Einleitung: Die Bedeutung des Namens Jesus
Unser Predigttext steht in Johannes 20, auf Seite 138 im Neuen Testament Ihrer Bibeln, genauer gesagt Johannes 20. Eigentlich wollte ich nur über den Vers 28 predigen.
Das hat einen ganz einfachen Grund: Es ist merkwürdig, dass Christen eine unbegreifliche Scheu haben, den Namen Jesus auszusprechen. Besonders scheu sind wir in der Welt. Wenn wir Kollegen, Freunden oder Familienmitgliedern begegnen, sprechen wir plötzlich nur von Gott.
Dabei ist das sehr missverständlich. Die einen glauben an Allah, die anderen an Buddha, wieder andere an 300 Millionen Götter im Hinduismus. Wie schön wäre es, wenn wir den einen Namen sagen würden: den Jesusnamen. Doch in der Christenheit gibt es oft gleich Widerspruch, wenn man von Jesus redet. Man hört dann: „Warum redest du so viel von Jesus?“
Aber man kann nie genug von Jesus reden. Alle Nöte, die uns belasten, alles, was uns bewegt, alle Worte der Bibel sind immer in einem versiegelt und bestätigt – im Jesusnamen. Bis in ihrer Todesstunde hinein löst sie nur dieser eine Name: Jesus.
Vor der tiefen und größten Schuld erlöst nur Jesus. Was wollen Sie denn sonst noch sagen?
Das Bekenntnis des Thomas im Kontext
Aber ich habe gemerkt, dass ich auch die Verse drumherum lesen muss. In Vers 28 hat Thomas das größte Jesusbekenntnis ausgesprochen, das je in der Christenheit gesagt wurde: „Mein Herr und mein Gott.“ Wohl dem, der das auch so sagen kann.
Aber gerade dieser Thomas ist in einem anderen Zusammenhang bekannt. Deshalb lese ich noch einmal von Vers 24 bis Vers 29.
Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der zwölf Jünger, war nicht bei ihnen, als Jesus kam, als der Auferstandene dem Jüngerkreis erschienen ist. Da sagten die anderen Jünger zu ihm: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Er aber sprach zu ihnen: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich es nicht glauben.“
Nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Da kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, tritt mitten unter sie und spricht: „Friede sei mit euch.“ Danach spricht er zu Thomas: „Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände. Reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite. Sei nicht ungläubig, sondern gläubig.“
Thomas antwortete und sprach zu Jesus: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus spricht zu ihm: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.“ (Johannes 20,24-29)
Thomas: Vom Zweifler zum mutigen Jünger
Das hat mich immer bewegt: Man geht nicht richtig mit Thomas um. Er hat in der Christenheit den Spitznamen „der ungläubige Thomas“. Doch Gott sei Lob und Dank, dieser Name steht nie in der Bibel. Das haben die Christen ihm angehängt.
Wenn man nur ein bisschen im Evangelium liest, ein paar Kapitel vorher, wird erzählt, dass Thomas großen Mut hatte. Dort steht, dass er sagt: „Jesus, ich will mit dir leiden, ich gehe mit dir in den Tod.“ Er war ein großartiger Jünger Jesu, hat viel Mut bewiesen, alles verlassen und ist Jesus nachgefolgt.
Was hat es damit auf sich? Mir gefällt Thomas, weil er der Sache auf den Grund geht. Ist es wirklich wahr, dass Jesus die Todesmacht besiegt hat? So etwas hat es ja noch nie gegeben, in der Weise, wie Jesus den Ostersieg errungen hat. Es ist großartig, dass Thomas sagt: „Ich will es prüfen.“ Und er hat Recht.
Bis heute hört man landauf, landab viele dumme Sprüche über das Ostergeschehen. Da wird das umgedeutet, und manche sagen, die Sache mit Jesus gehe weiter, während andere nur vom Osterglauben der Jünger sprechen. Damit kann ich mir nichts kaufen, wenn es um mein Sterben geht.
Der Tod ist kein Bild, der Tod ist real. Er bedeutet die Zerstörung meiner ganzen irdischen Geschöpflichkeit. Und ich will wissen, was wirklich los ist. Darum liebe ich diesen Thomas. Gott sei Dank hat er nachgefragt und gesagt: „Ich will Realitäten haben, ich will wissen, was das ist.“
Die Bedeutung des Glaubens an die Auferstehung
Wenn man heute von der Bedeutsamkeit des Geschehens hört – ja, wer nicht Theologe ist, der ahnt nichts Böses –, dann soll das natürlich nur eine bildhafte Umdeutung sein. Aber eine bildhafte Umdeutung der Auferstehung nützt mir nichts.
Andere sagen: Es ist doch egal, was man glaubt, Hauptsache, man glaubt. Nein, es ist schon entscheidend, ob ich glaube – ans Daumendrücken, dass mir das Glück bringt, oder dass ich an Buddha glaube, oder ob ich glaube, dass Jesus meinen Tod besiegt hat. Und dass der Tod ein Spott geworden ist, obwohl wir doch vor den Särgen stehen und das ganze Schreckliche des Todes empfinden.
Darum ist es gut, dass Thomas sagt: „Also, Sprüche gibt es unter Christen unendlich viele. Da wird geschwatzt, gebabbelt und gelabert, aber ich will ganz schlicht das Faktum haben: Was ist geschehen, was ist los?“ Noch einmal: Was tot ist, bleibt tot, da beißt keine Maus einen Faden ab.
Und wenn Jesus im Grab vermordet ist, sagt Thomas, dann steige ich aus. Dann brauche ich auch keine Lieder mehr zu singen, dann singe ich auch nicht mehr am Kirchenkommen und brauche auch keine Spenden mehr. Dann brauche ich auch keine sonstigen Dinge mehr. Dann bete ich auch nicht mehr, denn zu was soll ich denn beten, wenn Jesus im Grab vermordet ist?
Das ist die Schlüsselfrage des Glaubens für jeden. Schon vor zweitausend Jahren ist Jesus wirklich auferstanden. Er lebt wirklich in der neuen Gestalt des auferstandenen Herrn, weil daran alles hängt: mein Glaube, mein Beten, mein Christsein.
Die Kirche ist mir nicht so wichtig – so schön das ist, wenn wir heute zusammen sind –, sondern ich will an Christus hängen, will mit Christus verbunden sein bis in meine Todesstunde hinein. Er ist die Kraft meines Lebens.
Und das ist die wichtigste Frage auch deines Lebens: Ist Jesus wirklich auferstanden? Hat er den Tod besiegt? Gibt es die Auferstehungshoffnung für uns?
Jesus begegnet den Zweifelnden
Zunächst fällt mir auf, wie Jesus ehrlich suchenden Menschen nachgeht. Ich betone noch einmal: Niemand hat das Recht, Thomas schief anzusehen oder gar auf ihn herabzuschauen.
Als Jesus auferstanden ist, hätte er ja zu Pilatus oder zum Hohen Rat gehen können und sagen: „Ich möchte eine amtliche Urkunde der Auferstehung haben.“ Manche meinen, das hätte in unserer Zeit Zweifel beseitigt. Doch ich traue auch Behördenurkunden nicht sehr und glaube, dass es dort viel Fälschung gibt. Ob das den Glauben wirklich tiefer untermauert hätte, weiß ich nicht.
Jesus ist seinen Jüngern erschienen, obwohl er sein neues Reich verborgen gehalten hat. Auch heute ist das Reich Gottes, die Gottesherrschaft, vor unseren Augen verborgen. Trotzdem herrscht Gott und wirkt durch viele Menschen und durch sein Wort. Er ist in den Jüngern erschienen, weil sie die Zeugen seines Reiches, seines Bodens in dieser Welt sind.
Jesus begegnet ihnen und geht ihnen nach. Die Jünger haben den Auftrag, sein Wort zu verkünden und von Jesus zu sprechen. Es ist eine Tragik, dass dies in der Christenheit oft so schlecht umgesetzt wird. Die Christenheit beweihräuchert sich häufig nur selbst, verwaltet ihre Kirchentürme, ihre Ämter und ihr Wachstum. „Schaut mal, wie toll wir in unserer Zeit dastehen, was wir alles machen!“ Doch eigentlich sind wir arm vor diesem Jesus.
Unsere ganze Botschaft an die Welt sollte sein: Man muss Jesus kennenlernen, der lebt und den du finden kannst. Deshalb geht Jesus auch diesem Thomas nach und begegnet ihm.
Zweifel als ernsthafte Existenzfrage
Um das zu zeigen: Das ist kein betrügerischer Aberglaube, das ist kein frommer Spleen, den da ein paar erzählen.
Ich möchte noch ein paar Worte zum Zweifel sagen. Was ist das eigentlich mit dem Zweifel? Zweifel ist etwas ganz Furchtbares, aber jeder von Ihnen hat ihn dauernd. Das ist doch klar. Kein ernsthaftes Gebet, bei dem Ihnen nicht der Gedanke kommt: Hört Jesus das wirklich? Kein Wort, das Ihnen zugerufen wird, nicht einmal am Grab, wo man sagt: Ist das wirklich wahr?
Wir alle haben Zweifel, wie Thomas, und erst recht in der Sterbestunde, wenn ich nichts mehr fassen kann und nichts mehr fühlen kann. Die Zweifel sind da, die Frage: Ist mein Leben Zufall, ein Stäubchen im Sand am Meer, irgendwo, das einfach weggeweht wird? Was bin ich in den Jahrtausenden, Jahrmillionen der Weltgeschichte? Was ist mein Leben? Kennt mich Gott wirklich, weiß er um meine Not? Ist da überhaupt jemand, der mir zuhört? Wer hat denn diese Fragen noch nie gehabt?
Wenn Sie im Haushalt eine Leiter nehmen und etwas vom Schrank holen wollen, überzeugen Sie sich vorher, ob die Leiter richtig auf dem Boden steht. Sonst sind Sie ein Depp – dann fallen Sie runter! Wenn Sie an Jesus glauben wollen, müssen Sie vorher wissen: Ist das belastbar? Ist das wirklich belastbar? Kann ich mich darauf verlassen? Ist das wahr? Sie müssen es wissen, nicht nur wie Thomas: Wer hält mich?
Über Zweifel können wir deshalb auch nicht so belanglos reden. Manche reden ja in der Christenheit von Zweifel, als wären sie so albern wie Rettiche im Garten. Die Zweifel sind die letzten Existenzfragen, kaum wagen wir es, sie auszusprechen. Wie hat Hiob mit Gott gerungen: Bin ich nicht doch vergessen? Sinkt nicht alles dahin? Was ist mit meinem Leben, wenn so schreckliche Unglücksfälle über mich hinweggehen?
Darum ist es gut, dass Jesus bei Thomas klargestellt hat, dass wir in Zweifel keine Klarheit bekommen, so wie wir keine Klarheit über das Sehen mit unseren Augen bekommen. Wir meinen ja heute, als Fernsehgucker der Nation, dass alles mit den Augen gesehen werden muss. Dabei kann man über die Augen das meiste manipulieren, nicht nur bei der Werbung – da kann man alle Tricks anwenden.
Glaube kommt aus dem Hören, nicht aus dem Sehen
Im Glauben spielte im Alten Testament das Sehen nie eine Rolle. Weder bei Adam, noch bei Abraham, Mose, Jesaja oder David haben sie Gott gesehen.
Wie haben sie Gott entdeckt und erkannt? Durch das Hören. Entscheidend war, dass das Wort Gottes ins Gewissen fiel, und dieses Wort mussten sie bewahren. So erlebten sie, dass ein Wort Gottes tief in ihrem Gewissen sie traf.
Darum sagt Jesus zu Thomas: Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben. Er spricht von seinen Schafen: „Sie hören meine Stimme, ich kenne sie, und sie folgen mir.“ Selig sind diejenigen, die das Wort Gottes hören und bewahren.
Der Glaube kommt aus dem Hören, nicht aus dem Sehen. Aus dem Sehen entstehen oft große Anfechtungen und Zweifel.
Die Bedeutung der Wundmale Jesu
Aber eine ganz besondere Bedeutung misst Jesus jetzt noch einer Sache bei, und das sind seine Wundmale. Warum ist das so?
Wenn man den Bericht genau liest, fällt auf, dass auch Thomas die Wundmale von Jesus nicht berührt hat. Er wollte sie zwar berühren, hat es dann aber doch nicht getan. Jesus hat sie ihm gezeigt und gesagt: „Da, lege deine Hände hierher.“ Doch er braucht es gar nicht mehr.
Warum sind die Wundmale von Jesus so wichtig? Weil Thomas durch die Wundmale erst erkennt: Wer bin ich? Staub und Asche. Was sind meine Zweifel anderes als eine arrogante Anmaßung gegenüber dem Herrn aller Herren, dem König aller Könige?
Vor ihm zu fragen, obwohl er für mich sein Leben geopfert hat – ist Ihnen das bewusst? Ich möchte so fragen, weil es heute nicht allen mehr bewusst ist, dass man erst frei wird, wenn man die Wundmale von Jesus versteht. Dass sie vor Gott mit dem ganzen frommen Leben gar nicht angenehm sein können, sondern allein durch sein Blut und durch seine Vergebung. Dass er sein Leben für sie gegeben hat.
Das ist der Schlüssel, der Eintritt. Ohne das kennen sie Christus noch gar nicht. Sie können große Worte über Christus machen, aber ihn wirklich erkennen, das können sie nur über seine Wundmale. War das wirklich nötig? Bist du nicht bloß der große Herr, der die Welt geschaffen hat, der alles in seiner Hand hält und wiederkommen wird in den Wolken des Himmels?
Nein, du bist der Herr, der am Kreuz für mich gestorben ist, damit ich nicht verloren gehe, damit ich nicht in die Hölle komme. Dafür hast du dein Leben gelassen.
Die Gnade als demütigende Kraft
Ich habe einen Freund, der in der Pfalz Weinbauer ist. Auf seiner Visitenkarte steht ein Wort, das ich sehr liebe. Es stammt von Fritz von Bodelschwing. Darin heißt es, dass die Gnade ein Herz nicht demütig, klein, arm und dankbar macht, sondern dass es stolz, frech, hart und sicher wird. Die Gnade beugt uns, und das können wir wieder verstehen.
Ich kann gar nichts fordern. Gott hat mir den größten Beweis gegeben: Ich darf wissen, dass er für mich am Kreuz gestorben ist. In der Offenbarung darf man ja einen kleinen Blick tun – was Johannes auf Patmos gesehen hat, wie es in der Ewigkeit jetzt schon aussieht.
Da wird erzählt, wie Johannes sieht, dass es ein Buch mit sieben Siegeln gibt. Dieses Buch beschreibt den Ablauf der Weltgeschichte. Es zeigt, welche schrecklichen Katastrophen und Leiden noch über diese Welt kommen: die großen kriegerischen Auseinandersetzungen, Hungerepidemien und die furchtbaren Nöte der Menschen, Krankheitsnöte und weitere Epidemien.
Dann sagt Johannes, dass niemand das Buch mit den sieben Siegeln öffnen kann. Niemand kann es öffnen. Doch dann hört er eine Stimme: Es hat gesiegt – der Löwe aus Juda. Für Israel ist das das Größte, das Löwentor, der Löwe aus Juda. Johannes will sich umdrehen, den Löwen sehen, und dann sieht er ein Lamm, wie ein geschlachtetes Lamm.
In der Ewigkeit wird das der größte und schönste Anblick von Jesus sein: seine Wundmale. Das ist sein größter Triumph. Nirgendwo hat er seine Liebe so entfaltet, seine Macht und seine Größe, wie dort in der Kreuzesgestalt. Und das löst deine Zweifel.
Selbst in der schlimmsten Todesnot ist das der größte Trost, den du haben kannst: Jesus ist für mich gestorben, beim Abendmahl für dich in den Tod gegeben. Wenn wir von Jesus reden, soll das immer so sein: Er liebt dich so sehr.
Was kann dich jetzt noch von der Liebe Gottes trennen? Ob Verfolgung, Krankheit, Armut oder Nöte – er hat auch sein Leben für dich gelassen. Er wird dir in allem alles schenken.
Diese Kreuzgestalt, diese Wundmale sind der Kernpunkt unseres Glaubens. So war es in der Christenheit. Darum haben sie das Kreuz aufgerichtet: weil der Auferstandene lebt, aber in der Kreuzgestalt für mich da ist. Darum ist das gut.
Die Bedeutung von Schuld und Vergebung
In unserer Zeit ist es sehr interessant, dass sich etwas eingeschlichen hat. Neulich hat sogar eine Zeitung einen bemerkenswerten Kommentar darüber veröffentlicht. Darin wurde beschrieben, dass es ein Mittel der Political Correctness ist, also des ehrbaren Redens, einfach nur Entschuldigung zu sagen, wenn etwas Schlimmes geschehen ist.
Man sagt es oft sogar ein wenig schnippisch: „Entschuldigung!“ Das geht dann so weit, dass selbst bei Völkermord gesagt wird: „Entschuldigung, da ist uns etwas Schlimmes passiert. Wir haben 8 Menschen in Bosnien ermordet, aber Entschuldigung!“
„Kann man eigentlich Schuld bewältigen?“, schrieb die Journalistin und fügte hinzu: „Nur Gott kann Schuld lösen.“ Und das ist das Wunderbare daran. Es gibt sonst keine Vergebung. Auch Gott kann nicht einfach fünf gerade sein lassen. Aber er hat seinen Sohn an meiner Stelle dafür hingegeben.
Das ist der Grund meines Glaubens. Darum keine Zweifel, sondern Gewissheit. Jesus geht dem ehrlichen Zweifel nach. Er sagt: „Sieh meine Wundmale an, da kannst du es glauben. Lege deine Hand in meine Seite.“
Der Weg des Glaubens durch Selbsterkenntnis
Der Liederdichter Philipp Spitta, auch bekannt als Herr Umacher, hat zunächst studiert. Er war mit Heinrich Heine, dem Dichter und Spötter, eng befreundet. Während seines Theologiestudiums nahm sein Leben jedoch eine andere Wendung. In dieser Zeit wurde vieles von den jungen Leuten kritisch hinterfragt und teilweise zerstört.
Spitta las ein Buch von August Tholuck, einem anderen Theologen, über die Höllenfahrt der Selbsterkenntnis. Wissen Sie, dass man nur so zum Glauben kommen kann? Man muss einmal in die Abgründe der eigenen Seele blicken. Dort ist nichts Gutes zu finden. Dort herrscht Feindschaft gegen Gott, Widerspruch und eigensüchtiges Wesen.
Durch diese Erkenntnis fand Philipp Spitta zu Jesus und zum Glauben. Daraufhin dichtete er die herrlichen Verse: „Ich stehe in meines Herrn Hand, und sollte ich dem nicht angehören, der sein Leben für mich gab.“ Diese Verse überwinden das Zweifelnde. Deshalb geht er mit Jesus seinen Weg und fühlt sich bei ihm geborgen.
Vom Zweifel zum festen Glauben
Jetzt möchte ich noch über den Durchblick sprechen, den Thomas erhält. Zweifel darf nicht bleiben. Wenn Zweifel bleibt, ist das Arroganz, Frechheit und Stolz von Menschen, die meinen, sie könnten bis zum Schluss vor Gott die Fragenden sein. Sie vergessen dabei, dass wir die von Gott Gefragten sind.
Plötzlich entdeckt Thomas etwas und sagt zu Jesus: „Mein Herr!“ Viele nennen Jesus zwar „Herr“. In der Bergpredigt sagt Jesus einmal, dass es sogar bei seiner Wiederkunft viele Menschen geben wird, die übereifrig kommen und sagen: „Herr, Herr, wir haben in deinem Namen Wunder getan, wir haben in deinem Namen böse Geister ausgetrieben, wir haben in deinem Namen...“ Doch Jesus antwortet: „Ich kenne euch nicht.“
Was fehlt da noch? Diese Menschen sind nie so weit gekommen, wie Thomas, der zu Jesus sagt: „Mein Herr!“ Sie kommen zu Jesus, um ihn Herrn zu nennen, ähnlich wie der Schächer am Kreuz.
Das war die Predigt von Ludwig Hofacher. Lesen Sie seine Predigt, sie ist genau so. Menschen, die mit ihrer Schuld und Verlorenheit zu Jesus kommen, sagen: „Ich fasse deine Hand und nehme deine Vergebung an.“
Deshalb ist Thomas gerettet. Nicht unser frommes Tun oder unser Wirken ist entscheidend. Oft meinen wir, es kommt darauf an, was wir alles tun. Aber entscheidend ist die Gnade, die uns rettet, die Vergebung durch Jesus.
Und der Mensch darf zu Jesus sagen: „Mein Herr, dir gehöre ich, dein bin ich.“
Die zentrale Rolle der Gnade und Hingabe
Heute sind Lobpreislieder sehr verbreitet. Wenn ich jedoch die Offenbarung richtig lese, erkenne ich, dass die Lobpreislieder dort zwar den Ton „Groß ist Gott“ und „Wunderbar ist Gott“ haben, aber alle in ein herrliches Bekenntnis münden: „Wir haben unsere Kleider hell gemacht im Blut des Lammes, wir sind rein geworden durch dich.“
In unseren Tagen ist das sehr umstritten. Ich lese gerade in einer großen christlichen Zeitschrift, die hunderttausende Exemplare hat, den Satz: „Wir wollen die Menschen nicht erst zum Sünder degradieren.“ Was für ein Unsinn! Mich degradiert niemand.
Wer einen Blick in die Selbsterkenntnis vor Gott geworfen hat, der weiß: „Ich bin vor Gott ein Schuldner, der nicht bezahlen kann.“ Darum reden wir von der herrlichsten Sache. In der Evangelisation ist das das Größte, was wir verkünden können: dass Jesus für uns gestorben ist.
Darum kann ich ihn als meinen Herrn erkennen. Das ist der Ruhm: Mir ist Erbarmung widerfahren, eine Erbarmung, deren ich nicht wert bin – unverdient, lauter Gnade. Deshalb darf ich sagen: Er ist der Herr meines Lebens. Jetzt binde ich mich mit Haut und Haar an diesen Herrn.
Geborgenheit und Zuversicht im Glauben
Der 23. Psalm ist für mich in Jesus erfüllt. Auch wenn ich durchs finstere Tal wandere, fürchte ich keinen Unkel, denn du bist bei mir, Jesus, du bist mein Herr.
Du erfüllst alle diese Worte. Du bist die Kraft meines Lebens. Ich habe keine Angst mehr. Ich darf alles weglegen. Ich kann nichts mehr tun ohne dich, denn du bist mein Herr. Du bestimmst mich, aber das ist wunderbar. Du bist in mir. Ich darf dich in mein Leben aufnehmen. Du willst mich durchdringen.
Jesus, du sollst die Kraft meines Lebens sein, wie der Weinstock, dem die Reben Kraft und Lebenssaft zufließen. Du musst die Mitte meines Lebens sein. Deine Kraft vollendet sich in meiner Schwäche.
Ich weiß, dass du der Herr bist, und du wirst durch mein Leben wirken. Darum habe ich Zuversicht, darum bin ich fröhlich. Und wenn ich nur noch wenige Stunden zu leben habe, weiß ich, diese Stunden werden erfüllt sein von meiner Hingabe an diesen Herrn Jesus.
Das Einzige, was sich in dieser Welt wirklich lohnt, ist die Hingabe für Jesus und bei ihm zu bleiben. Auch wenn ich schwach bin, bin ich stark durch ihn. Alles muss mir zum Besten dienen, weil ich ihn, den Herrn, liebe.
Was auch geschehen mag, es geschieht doch alles unter der Kontrolle meines Herrn. Er wird mich nie enttäuschen, weil ich in ihm geborgen bin – in dieser Liebesgemeinschaft mit ihm.
Die Notwendigkeit der festen Verbundenheit mit Jesus
Ach, jetzt wollte ich all die Verse sagen: Wenn wir dich haben, kann uns nichts schaden – Teufel, Welt, Sünde oder Tod, wenn wir dich haben!
Hast du ihn, diesen Herrn, bist du sein Eigentum. Ja, man muss ihn haben. Wenn ich nur dich habe, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Ich will dich haben und bei dir sein.
Darum ist es dumm, wenn einer sagt, man müsse das Denken aufgeben im Glauben. Das muss man nicht. Man muss das Denken unterordnen unter die Herrschaft von Christus.
Und dann weiß ich, dass allein er mich lösen kann, was es auch ist: aus den Klauen des Teufels, aus der Sündenverknechtung, aus Krankheit und Todesangst, auch aus Zweifeln. Er kann mich lösen.
Das ist ja ungeheuer, dass gerade Thomas, den wir als Zweifler abwerten und titulieren, ein Jesusbekenntnis abgelegt hat, das man sonst im Neuen Testament nie mehr findet: „Mein Herr und mein Gott!“ (Johannes 20,28). Ist das nicht Gotteslästerung?
Jetzt fangen schon die Fachleute der Dogmatik an, die Personen Gottes wieder auseinanderzusprechen. Mich interessiert das gar nicht. Mir ist es genug, dass Jesus wirklich mein Gott ist, mein Herr und mein Gott, dass er alle Eigenschaften Gottes hat: Allgegenwart, Allwissenheit, absolute Treue und absolute Vatergüte und Liebe.
Und weiter kann ich mit meinem Glauben nicht kommen. In der Ewigkeit kann ich vielleicht mehr verstehen.
Meine Theologie hört hier auf, an der Theologie des Thomas, der sagt: „Mein Herr und mein Gott.“ Er ist alles. Wer ihn hat, hat alles. Wer ihn hat, hat das Leben.
Und ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht – das ist Christus. Mehr kann ich nicht wissen, und ich will ihn liebhaben, sagen: Mein Herr, mein ganzes Leben an ihn binden. Meine Zuversicht, meine Stärke ist er, auf den ich traue.
Schluss: Die Zukunft in der Verbundenheit mit Jesus
Jetzt ist nur wichtig: Hast du diese feste Verbundenheit mit Jesus? Es reicht nicht, einfach zu sagen: Herr, ich vertraue dir. Du kannst auch sagen: Herr, ich glaube dir nicht, du legst mich rein, du betrügst mich. Das ist alles für mich nicht.
Aber sagen Sie, Sie können sich fassen. Wie sollen sie es fassen können? Das kann niemand mit seinem Verstand erfassen. Aber sie können es annehmen und sagen: Danke, Herr. So wenig sie ihre eigene Geburt fassen können – wer hat sie eigentlich gewollt, dass Gott sie geschaffen hat – so dürfen sie diese herrliche Liebe Gottes annehmen: Mein Herr und mein Gott.
Wir freuen uns, dass er, der einmal in der Macht, in der er alles sich untertan machen kann, dieser Jesus auch unseren nichtigen Leib verklären wird, sodass wir ähnlich werden seinem verklärten Leib. Was ist das für eine tolle Zukunft! Amen!
