Einführung in ein ungewöhnliches Thema
Wir werden uns heute mit einem Thema beschäftigen, das für eine solche Escape-Reihe eher ungewöhnlich ist. Thema wird sein: War Jesus verheiratet?
Ich weiß nicht, wer von euch dieses Buch hier gelesen hat – Sakrileg von Dan Brown – oder wer den Film gesehen hat. Vorhin gab es eine Abstimmung, aber es waren nicht so viele. Trotzdem denke ich, die meisten von euch wissen, dass in diesem Buch eine ganze Menge Dinge stehen, die, na ja, wenn sie wahr wären, uns Christen schon ganz schön zu schaffen machen müssten.
Dan Brown behauptet durch seinen Hauptcharakter, der hier durch die Geschichte führt, dass die größte Verschleierungsaktion der Menschheitsgeschichte darin besteht, dass man unbedingt die Ehe zwischen Maria Magdalena und Jesus vertuschen wollte. Das sei das zentrale Thema. An einer Stelle, auf Seite 329, heißt es sogar, dass das Christentum seiner ganzen Grundlage beraubt würde, wenn das herauskäme.
Wenn man das so liest, denkt man sich als jemand, der schon ein bisschen mehr weiß: Na ja, Mr. Brown, das ist vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen. Ob Jesus jetzt verheiratet war oder nicht, und selbst die anderen Dinge, die darin stehen, etwa dass er Kinder gehabt haben soll, stellen doch nicht gleich das ganze Christentum in Frage. Darüber kann man noch hin und her diskutieren.
Wer mich fragt, worum es beim Christentum geht, dem sage ich: Es geht nicht um die Frage, ob Jesus verheiratet war oder nicht. Also ob er Single war oder in der Steuererklärung immer „verheiratet, gemeinschaftlich veranlagt“ ankreuzen musste. Das steht nicht im Zentrum des Christentums. Vielmehr geht es um andere Fragen: Wie gehe ich mit meiner Schuld um? Wie komme ich mit Gott ins Reine? Wie finde ich hier auf Erden überhaupt eine Möglichkeit, mit Gott zu leben?
Das sind wichtige und zentrale Fragen der christlichen Lehre.
Dennoch bin ich jemand, der, als er Christ wurde, gemerkt hat, dass man seinen Verstand nicht an der Garderobe abgeben muss. Sondern dass man eigentlich erst dann richtig anfängt zu denken.
Ich muss zugeben, es macht Spaß, auf einer rein unterhaltsamen Ebene so ein Buch zu nehmen – einen Roman. Ganz am Ende werde ich noch darauf eingehen, dass es eben ein Roman ist. Das ist vielleicht nicht allen Leuten klar. Manchmal hat man den Eindruck, manche lesen das und glauben, es sei ein Sachbuch. Aber es ist ein Roman.
So einen Roman zu lesen und zu überlegen, woher er die Dinge hat, die er behauptet, wie sie zusammenpassen und was ich sagen könnte, wenn mich jemand fragt: „Hast du das schon gelesen?“ – das macht mir Spaß.
Ein anderes Beispiel: Ich sitze mit jemandem beim Abendessen, und er sagt: „Ich weiß alles über die Bundeslade.“ Dann antworte ich: „Boah, ja, ich weiß, wo die ist.“ – „Na super, wo hast du das denn her?“ – „Indiana Jones Teil 2.“
So ähnlich ist das hier auch. Man liest dieses Buch, und manche denken: „Boah, ich weiß jetzt alles über Jesus, Jesus war verheiratet.“ Mir macht es Spaß, darüber nachzudenken, wie gut der Mann eigentlich ist und wie gut seine Argumente sind.
Überblick über die Argumentation
Ich möchte uns heute vier kurze Punkte vorstellen. Zunächst möchte ich darüber sprechen, welche Argumente es in der Geschichte und auch in diesem Buch dafür gibt, dass Jesus verheiratet war.
Anschließend werde ich die Frage beantworten: War Maria Magdalena nun die Ehefrau Jesu – ja oder nein?
Danach möchte ich kurz darüber nachdenken, wie die Kirchengeschichte mit Maria Magdalena umgegangen ist. War das fair oder nicht? Wurde sie herabgesetzt, um etwas zu vertuschen, oder sieht die Sache vielleicht ganz anders aus?
Zum Schluss werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Frage: Ist das Ganze nun ein Roman? Oder was ist es eigentlich? Dabei kommt auch die Frage auf, woher wir eigentlich unser Wissen über Gott haben.
Wer schon einmal mitdenken möchte, woher wir eigentlich etwas über Indianer wissen, dem sei gesagt: Ganz ehrlich, woher wissen wir etwas über Indianer? Ich wette, die Jüngeren unter uns kennen Indianer vor allem durch Pocahontas. Die Älteren durch Karl May, und die ganz Alten, wie ich, haben noch die Filme gesehen, die in Jugoslawien gedreht wurden, mit Old Shatterhand und Winnetou, zum Beispiel „Schatten im Silbersee“.
Dorther haben wir doch eigentlich unser Wissen über Indianer. Der heutige Abend dient dazu, sicherzustellen, dass wir unser Wissen über Gott nicht auf die gleiche Weise erhalten. Man liest ein Buch und denkt dann: „Boah, ich weiß alles über Gott.“
Heute nehmen wir eine Aussage aus diesem Buch heraus: War Jesus verheiratet? Und wir schauen uns die Fakten dazu an.
Erster Punkt: Argumente für eine Ehe Jesu.
Argumente für eine Ehe Jesu
Wenn ich irgendwo nachschauen möchte, ob Jesus verheiratet war, wo suche ich zuerst? Nun ja, ich muss in den frühesten Dokumenten suchen. Und das ist nun mal, ob es mir passt oder nicht, die Bibel.
Taucht dort Maria Magdalena auf? Klar, sie ist dabei. Sie wird sogar als eine sehr eifrige Jüngerin bezeichnet, also eine Frau, die Jesus nachfolgte. Sie war eine Frau, die Jesus mit ihrer Habe diente, also ihr Geld investierte, damit Jesus sich morgens ein Frühstück kaufen konnte. Ganz einfach: Sie investierte ihr Geld, damit die Jünger abends wussten, wo sie unterkommen konnten. Eine Frau, die Jesus viel verdankt hatte und die einfach aus Dankbarkeit Jesus nachfolgte. Das ist erst einmal der Befund in der Bibel.
Sagt die Bibel etwas über die Ehe? Da muss ich sagen: Tut mir leid, in der Bibel finde ich nicht einen Vers, der etwas dazu sagt. Es gibt eher ein paar Hinweise, die dagegen sprechen, und ich habe mal einen herausgeholt.
Da stirbt Jesus am Kreuz. Er liegt im Grab. Maria Magdalena und einige andere Frauen sind tief betroffen. Man kann sich das vorstellen. Ich denke, Petrus hat den Tod Jesu nicht so tief empfunden, Maria Magdalena schon. Sie geht, sobald der Sabbat, also der zweite Tag, vorbei ist, zu Jesus, zu diesem Grab. Auf dem Weg dorthin überlegen sie sich mit anderen Frauen noch, wie sie diesen Gigantostein, der vor dem Grab liegt, wegrollen können. Sie wollen dem Leichnam die letzte Ehre erweisen.
Sie kommen zum Grab und stellen fest, er ist auferstanden. Jesus begegnet Maria Magdalena. Und jetzt die Frage: Stellt euch vor, ich wäre tot, und meine Frau Bärbel würde zum Grab kommen und sich überlegen: "Bah, er ist tot, was soll ich jetzt tun?" Und dann stehe ich leibhaftig vor ihr. Was sagt sie dann zu mir? Was macht sie dann? Also, was macht jede Ehefrau? Na komm, Larissa, du musst das jetzt wissen, du heiratest bald. Na logisch, du fällst ihm in die Arme. "Hi Schatz, das ist ja, du bist lebendig, wie kommt das?"
Maria Magdalena sieht Jesus und sagt: "Rabbuni", was Lehrer heißt. Merkt er was? Wenn da wirklich eine Ehe war, wirkt das ausgesprochen distanziert. Also wenn das eine Ehe gewesen sein sollte, dann möchte ich fast nicht mit Jesus verheiratet sein. Das ist eigentlich keine Bindung zwischen den beiden.
Ich will damit nur zeigen, das ist eine Geschichte. Im Neuen Testament wird man nicht fündig, wenn man Hinweise sucht, dass Jesus verheiratet war. Sorry, null Stellen.
Deswegen muss sich Dan Brown ja auch helfen, das weiß er ja, das ist ja nun nichts Neues. Also macht er folgenden Trick. Und wenn ich das jetzt sage: Bitte, ich will den Roman nicht madig machen, es geht mir nur um die Argumente. Werdet ihr nachher noch merken, ich kann gut damit leben, dass das alles hier drinsteht.
Er sagt dann folgendes Argument, und das ist das Beste, was er hat: Ich zitiere hier mal: "Nach den Anstandsregeln der damaligen Zeit war es für einen jüdischen Mann praktisch verboten, unverheiratet zu bleiben. Ein zölibatäres Leben war nach jüdischem Brauch undenkbar."
Das schreibt er hier. Stimmt das? Tut mir leid, stimmt nicht. Ich gebe ihm zu, später dann, so im Katholizismus, gibt es so einen Trend weg von der Ehe. Priester dürfen nicht heiraten. Aber hier sind wir im Judentum. Und im Judentum war es für Priester und auch für Rabbis durchaus möglich, nicht zu heiraten.
Wir kennen Beispiele im Alten Testament: Ein ganz bekannter Prophet, der ledig war, Jeremia. Im Neuen Testament ein ganz bekannter Mann, Paulus, ebenfalls nicht verheiratet. Außerhalb der Bibel gibt es einen konservativen jüdischen Orden, der Essener heißt. Die haben entweder gar nicht geheiratet oder sehr spät.
Das heißt, wir merken in der Zeit damals, dass das, was hier behauptet wird – es war, wie er sagt, praktisch verboten, undenkbar, an anderer Stelle unnatürlich – nicht stimmt. Ehe war im ersten Jahrhundert nach Christus keine Pflicht. Deshalb bestand auch überhaupt kein Grund dafür, zu erklären, warum Jesus nicht verheiratet war.
Auch das, was er hier behauptet, ist nicht richtig: Er sagt, wäre Jesus unverheiratet gewesen, hätte das in mindestens einem der vier Evangelien erwähnt und sein unnatürliches Junggesellentum irgendwie erklärt werden müssen. Entschuldigung, das ist Fiktion, das stimmt nicht.
Es gibt so viele unverheiratete Leute, und von keinem Einzigen wird in der Bibel erklärt, warum er unverheiratet bleibt. Insofern besteht keine Notwendigkeit, das bei Jesus zu tun.
Um es nochmals zu sagen: Keine jüdische, keine heidnische und auch keine christliche Schrift der frühen Zeit spricht davon, dass Jesus verheiratet war. Nicht einmal.
Könnt ihr euch das vielleicht gar nicht vorstellen? Es gab im ersten Jahrhundert Schmähschriften. Man war ja gegen dieses wachsende Christentum ziemlich allergisch, das wollte man weg haben. Also hat man böseste Publikationen herausgebracht. Man hat sich darüber Gedanken gemacht, ob Jesus nicht vielleicht doch einen Vater hatte, so einen römischen Soldaten, der da doch Maria so... Ja, also solche Geschichten waren im Umlauf.
Ob die Wunder nicht manipuliert waren, darüber gab es Geschichten. Es gab Geschichten darüber, ob die Auferstehung vielleicht fingiert war. Aber noch nicht einmal in diesen Schmähschriften – sonst hätte Dan Brown es auch zitiert – findet sich ein einziger Hinweis auf eine Ehefrau.
Wenn es deshalb hier in dem Buch an einer Stelle über die Ehe von Maria Magdalena und Jesus heißt, es handele sich hier um eine historisch verbürgte Tatsache, muss man einfach sagen: Entschuldigung, an dieser Stelle ist der Roman pure Fiktion. Da ist überhaupt nichts historisch verbürgt.
Denn das will jeder zugeben: Damit etwas historisch verbürgt ist, brauche ich irgendein Dokument. Es muss irgendwo stehen, und das habe ich nicht.
Das Philippusevangelium und seine Bedeutung
Und jetzt mögen einige von euch, die etwas mehr Wissen haben, sagen: Stopp, stopp, stopp! So kann es nicht sein, da kannst du nicht Recht haben. Es gibt doch ein Buch, in dem das ganz klar drinsteht. Nämlich ein Evangelium, das Philippusevangelium.
Diejenigen, die die Bibel ein bisschen kennen, wissen, dass es vier Evangelien gibt: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Und du fragst dich jetzt vielleicht, woher das Philippusevangelium kommt. Nun ja, um das Philippusevangelium lesen zu können, brauchst du Bücher neben der Bibel.
In der Zeit nach Jesus, ich sage mal bis hinein in die ganzen Jahrhunderte danach, ist eine ganze Menge christlicher und pseudochristlicher Literatur veröffentlicht worden. Dabei sind Bücher entstanden, die man Apokryphen nennt. Apokryph bedeutet „verborgen“, also verborgene Bücher. Wir hatten das vorhin schon: Verschwörungstheorien brauchen immer verborgene Bücher, sonst funktionieren sie nicht. Natürlich sind diese Bücher nicht wirklich verborgen, sonst könnten wir sie ja nicht lesen. Aber es klingt besser, wenn man von verborgenen Büchern spricht, anstatt von Büchern, die jeder lesen kann.
Auch im Umfeld des christlichen Glaubens gibt es solche Apokryphen. Das sind Bücher, die irgendwann entstanden sind, und dazu gehört eben auch das Philippusevangelium. Wenn euch das interessiert und euch das Neue Testament nicht reicht, dann gibt es solche frühchristlichen Schriften, die insgesamt etwa 1400 Seiten umfassen. Ich sage euch, das ist ein bisschen anstrengend.
Du kannst das gerne lesen, und wenn du sagst, das ist der einzige Grund für mich, nicht an Gott zu glauben, dass es diese Schriften gibt, dann lese ich sie auch mit dir. Aber ich bereite dich schon mal darauf vor: Es macht wirklich keinen Spaß. Besonders das Philippusevangelium macht relativ wenig Freude.
Bevor wir uns die eine Stelle anschauen, die Dan Brown in seinem Buch zitiert, vorweg: Das Argument ist schwach, eigentlich Blödsinn. Wann ist das Philippusevangelium entstanden? Ungefähr zwei- bis dreihundert Jahre nach Jesus. Das ist der eine Punkt. Es hat also mit der Frage, ob Jesus verheiratet war, schon lange nichts mehr zu tun.
Und zweitens: Ist es denn eine christliche Schrift? Da muss man sagen: Na ja, nur so halb, wirklich nur halb. Eigentlich ist es eine Schrift, die man der Gnosis und damit keiner christlichen Strömung zuordnet. Die Leute, die das verfasst haben, hatten eine ganz andere Sicht als die Autoren des Neuen Testaments.
Ich gebe jedem, der sagt, das glaube ich nicht, einen Rat: Hol dir den Text vom Philippusevangelium. Es sind nicht viele Seiten, etwa zwanzig, und er ist im Internet kostenlos verfügbar. Du kannst ihn einfach herunterladen, ich kann ihn dir auch geben. Lies dann das Markus-Evangelium, das etwa genauso lang ist, und lies beide Texte nebeneinander. Du wirst sehen: Hä, was ist denn das?
Ich verspreche dir, das wird deine Reaktion auf das Philippusevangelium sein.
Nichtsdestotrotz lässt Dan Brown seinen Hauptdarsteller behaupten, das Philippusevangelium sei eines der frühesten Dokumente der Christenheit. Entschuldigung, das ist falsch. Es ist ein spätes Dokument, und wie gesagt, es hat überhaupt nichts mit dem Christentum zu tun. Trotzdem macht es Spaß, darüber zu lesen.
Analyse des Zitats aus dem Philippusevangelium
Ich versuche ja, was gibt es denn wirklich? Schauen wir uns mal an, was das für ein Zitat ist, das hier auf Seite 337 gefunden wird.
Ihr müsst euch vorstellen: In der Geschichte ist es so, dass Sophie, die damit herumzieht, das gezeigt bekommt. Das ist nun der Text, an dem alles festgemacht wird. Und er liest sich dann so – gebt mir mal das Zitat, bitte. Also, ich lese euch das mal vor:
Das steht im Philippusevangelium. Bevor ich das vorlese, muss ich sagen, es ist ein bisschen gefälscht. Es kommt so rüber, als sei das ein Zitat aus einer einzigen Stelle. Das stimmt nicht. Deswegen habe ich es unten einfach mal zusammengemacht. Es sind zwei Stellen, die Dan Brown zusammengefügt hat, ohne es uns zu sagen. Außerdem hat er das, was davor und danach steht und nicht zu seiner Theorie passt, weggelassen. Also ist es ein bisschen gefälscht und glattgebügelt. Aber es ist ja auch ein Roman, das darf er. Das ist jetzt nur für uns interessant, wenn wir einsteigen und sagen: Ist das ein Argument? Das muss man wissen.
Also, was steht da?
„Und die Gefährtin des Erlösers war Maria Magdalena. Christus liebte sie mehr als seine Jünger und küsste sie oft auf den Mund. Die Jünger wurden darüber erzürnt und verliehen ihrer Enttäuschung Ausdruck. Sie sprachen zu ihm: ‚Warum liebst du sie mehr als uns?‘“
Also, über Ehe steht da noch nichts, aber es kommt ja schon irgendwie dem Ganzen nahe. Deswegen lassen wir uns an der Stelle einfach noch ein bisschen den Text anschauen.
Ich habe ja schon gesagt, es ist ein bisschen glattgebügelt. Dan Brown schreibt dazu – oder lässt dann wieder hier jemandem etwas sagen, nämlich seinem Herrn Teabing, der sagt dazu, nachdem Sophie das gelesen hat im Roman:
„Jeder, der des Aramäischen mächtig ist, wird bestätigen, dass das Wort ‚Gefährtin‘ in jenen Tagen nichts anderes als ‚Ehefrau‘ bedeutet.“
Das ist das Argument. Und das klingt doch stark: Ich habe einen alten Text, da steht das drin. Und dann „Gefährtin“ bedeutet im Aramäischen immer „Ehefrau“. Du liest das und denkst: Boah, das ist ein starkes Argument, oder?
Und ich denke mir: Mr. Brown, wie schlecht kennen Sie eigentlich Ihren Text?
Erstens: Der Text ist überhaupt nicht Aramäisch im Original, er ist koptisch. Das ist etwas ganz anderes, das ist Ägypten, und das andere ist Israel. Also, was da im Aramäischen steht, weiß keiner – und das kann auch irgendwie egal sein. Der Text ist nicht Aramäisch, das erstens.
Zweitens: Das Wort „Gefährtin“ bedeutet überhaupt nicht in solchen Texten, dass das eine Liebesgemeinschaft war, sondern es bedeutet in allen anderen Stellen Dienstgemeinschaft.
Und noch schlimmer: Was uns natürlich Herr Brown oder jetzt hier Herr Teabing nicht sagt, weil das ja überhaupt nicht in seine Theorie passen würde: Wenn es um Küsse geht in solchen gnostischen Texten, dann geht es immer um Wissensvermittlung und nie um erotische Abenteuer.
In der damaligen Zeit wäre ein öffentlicher Kuss sowieso nicht denkbar gewesen. Ihr müsst euch mal die Literatur dazu durchlesen, was überhaupt möglich gewesen wäre.
Und noch etwas: Unsere Freunde, die Gnostiker, haben ein Problem – sie haben im wahrsten Sinne des Wortes ein Problem mit dem Körper. Wir könnten auch sagen mit Sex und allem, was dazugehört. Das ist für sie nämlich schlecht. Die kämen überhaupt nicht auf den Gedanken, dass es zwischen ihrem Jesus und irgendjemand anderem etwas auf dieser Ebene gegeben hätte.
Nur leider sagt uns das Mr. Brown nicht.
Deswegen gilt wahrscheinlich, was ich hier an Zitat habe von einem Herrn Hunzinger – Klaus Hunno Hunzinger, Religionswissenschaftler und Kumranforscher – der über solche Stellen Folgendes sagt:
„Und es soll sich niemand angegriffen fühlen, ich fand das nur lustig. Die Leute sind von einer solchen religiösen Ahnungslosigkeit, dass sie jeden Blödsinn glauben und auf den Leim gehen. Gegen Argumente kann man wissenschaftlich argumentieren, gegen pure Phantasie hat man nichts entgegenzusetzen. Das ist wie der Kampf von Don Quichotte gegen die Windmühlen.“
Ich glaube, das ist der Punkt.
Man kann, wenn jemand sagt: Lasst uns das wissenschaftlich anschauen, einsteigen und solche Argumente bringen, wie ich sie eben gebracht habe. Aber Freunde, es ist ein Roman. Er darf das. Er darf diese Dinge tun. Er darf so tun, als gäbe es diese Stelle.
Ich darf so tun, als würden Indianer immer mit Pfeil und Bogen schießen und als hätte es die Silberbüchse gegeben. Aber wenn das alles ist, was ich über den Wilden Westen oder das Christentum weiß, dann ist das einfach viel zu wenig.
Die Kirchengeschichte und Maria Magdalena
Natürlich ist auch Mr. Brown sich dessen bewusst – irgendwie finde ich nichts. Ich greife da mühsam an drei Strohhalme, aber im Neuen Testament finde ich gar nichts. Danach gibt es bis auf das Philippusevangelium noch ein weiteres halbes Evangelium, das ich euch jetzt ersparen will. Da ist noch weniger drin, und es funktioniert nur deshalb in dem Buch, weil er das Zitat wirklich aus dem Zusammenhang reißt, den Zusammenhang wirr neu konstruiert, einige Behauptungen aufstellt, die überhaupt nicht stimmen und auch nicht so da stehen, und daraus dann Schlussfolgerungen zieht. Das erspare ich euch jetzt.
Warum finden wir nichts über Maria Magdalenas Ehe? Mr. Brown behauptet, und das sei doch klar, die Kirche habe das ja auch nie gewollt. Es habe jahrhundertelang eine Unterdrückungskampagne gegeben, und deshalb seien Quellenmaterialien ohne Ende verschwunden. Nun ja, Verschwörungsgeschichten verkaufen sich gut. Das Problem ist, ich kann nicht gegen Quellen argumentieren, die verschwunden sind, weil du sie nicht hast, ich sie nicht habe und ich nicht weiß, was ich dazu sagen soll.
Aber eines kann ich sagen: Es wird behauptet, die Kirche hätte versucht, Maria Magdalena als Prostituierte, als ganz üble Sünderin, darzustellen. Da muss ich Mr. Brown widersprechen. Das hat die Kirche nie gemacht. Es ist andersherum. Wenn wir ins Neue Testament schauen, was sehen wir? Die große Sünderin Maria? Ich bin da irgendwie nicht fündig geworden.
Was ich finde, ist Folgendes – und an dieser Stelle stimme ich Mr. Brown mal zu: Irgendwie war Jesus doch ein Feminist. Man kann es machen, wie man will. Ich würde das nicht so weit ziehen wie heute, aber ich bin auch nicht der übertriebene Freund von extremem Feminismus, weil ich glaube, dass Frauen da mehr darunter leiden als Vorteile davon haben. Aber Jesus war ein Feminist, und man merkt das an vielen Geschichten.
Jesus spricht mit Frauen. In der damaligen Zeit – ihr müsst das irgendwann mal lesen – gibt es eine Geschichte von einem Rabbiner, der eine Frau trifft, die Frau eines anderen Rabbiners, und ihn nach dem Weg fragt. Da mault der andere Rabbi sie an und sagt: „Weißt du nicht, dass Rabbiner mit Frauen nur so viel reden müssen, wie unbedingt nötig ist?“ Sie solle die Frage kürzer fassen. Das war die Zeit. Und Jesus nimmt sich Zeit für Frauen.
Seine Jünger haben damit ein ziemliches Problem, er selbst nicht. Er lässt es zu, dass Frauen ihm nachfolgen. Seine Jünger werden auch für die damalige Zeit eine absolute Ausnahme. Er lehrt sie, er will, dass sie lernen – absolut fantastisch. Er heilt sie, er kümmert sich darum, dass Frauen in besonderer Weise herausgehoben werden, wie es für die damalige Zeit absolut ungewöhnlich war.
Ein Beispiel: Frauen waren als Zeugen vor Gericht nicht zugelassen. Jesus schert sich einen Dreck darum. Wer ist der erste Zeuge nach der Auferstehung, und wen schickt Jesus los, damit die Jünger mitkriegen: „Ich bin auferstanden“? Eine Frau.
Da liest man heute so drüber hinweg, aber in der damaligen Zeit: Was machen die Jünger da? Was macht Gott an der Stelle? Kann er sich nicht jemanden Mann aussuchen? Natürlich kann er, aber er will nicht.
So kommt Maria Magdalena im Neuen Testament nicht als die Böse rüber, sondern eigentlich als die Gute. Und das, was hier behauptet wird – eine jahrhundertelange Diffamierungskampagne hätte sie klein gemacht –, das stimmt eigentlich auch nicht.
Fazit zur Ehe Jesu und zum Romancharakter von "Sakrileg"
Also war Jesus verheiratet? Nein, nicht nach dem, was wir wissen. Darf Dan Brown so etwas trotzdem schreiben? Ja! Das darf er, weil irgendwo steht, dass es sich um einen Roman oder Thriller handelt. Entschuldigt, er darf hier reinschreiben, was er will.
Er ist ein bisschen "fake" dabei, weil er vorne schreibt, unter Fakten und Tatsachen, dass sämtliche in diesem Roman erwähnten Werke der Kunst und Architektur sowie alle Dokumente wirklichkeits- und wahrheitsgetreu wiedergegeben sind. Meines Erachtens hat er sich da ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt. Aber lassen wir das durchgehen – es ist ein Roman.
Wenn ich einen Roman lese, dann möchte ich Fiktion lesen. Deswegen ist dieses Buch voller Fehler. Hier sind Hunderte sachlicher Fehler drin. Das fängt mit so Banalitäten an, dass ich einfach mal zehn Stück rausgeschrieben habe, ihr könnt mitschmunzeln.
Da heißt es auf Seite 26, sie fahren durch Paris und der Duft von Jasminblüten weht ins Auto. Aber der Roman spielt im April, und Jasmin blüht erst im Juli oder August. Darf er das schreiben? Ja, darf er.
Oder dann heißt es, im Louvre gäbe es 800 Sicherheitskameras, alle Attrappen. Ja, sagen wir mal fast alle. Wenn du im Louvre etwas klauen willst, sei vorsichtig, denn gut zweihundert sind scharf. Und wenn er es gelesen hat, dann fallen die Gitter links und rechts runter und schließen den Dieb ein. Auf die Gitter musst du warten – die gibt es nicht. Darf er das trotzdem schreiben? Natürlich.
Oder Leonardo da Vinci: Fast alles, was hier über ihn geschrieben wird, ist falsch. Hunderte Auftragswerke hätte er für den Vatikan hergestellt. So viele waren es nicht. Es gibt heute nur noch siebzehn Bilder von Leonardo da Vinci. Wisst ihr warum? Weil der Kerl unzuverlässig war bis zum Gehtnichtmehr. Er hat Sachen nicht zu Ende gekriegt. Von den 17 Bildern sind vier nicht vollendet. Merkt ihr was? Hunderte von Werken, er war der Topstar für den Vatikan – und dann liest man, es sei nur ein Werk. Überzeugt nicht wirklich, oder? Darf er das? An der Stelle kann man es sich überlegen.
Oder dann philosophiert er darüber, wie GPS funktioniert. Der Held hat so einen Sender, der angeblich den Satelliten da oben im All die Position durchgibt. Ich will ja nicht darüber streiten, aber wenn er wirklich so einen Sender hätte, müsste der Sender ungefähr zehnmal so groß sein, nur um den Satelliten anzufunken. Entschuldigt, das funktioniert nicht, weil das System andersherum läuft: Der Satellit funkt mich an, nicht umgekehrt. Darf ich das schreiben? Wenn du es glaubst, darf ich das schon.
So geht es hier einfach weiter: Die Tarotkarten – ein Spiel aus 22 Karten? Entschuldigung, es sind 78. Und nicht nur das, alles, was darüber an Erklärungen gebracht wird, ist einfach falsch.
Ja, was soll man sagen? Das Beste ist die Zahl Phi. Darüber schreibt er, das sei die harmonischste Zahl im Universum. Dann lässt er seinen Helden philosophieren und sagen, das Verhältnis der männlichen und weiblichen Bienen in einem Bienenstock auf der ganzen Welt entspreche immer genau dieser Zahl 1,618.
Spätestens an dieser Stelle muss sich jeder Imker wirklich vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Wisst ihr, warum das nicht stimmen kann? Weil in einem Bienenstock – und jetzt geht es uns Männern wirklich an den Kragen – die Männchen im Herbst rausgejagt werden. Da bleibt nur ein ganz kleiner Prozentsatz, die anderen sind draußen. Das stimmt überhaupt nicht.
Entschuldigt, ich komme ja mehr aus der chemischen Richtung. Wally, du wirst das jetzt gleich auch mit Schmunzeln quittieren. Also, dann suchen die beiden Blut neben einem UV-Strahler, kennt man ja von CSI und so. Da machst du also Blut, und dann wird das Blut fluoresziert. Boah, da ist eine Blutspur im Louvre.
Oh, wenn die das wirklich probiert hätten mit dem UV-Strahler, wäre gar nichts passiert. Weißt du warum? Du brauchst Fluoreszinlösung und Wasserstoffperoxid und musst die Stelle vorher damit behandeln. Erst dann funktioniert es. Und die hatten wir leider nicht dabei.
Ist das schlimm? Nein, ich glaube nicht. Es ist lästig, aber es ist ein Roman. Wenn du auf solche Sachen reinfällst und sagst, jetzt glaube ich das, dann ist das nicht mein Problem.
Ärgerlich wird es, wenn er behauptet, dass Jesus erst auf dem Konzil von Nicaea zum Sohn Gottes gemacht wurde. Das ist ärgerlich, weil das Volksverdummung ist. Und dann sagt er auch noch, die Abstimmung sei ganz knapp gewesen. Erstens war Jesus schon immer der Sohn Gottes, soweit man zurückgeht – das haben die Christen immer geglaubt und geschrieben. Zweitens fand zwar eine Abstimmung statt, aber wisst ihr, wie knapp die war, von der er sagt, sie sei ganz knapp? Die Abstimmung war 316 zu 2. Dafür finde ich nicht, dass das furchtbar knapp war.
Na ja, und lustig wird es, wenn der gute Mann einen Düsenflieger in einen Hangar reinfliegen lässt und dann manövriert. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn ein Düsenflieger in einem Hangar mit Düsenantrieb manövrieren will? Du willst nicht da drin sein. Kein Pilot im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte würde das auch nur im Ansatz probieren. Hier drin funktioniert es.
Ich habe den Film nicht gesehen – wird es im Film auch gemacht? Das ist pure Tricktechnik. Wenn du das wirklich probierst, schlägt dir jedes freistehende Ding, wie ein Buch, das nur irgendwie nah an einer Düse war, als Geschoss den nächsten Grundpfeiler weg. Wenn du dazwischen stehst, fliegt das einfach durch dich hindurch. Das kannst du nicht machen. In einem Roman kann man es machen.
Und jetzt könnte ich weitermachen. Ich könnte euch Hunderte Beispiele bringen, wo dieses Buch Dinge behauptet, die einfach nicht stimmen.
Ob das nun was ist, weiß ich nicht. Hier vorne steht ganz lustig: Der Prieur de Sion, der Orden der Bruderschaft von Sion, wurde im Jahr 1099 gegründet und so weiter. Wisst ihr, wann er gegründet wurde? Es ist schon eine Art Verein, 1950.
Der Gründer musste vor einem französischen Gericht im Rahmen einer Unterlassungserklärung, bevor er starb – er ist inzwischen tot – erklären, dass all diese Gerüchte, die er über diesen Orden in die Welt gesetzt hat, falsch sind. Trotzdem finden wir es hier.
Aber es ist ein Roman.
Einladung zum kritischen Lesen und Nachdenken
Abschließend möchte ich einfach sagen: Wenn ihr Spaß an solchen Büchern habt, dann lest sie. Wenn ihr sie als Unterhaltung lesen könnt, dann tut ihr genau das Richtige.
Wenn ihr jedoch wissenschaftliche oder biblische Fakten kennenlernen wollt, dann taugt das Buch Sakrileg leider nicht. In diesem Fall müsst ihr die Originalliteratur lesen.
Hier lade ich euch ein – wer immer das möchte, besonders auch die Gäste, die Lust haben: Ich lese gern mit Leuten in der Bibel. Wir können gemeinsam nachschauen, was wirklich darin steht und nicht, was in einem Buch der Unterhaltungs-Literatur darüber behauptet wird.
Danach ist noch genug Zeit, um über Fragen zu sprechen. Zum Beispiel: Wie ist es damit? Wie ist es damit? Ich erkläre gern alles. Falls die Zeit nicht reicht, haben wir draußen ein kleines Büchlein, das man mitnehmen kann. Dort stehen schon einige Informationen drin.
Wer etwas mehr Geld ausgeben möchte, dem empfehle ich ein Buch von Michael Kotsch: Sakrileg – Geheime Evangelien. Das kostet nur fünf Euro und ist gut lesbar. Dort findet man ebenfalls viele Informationen und auch ein bisschen Hintergrundgeschichte, wie es zur Entstehung des Buches kam.
Mein Wunsch ist, dass wir das mitnehmen: Die Tatsache, dass es ein solches Buch gibt, ist kein Angriff auf unseren Glauben. Es ist nur ein Angriff auf unseren Intellekt – mehr nicht. Wenn wir ein wenig nachdenken, können wir uns zu all den hier behandelten Fragen ein eigenes, gutes Bild machen. Und genau das sollten wir tun.
Schlussgebet
Und in diesem Sinn möchte ich zum Schluss beten.
Vater im Himmel, wir danken dir dafür, dass du uns Verstand gegeben hast, damit wir nachdenken können. Wir danken dir, dass du dafür gesorgt hast, dass wir die Bibel haben und in ihr lesen können. Darüber hinaus danken wir dir auch für die vielen Bücher und wissenschaftlichen Arbeiten, die immer wieder bestätigen, dass dein Wort wahr ist.
Ich bitte dich, dass durch diese Diskussion über das Buch Sakrileg viele Menschen zum Nachdenken kommen. Viele sollen sich auf die Suche nach dem Ursprung des christlichen Glaubens machen. Sie sollen sich nicht so leicht für dumm verkaufen oder veräppeln lassen, wie es vielleicht in dem Buch dargestellt wird.
Vielmehr soll eine ernsthafte Auseinandersetzung und ein echtes Nachdenken stattfinden. Menschen sollen wirklich zu dem Punkt kommen, dich als ihren Herrn und Heiland anzunehmen. Das, was wirklich wichtig ist und das wahre Fundament bildet, soll in ihren Herzen groß werden.
Gib dazu deine Gnade! Amen!