Ich bin gespannt, wie das jetzt werden wird. Bislang war es immer so, dass wir die Bibelwochen ein kleines bisschen entkoppelt von den Sonntagen gestaltet haben, vielleicht mit einem Sondervortrag. Diesmal fing die Bibelwoche jedoch schon am Freitag an, und wir machen wirklich genau da weiter, wo wir am Freitag aufgehört haben.
Für alle, die am Freitag nicht dabei waren, versuche ich einen ganz kurzen Einstieg. Wir springen ins Alte Testament und dort in ein Buch, das ganz selten gepredigt wird. Ehrlich gesagt sage ich das als jemand, der schon die eine oder andere Predigt gehalten hat: Es ist nicht so einfach. Das Buch hat so seine Tücken.
Wenn ich mir einen Bibeltext aussuchen dürfte, würde ich nicht so oft über das Buch der Sprüche predigen. Als ich mir die ersten neun Kapitel selbst vorgenommen und studiert hatte, dachte ich zwischendurch auch: „Oh Backe, das ist echt strange“, um ein neudeutsches Wort zu verwenden. Das ist irgendwie komisch.
Wie kommt man da noch richtig an den Text heran? Wie schafft man es, einen Text, der ungefähr tausend Jahre vor Christus geschrieben wurde, über einen Zeitsprung von dreitausend Jahren in die heutige Zeit zu transformieren? Wie macht man das? Ich merke, dass sich dieser Text manchmal unserem Denken entzieht.
Einführung in das Buch der Sprüche und seine Herausforderungen
Das Buch der Sprüche wurde im Wesentlichen von Salomo verfasst. Die Grundidee des Buches ist es, Weisheit zu vermitteln. Salomo stellt sich dabei junge Menschen vor, aber auch Ältere, die erkannt haben, dass sie noch nicht die Klügsten sind. Vielleicht sind es auch solche, die bereits weise sind und wissen, dass ein wirklich Weiser niemals aufhört, dazuzulernen.
Er sieht diese Menschen vor sich und möchte ihnen Weisheit mit auf den Weg geben. Dabei möchte er ihnen Ideen aus Gottes Perspektive fürs Leben vermitteln. Weisheit bedeutet hier die Fähigkeit, das richtige Lebensziel mit den richtigen Mitteln zu erreichen.
Ganz am Ende, wenn man wirklich darüber nachdenkt: Ich bin gestern mit dem Auto gefahren und sah vor mir ein Auto mit einem „Antichristen“-Aufkleber. Ich weiß nicht, ob das bekannt ist. Christen haben oft einen Fisch als Symbol, und es gibt auch Aufkleber, die sich darüber lustig machen. Das war ein Fisch, ein typischer Christenfisch, ihr kennt das mit den Kreisen oder Halbkreisen. Auf dem Aufkleber kam von oben ein Vogel und packte diesen Fisch.
Ich schaute in das Auto hinein, weil ich wissen wollte, was für Leute mit so einem Aufkleber unterwegs sind. Normalerweise schaue ich auch bei Christen ins Auto, aber diesmal wollte ich die andere Seite sehen. Es war ein kleines Auto, die Insassen waren dunkel geschminkt und dunkel gekleidet. Auf den ersten Blick wirkten sie nicht besonders glücklich. Das konnte daran liegen, dass sie erst aufgestanden waren – es war etwa halb elf nachts – oder vielleicht lag es an etwas anderem.
Wir fuhren an dem Auto vorbei, gerade von der Jugendstunde kommend, und ich konnte nur denken: „Ey, ihr armen Schweine!“ Überlegt mal, ihr legt euch mit Gott an! Viel Spaß dabei, einfach nur viel Spaß. Ihr zeigt nach außen deutlich: Diese ganzen Christen sind Loser, deren Sicht auf das Leben falsch ist. Ihr stellt euch gegen Gottes Geliebte.
Ich konnte nur hineinschauen und sagen: Ihr wirklich, Amen, sich mit Gott anzulegen ist so, als würde ein Schneeball sich mit einem Hochofen anlegen oder eine Mücke gegen die Sonne kämpfen. Das ist einfach lächerlich.
Der Wunsch nach einem glücklichen Leben als Grundbedürfnis
Und gleichzeitig, als ich hineinschaute und die Gesichter sah, wurde ich traurig. Die dunkle Kleidung und die Art der Schminke – ich habe grundsätzlich nichts gegen Schminke, das soll nicht falsch verstanden werden – aber da kommt auch eine bestimmte Ausstrahlung rüber.
Da dachte ich mir: In jedem einzelnen Herzen der Menschen, die dort sitzen, lebt der Wunsch nach einem glücklichen Leben. Niemand zieht durch diese Welt und sagt: "Ich will Finsternis, ich will nur Unglück, ich will mein Leben so schnell wie möglich kaputt machen. Ich möchte den Weg in die Hölle abkürzen und schon ein bisschen Hölle hier auf Erden leben." Das macht niemand, wirklich niemand.
Wenn man diese Leute fragt, vorausgesetzt sie sind gerade nicht betrunken oder berauscht: Was wünschst du dir vom Leben? Weißt du, was für überraschende Antworten man bekommt? "Eigentlich wünsche ich mir eine Beziehung, die funktioniert. Jemanden, der mich liebt. Eigentlich wünsche ich mir ein Leben, das gelingt."
Genau darum geht es in den Sprüchen. Gott gibt uns Gedanken darüber, wie Leben gelingt. Er lässt uns einen Blick in seine Weisheit werfen, in die Prinzipien, mit denen er die Welt geschaffen hat. Prinzipien, die, wenn man sich an sie hält – obwohl diese Welt an und für sich von der Sünde gezeichnet ist – dazu beitragen, dass wir das Glück ernten, das in dieser Welt noch möglich ist.
Deshalb ist das Buch der Sprüche ein Buch, das sich an Eltern und Erzieher richtet, an alle, die sagen: "Ich möchte Weisheit lernen. Ich möchte zuhören, was Gott mir zu sagen hat." Es ist ein Buch mit rund 900 Versen, und manchmal, wenn man es durchliest, denkt man: "Oh je, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll." Aber es lohnt sich. Es lohnt sich, dieses Buch zu studieren.
Ich finde euch als Gemeinde mutig, dass ihr euch in einer Bibelwoche an dieses Buch heranwagt. Das möchte ich euch ehrlich sagen.
Mut und Herausforderung einer Bibelwoche zu den Sprüchen
Ich habe vor anderthalb Wochen mit jemandem gesprochen, der uns als Gemeinde betreut hat. Er ist Gemeindereferent und begleitet Transformationsprozesse. Ich habe ihm erzählt, dass ich eine Bibelwoche über Sprüche 1 bis 9 machen werde – zwölf Vorträge in einer Woche.
Er kommt eher aus dem baptistischen Lager und meinte erstaunt: „Wie, es gibt noch Gemeinden, die so etwas machen?“ Das war für ihn total fremd. Ich finde es fantastisch, dass ihr euch auf diese konzentrierte Art mit dem Thema auseinandersetzt. Gleichzeitig möchte ich sagen: Es kann nur ein Einstieg sein.
Heute schauen wir uns Kapitel 2 der Sprüche an. Mein Wunsch ist, dass ihr am Ende nicht sagt: „Ah, jetzt weiß ich alles über Kapitel 2.“ Vielmehr sollt ihr am Ende sagen: „Okay, ich werde mir nach der Bibelwoche noch einmal Vers für Vers Zeit nehmen, um über den Text nachzudenken.“
Den größten Gewinn aus dieser Bibelwoche wird derjenige haben, der sich danach die Zeit nimmt, die Verse in Ruhe noch einmal durchzugehen. Das kann ich euch jetzt schon sagen.
Bei den Sprüchen lohnt sich das besonders. Es gibt ja manchmal Texte in der Bibel, bei denen man eine Seite liest und sich fragt: „Hm, was habe ich jetzt gelernt?“ Zum Beispiel die Offenbarung ist manchmal so, oder im Alten Testament gibt es Stellen, wo man seitenlang über Opfer lesen kann und sich denkt: „Hm, was mache ich damit?“
Das wird euch bei den Sprüchen fast nie passieren. Ich glaube, man kann keine Seite in den Sprüchen lesen, ohne dass man richtig etwas gelernt hat.
Kapitel 2 – Die Rettung vor dem bösen Weg
Sprüche Kapitel 2, Verse 1 bis 22, habe ich bei mir mit dem Titel „Die Rettung vor dem bösen Weg“ überschrieben. Dort heißt es in Vers 1 und Vers 2:
„Mein Sohn, wenn du meine Reden annimmst und meine Gebote bei dir verwahrst, indem du dein Ohr auf Weisheit merkst und dein Herz zum Verständnis neigst.“
Es geht um die Frage: Wie kann ein Vater – das Gleiche gilt für eine Mutter – seine Kinder auf ein Leben vorbereiten, in dem der Zeitgeist und falsche Freunde gegen das Glück der Kinder arbeiten? Wie kann das gelingen?
Hier ist der erste Punkt: Ein Vater oder eine Mutter spricht mit ihrem Kind und sagt ihm: „Hör her! Wenn du meine Reden annimmst und meine Gebote bei dir verwahrst, indem du dein Ohr auf Weisheit merkst und dein Herz zum Verständnis neigst.“
Der Vater sagt zum Sohn: „Hör zu! Wenn du im Leben wirklich ankommen willst, wenn du echtes Glück ernten möchtest, wenn du die entscheidenden Weggabelungen richtig gehen willst und Entscheidungen so treffen möchtest, dass am Ende der Segen Gottes über deinem Leben steht, dann musst du meine Reden annehmen und meine Gebote bei dir bewahren.“
Das ist spannend, denn ich habe Kindererziehung immer so erlebt: Man versucht, dem Kind biblische Weisheit beizubringen, und das Kind reagiert eher mit Widerstand. Nicht, dass es sich völlig verschließt, aber es gibt eine gewisse Gegenwehr.
Die Einsicht, wie gut es war, Bibelverse auswendig zu lernen, kam bei meinen Kindern erst mit sechzehn Jahren. Wir hatten aber schon mit sechs Jahren angefangen. Ihr merkt, es war ein längerer Prozess, bei dem man manchmal auch Widerstände überwinden musste.
Trotzdem sagt dieser Vers: Damit Weisheit gelingt, müssen Kinder an den Punkt kommen, an dem sie ihr Ohr und ihr Herz den Belehrungen zuneigen. Das heißt, sie müssen mit ihren Sinnen und ihrem Verstand bereit sein, zuzuhören.
Das Ohr steht hier für die physischen Voraussetzungen, das Herz ist in der Bibel das intellektuelle, moralische und emotionale Zentrum. Es steht nicht so sehr für Gefühl, sondern vielmehr für Denken und Wollen.
Das Kind muss die Entscheidung treffen – und je früher es diese Entscheidung trifft, desto glücklicher wird es sein. Das Kind muss sich bewusst entscheiden: „Ich will mit meinen ganzen Sinnen und mit meinem Verstand auf das hören, was meine Eltern mir zu sagen haben.“
Wenn das nicht passiert, wird es sehr schwierig.
Weisheit suchen als aktive und bewusste Entscheidung
Und es geht weiter: Die Verse drei und vier richten sich immer noch an den Sohn – und bitteschön, alle Töchter sind hiermit eingeschlossen. Wir müssen das verstehen. Im Alten Testament wird manches an einem Beispiel deutlich gemacht, doch das Prinzip gilt für alle.
Also können sich nicht alle Frauen zurücklehnen und sagen: „Schön, dass die Söhne so gut belehrt werden.“ Nein, nein, bitte fühlt euch alle angesprochen – Söhne und Töchter. Genauso können die Mütter, wenn der Vater hier spricht, sich nicht zurücklehnen und sagen: „Wusste ich’s, wusste ich’s, habe ich dir immer schon gesagt, du musst das machen.“ Es ist immer ein Miteinander.
Wir werden die Mutter noch finden, nur nicht in diesem Text, glaube ich, das kommt ein bisschen später, in Kapitel 4. Hört, wenn ihr Vater hört, Mutter – und wenn ihr Sohn hört, Tochter. Okay? Wir müssen das so zusammenkriegen, das ist einfach so hier gemacht.
Also, Sprüche 3,3-4, immer noch zum Sohn und zur Tochter: „Ja, wenn du Weisheit anrufst, deine Stimme erhebst zur Einsicht, wenn du sie suchst wie Silber und ihr wie verborgenen Schätzen nachspürst, dann …“
Wir merken: Es geht nicht darum, dass der Sohn oder die Tochter die Bemühungen der Eltern, ihn zu erziehen, irgendwie so über sich ergehen lässt – im Sinne von: „Schon wieder Familienandacht, hoffentlich ist das bald rum“, und alle schauen so demonstrativ alle fünf Minuten auf die Uhr. „Da hat Papa vorgelesen, jetzt wird Mama mir noch was erzählen, hoffentlich ist das bald rum.“
Weise, wirklich weise – und das gilt jetzt ausnahmsweise mal an die ganz Jungen hier: Alle unter zwanzig müssen jetzt zuhören – wirklich weise werdet ihr nur, wenn ihr eine Indiana-Jones-Mentalität an den Tag legt. Indiana Jones – also ich versuche ja immer Filme zu nehmen, die mindestens zwanzig Jahre alt sind, damit sie jeder gesehen hat. Indiana Jones ist der mit dem Hut und der Peitsche.
Und wenn Indiana Jones sich auf die Reise macht, irgendeinen Schatz zu heben, dann heißt das immer für ihn: Er investiert richtig, er hat einen Plan. Er hat die richtigen Mittel, und er lässt sich auch davon, dass irgendjemand ihn daran hindern will, nicht aus der Bahn werfen. Und darum geht es hier.
Wenn du weise werden möchtest als junger Mensch, dann mach dich einfach mal darauf gefasst, dass Weisheit ein Schatz ist, den man suchen muss. Ein Schatz, der, wenn man ihn gefunden hat, gehoben werden muss und der letztlich ins eigene Leben übersetzt werden muss.
Und erst wenn du das getan hast – und das ist etwas, was Mühe macht, es tut mir leid, ich kann das nur immer wieder von hier vorne sagen – und wer mich von den Outdoor-Bibelschulen kennt, der weiß, was ich meine mit dem: Es gibt keine Instant-Heiligung. Es gibt nicht dieses Aufreißen, Einrühren, „Jetzt bin ich fertig“, sondern es ist ein mühsamer Prozess.
Wer Weisheit sucht, ich verspreche dir einfach schon mal: Es braucht ein paar Jahre Nachdenken über die Sprüche, wenn du jung bist. Nimm dir Vers für Vers das Ding vor. Besorg dir dieses Heft hier – nicht, dass das Heft das Beste ist, was es auf dem Markt gibt, es ist einfach nur eine Sammlung von ein paar Gedanken, die mir zu dem Text gekommen sind.
Aber kau das durch! Nicht zu viel auf einmal! Wenn du jung bist, geh zu deinen Eltern und frag sie: „Was bedeutet der Vers?“ Ärger sie mit Fragen, das ist immer gut, und überleg, wie du das irgendwie in dein Leben reinbringen kannst.
Weisheit finden ist ein anstrengendes, langwieriges und von persönlichen Opfern begleitetes Unternehmen. Wenn uns das nicht klar ist, wenn wir dazu nicht bereit sind, werden wir im schlimmsten Fall Entscheidungen treffen in unserem Leben, die unser Leben ruinieren. Und das kann ganz früh passieren.
Ich habe einen jungen Freund, der vor drei Monaten sein Leben mit Gott ad acta gelegt hat. Es hat drei Monate gedauert, und jetzt liegt er in richtig bösen Schwierigkeiten, so richtig bösen, wo du sagst: Okay, ich werde euch jetzt keine Details erzählen, aber es ist so dramatisch, dass ich mir denke: Drei Monate Blödsinn machen reichen aus, um das Leben eines Neunzehnjährigen für die nächsten zwanzig, dreißig, vierzig Jahre hinweg zu ruinieren – drei Monate Blödsinn.
Und deswegen raten uns hier die Sprüche, dass wenn wir die Weisheit anrufen – das Bild, das hier im Hintergrund steht, ist, dass die Weisheit eine schöne Frau ist, und ich nehme Kontakt mit ihr auf.
Und jeder, der schon mal mit einer schönen Frau so angefangen hat zu flirten, sie kennenzulernen, der überlegt sich: Was kann ich tun? Wie komme ich da ran? Welche Worte passen? Da ist ein bisschen auch Emotionalität dahinter, da strengt man sich an, da kann man nachts vielleicht nicht schlafen. Das ist die Idee.
Wenn du Weisheit finden willst, dann ist das wie wenn man eine schöne Frau gewinnen will. Wenn du sie suchst wie Silber und ihr wie verborgenen Schätzen nachspürst – etwas, wo du sagst: Das will ich unbedingt haben, unbedingt! Dann bist du auf dem richtigen Weg.
Das ist so die innere Einstellung, die wir alle miteinander, vor allem aber die jungen Leute brauchen, um Weisheit zu finden. Denn in Vers 6 heißt es: „Der Herr gibt Weisheit, aus seinem Mund kommen Erkenntnis und Verständnis.“
Wenn wir bereit sind, uns darauf einzulassen, in unserem Leben eine bestimmte Zeit zu reservieren, um uns mit Weisheit zu beschäftigen – das kann sein, dass du Bibelverse auswendig lernst, das kann sein, dass du Vers für Vers dich durch das Buch der Sprüche hangelst.
Das kann sein, dass man eine Familienkonferenz einberuft, wo man sagt: „Hey, wie wollen wir gemeinsam jetzt Bibel machen?“ Also ich wünsche euch, wenn ihr Familien habt, so eine Kultur – so diese Bibelwiederkäuer-Kultur will ich das mal nennen. Man hat zuhause so eine Art, regelmäßig über die Bibel zu reden, das gehört irgendwie dazu.
Es geht nicht nur um: Welche Schulnoten sind geschrieben worden? Wie ist das mit dem Urlaub? Was steht sonst noch so an? Ja, man hat ja immer tausend Sachen, über die man reden kann. Sondern die Bibel und das Nachdenken über die Bibel haben einen festen Bestandteil innerhalb der Familienkultur.
Das ist so die grobe Richtung. Und wo wir das tun, wo wir uns wirklich mit Weisheit beschäftigen, wo es uns nicht reicht, am Sonntag in den Gottesdienst zu gehen, sondern wo wir selber ein Leben haben über dem Wort oder besser noch ein Leben unter dem Wort.
Wo wir immer wieder fragen: Herr, was hast du mir heute zu sagen? So wie es in Jesaja mal über den typischen Jünger heißt. Da sagt der Messias, der Herr: „Der Herr hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich erkenne, den Müden durch ein Wort aufzurichten.“
Ein Jünger ist in der Lage, einen anderen aufzurichten. Aber was befähigt ihn dazu? „Er, Gott, weckt mich ja morgen, für morgen weckt er mir das Ohr, damit ich höre wie Jünger hören.“ Also erst höre ich zu, und dann kann ich das, was ich gehört habe, nehmen, um anderen, die niedergeschlagen sind, aufzurichten.
Erst muss ich ein Hörender sein, bevor ich ein Gebender sein kann. Und dass das funktioniert, liegt daran, dass der, der Weisheit sucht, sie findet, weil Gott – wie in Vers 6 gesagt – Weisheit gibt.
Gottes Schutz und Führung für die Aufrichtigen
Gott ist derjenige, der das größte Interesse daran hat, dass wir geistlich weiterkommen. Und mehr noch: Gott kümmert sich um uns.
In Vers sieben heißt es: Er bewahrt klugen Rat auf für die Aufrichtigen, er ist ein Schild denen, die in Vollkommenheit wandeln. So würde das heute kaum noch jemand ausdrücken. Vollkommenheit klingt oft nach Perfektion, nach etwas, woran nichts mehr zu verbessern ist. Niemand lebt doch vollkommen, das stimmt. Und das müssen wir verstehen, wenn wir die Sprüche lesen.
Die Sprüche gehen davon aus, dass wir nicht perfekt sind. Deswegen kann der Weise immer noch an Weisheit zunehmen. Deshalb gibt es die Sprüche, weil Salomo davon ausgeht, dass wir immer dazu lernen. Also lasst uns bei einem Begriff wie Vollkommenheit nicht an Perfektion denken.
Die Bibel ist ganz klar: Wenn du glaubst, in deinem Leben gibt es keine Sünde, bist du ein Lügner – ganz einfach. Wenn wir glauben, fertig zu sein, sind wir schon wieder unfertig. Das ist ganz verrückt. Und trotzdem, obwohl wir im absoluten Sinn nie gerecht vor Gott sind – da gab es nur einen, und das ist der Herr Jesus, der ohne Sünde gelebt hat – bei uns ist das anders.
Obwohl wir im absoluten Sinn nie vollkommen sein werden, bezeichnet uns Gott doch so, wenn wir uns mühen und relativ gesehen auf dem richtigen Weg sind. Wenn unser Herz darauf ausgerichtet ist, Gott gefallen zu wollen, wenn wir die Grundsatzentscheidung getroffen haben: Ich will mit Gott sein, ich will für Gott leben, ich will so sein wie Gott – dann sagt er: Du bist ein Gerechter, und du bist einer, der in Vollkommenheit wandelt.
Er nennt uns so. Ich habe mir das nicht ausgedacht und hätte mir den Begriff nie angezogen, aber Gott sagt es. Das ist das Höchste, was du hier auf der Erde erreichen kannst, und darüber darfst du dich freuen. Denn wenn du so einer bist, wenn du sagst: Ich will Gottes Lebensziele, Gottes Idee von ewigem Leben im Blick haben, und das ist meine Perspektive, da gehe ich darauf zu, da will ich unbedingt hin – wenn das deine Motivation ist, dann gilt, was hier steht: Gott bewahrt klugen Rat auf für die Aufrichtigen. Er ist ein Schild denen, die in Vollkommenheit wandeln.
Gott wird an deine Seite treten in dein Leben, und er wird dich mit Rat unterstützen. Das heißt, wenn du Lebensfragen hast, wirst du Antworten bekommen. Zugegebenermaßen möchte ich hier einschränkend sagen: Vielleicht nicht immer genau dann, wenn du es gerne hättest. Gott hat da so eine Tendenz, ein bisschen länger zu brauchen mit dem Antworten. Er spannt uns manchmal so ein bisschen auf die Folter. Das ist zumindest meine Lebenserfahrung.
Es dauert manchmal etwas, weil er uns nicht nur Rat geben möchte, sondern ganz nebenbei auch sehen will, ob wir ihm vertrauen. Und zum Vertrauen gehört immer dieser Zeitaspekt: Es dauert ein bisschen länger, als wir uns das vorgestellt haben. Aber am Ende kommt der Rat.
Und mehr noch: Gott weiß, dass in unserem Leben Situationen auftreten werden, in denen wir so durchgeschüttelt werden, dass es so schwierig wird, dass wir uns eigentlich nur verstecken können. Und das ist das, was er uns anbietet – hier mit dem Begriff Schild.
Er ist ein Schild. Das ist kein Straßenschild, sondern so ein Schild, das Soldaten getragen haben. Manchmal kann man einfach nur eins machen: Man kann sich hinter dem Schild Gottes verstecken und warten, bis die Situation vorbei ist. Einfach nur sagen: Ich weiß jetzt auch nicht weiter. Ich bleibe jetzt hier, ich bleibe einfach in Deckung.
Und das möchte Gott uns sein: Rat und Hilfe. Und wie macht er das? Indem er, wie in Vers acht steht, die Pfade des Rechts behütet und den Weg seiner Frommen bewahrt.
Leben als Weg und Gottes Bewahrung auf dem rechten Pfad
Die Pfade des Rechts und das Wort „Pfad“ haben damit zu tun, dass unser Leben in den Sprüchen als ein Weg beschrieben wird, den wir gehen. Ein Schritt folgt dem anderen. Ich laufe also Schritt für Schritt. Das ist Leben. Jeden Tag treffe ich viele kleine Entscheidungen.
Jetzt stellt sich die Frage: Führt mich dieser Weg zu Gott oder von Gott weg? Jeder Schritt, den ich gehe, wird mich in eine dieser beiden Richtungen führen. Vielleicht nicht immer dramatisch weit weg, aber doch ein bisschen weg oder hin zu Gott.
Wenn wir von den Pfaden des Rechts sprechen, kann man sich fragen: Gibt es unterschiedliche Pfade, wie man richtig lebt? Ja, die gibt es. Leben sieht verschieden aus. Auch Gläubige führen kein einheitliches Leben. Nicht jeder muss genau das Gleiche tun wie ein anderer. Wir sind unterschiedlich begabt, unterschiedlich berufen, haben unterschiedliche Intelligenz und Lebensvoraussetzungen. Wir sind verschieden.
Trotzdem, obwohl wir unterschiedliche Leben führen und es verschiedene Pfade des Rechts gibt, führen alle diese Wege zu Gott. Jeder Schritt bringt uns Gott persönlich ein Stück näher.
Es heißt hier, dass Gott die Pfade des Rechts behütet. Gott ist wie jemand, der aufpasst, dass du auf diesem Weg nicht zugrunde gehst. Gott bewahrt den Weg seiner Frommen. Das finde ich sehr schön.
Ich weiß, dass ich in einer Welt lebe, in der das Leben gefährdet und angefochten ist. Ich bete gerne das Vaterunser, oder ich nutze es als Struktur für mein eigenes Gebet. Dort gibt es den Satz: „Erlöse uns von dem Bösen.“ Diesen Satz mag ich sehr. Ich glaube, wir sollten ihn oft beten: Erlöse uns von dem Bösen.
Wir leben in einer Welt, in der das Böse eine Realität ist. Manchmal fühlt es sich an wie ein Tsunami, der über eine Generation oder ein Land hinwegrollt – etwas sehr Negatives. Dann frage ich mich, wie man sich dagegen stemmen soll.
Der Vers macht mir Mut. Oft fühle ich mich angefochten, versucht, getäuscht. Doch ich weiß, dass dort, wo ich mich mit Gottes Wort beschäftige und seine Weisheit lebe, Gott selbst derjenige ist, der sagt: Mach dir keine Sorgen, ich bringe dich ans Ziel.
Ist euch das klar? Bei all dem, was wir über Weisheit reden: Im letzten Ende sind nicht wir es, die uns ans Ziel bringen. Wir sind nicht diejenigen, die den Verwandlungsprozess in uns vollenden, damit wir irgendwann passend für den Himmel sind. Sondern Gott selbst ist derjenige, der uns diese Verheißung gibt.
Das steht im Philippabrief Kapitel 1, Vers 6. Dort sagt der Apostel Paulus zu den Philippern, dass Gott ein gutes Werk in ihnen angefangen hat und es vollenden wird.
Ich finde das fantastisch. Ihr merkt, es ist immer ein Miteinander. Gott sagt: Ich gebe dir meine Weisheit, studiere sie, verinnerliche sie, lebe danach. Gleichzeitig tritt er an unsere Seite und sagt: Da, wo du fromm wirst, vollkommener, aufrichtiger, jemand, der nicht auf krummen, sondern auf geraden Wegen geht, da trete ich als deine Hilfe an deine Seite.
Ich bin der, der dir Rat gibt, der dafür sorgt, dass du behütet bleibst und bewahrt wirst.
Die Wirkung von Gottes Wort auf unser Leben
Immer wieder wollen uns die Sprüche dazu anregen, das Wort Gottes zu studieren. Wenn wir das tun und uns auf diesen pädagogischen Prozess einlassen – wenn wir zuhören, eigenständig auf die Suche gehen und uns von Gott beschenken lassen –, dann wirst du Gerechtigkeit, Recht, Geradheit und jede gute Bahn verstehen.
Ich möchte kurz auf das Wort „Bahn“ eingehen. Es kommt zwar oft im Text vor, aber eigentlich bedeutet „Bahn“ „Wagenspur“. Stellt euch Folgendes vor: Wir hatten ja einen verregneten Sommer, das eignet sich gut zur Erklärung. Habt ihr noch den Weg zum Solar vor Augen? Die Wagenspuren? Wenn es regnet, fahren Trecker durch den Weg und hinterlassen ausgefahrene Spuren.
Wenn es dann heiß wird, trocknet der Boden aus. Im Alten Testament gab es schwer beladene Wagen mit dünnen Rädern, die tief einsanken. Wenn es heiß wird und der Boden austrocknet, fährt der nächste Wagen zwangsläufig genau in diese Spuren hinein und nimmt denselben Weg.
Der Wunsch, den Salomo hier für uns hat, ist diese Vision: Wenn wir zulassen, dass wir auf Gottes Wort hören, Weisheit suchen und uns von Gott beschenken lassen, dann bilden sich in unserem Leben solche tiefen Spurrillen. Wir werden so daran gewöhnt sein, das Richtige zu tun, dass wir irgendwann gar nicht mehr darüber nachdenken müssen, was gut oder schlecht ist. Du tust automatisch das Richtige, du rollst wie in einer solchen Spur.
Du tust das Richtige, weil du zutiefst davon überzeugt bist. In Vers 10 heißt es sogar noch mehr: „Denn Weisheit wird in dein Herz kommen, und Erkenntnis wird deiner Seele lieb sein.“ Wenn wir eine Weile nach dem leben, was Gott uns sagt, heißt das auch, manchen Widerstand zu überwinden.
Das ist mir klar. Nicht in jeder Situation denkt man sich: „Boah, das ist aber toll, was Gott mir hier für einen Rat gibt.“ Es gibt Ratschläge, bei denen man sich erst fragt, ob das wirklich richtig ist und ob man das eins zu eins auf unsere Zeit übertragen kann.
Ich möchte euch Mut machen, erstens ernsthaft darüber nachzudenken, was ihr übertragt. Wir müssen klug mit der Bibel umgehen. Aber auf der anderen Seite sollten wir auch Gott vertrauen. Wenn Gott einen Schwerpunkt setzt und sagt: „Das ist wirklich falsch“, dann sollten wir dabei bleiben und es auch lassen.
Manchmal gibt es Bereiche im Leben, in denen man mit sich selbst kämpft. Man weiß eigentlich, dass das Wort Gottes einen in eine bestimmte Richtung zieht, aber man möchte anders handeln. Man fühlt sich innerlich zerrissen. Heute geht man ins Fitnessstudio, aber früher gab es solche Expander, kennt ihr die? Diese Gummibänder, die man auseinanderzieht.
Man fühlt sich manchmal wie so ein Gummiband: Man wird in zwei Richtungen gezogen. Ich will hier hin, und Gott will da hin. Das fühlt sich innerlich zerrissen an.
Mein Tipp: Wenn du dich so fühlst, probiere doch einfach mal zwei Jahre lang das aus, was Gott sagt. Wenn er sich irrt, hast du immer noch vierzig Jahre Zeit, den Rest auszuprobieren. Aber wenn nicht, dann könnte es passieren, was hier steht: Weisheit wird in dein Herz kommen. Du wirst merken: „Oh, das ist ja richtig klug, was ich gerade denke.“
Das ist wie bei einem Rezept, bei dem man plötzlich versteht, wie es funktioniert. Ich bin kein begnadeter Koch, aber ich habe meiner Frau zwei, drei Kochkurse geschenkt. Irgendwann habe ich gelernt, wie man indisches Fladenbrot macht. Es gibt einen kleinen Kniff, wirklich nur einen, wie man den Teig falten muss. Dann gehen die Fladen groß auf und werden zu Kugeln.
Ein kleiner Kniff. Wenn du vorher faltest, klappt das nicht. Aber mit diesem einen Griff funktioniert es. Wenn du diesen Kniff kennst, denkst du: „Boah, ich bin der indische Fladenbrot-Guru.“ Auf jeder guten Party kann ich mich in die Küche stellen, meinen Topf mit Öl nehmen und Fladenbrot machen. Ich weiß, wie es geht. Ein kleiner Kniff.
Wenn du Gott die Möglichkeit gibst, in deinem Leben seine Kniffe anzuwenden – so wie ein Chiropraktiker, der manches einrenkt –, wenn du Gott mal für zwei Jahre in dein Leben lässt, dann kann es sein, dass passiert, was hier steht: Weisheit wird in dein Herz kommen, und Erkenntnis wird deiner Seele lieb sein.
Vielleicht wirst du jemand sein, der sagt: „Boah, das ist wirklich gut. Das war besser als der Unsinn, den ich vorher geglaubt habe.“ Wenn ich an diese schwarz gekleideten und dunkel maskierten Gestalten denke, die ich gestern im Auto gesehen habe, wünsche ich ihnen, dass sie zwei Jahre lang erleben, was Gott in ihrem Leben bewirken könnte.
Ich bin mir sicher, sie würden den Aufkleber abmachen.
Die Verantwortung der Gläubigen als Leuchtturm
Sie wissen einfach nicht, wie gut es ist, mit Gott zu leben – und zum Teil liegt das an uns. Es liegt daran, dass auch wir nicht weise sind. Stattdessen haben wir eine sehr krude Mischung aus verschiedenen Quellen übernommen: Hier ein bisschen von den Eltern, dort ein paar Allgemeinplätze aus der Literatur, ein wenig Marc Aurel und Konfuzius, vielleicht noch ein bisschen Managementseminar obendrauf.
Dann gibt es einige Bibelverse, die wir mal verstanden haben, allerdings nicht wirklich umfassend. Daraus entsteht ein bunter Blumenstrauß, ein Gemisch, nach dem wir unser Leben ausrichten. So leben wir ein bisschen weiser, aber auch nicht wirklich weiser. Ein bisschen nach Gott, aber ohne wirklich abzuchecken, ob das von Gott stammt. Unterm Strich leben wir nicht besser als gut gebildete Humanisten.
Das ist schade, denn an dieser Stelle verlieren wir etwas: Unsere Funktion als Leuchtturm, der auf Gott hinweist. Wenn wir Gottes Weisheit leben würden, würden sich Menschen fragen: „Sag mal, wie macht ihr das? Ihr seid gar nicht viel klüger, vielleicht an manchen Stellen sogar ein bisschen dümmer. Ihr habt auch nicht mehr Geld, keine bessere Schulbildung, aber euer Leben funktioniert. Wie macht ihr das?“
Das wünsche ich mir. Schon letztes Jahr, beim Hohelied, habe ich mir Gemeinden gewünscht, in die man kommt und die vor lauter miteinander schmusenden älteren Ehepaaren gar nicht weiß, wo man hinschauen soll.
Das war letztes Jahr. Jetzt wünsche ich mir eigentlich Leute, die so sind wie das, was ich euch über die Stadt Abel erzählt habe. Leute, die guten Rat geben können. Wo du die Teenies Sachen über das Leben fragen kannst und sie dir Antworten geben, die sonst ein Sechzigjähriger geben würde – einfach nur, weil sie das Wort Gottes kennen.
Sie haben das vielleicht noch nicht selbst erlebt, es ist ein bisschen so vom Hörensagen, aber sie wissen, was darin steht. Wow, stell dir das vor! Menschen, die kluge Lebensentscheidungen treffen – zu einem Zeitpunkt, an dem es sich noch lohnt, kluge Entscheidungen zu treffen.
Mit sechzig ist das meistens abgegessen. Du musst sie mit fünfzehn bis fünfundzwanzig treffen: den richtigen Partner finden, die Berufung entdecken, den richtigen Job wählen oder die richtige Perspektive fürs Leben gewinnen. Da fängt es an.
Und genau das würde ich mir wünschen.
Besonnenheit und Verständnis als Schutz vor Versuchungen
Und wo das passiert, da wird die Besonnenheit – Vers 11 – das tun, was Gott in Vers 7 getan hat. Manchmal lässt sich in der Bibel nicht klar trennen, wer hier handelt. Bin ich derjenige, der Weisheit denkt und sich durch kluge Gedanken bewahrt? Oder ist es Gott, der an meine Seite tritt und mir Weisheit schenkt?
Das wird zu einem Mischmasch aus menschlicher Weisheit, so wie ich sie erlebe, und göttlicher Weisheit, die ich geschenkt bekomme. Diese beiden verschmelzen miteinander.
Warum ist das so wichtig? Es ist deshalb so bedeutsam, weil wir in einer Welt leben, in der andere Kräfte wirken. Exemplarisch führt uns Salomo zwei solcher Kräfte vor Augen: Auf der einen Seite der Übeltäter, der Kriminelle, der Böse, und auf der anderen Seite die Ehebrecherin.
Ihr merkt schon, das eine Beispiel ist ein Mann, aber es kann genauso gut Übeltäterinnen geben. Und das andere Beispiel ist eine Frau, die Ehebrecherin, aber es gibt ebenso Ehebrecher. Es wird also an einem Beispiel deutlich gemacht, was gemeint ist.
Wenn du in diese Welt hinausgehst, triffst du auf Leute wie diese.
Warnung vor Übeltätern und ihren Merkmalen
Ich lese mal die Verse zwölf bis fünfzehn, um dich zu erretten von dem Weg des Übeltäters, von dem Mann, der Verkehrtes redet. Diese verlassen die Pfade der Geradheit, um auf den Wegen der Finsternis zu wandeln. Sie freuen sich daran, Böses zu tun, frohlocken über boshafte Verkehrtheit. Ihre Pfade sind krumm, und sie biegen ab in ihren Bahnen.
Du triffst auf Typen, die sind einfach übel. Sie tun Übles und deswegen sind es Übeltäter. Vier Dinge kennzeichnen einen Übeltäter.
Erstens, Vers zwölf: Er redet Verkehrtes. Das ist nicht jemand, der schweigt. Ich hätte wenig Probleme mit Übeltätern, wenn sie alle die Klappe halten würden. Aber sie reden und überzeugen andere Leute davon, dass das, wie sie leben, richtig ist. Das hatten wir schon am Freitagabend. Wir müssen unseren Kindern sagen, dass ihnen das passieren wird. Nicht alle Leute sagen: „Oh, das ist aber toll, wie deine Eltern das machen.“ Stattdessen werden Leute kommen und sagen: „Wo kommst du denn her? Tragt ihr zu Hause etwa so ein Häubchen wie die Amish? Wisst ihr überhaupt, wie man Fernseher schreibt?“ Das wird kommen.
Das Zweite, was so einen Übeltäter auszeichnet, ist in Vers 13: Er verlässt die Pfade der Geradheit. Das ist ein ganz trauriger Vers, denn jemand, der mal auf dem Pfad der Geradheit war, ist eigentlich einer, der eine gute Erziehung genossen hat. Da waren Eltern, die sich um den Übeltäter gekümmert haben, die ihm gezeigt haben, wie man richtig lebt. Er ist eine Weile diesen Weg gegangen. Er hat also eine gute Erziehung genossen, er weiß, was gut und böse ist, aber er hat sich bewusst entschieden, den Weg von zuhause, den er vorgelebt bekommen hat, nicht weiterzugehen. Er hat sich bewusst entschieden, sein geistliches Erbe wegzuschmeißen.
Wenn ich das mal so sagen darf: Diese Typen sind mit das Gefährlichste, was deinen Kindern passieren kann. Weil sie scheinbar beide Seiten kennen, weil sie den Finger in die Wunde legen können, wo unsere eigene Erziehung vielleicht nicht hundertprozentig richtig läuft. Weil sie manches an Heuchelei in Gemeinden erlebt haben, das sie zu Recht aufdecken und sagen: „Wenn das alles ist, was Christsein ist, dann ist das, was du lebst, wenn du dem nachfolgst, doch Quatsch.“ Es sind gefährliche Leute, die den Pfad der Geradheit, also richtiges Leben, kennen und sich dann entscheiden, den Weg in die Finsternis zu gehen.
Es sind Menschen, Vers 14, die sich freuen, Böses zu tun, über boshafte Verkehrtheit frohlocken. Wenn du mit ihnen redest und merkst, dass sie irgendetwas Schönes gemacht haben, überlegst du, was das Schöne war. Dann merkst du: Sie haben jemanden reingelegt, jemanden hintergangen, irgendein krummes Ding gedreht. Und das macht ihnen richtig Spaß. Das ist ihr Leben, das bringt ihnen Freude.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass alle Christen froh und fröhlich sind, weil sie das Richtige tun. Ich wünschte, ich könnte sagen, Christen zeichnen sich dadurch aus, dass sie fröhlich das Gute tun und sich darüber freuen, das Richtige getan zu haben. Du machst eine Einkommenssteuererklärung, und sie ist wahr. Du stellst dich hin und sagst: „Was bin ich für ein glücklicher Mensch!“ Aber ich kenne wenige Leute, die so sind.
Ich erlebe mich selbst manchmal so. Eigentlich müsste man so sein, aber ich erlebe mich bei der Einkommenssteuererklärung und denke mir: „Na ja, einer muss ja Steuern zahlen.“ Das ist ein bisschen platt, aber so nehme ich mein inneres Leben an dieser Stelle wahr. Statt dass wir uns freuen: „Hey, ich kenne die Wahrheit, ich weiß, wie man richtig lebt, ich weiß, wie ich meine Lebensspur auf ewiges Leben und unglaubliches Glück setze,“ vermisse ich manchmal diese Freude.
Aber die Übeltäter freuen sich die ganze Zeit. Sie kriegen irgendwie ein Steuerschlupfloch mit, können zehn Wochen am Stammtisch damit angeben und sind happy. Wir sind es oft nicht. Vielleicht müssen wir da ein bisschen dran drehen, dass wir uns über die richtigen Dinge freuen und unsere Kinder das auch mitkriegen. Dass wir uns wirklich darüber freuen, die Wahrheit zu leben und dass es sich einfach lohnt, das Richtige zu tun.
Die Typen hier sind, Vers 15, Leute, deren Pfade krumm sind und die abbiegen in ihren Bahnen. Sie gehen wirklich auf krummen Wegen, so wie es ihnen gerade gefällt. Da ist nichts Gerades, nichts Richtiges, nichts auf Gott Ausgerichtetes, sondern nur so, als schlängelten sie sich wie Serpentinen durchs Leben. Was gerade kommt, gehen sie außen herum, müssen außen herum.
Das ist die eine Gefahr. Wir brauchen Weisheit, weil diese Typen frei herumlaufen. Und sie haben kein Schild.
Warnung vor der Ehebrecherin als zweite Gefahr
Beltäter kommen nicht unbedingt als solche daher. Sie wirken eher so, als wären sie die Guten. Die zweite Seite, um dich zu erretten, betrifft die Ehebrecherin. In Vers 16 heißt es: von der Fremden, die ihre Worte glättet. Wieder dasselbe: Da ist jemand, der mit Worten verführt und mich mit seinen Lügen dazu bringen will, etwas zu tun, das ganz, ganz falsch ist.
Wir werden noch ausführlich auf diesen Punkt eingehen und erklären, warum Ehebruch falsch ist. Die Sprüche machen ganz deutlich, dass ein Fehler an dieser Stelle den Tod bedeutet. Hier wird nur kurz angerissen, wie dramatisch das ist, was eine Ehebrecherin oder jeder Ehebrecher tut, der den Vertrauten seiner Jugend verlässt.
Sie hat früh geheiratet. Als sie ihn geheiratet hat, mochte sie ihn, vertraute ihm und gab ihm ein Versprechen: bis der Tod uns scheidet. Doch jetzt gilt dieses Versprechen in ihrem Kopf nicht mehr. Sie tut so, als hätte sie es nie gegeben. Sie verlässt den Vertrauten ihrer Jugend und vergisst den Bund ihres Gottes.
Wo eine Ehe geschlossen wird, wird ein Bund zwischen Mann und Frau vor Gott geschlossen. Es ist ein Ehebund, den ich im Angesicht Gottes eingehe. Damit schließe ich diesen Bund auch mit Gott. Um Ehebrecher oder Ehebrecherin zu werden, muss ich im doppelten Sinn jemanden verlassen: meinen Mann oder meine Frau und Gott. Denn Gott sagt, dass er Scheidung hasst.
Ein Tipp an dieser Stelle: Egal, wie es in deiner Ehe gerade aussieht, Scheidung sollte keine Option sein. Wenn es irgendwie geht, lass es keine Option sein. Such dir rechtzeitig Hilfe und arbeite an deiner Ehe! Arbeite darauf hin, vielleicht in zwei, drei oder fünf Jahren an dem Punkt zu sein, wie es im Hohelied heißt: „Ich gehöre meinem Geliebten, und mein Geliebter gehört mir.“ Eine engste Verbindung, die sie sich geschenkt haben, wird so wieder Realität.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sich das anfühlt, wenn man sich auseinanderlebt. Ich weiß, dass es eine Weile braucht, wieder zusammenzufinden. Und ich weiß, dass das nicht von heute auf morgen geht. Es kann ein Prozess sein, bei dem man zwischendurch denkt, das wird mir zu schwer.
Aber ich möchte Mut machen, sich nicht auf ein anderes Abenteuer einzulassen. Nicht über den Zaun zu schauen und zu denken, dass das Gras auf der anderen Seite grüner ist. Bleib bei dem oder der, die in deiner Jugend dein Herz gewonnen haben.
Wenn man einer Ehebrecherin oder einem Ehebrecher begegnet, trifft man jemanden, der sein eigenes Leben und seine Familie zerstört. In Vers 18 heißt es: „Wahrlich, zum Tod sinkt ihr Haus“, gemeint ist ihre Familie, „und ihre Bahnen zu den Schatten.“ Die Schatten sind die Bewohner des Totenreichs, keine Geister, sondern tote Seelen.
Alle, die zu ihr eingehen, kehren nicht zurück und erreichen nicht die Pfade des Lebens. Hier wird das Bild vom Tod verwendet. Es steht nicht da, dass es für einen Seitensprung keine Buße gibt. Es steht auch nicht, dass für einen Ehebrecher Vergebung ausgeschlossen ist.
Aber was hier steht, ist: Wenn du dich auf Ehebruch einlässt, benutzt Salomo das Bild vom Sterben, vom Tod, vom absoluten, endgültigen Verderben – dort, wo es kein Zurück mehr gibt. Er verwendet dieses starke Bild von dem, wovor jeder Angst haben müsste, und sagt: Wenn du dich darauf einlässt, ist das das Ergebnis.
Du bekommst am Ende ein kaputtes Leben. Du wirst sterben. Die Hollywood-Idee, Ehebruch sei nicht so schlimm, ein Kavaliersdelikt, das man mal machen kann, stimmt nicht. In manchen Filmen hat man den Eindruck, dass am Anfang einer guten Beziehung erst einmal der Ehebruch stehen muss – ich zumindest gewinne diesen Eindruck.
Aber das stimmt nicht. Du lässt dich darauf ein, und es ist wie eine Giftpille. Vielleicht ist ein Zuckerüberzug drum, du schluckst sie, und im Magen geht sie auf. Am Ende bist du tot.
Die Wahl des Weges – Leben oder Tod
Und weil es Übeltäter gibt, weil Menschen existieren, die dich zur Sünde verführen wollen – gerade in Bereichen, in denen du anfällig bist – passiert es leicht, dass du einen Fehler machst und dich den Rest deines Lebens fragst: War diese Nacht das wirklich wert?
Weil es solche Versuchungen gibt, gibt es auch die Sprüche. Deshalb hält uns Gott zwei Wege vor Augen und fragt: Welchen Weg willst du gehen? Welchen Weg willst du heute gehen?
Ganz praktisch geht es nicht um die Frage, wo du in zehn Jahren sein möchtest. Die Sprüche wollen die Frage beantworten: Willst du heute nach rechts oder nach links gehen? Willst du den Pfad des Lebens gehen, der zu Gott führt? Oder willst du den Pfad des Todes wählen, der dich, deine Familie, dein soziales Umfeld und deine Berufung zerstört?
Wo willst du hin? Rechts oder links? Gott oder Finsternis?
Und bitte sagt nicht, dass diese Frage nur für junge Leute interessant ist. Ich erlebe in meinem Leben, dass diese Frage jeden Tag sehr relevant ist. Im Moment, wenn ich über mein eigenes Leben nachdenke, merke ich, wie leicht es ist, sich ein Stück zu vergaloppieren. Die Prioritäten sind nicht grundsätzlich falsch, aber ein kleines bisschen falsch. Und dann merkt man: Ups, ich bin ein Stück abgewichen. Ich bin irgendwie gerade nur ein bisschen neben der Spur – noch nicht richtig krumm, aber eben ein bisschen daneben.
Die Aufgabe ist es, immer wieder zurück in die Spur zu finden.
Verheissung für die Aufrichtigen und Vollkommenen
Vers 20: Wenn wir uns warnen lassen und so auf dem Weg des Guten wandeln, bleiben wir auf den Pfaden der Gerechten. Das ist es, was vor uns liegt: dass wir den richtigen Weg gehen.
Nun folgt ein Bild, das schwer zu fassen ist: Die Aufrichtigen werden das Land bewohnen, und die Vollkommenen darin übrig bleiben. Was bedeutet das mit den Aufrichtigen? Das sind diejenigen, die gerecht leben, die das Gute tun. Sie werden das Land bewohnen.
Vielleicht denkst du: Super, aber ich habe doch schon meinen Schrebergarten, ich brauche kein Land mehr. Viele von euch wohnen hier auf dem Land, wahrscheinlich habt ihr einen kleinen grünen Fleck und denkt: Das reicht mir mit dem Unkraut, was soll diese Verheißung?
Zugegeben, wenn man die Propheten oder die Geschichtstexte anschaut, steht das Wort „Land“ für das gelobte Land, für Kanaan, hier die Generation, zu der Salomo schreibt, und auch später die Generation, zu der Jesus in der Bergpredigt sagt: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ Diese hatten das Land schon.
Jetzt stellt sich die Frage: Was verspricht Gott denen, die das Land schon haben, wenn er sagt, sie werden das Land erben? Hier müssen wir etwas verstehen: In der Weisheitsliteratur, die stark mit Bildern arbeitet, ist der Begriff „Land“ ein Synonym für Leben. Anders ausgedrückt: Es geht nicht um das Land, auf dem man steht, das man unter Josua eingenommen hat, sondern um die Fruchtbarkeit des Landes, um den Segen, der aus diesem Land hervorgeht.
So ist das Land der Inbegriff für Segen. Für uns, die wir im Neuen Testament im Petrusbrief lesen, was erwarten wir? Wir erwarten einen neuen Himmel und eine neue Erde, in der Gerechtigkeit wohnt. Wir erwarten ein Land, in dem Gemeinschaft mit Gott und absoluter Segen für uns Realität wird.
In diesem Sinn, in diesem abstrakten Sinn, in dem Land für zukünftigen Segen, für absolutes Glück und Gemeinschaft mit Gott steht, verwendet Salomo diesen Begriff: Die Aufrichtigen werden das Land bewohnen und die Vollkommenen darin übrig bleiben.
„Übrig bleiben“ heißt, wenn die Gottlosen gerichtet sind, wenn die Gottlosen weggenommen sind. Vers 22 sagt: „Aber die Gesetzlosen werden aus dem Land ausgerottet und die Treulosen daraus weggerissen werden.“
Das bedeutet nicht, dass die Gesetzlosen früher sterben als die Gerechten. Gesetzlose und Gottlose haben manchmal ein erstaunlich langes Leben. Aber es wird der Punkt kommen, an dem sie aus dem Land, aus der Verbindung mit Gott, weggerissen und ausgerottet sind. Dann bleibt nur noch eine Sorte von Menschen vor Gott übrig, auf einem neuen Himmel und einer neuen Erde – und das werden die Aufrichtigen sein.
Das ist der Inbegriff von Segen, auf den wir zusteuern. Wir wollen nicht nur die 70 oder 80 Jahre, die uns hier gegeben sind, gut verbringen und uns vielleicht vor den gröbsten Fehlern schützen. Wir wollen einen Pfad des Lebens bis zum Ende gehen und ankommen, wo wir Gott von Angesicht zu Angesicht auf einer neuen Erde unter einem neuen Himmel erleben und genießen können.
Damit das gelingt, müssen wir uns zu den Füßen Jesu setzen und von ihm lernen. Das, was es zu lernen gilt, findet sich unter anderem, aber doch relativ stark, in den Sprüchen. Ich wünsche euch, dass ihr euch anregen lasst, dieses Buch zu verinnerlichen. Amen.