Zweifel und Gerechtigkeit Gottes im Angesicht menschlichen Leids
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, spricht der Herr.
Als ich heute Morgen an diesem Wort saß, kam mein Sohn Ulrich zu mir. Er macht gerade Abitur am Burgymnasium. Er sagte, wir müssen einen Aufsatz schreiben, ob Gott gerecht ist. Es geht um ein Stück eines modernen Schriftstellers: Ein Kind, dreijährig, furchtbar, stirbt an Leukämie. Wie kann der gerechte Gott das zulassen? Womit hat das Kind das verdient?
Da habe ich ihm gesagt: „Schau mal, ich sitze gerade an diesem Wort. Meine Gedanken sind viel höher als eure Gedanken, höher als der Himmel über der Erde ist.“ Ich habe ihm erklärt, bevor ich anfange, Gott zu kritisieren – ich kann nur von mir sprechen –, muss ich zuerst einmal fragen: Bin ich gerecht?
Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber ich muss jetzt ein bisschen von mir erzählen. Bin ich gegenüber Menschen gerecht?
Als ich vorhin durch Welzheim gefahren bin, habe ich offenbar einen Autofahrer geärgert. Ich weiß gar nicht warum, aber er hat so auf die Hupe gedrückt, da war ein ganzer Zorn darin. Was denken Sie, wie viele Menschen ich noch geärgert habe, die keine Hupe hatten, die nicht gleich auf die Hupe drücken konnten und sagen: „Hey, du hast mich geschnitten!“
Wie viele Menschen habe ich verletzt mit dem, was ich gesagt habe, was ich unterlassen habe, was ich falsch weitergetratscht habe? Wie viel habe ich versäumt, wo Menschen gewartet haben, dass ich helfe, dass ich ein gutes Wort sage, dass ich einen Besuch mache, dass ich Zeit für sie habe?
Mir ist einmal in meinem Leben passiert, vor langen Jahren, dass Gott plötzlich den Vorhang auf die Seite zog. Da kamen lauter Dinge, die ich gar nicht vergessen hatte, die aber im Hinterkopf waren und die ich nicht nach vorne lassen wollte. Sie waren plötzlich da: Wie viele Menschen wohl auf einen Brief von mir gewartet haben, auf ein liebes Wort. Wie ich unfair gegenüber meinen Lehrern war, wenn ich sie nur geärgert habe, obwohl sie mir etwas Wichtiges weitergeben wollten. Wie ich meinen verehrten Professor in Tübingen verletzt habe.
All das war jahrelang vergessen, verdrängt bis dahin. Dass ich mitschuldig bin am Tod eines lieben Menschen, der auch zu denen gehörte, die seinen Geburtstag vergessen hatten. An seinem Geburtstag hat er sich das Leben genommen, weil er gesagt hat: „Es denkt niemand mehr an mich.“ Ich habe es weggesteckt.
Werde ich menschengerecht? Ich nicht, ich nicht. Wer bin ich, dass ich anfange, bei Gott zu kritisieren? Werde ich gottgerecht?
Menschliche Gerechtigkeit und Gottes Maßstab
Wir sprechen heute vom modernen Wort Gerechtigkeit, nicht wahr? Wir sprechen von behindertengerechten Fahrstühlen, die den Bedürfnissen von Behinderten gerecht werden. Wir sprechen von familiengerechten Wohnungen, die auch ein bisschen Platz bieten, wo man etwas Lärm machen kann, ohne ständig sagen zu müssen: „Pff, so schimpft die Hunde, familiengerecht.“ Wir sprechen von kindergerechten Erziehungsmethoden und von altersgerechten Renten. Werden Sie gottgerecht!
Jetzt kann ich wieder nur von mir selbst sprechen. Früher haben wir das Lied gelernt: „O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell guter Garten.“ Und wie selten brauche ich Gottesgaben, gerade wenn ich in großer Not bin, wenn ich selbst nicht mehr weiterweiß. Dann sage ich lieber: „Gott, jetzt gib doch!“
Sonst behandle ich Gott wie die Hausierer, die an meine Glastür kommen. Schon wieder einer. „Machen Sie mal Ihr Köfferchen auf, was haben Sie denn? Handcreme, Schnürsenkel, Badesalz?“ Nein, ich habe alles noch. Ich brauche es heute nicht, geh jetzt weiter, vielleicht das nächste Mal. So behandle ich Gott. Er hat Pläne für mich bereit, und ich sage: „Lieber Gott, ich weiß schon selbst,“ wie ein trotziger Zweijähriger. Er hat sein gutes Wort für mich bereit, und ich sage: „Jetzt ist keine Zeit, ich muss geschwind Zeitung lesen, nachher vielleicht.“ Er hat seine Nähe für mich bereit, und ich sage: „Ich muss zuerst geschwind telefonieren, irgendein unerhebliches Telefongespräch.“
Werde ich gottgerecht dem guten, treuen Gott, der so viel für mich bereit hat? Ich nicht.
Was würden wir als Hausvermieter tun, wenn wir so einen Untermieter hätten, wie ich es gegenüber Gott bin? Da ist doch alles in guter Ordnung, wenn wir sagen: „Hören Sie mal, beim nächsten Termin ziehen Sie aus.“ Ich brauche mich nicht dauernd an Ihnen zu ärgern, wenn Sie absolut nicht das wollen, was bei uns gang und gäbe ist. Dann gehen Sie doch!
Es wäre unter uns fair, es wäre gerecht von Gott und fair, wenn er uns wegschicken würde – mit dem letzten Dreck, wenigstens mich.
Wie komme ich dazu, zu fragen: „Lieber Gott, bist du gerecht?“ Ist es überhaupt fair von mir, so mit Gott zu handeln, mit ihm zu rechten, wo ich so selten etwas von ihm wissen will? Und plötzlich fange ich an und sage: „Aber jetzt kommst du mal dran, lieber Gott. Augenblick, jetzt bin ich mal geschwind Richter, und jetzt wollen wir dich mal durchleuchten, ob es bei dir stimmt.“
Ist das fair von uns? Es wäre, als ob ein Schwerkranker zum Onkel Doktor kommt und sagt: „Herr Doktor, Entschuldigung, jetzt setzen Sie sich mal in den Röntgenschirm, jetzt gucken wir mal, was bei Ihnen nicht stimmt.“
Verkehrte Welt, wenn wir fragen, ob Gott gerecht ist.
„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, so viel der Himmel höher ist als die Erde, sind auch meine Gedanken himmelweit höher als eure Gedanken.“ (Jesaja 55,8-9)
Gottes Gerechtigkeit jenseits menschlicher Vorstellungen
Ist Gott gerecht? Ja, der Ulrich muss einen Aufsatz schreiben, und seine Lehrerin wartet darauf. Aber was stellen wir uns eigentlich unter einem gerechten Gott vor?
Das merkwürdige Bild, das viele von Ihnen haben, erinnert an eine Fernsehsendung mit Gerichtssaal. Dort steht ein Richtertisch, und dahinter sitzt der Vorsitzende Richter in einem großen Stuhl. Er hört sich die Leute an, was sie zu bieten haben, was bei ihnen stimmt und was nicht. Am Schluss fällt er ein gut abgewogenes Urteil.
Der gerechte Gott wird oft so gesehen: als oberster Polizeichef, der beurteilen muss, ob jemand gut oder schlecht ist. Aber wie kommen wir eigentlich dazu, dass bei uns Gerechtigkeit entsteht, wenn wir anständig sind, keinen Bankeinbruch begehen, Liebe zeigen und trösten? Für uns ist Gerechtigkeit, wenn wir etwas tun. Und bei Gott soll Gerechtigkeit bedeuten, dass er hinter dem Richtertisch sitzt und zuschaut.
Die Bibel sagt uns: Gott ist gerecht und macht gerecht. Gott brennt darauf, euch Sünde zu vergeben. Auch wenn er gerecht ist, will er Wohltun, heilen, trösten, Behinderten beistehen und Verzagte aufrichten. So ist Gott der Gerechte.
Was habt ihr für komische Gedanken über den gerechten Gott, als ob er nur ein Richter wäre? Gott macht gerecht – darin besteht seine Gerechtigkeit. So steht es im Römerbrief Kapitel 3: Gott ist gerecht und macht gerecht.
Am eindrücklichsten wird das in den großen mittelalterlichen Gemälden dargestellt. Zum Beispiel hängt in der Alten Pinakothek in München ein Gemälde von Quentin Massis. Oder das Bild von Zeitblom, das im Ulmer Münster war und jetzt bei der großen Luther-Ausstellung in Nürnberg ausgeliehen ist. Dort sieht man Gottvater sehr zurückhaltend dargestellt. Er hält auf seinen Armen den gekreuzigten, totgeschlagenen Jesus. Das Opfer für die Sünde hält er so dem Betrachter hin.
Du, das habe ich für dich gemacht, mein Bestes hergegeben. So viel bist du mir wert. Wenn es je Opfertiere gegeben hat, hier ist viel mehr geschehen: Ich habe ihn getötet, damit du leben kannst. Ich habe ihn geopfert, damit du frei bist. Meine Gedanken sind höher als eure Gedanken.
Wenn wir an Gottes Stelle säßen, würden wir manchen Menschen das Leben verweigern und sagen: Du hast kein Lebensrecht mehr, du hast es verwirkt. Aber Gott schaut auf Menschen, die eigentlich kein Lebensrecht mehr haben, und gewährt ihnen Lebensrecht, nimmt ihre Sünde weg.
Suche den Herrn, solange er nahe ist, denn bei unserem Gott ist viel Vergebung.
Gottes Barmherzigkeit und Vergebung als Fundament der Gerechtigkeit
Durch die Bibel hindurch – das ist jetzt eine Antwort für meinen Ulrich gewesen. Schau doch mal im zweiten Buch Mose nach: Als Mose Gott begegnet ist, hat Gott vor ihm seinen Namen ausgerufen: „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig, von großer Gnade und Güte. Der die Sünden der Väter heimsucht bis ins zweite und dritte Glied, bis in die zweite und dritte Generation, und segnet bis in die tausendste Generation.“ So ist die Relation.
Wenn wir in diesem Jahr das Reformationsgedenkjubiläum feiern, 450 Jahre evangelische Predigt, wie viel Segen von Vorvätern, geistlichen Vorvätern, liegt auf unserer Kirche? Es gibt viele Leute, die sagen: Was ist eigentlich in Württemberg besonders los, dass es bei euch so viele Mitarbeiter gibt, so viele Bläser? Auf dem Gedenkbuch für die württembergische Reformation ist hinter dem wunderbaren Bild vom Ulmer Münster-Turm herunter fotografiert: Zehntausend Bläser. Wie kriegen die das in Württemberg hin? Segen der Väter! Bis ins tausendste Glied.
Und dann geht Gott eine Stufe weiter und sagt beim Propheten Hesekiel: „Ich will nicht mal mehr die Söhne sterben lassen für die Sünden der Väter, sondern jeder soll bloß für seine eigene Sünde sterben.“ Ich will es nicht heimzahlen, nicht mal mehr in die übernächste Generation.
Und als Jesus gekommen ist, ist Gott so weit gegangen, dass er sich gar nicht mehr überbieten kann. Er wartet nicht, bis wir endlich unsere Schuld einsehen und bei ihm zu Kreuze kriechen und sagen: „Lieber Gott, vergib mir.“ Sondern er hält uns seinen Sohn hin – denken Sie an das Zeitlohngemälde! – und sagt: „Ich möchte euch so gern vergeben, lasst euch doch vergeben! Sucht den Herrn, solange er nahe ist, bei ihm ist viel Vergebung.“
Aber wenn Gott seinen Sohn so hinhält, dann ist es ja nicht bloß so, dass er uns ihn hinhält als den, der für unsere Schuld gestorben ist, damit wir garantiert wissen: Es ist für meine Sünde etwas geschehen, rechtsgültig. Sondern Gott sagt uns auch: Wenn eine Sache wichtig ist, dann dieser Jesus. Den habe ich aus dem Tod zurückgeholt, damit ihr ihn habt. Den braucht ihr.
Wie kann man den Herrn suchen? Ohne Bild gesprochen heißt es hier: „Rufet den Herrn an, solange er nahe ist.“ Der Glaube fängt damit an, dass wir sagen: „Herr Jesus, da noch einen Stoß, erbarme dich über mich! Herr Jesus, gib, dass ich mit dir rechnen kann! Herr Jesus, ich möchte mit dir leben, ich verstehe noch nicht viel von dir!“
„Herr Jesus, wer den Namen des Herrn Jesus anruft, der wird gerettet.“ Damit fängt der Glaube an. Und weiter kommen sie in ihrem Glauben gar nicht, als dass in ihrem letzten Stündlein, der letzten Minute, noch einmal dieser Ruf durch ihren Körper geht wie ein elektrischer Schlag: Jesus!
Ruft ihn an, den Gott uns hingehalten hat! Das ist Gott das Wichtigste. So werden wir Gott gerecht. Das ist seine größte Tat, was er uns in seiner Liebe gegeben hat.
Wir denken, er soll uns Bildungschancen geben und die Arbeitslosigkeit wegnehmen und den Krieg beenden. Und Gott sagt jetzt: Ihr braucht Vergebung, und das habe ich euch gegeben. Ich gebe euch Jesus. Ruft doch ihn an! Sucht den Herrn, solange er nahe ist, rufet ihn an, denn bei ihm ist viel Vergebung.
Ja, lieber Gott, ich verstehe das alles noch nicht. Die schauen so durcheinander, wenn es der Chefbuch sagt. Ihr habt es zwar schon im Konfirmandenunterricht gehört, aber ihr habt es nie recht begriffen. Dann nehmt doch mein Wort, sagt Gott. Guck mal, mein göttliches Wort – das habe ich sogar schwarz auf weiß durch meine Propheten niederschreiben lassen und durch die Apostel. Ihr könnt es haben, ihr habt eure Bibeln, das Wort Gottes.
Die Kraft des Wortes Gottes als Quelle des Glaubens
Das ist wie der Schnee, der in diesen Tagen vom Himmel fällt und nicht wieder zurückgeht, wie der Regen, der vom Himmel fällt, aber in die Erde eindringt, sie feuchtet und fruchtbar macht. So gibt die Erde Samen und bringt den Halm hervor, die Ernte.
Bei uns gibt es keine Sahelzone, die ausgetrocknet ist und wo der Grundwasserspiegel endlos abgesunken ist, sodass nur noch verbrannte Erde übrigbleibt. So ist auch mein Wort: Es macht die Erde feucht, damit etwas wachsen kann. Es verliert die Geduld nicht.
Fang doch einmal an. Beginne zum Beispiel beim Johannesevangelium oder beim Markus-Evangelium. Nimm dir einen Abschnitt vor und lass ihn dich durchdringen.
Wir wissen, dass in den letzten Wochen und Monaten bei uns der Grundwasserspiegel erheblich abgesunken war. In Schorndorf haben wir für beinahe sechs Millionen Mark einen See gebaut. Vielleicht haben Sie ihn schon gesehen. Am Schluss war nicht einmal mehr Wasser darin, weil der Grundwasserspiegel so stark abgesunken war.
Aber keine Sorge: Es kommt wieder. Mit dem Winter, mit dem Schnee und mit dem Regen wird der Grundwasserspiegel wieder steigen.
Zurzeit ist in unserer württembergischen Landschaft der geistliche Grundwasserspiegel abgesunken. Kennen Sie sich noch in der Bibel aus, so wie Ihre Großmutter es tat? Kennen wir überhaupt noch ein paar Gesangbuchverse, die uns in Notzeiten Trost spenden können? Wissen wir noch Bescheid in biblischen Zusammenhängen?
Der geistliche Grundwasserspiegel ist stark abgesunken. Jetzt sagt Gott: Fang doch wieder an!
Wenn wir etwas mitnehmen wollen von dieser Woche mit Gottes Wort Leben, dann nehmt es mit. Gottes Wort ist wie notwendiges Wasser, wie Schnee, der vom Himmel kommt, der feuchtet und das Land fruchtbar macht.
So soll das Wort, das ich spreche, nicht leer zurückkommen, sondern tun, wozu ich es sende. Gott will durch sein Wort etwas bewirken.
Die Bedeutung des einfachen Evangeliums für das Leben und Sterben
Karlheim war ein großer Professor in Tübingen. Man erlebte ihn im Jahr 1959, als er achtzig Jahre alt war. Ein vertrocknetes, altes Männlein saß in seinem Lehnstuhl im Tübinger Adolfslatterhaus. Dort waren auch die Spitzen der Behörden versammelt, weil er das Bundesverdienstkreuz erhalten sollte. Man dachte schon, der zittrige alte Mann würde das nicht mehr überleben.
Doch dann stellte man ihm das Mikrofon hin, und plötzlich kam Leben in ihn. Er begann zu erzählen: „Ich war ein junger Student vor vielen Jahren und kam zu meinem ersten Vikariat. Der Herr Pfarrer ging gleich in Urlaub und sagte zu mir: ‚Sie müssen vor allem einen besuchen, den Stadttrompeter. Der hat Kehlkopfschwindsucht.‘“
Dann kam er zu diesem Mann, schüchtern wie er war, und wusste nicht recht, was er sagen sollte. Wie sollte er da trösten als junger Mann? Er begann, ein paar Bibelworte zu stottern, die er von seiner Mutter mitbekommen hatte, denn sie hatte ihn früh gelehrt, Bibelworte zu lernen. Der schwerkranke Mann sagte daraufhin: „Gut, gut.“
Dann sagte Karlheim, der vorher wie ein verdorrtes Männlein gewirkt hatte, mit kraftvoller Stimme: „Das war mein Anliegen als Professor der Theologie: den Studenten zu sagen, ihr braucht nichts als das einfache, klare Evangelium. Das hilft, damit Menschen getrost sterben können. Nur das Wort Gottes hilft, dass wir getrost sterben können, weil wir wissen, ich habe einen Herrn, der mich in den Tod begleitet. Fürchte dich nicht, so wie es am ersten Tag heißt: ‚Ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen.‘ Gottes Wort ist Kraft zum Ziel.“
Karlheim war in jungen Jahren, im Jahr 1899, zum Generalsekretär der damals jungen Deutsch-Christlichen Studentenvereinigung berufen worden. Diese Bewegung sagte: Wenn in unserem deutschen Land noch einmal etwas anders werden soll, dann müssen die Studenten anfangen, die Bibel zu lesen.
Ein großer Wissenschaftler, Doktor Karl Kubisch, hat ein Buch über diese Bewegung geschrieben. Es trägt den Titel „Studenten entdecken die Bibel“. Als ich dieses Buch über die Deutsch-Christliche Studentenvereinigung las, die eigentlich von Karlheim geprägt war, fiel mir vieles wie Schuppen von den Augen.
Alles, was wir in der Nachkriegszeit in der Politik und in der Kirche Männern verdanken wie Reinhold von Tattentrickler, dem Bundestagspräsidenten Ehlers, Lilje, Wilhelm Busch und anderen, wurde durch diese Bewegung geprägt, als sie Studenten waren. Studenten entdecken die Bibel – nicht nur das Bierglas, nicht nur die Wissenschaft, sondern die Bibel.
Mit dieser Kraft hat die Kirche nach 1945, nach dem Zusammenbruch, neu angefangen mit der Bibel. Karlheim war einer, der jungen Menschen die Bibel wichtig gemacht hat.
Die Herausforderung des Glaubens in einer pluralistischen Welt
Im Jahr 1928 war Karl Heim zur Weltmissionskonferenz in Jerusalem eingeladen. Dort trafen Menschen aus allen Erdteilen zusammen. Es war damals die Zeit, in der viele Amerikaner sagten: „Wir können die Welt verändern, wenn wir uns nur ein bisschen am Riemen reißen. Dann wird es schon klappen.“ Wohin das geführt hat, sehen wir heute.
Unter den Teilnehmern waren auch indische Christen, die betonten, dass man auf die Religionen Asiens hören müsse. Sie sagten: „Wir Christen haben nicht die alleinige Wahrheit gepachtet. Die asiatischen Religionen haben viel Schönes zu bieten, wenn sie den Menschen sagen, er soll in sich gehen und den guten Kern in sich suchen, das Wahre und Edle ganz tief in sich drin.“
Auch diejenigen, die vom Islam und vom Judentum begeistert waren – besonders von Jerusalem – äußerten sich. Sie zeigten großen Respekt dafür, wie ernsthaft die Gläubigen dort ihren Glauben leben, etwa indem sie fünfmal am Tag beten und sich um ihren Glauben bemühen.
Karl Heim war von diesen Eindrücken so bewegt, dass er sein ganzes vorbereitetes Referat umwarf. Er sagte: „Leute, wenn wir uns nicht mehr am Kompass der Bibel orientieren, dann können wir alle Missionen einstellen. Das Gute kommt doch nicht aus uns.“ Er erinnerte daran, was Jesus gesagt hat: „Im Herzen des Menschen sind arge Gedanken, Mord und Ehebruch.“ Das Gute komme nicht einfach dadurch, dass wir uns anstrengen und beten. Es komme vom Herrn, bei dem viel Vergebung ist.
Er hielt sein Referat und wurde dafür verlacht. Bevor es veröffentlicht wurde, schrieb er einen Absatz hinzu, in dem er festhielt: „So gehen wir Christen, die wir uns an die Bibel halten, durch das Kreuzfeuer von zwei Fronten. Wir werden beschossen von denen, die sagen: ‚Das Gute steckt doch in uns, wir brauchen keine Vergebung, wir brauchen uns nur ein bisschen anzustrengen.‘ Und wir werden beschossen von denen, die sagen: ‚Man muss sich anstrengen, man muss das Religiöse tun, man muss sich hineinknien in den Glauben, aber wir brauchen doch keinen Erlöser.‘“
Er fuhr fort: „Wir gehen durch dieses Kreuzfeuer als kleines Häuflein und wissen, dass die Verheißung bei denen liegt, über denen Jesus sagen wird: ‚Du hast deine kleine Kraft, aber du hast mein Wort behalten. Du hast nicht aus dem Glauben etwas gemacht, was deinen eigenen Gedanken entspricht, du hast mein Wort behalten.‘“
Das ist die Kraft zum Ziel: dass wir beim Wort Gottes bleiben – bis zu unserem Tod, bis zum Ende der Welt.
Ermutigung zum Leben aus Gottes Wort
Als ich vor einem Jahr in Welsheim sein durfte, schloss ich den letzten Abend mit einem Vers ab, den ich auch heute Abend noch einmal sagen möchte.
Einer unserer schwäbischen geistlichen Väter hat ihn verfasst. Er steht in unserem Gesangbuch:
Zeige Deines Wortes Kraft an uns armen Wesen,
zeige, wie es uns umschafft,
Kranke macht genesen!
Jesu, dein allmächtig Wort,
fahr in uns zu Siegen fort,
bis wir ganz genesen!
Ich möchte Sie bitten, diesen Vers einfach als Impuls mitzunehmen.
Ich möchte mich wieder neu eingraben in Gottes Wort.
Ich möchte neu bewässert werden, damit der Grundwasserspiegel meines Glaubens wieder steigt.
Ich möchte fruchtbar werden.
Ich möchte den Herrn suchen, ihn anrufen.
Ich möchte mit Gottes Wort leben.
Jesu, dein allmächtig Wort,
fahr in uns zu Siegen fort,
bis wir ganz genesen.
Amen.