine Art Scheinverantwortung. Ich habe erlebt, dass sehr kritische Leute in der Gemeinde in sogenannte Tribunale gesetzt wurden. Das heißt, man hatte einen Stuhlkreis, in dem derjenige, der kritisiert wurde, saß. Gegenüber saß der Prediger. Seine Getreuen, zu denen ich auch gehörte, wurden mit hineingerufen.
Wir saßen in der Runde, hatten aber keine Ahnung, worum es eigentlich ging. Wir waren nur dazu da, das abzunicken, was gesagt wurde. Dann dachte man: "Okay, du bist der Böse, du musst dich auf jeden Fall revidieren in deiner Meinung." Derjenige, der auf dem Anklagestuhl saß, musste sich also rechtfertigen.
Warum hat er das eigentlich mitgemacht? Mit mir hätte man das nicht machen können. Aber ich bin auch schon ein bisschen älter.
Also, ich war relativ jung. Nein, ich meine nicht derjenige, der auf den Stuhl gesetzt wurde, über den ein Tribunal gehalten wurde. Denn da wird der Druck der Gruppe einfach sehr stark ausgeübt.
Er hat einfach Leute in die Verantwortung mit hineingenommen, von denen er wusste – und da war er ziemlich gut darin –, dass es Menschen sind, die mich eben unterstützen. Er hat es auch immer wieder so gemacht, dass er Vertrautheit gefördert hat, zum Beispiel durch Vier-Augen-Gespräche, um Leute zu beeinflussen. Manchmal hat er auch hinter dem Rücken geredet. Du musst dir, wie in der Politik, einfach mal ein Netzwerk aufbauen und wissen, wer hält hier zu dir und wer nicht. So wurde das entsprechend aufgebaut.
Ich glaube, ein Schlüsselpunkt, den ich aus dem Buch gelernt habe, das ich dir vorhin zitiert habe, ist: Christen sind es gewohnt, sich vor dem Wort Gottes zu beugen. Und das ist, glaube ich, ein Schlüssel. Man setzt das Wort Gottes immer wieder ein und sagt: Gott will das so und so. Was man aber nicht merkt, ist, dass über die Zeit das Wort dieses Predigers das Wort Gottes ersetzt.
Wir hatten da schon spannende Situationen. Zum Beispiel wurden Garagen im Hinterhof gebaut. Es war von vornherein klar, dass es nur Garagen sein dürfen, keine Kinderstundenräume. Es war vom Bauamt so festgelegt. Aber es war von Anfang an klar, dass es Kinderstundenräume werden sollten. Dort wurden Heizungen eingebaut, und einzelne Leute haben dann gesagt: Das kann man doch nicht machen, man kann doch dort keine Kinderstundenräume bauen, wenn das so klar verboten ist.
Doch das Wort des Predigers hatte einfach ein größeres Gewicht. Es wurde gesagt: Und wehe, ihr betet dagegen! Er sagte: Nein, das sollen nur Garagen sein, so wird es gemacht, und fertig.
Ich stand dabei, als er jemandem sagte: Hey, da brauche ich dich für einen Dienst. Und die Person antwortete: Sorry, ich muss arbeiten. Da macht einfach jemand auf krank. Für ihn war es wichtiger, dem Herrn zu dienen und in ewige Werte zu investieren, als zur Arbeit zu gehen. Hier wechselte auch mein Maßstab bezüglich der Beeinflussung.
Ich finde es interessant, dass er selbst praktisch Lügen propagierte. Das ist aber logisch, wenn man andere Menschen manipuliert. Sein Wesen hat sich so verändert, dass er ein gebrandmarktes Gewissen entwickelt hat, wie die Bibel sagen würde, und ihm gar nichts mehr ausgemacht hat.
Ich persönlich hätte als Leiter Angst davor, unlautere Mittel einzusetzen, weil ich schon solche Menschen erlebt habe. Ich hätte Angst, dass Gott irgendwann meinen Leuchter beiseite setzt, wenn ich versuche zu manipulieren und nicht den genauen Weg zu gehen, den Gott vorsieht. Er hat ganz klare Wege gemacht, wie man Brüder ermahnt und andere Dinge regelt.
So war es hier aber nicht. Der Dienst war das Wichtigste. Du hast vorhin gesagt, solche Leute setzen sich natürlich für Jesus ein – das hat er auch getan, in sehr vorbildlicher Weise. Aber es musste genau so getan werden, wie er es im Blick hatte. Er hat die Leute motiviert, und die mussten es genau so machen.
Wenn dann die Frauen der Männer gesagt haben, es wäre gut, dass ihr Mann auch mal einen Abend zu Hause ist, wurde diese Frau als Bremsklotz bezeichnet. Sie bremst hier das Werk des Herrn.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich viele Jahre später mit einem christlichen Leiter sprach. Es ging, glaube ich, um irgendeine Terminfrage, und er sagte: Ich muss meine Frau fragen. Da dachte ich: Hey, ich stehe im falschen Film. Wieso muss ich meine Frau fragen? Das war eben noch die Prägung, die ich da mitgenommen hatte. Man muss das gar nicht fragen. Wenn jemand etwas dem entgegensetzt, was die Forderung der Gemeinde ist, dann ist er auf jeden Fall ein Bremsklotz.
Man merkt, man kommt das Stück für Stück rein. Das war ja auch dein Thema: Wie wird man da mitgenommen? Ich glaube, der wesentliche Wert war einfach die Loyalität. Die Loyalität zu ihm war stärker als die Loyalität zum Wort Gottes. Es war ein System, in dem der Dienst oder die Gemeinde letztendlich über dem Herrn stand.
Man lebte für die Gemeinde, aber eigentlich nicht für den Herrn. Das eigene Gewissen wurde dabei ignoriert. Das sieht man aber erst im Nachhinein. Der Mittelpunkt war die Gruppe und nicht mehr der Herr.
Ich habe nirgendwo sonst eine derartige Verbundenheit, Loyalität und ein Füreinander erlebt wie in dieser Gruppe. Aber wenn du an manchen Dingen gezweifelt hast oder gesagt hast: Das kann man doch so nicht machen, dann warst du sehr schnell draußen. Und dann warst du komplett draußen.
Das war eine Liebe, die darauf ausgelegt war, wenn du in dieser Gruppe bist. Das war, glaube ich, ganz wichtig. Es war natürlich auch eine perfekte Gruppe, sage ich jetzt mal in Anführungsstrichen. Sünde und Schwachheit kamen gar nicht mehr vor, weil sie ja gar nicht zur perfekten Gemeinde passten. Die anderen waren sowieso alle abgefallen.
Die anderen Gemeinden oder die Leute in der Gemeinde, die dagegen waren? Das auch. Also auch die, die dagegen waren, aber auch die anderen Gemeinden. Wir waren die einzigen Wahren oder so.
Interessant war für mich im Rückblick, dass diese geistliche Übergriffigkeit schließlich auch zu sexuellem Missbrauch führte und zudem rechtlicher Missbrauch stattfand.
Die Gemeinde ging am Ende auseinander, und viele Entscheidungen wurden getroffen, weil man glaubte, dass Gott es so wolle. Im Verein wurden einfach einzelne Personen ausgetauscht, und es wurden Beschlüsse gefasst.
Wir wollten dann zur Bibelstunde kommen, doch es gab eine einstweilige Verfügung. Wer den Gemeindesaal betritt, muss mit Strafen in horrenden Höhen rechnen. Da stand ich und dachte: In welchem Film bin ich hier eigentlich?
Das bedeutet, du warst zu diesem Zeitpunkt aus diesem Kreis schon wieder draußen, als das passierte. Ja, das war der Prozess. Das geschah noch während des Prozesses.
Man konnte das auch hier in Stuttgart in der Zeitung lesen, vor zwei Jahren, glaube ich. Genau, es lief genauso ab: Im Verein wurden mehrere Leute ausgetauscht, und neue Mitglieder wurden aufgenommen, um dagegen vorzugehen. Ja, richtig.
Das sind jetzt sehr negative Erfahrungen, die du gemacht hast. Du hättest dir das bestimmt anders gewünscht, oder? Ja, ich denke auch, ja. Nun hast du Erfahrung darin, wie Führung nicht aussehen soll.
Wie soll Führung nun aussehen, wenn wir in die andere Richtung gehen? Was sind die Kennzeichen von guter Führung? Dazu gibt es einen ganzen Kurs bei Evangelium für alle, der sich nur mit Führung beschäftigt. Den kann ich empfehlen.
Vielleicht eine Bibelstelle, die mir dabei besonders wichtig geworden ist, ist 2. Korinther 1,24. Paulus sagt dort: „Wir herrschen nicht über euren Glauben.“ Das habe ich vor allem erlebt. Vielmehr sind wir Mitarbeiter an eurer Freude. Die Gabe, die ich habe, dient dazu, die Gemeinde zu erbauen und die anderen zu fördern. Mein Ziel ist dabei nicht in erster Linie, beachtet zu werden oder zu herrschen, sondern dem anderen zu dienen.
Man nennt das auch dienende Leiterschaft. In diesem Zusammenhang ist mir auch der Vers aus Matthäus 20,25 sehr wichtig. Dort heißt es: „Die Regenten der Nationen beherrschen sie, und die Großen üben Gewalt gegen sie.“ Jesus setzt also voraus, dass das so ist.
Dann fährt der Vers fort: „Unter euch wird es nicht so sein. Wenn jemand unter euch groß sein will, so wird er euer Diener sein. Und wenn jemand unter euch der Erste sein will, so wird er euer Sklave sein.“ Gleichwie der Sohn des Menschen nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.
Jesus sagt also, deine Motivation soll sein, dem anderen zu dienen. Dann kannst du den anderen auch stehen lassen.
Ich denke dabei an Paulus, dem von Agabus gesagt wird, dass er bestimmte Dinge tun soll, die er dann nicht tut. Das bedeutet, dass es durchaus sein Wille nicht war. Er lässt den Willen einfach mal stehen.
Die Frage, die sich mir stellt: Ich habe Machtmissbrauch auch aus einer etwas anderen Perspektive erlebt. In einem Fall waren es Pastoren oder Älteste – beides –, die irgendwann frustriert waren. Dabei handelte es sich größtenteils nicht um Machtmenschen. Doch einer von ihnen war tatsächlich ein Machtmensch. Dieser konnte sich mit seiner Meinung in der Gemeinde nicht durchsetzen.
Irgendwann verloren diese Personen das Vertrauen in Gott. Stattdessen begannen sie, hinter dem Rücken anderer zu handeln. Sie manipulierten, schmiedeten Allianzen oder ähnliches. Das ist vielleicht ein Nebenaspekt des Ganzen. Es handelt sich um ein dienendes Vergehen, das meiner Meinung nach auf fehlendem Vertrauen beruhte.
Was ich bei Pastoren beobachte – zumindest bei einem bisher – ist, dass sie sich manchmal nicht trauen, Macht offen zu missbrauchen. Stattdessen handeln sie ein wenig hinterlistig. Was meine ich damit? Sie sagen natürlich nicht direkt: „Ich habe dich jetzt ermahnt.“ Stattdessen behaupten sie, sie wollten nur ergänzen oder sagen, dass etwas gar nicht so sei. Sie leugnen, etwas getan zu haben, und dennoch verfolgen sie heimlich ihre eigene Agenda.
So etwas habe ich schon ein paar Mal erlebt. Es ist dann eben kein dienendes Verhalten, sondern möglicherweise das Ergebnis von fehlendem Vertrauen, das zu diesem Verhalten geführt hat.
Es ist natürlich die Frage, wenn man jetzt wieder zum Negativen zurückschwenkt, nachdem wir ja das positive Gegenpol gezeigt haben: Was folgt denn auf so einen Machtmissbrauch, wenn man ihn erlebt? Das geht ja nicht spurlos an einem vorüber.
Richtig, ich kann es auch nur aus meiner begrenzten eigenen Erfahrung sagen. Ich glaube, was auf jeden Fall kommt, ist eine Orientierungslosigkeit. Der Stern, dem man gefolgt ist, ist plötzlich weg. Also, was macht man jetzt? Man sucht: Wer gibt hier den Ton an? Doch niemand gibt den Ton an.
Es ist auf jeden Fall ein Vertrauensverlust da. Man fragt sich: Wem kann ich eigentlich noch vertrauen? Ich habe mal einen Journalisten kennengelernt, der für Politik tätig war. Das heißt, ich erwarte, dass ich als Journalist für Politik belogen werde.
Ich habe ihn in einem großen Meeting kennengelernt, bei dem auch eine ganze Bewegung in Deutschland auseinanderbrach. Das Thema war ebenfalls Machtmissbrauch. Er ging gar nicht davon aus, dass er in diesem Kontext belogen werden könnte, denn in die Gemeinde kam er wie nach Hause.
Trotz seines professionellen Blicks, um das zu durchschauen, hat er es nicht erkannt. Da ist natürlich ein starker Vertrauensverlust entstanden – das war auch bei mir so. Die Frage war: Wem kann ich noch vertrauen?
Ich habe erlebt, dass Leute dann vom Glauben abgedriftet sind, besonders solche, die noch nicht lange gläubig waren. Sie sagten: Wenn das Glaube ist, dann will ich damit nichts zu tun haben. Andere lebten eine überzogene Freiheit. Sie taten Dinge, die das Wort Gottes verbietet, aber vorher hatten sie nur Einschränkungen erlebt, bei denen gesagt wurde: Das und das darfst du nicht.
Jetzt, wo derjenige weg war, der das bestimmt hatte, haben sie diese Freiheit ausgelebt.
Ich glaube, es ist ganz wichtig, sich neu an Jesus auszurichten und zu begreifen, dass Jesus in dieser Zeit nicht der Mittelpunkt war, sondern eben dieser Machtmensch. Das muss man lernen: sich neu wieder an Jesus zu orientieren. Aber das braucht alles seine Zeit.
Es gibt tiefe Verletzungen, wenn man weiß: Hey, ich wurde da benutzt. Was ich bei mir über viele Jahre gemerkt habe, ist, dass bei ähnlichen Strukturen überall die Alarmglocken angehen. Man muss sich dann manchmal zurückrufen und sagen: Thomas, wenn diese Strukturen da sind, heißt das nicht per se, dass es Machtstrukturen sind, die jemand missbraucht.
Nur in meiner Erfahrung hatte sie jemand missbraucht. Und wenn ich diese Strukturen dann wieder sehe, kommen diese Erfahrungen wieder hoch.
Ja, ich bin gerade am Nachdenken, aber es ist nicht formulierbar, also lasse ich das mal beiseite.
Also, da hast du einiges, was durchaus eine tiefe Spur hinterlassen hat.
Was würdest du jemandem raten, der in so einer Situation merkt, dass etwas nicht stimmt? Ich würde zwischen zwei Fällen unterscheiden: Zum einen jemand, der sich gerade in so einer Situation befindet, und zum anderen jemand, der bereits geschädigt ist, bei dem also schon relativ viel passiert ist, vielleicht sogar eine Gemeinde auseinandergebrochen ist.
Vielleicht zunächst für jemanden, der das hört und denkt: „Das ist doch meine Situation, das kenne ich doch.“ Meinst du dann eher jemanden von außen, der das beobachtet? Nein, ich meine jemanden, der schon mittendrin ist, auch in einer Gemeinde, und der plötzlich begreift, was er vielleicht vorher gar nicht erfassen konnte. Der nur gedacht hat: „Das ist etwas Komisches.“ Und jetzt erkennt er: „Hey, vielleicht ist das wirklich der Punkt, an dem wir hier als Gemeinde stehen.“
Ich finde es sehr wichtig, mit vertrauten Personen über diese Beobachtungen zu sprechen, um auch die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen. Findest du da jemanden? Ich selbst habe so etwas auch schon durchgemacht. Früher war ich Ältester in meiner Gemeinde, einer von dreien. Mir wurde vom anderen Ältesten angeboten, die Gemeinde zu spalten. Er sagte: „Nimm du die Gruppe, ich nehme die andere.“ Da lief schon viel vorher, und ich habe abgelehnt. Das wäre genau das gewesen, was du beschrieben hast: Die einen brechen aus, die anderen bleiben jahrelang in Bitterkeit. Am Ende sind doch alle aus meiner Gruppe gegangen.
Ich habe Listen gemacht: drei Listen – eine mit Leuten, die eher auf seiner Seite waren, eine mit denen, die auf meiner Seite standen, und eine in der Mitte, die ich als neutral einschätzte. Die Listen waren ziemlich gut. Bei ein, zwei Personen habe ich mich geirrt, aber bei allen anderen stimmte es. Die, die auf der rechten Liste standen, waren nach ein paar Jahren alle weg.
Was macht man jetzt in so einer Situation, wenn man mittendrin steckt? Ich würde versuchen, jemanden zu finden, der vielleicht nicht unbedingt aus der eigenen Gemeinde stammt. Es kann sein, dass ich mich irre – das muss ich immer wieder bedenken. Interessanterweise hatten wir dann Älteste aus anderen Gemeinden eingeladen, um das Problem zu schildern. Keiner wollte es wahrhaben. Vor allem bei einem Bruder, den ich sehr gut kannte und der sonst immer einen Durchblick hatte, sah niemand etwas, obwohl ich alles haarklein erklärte. Im Nachhinein hat man natürlich alles gemerkt, aber da war es schon zu spät. Warum das so war, weiß ich nicht.
Wir hatten auch das Phänomen, dass sich jemand bekehrt hat, der einen interessanten Job hatte: Er arbeitete beim Bundesnachrichtendienst, also beim Geheimdienst. Ich selbst habe übrigens auch beim Bund gearbeitet. Er hat die Situation sehr schnell durchschaut – als jemand von außen, der keine geistliche Erfahrung hatte. Er erkannte die Probleme viel schneller als wir, die wir lange in der Gemeinde unterwegs waren und das Wort Gottes kannten. Das fand ich sehr interessant, dass jemand von außen das besser sieht.
Außerdem gab es einen Mann in der Gemeinde, der nicht gerade der Geistlichste war, aber aus einem kriminellen Milieu kam. Er sagte: „Das kenne ich doch, oder wie? Das kenne ich doch.“ Er meinte, entweder wüssten die Leute nicht, was sie tun, oder sie seien Banditen wie er. So hat er es ungefähr formuliert. Leider stimmte Letzteres.
Du hast gefragt, was ich tun würde, wenn ich selbst in so einer Situation bin. Wenn ich mir sicher bin, dass das unser Problem ist, würde ich das Gespräch mit dieser Person suchen. Es kann ja auch sein, dass sie sich helfen lässt – aber niemals sollte man das alleine durchstehen. Sonst wird das Wort immer wieder umgedreht oder verdreht. Es kann natürlich auch sein, dass man selbst auf der „Abschlussliste“ landet. Aber man sollte es als Dienst für den Herrn Jesus sehen. Vielleicht benutzt er dich, um in die Gemeinde hineinzuwirken und zumindest klarzumachen, dass du diese Beobachtungen machst.
Das Ziel müsste sein, dass die betreffende Person nicht mehr das Zentrum ist, sondern dass sie Leute um sich hat, die sie korrigieren können. Manchmal sieht es so aus, als seien fünf Leute in einem Kreis, aber keiner sagt ein Wort. Das bedeutet, es wird immer alles gemacht, was die eine Person sagt. Das muss man ändern. Es ist sehr wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die einem auch deutlich widersprechen können.
Wenn die Dinge eskalieren – und das ist bei uns auch passiert – ist es wichtig, jemanden als Hilfe hinzuzuziehen, der in der Gemeinde akzeptiert ist. Die Leute müssen wissen: „Okay, das ist jemand von außen, aber er ist als Krisenkommunikator anerkannt.“ Diese Person kann vermitteln und helfen. Das ist besonders wichtig, wenn das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist.
Aber mal ganz ehrlich: Hast du irgendeine Hoffnung, dass das jemals mit solchen Menschen klappt? Kennst du einen Fall? Ich kenne keinen, bei dem es funktioniert hat, dass Machtmenschen sich korrigieren ließen. Ich kenne wirklich keinen Fall.
Ich kenne nicht viele Fälle, aber einer, den ich kenne, ist besonders krass. Es war jedoch nicht möglich, ihn zu korrigieren. Aber es war sehr wichtig, dass wir in dieser entsprechenden Sitzung, der Gemeindeversammlung, jemanden von außen hatten. Sonst wären wir gegen die Wand gedrückt worden. Es gab niemanden, der ihm rhetorisch in irgendeiner Weise widerstehen konnte.
Ich fand es mal so interessant: Ich war auf einer Konferenz in Österreich von exklusiven Brüdern, wo Spaltungen öfter mal vorkommen sollen – vorteilhaft oder auch wirklich vorhanden. Dort sprach ein holländischer Bruder über Sektierer. Das war total interessant.
Er bezog sich auf einen Brief, den ich leider vergessen habe. Wahrscheinlich war es der Judasbrief. Nein, es war ein Pastoratbrief, vielleicht aus den Timotheusbriefen. Ich habe auch vergessen, welcher genau. Es gibt ja auch diesen Vers: „Einen Sektierer weise ein- bis zweimal zurecht, und dann ist irgendwann gut.“ Aber überhaupt über Sektierer nachzudenken fand ich wichtig.
Der Bruder hat wirklich tief nachgedacht. Er muss das öfter schon erlebt haben und dadurch Schaden genommen haben. Das eine sind ja die, die so mit drin sind, und das andere ist, wenn du wirklich einen Schaden davonträgst. Denn das geht ja nicht spurlos an dir vorüber. Das ist das Gegenteil von Christus. Du bist praktisch in der Familie, und wenn sogar einer, der das beruflich gemacht hat – als Journalist – das nicht sieht, dann ist das noch mal doppelt schlimm. Eigentlich müsste er es ja sehen.
Der vom Nachrichtendienst war da so tief drin, dass er einfach zack, zack, zack alle Punkte gesehen hat, die er sonst kennt, und der Kriminelle auch. Aber der Journalist hätte es eigentlich auch sehen müssen. Das heißt, da ist ein Vertrauensverlust, da ist ein Vertrauensmissbrauch.
Und ich meine, der Geheimdienstmensch war noch nicht lange in der Gemeinde. Wenn er vielleicht schon jahrelang da gewesen wäre, wäre es vielleicht noch anders gewesen. Aber er lebt ja damit, dass Leute ihn belügen oder andere Dinge tun oder so etwas in der Richtung.
Ja, wenn ich geschädigt bin, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann glaube ich, ist es wichtig, dass ich aus der Situation lerne. Das ist natürlich eine sehr schmerzhafte Erfahrung, aber ich muss neu lernen, die Bibel zu entdecken und zu fragen: Was sagt die Bibel über Jesus?
Das Verhältnis zwischen mir und Jesus muss wieder heilen. Ich muss begreifen, dass Menschen ihre Macht missbraucht haben. Ja, das ist wahr, aber ich will das nicht auf Jesus zurückfallen lassen. Deshalb bleibt er trotzdem mein Herz und mein Heiland, mit dem ich weitergehe.
Außerdem muss ich verstehen, dass die Gemeinde Jesu nicht nur meine kleine Gruppe ist, in der ich mich zu Hause fühle. Die Gemeinde Jesu ist größer. Deshalb ist es wichtig, auch andere Predigten, zum Beispiel im Internet oder live, zu hören und zu sehen. Sicher war nicht alles schlecht in dieser Zeit. Manche Dinge waren schlecht, und das muss ich lernen.
Ich glaube, es ist auch wichtig, Buße über mein Fehlverhalten zu tun. Ich erinnere mich noch, wie ich im Kreis meines Hauskreises saß, wo ich mich als „Spion“ hatte gebrauchen lassen und Dinge weitergegeben habe. Mir wurde das wirklich bewusst, und ich habe um Vergebung gebeten. Das ist sehr wichtig.
Ein weiterer entscheidender Punkt bei uns war die Kontrolle, dass einer den anderen aushört. Du wusstest oft nicht, ob das, was du gesagt hast, schon bald beim Leiter war. Die Leute, die viele Informationen weitergaben, haben wir „Ohr“ genannt, und einer war sogar das „Weltraumohr“. Diese Personen bekamen viel Anerkennung dafür, dass sie Informationen weitergaben.
Wenn ich selbst als Geschädigter betroffen bin, dann glaube ich, ist es wichtig, immer wieder mit Jesus zu reden. Ich darf nicht denken, dass ich die Anerkennung dieser Gruppe brauche. Es ist auch wichtig, über meine Enttäuschungen und Verletzungen mit anderen Christen zu sprechen. Ich glaube, das ist wichtig zur Aufarbeitung.
Aber ich darf nicht immer nur sagen: „Ich bin das Opfer, ich kann nichts ändern.“ Stattdessen muss ich auch erkennen, wo ich selbst Täter war. Und jetzt gehe ich mit Jesus weiter. Das wird Zeit brauchen, und diese Zeit muss ich mir auch geben.
Ja, das war jetzt ein ernstes Thema, das aber leider auch im Gemeindealltag immer wieder vorkommt, weil wir Menschen sind. Über die Wölfe im Schafspelz spricht ja schon Paulus, als er die Jünger in Ephesus verabschiedet.
Siehe Apostelgeschichte 20.
Ihr habt den Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart gehört. Wir hoffen, dass ihr in diesem Fall einen ernsten Impuls für euch mitnehmen konntet.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns unter der bekannten Adresse podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Vertrauen in Gott und Gottes Segen.