Ja, mein Name ist Michael Kotsch. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit Fragen des Glaubens – eigentlich schon so lange, wie ich mich überhaupt zurückerinnern kann. Dazu gehört für mich auch die Auseinandersetzung mit dem Islam.
Die Familie, in der ich aufgewachsen bin, ist – wie das in Deutschland häufig der Fall ist – eine christliche Familie. Das ist jedoch nicht automatisch so. Trotzdem habe ich mich als Jugendlicher gefragt: Wie ist das eigentlich mit dem christlichen Glauben? Woher weiß ich, dass das der richtige und wahre Glaube ist?
Ich begann, mich auch mit anderen Religionen zu beschäftigen, unter anderem mit dem Islam. Diese erste Begegnung war natürlich, wie bei Jugendlichen nicht anders zu erwarten, auf einer relativ einfachen Ebene. Später habe ich das im Schulunterricht vertieft, denn dort wird das Thema intensiver behandelt.
Im Studium habe ich neben Theologie auch vergleichende Religionswissenschaft studiert. Dort erhält man eine Einführung und einen Überblick über die großen Weltreligionen, Religionssystematik, Soziologie und Philosophie. Der Islam war dabei ebenfalls ein Thema.
Parallel dazu hatte ich immer wieder persönliche Kontakte zu Muslimen, sowohl freundschaftlicher Art als auch Begegnungen mit Menschen muslimischen Hintergrunds, mit denen ich bewusst über den christlichen Glauben und ihre Glaubensgrundlagen gesprochen habe. Diese Kontakte haben sich bis heute fortgesetzt.
Ich habe regelmäßig mit Muslimen aus verschiedenen Herkunftsländern zu tun. Seit zwanzig Jahren unterrichte ich zudem an der Bibelschule Brake, einer theologischen Ausbildungsstätte, Religionswissenschaft. Dort gebe ich auch eine Einführung in den Islam.
Das, was ich heute Abend mache, ist lediglich ein kleiner Einblick – ein erstes Kennenlernen des Islam. Das hängt natürlich auch damit zusammen, wie viel Zeit wir haben. Wenn wir heute Abend eine Stunde dafür nutzen, ist es natürlich illusorisch, in dieser Zeit eine Weltreligion auch nur einigermaßen zuverlässig darzustellen.
Das wird vielen hier genauso gehen, wenn ich die Aufforderung geben würde, den christlichen Glauben in einer Stunde darzustellen. Viele würden sagen: „Das geht nicht.“ Das funktioniert meist nur, wenn man davon ausgeht, dass wir alle bereits viel vom christlichen Glauben wissen. Selbst wenn man nur die Kirchengeschichte in einer Stunde darstellen wollte – was ein wichtiger Teil des Christentums ist – oder die verschiedenen Konfessionen, wäre das kaum möglich.
Was ist denn eigentlich „christlich“? Gehört die Mariaverehrung dazu oder nicht? Gehören Ikonen dazu oder nicht? Viele denken hier je nach eigenem Hintergrund unterschiedlich. Der christliche Glaube ist weltweit sehr vielfält. Darauf möchte ich aber nicht näher eingehen, sondern nur sagen, dass es gewisse Grenzen gibt.
Deshalb werde ich auf verschiedene Punkte eingehen: die Geschichte des Islam, die Vielfalt des Islam, Glaubensunterschiede zwischen dem christlichen Glauben und dem Islam, was im Islam vom christlichen Inhalt geglaubt wird, also wie die Beziehung zwischen beiden ist. Außerdem möchte ich darauf eingehen, wie wir Muslimen begegnen können – insbesondere in Deutschland – und wie Muslime über Christen denken.
Diese Themen werde ich kurz ansprechen. Ich hoffe, es gibt im Anschluss einige Rückfragen und Gespräche, bei denen ich an einzelnen Stellen noch vertiefen kann. Das Vorauswissen ist bei allen hier sehr unterschiedlich. Einige haben sich schon intensiv mit dem Thema beschäftigt, andere kennen den Islam eher nur aus Zeitungen oder Presseberichten. Das sind natürlich sehr unterschiedliche Zugänge.
Persönliche Erfahrungen und Zugang zum Islam
Ja, ich habe bereits erwähnt, dass ich hier als Christ spreche, was übrigens vor Muslimen auch kein Problem ist. Manche meinen, man solle in Fragen der Religion am besten neutral bleiben, um am besten informieren zu können. Allerdings gibt es in diesem Bereich keine echte Neutralität.
Ich erinnere mich an einen meiner Professoren während des Studiums der Religionswissenschaft. Er trat auch in der ersten Vorlesung auf und sagte, er sei jetzt neutral, was besonders positiv und objektiv sei. Im Laufe der Vorlesung stellte sich jedoch heraus, dass er nicht neutral war, sondern atheistisch. Er verstand atheistisch als normneutral. Das ist er natürlich nicht. Ich habe den Eindruck, dass jemand, der atheistisch an Religion herangeht, religiöse Phänomene vielfach gar nicht verstehen kann.
Ich glaube, dass ein überzeugter Christ oder Muslim meistens viel besser versteht als ein Atheist. Der Atheist sieht den Muslim oft nur durch eine soziologische, religionsphilosophische, psychologische oder eine andere Brille. Aber so sieht sich der Muslim selbst nicht und so versteht er sich auch nicht.
Ich bin sogar der Meinung, dass man andere Religionen besser verstehen kann, wenn man selbst religiös ist und einen Zugang dafür hat, das in sein Weltbild irgendwo mit integriert hat.
Ich habe dann an der Universität Basel Theologie, vergleichende Religionswissenschaft, Ökologie und auch ein bisschen Philosophie studiert. Das war alles sehr spannend. Seit 20 Jahren unterrichte ich auch in einem theologischen Studiengang an der Bibelschule Brake und mache das sehr gerne.
Nebenher schreibe ich in verschiedenen Medien, wie im Internet, in Büchern und Zeitschriften. Vielleicht genügt das für die Vorstellung, und ich komme nun zum Thema.
Wahrnehmung des Islam in der Gesellschaft
Wenn wir heute mit dem Islam zu tun haben, begegnet er uns meistens durch persönliche Begegnungen mit Menschen muslimischen Hintergrunds und auch durch Medienberichte. Aktuell sind das vor allem Berichte über islamisch motivierte oder zumindest islamisch begründete Anschläge und Gewalttaten. Dieses Bild ist im Westen relativ stark präsent.
Vor kurzem habe ich eine aktuelle Studie gelesen, die Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurde. Darin wurde unter Amerikanern, darunter auch amerikanische Christen verschiedener Konfessionen, gefragt, wie sie den Islam einordnen. Die Mehrheit der Befragten gab an, der Islam sei eine gewalttätige Religion. Sie meinen, die Anschläge, die von Muslimen verübt werden, seien vom Islam gedeckt und stünden im Einklang mit dieser Religion. Das ist zumindest die Wahrnehmung eines großen Teils der amerikanischen Bevölkerung.
Ich habe den Eindruck, dass diese Sichtweise zunehmend auch in Europa verbreitet ist. Viele Menschen haben den Eindruck, der Islam sei gewalttätig, weil in den Medien hauptsächlich darüber berichtet wird. Dabei spielen natürlich verschiedene Motive eine Rolle, und es handelt sich nicht nur um eine objektive Beschreibung.
Wenn wir zum Beispiel einen Anschlag in Tunesien betrachten, bei dem ein junger muslimischer Mann aus muslimischer Motivation einen Angriff auf Touristen und Einheimische verübt hat, dann ist das zwar eine Tat eines Einzelnen, aber eben nur eines Menschen von Zehntausenden in der Stadt. Deshalb muss man immer hinterfragen, inwiefern solche Ereignisse tatsächlich repräsentativ sind oder nicht.
Diese Frage möchte ich heute Abend mit Ihnen besprechen und zum Nachdenken anregen. Ich glaube, dass die Wahrnehmung des Islams als prinzipiell gewalttätige Religion sehr einseitig ist.
Wenn Sie am Tag der offenen Moschee eine Moschee in der Umgebung besuchen, wird Ihnen dort genau das Gegenteil gesagt. Dort wird betont, dass der Islam eine Religion des Friedens sei. Das Wort „Islam“ hängt ja mit „Salam“, dem Frieden, zusammen, was nur zum Teil stimmt. Dennoch wird argumentiert, der Islam sei eine Religion des Friedens.
Das stimmt teilweise, denn ein überzeugter Muslim geht davon aus, dass Allah ein Friedensreich errichten will. Dieses Friedensreich funktioniert aber nur dort, wo Allah mit seinen Prinzipien herrscht. Nach traditioneller islamischer Lehre wird die Welt deshalb in das Haus des Friedens und das Haus des Krieges aufgeteilt. Das Haus des Friedens ist überall dort, wo der Islam dominiert.
Hier zeigt sich, wie Probleme entstehen, wenn man von einer westlich geprägten Kultur und Denkweise oder eben von einer islamisch geprägten Kultur und Denkweise ausgeht. Allgemein würde man in westlichen Kulturen Frieden eher so definieren, dass es ein einigermaßen reibungsloses Miteinander gibt, wenig Gewalttaten und keine kriegerischen Auseinandersetzungen. Das wäre für uns Frieden.
Rein christlich gesehen wäre das aber noch nicht zufriedenstellend. Christlich betrachtet gibt es den Begriff Schalom, ähnlich dem arabischen Salam. Das bedeutet nicht nur Frieden im Sinne von Abwesenheit von Krieg, sondern auch den Frieden, den der Mensch mit Gott hat. Das ist eine ganz andere Ebene, die der säkulare Mensch oft nicht mit einbezieht.
Schon am Begriff „Frieden“ merken wir, dass er sehr unterschiedlich verstanden wird. In der islamischen Welt bedeutet Frieden die Herrschaft Allahs. Dort, wo Allah herrscht, kann zwar Gewalt ausgeübt werden, aber trotzdem gilt es als das Reich des Friedens.
Hier wird deutlich, dass es nicht unbedingt darum geht, dass jemand etwas verdrehen will. Vielmehr werden Begriffe einfach unterschiedlich definiert. Wie bei Sprache allgemein ist oft die Definition dessen, was man ausdrücken möchte, entscheidend – nicht nur das Vokabular oder die Worte an sich.
Komplexität der islamischen Lehre und Interpretation
Darüber hinaus muss man beachten, dass der Islam zwar eine gewisse Gewaltbereitschaft aufweist, dies aber nur ein Teilaspekt ist. Viele kennen die Gewaltbereitschaft aus dem Koran, in dem beispielsweise dazu aufgerufen wird, keine Christen als Freunde zu nehmen oder den Ungläubigen die Köpfe abzuschlagen. Auf solche Stellen berufen sich auch Terroristen wie der IS oder andere islamische Terrorgruppen in Afrika, Asien oder im Nahen Osten.
Das ist jedoch nur ein Teil der Realität. Wenn man am Tag der offenen Moschee eine Moschee besucht, wird einem gezeigt, dass es im Koran auch Suren gibt, in denen steht: „In Sachen der Religion gibt es keinen Zwang“. Das ist ebenfalls im Koran zu finden.
Nun wird es komplizierter, denn man muss wissen, wie der Koran korrekt ausgelegt wird. Dabei sind sich nicht alle Muslime einig. Es gibt fünf verschiedene Rechtsschulen, also grundlegende Schulen für die richtige Auslegung des Korans. Wenn mancher Christ oder säkulare Atheist, der nie im Koran gelesen hat, meint, er würde den Koran sofort verstehen, weil er einige Suren gelesen hat, ist das genauso, als wenn jemand nur zwei oder drei Bibelverse liest, diese wild zusammenordnet und daraus ein Bild vom christlichen Glauben macht. Das funktioniert nicht.
Eine allgemein anerkannte Regel ist, dass die sogenannten mekkanischen Suren durch die medinischen Suren korrigiert oder ergänzt werden, nicht umgekehrt. Hier kommen wir bereits in die Geschichte des Islam, denn diese verschiedenen Teile des Korans wurden zu unterschiedlichen Zeiten verfasst. Daraus ergibt sich eine unterschiedliche Gültigkeit der Aussagen. Dies ist eine zentrale Frage der Koraninterpretation.
Es gibt Muslime, die sagen, der Koran müsse ausschließlich als Koran gelesen werden, also wörtlich und unverändert übernommen. Das sind häufig Gruppen, die sehr radikal auftreten. Andere hingegen vertreten die Auffassung, dass man den Koran lesen und dabei die Vernunft einsetzen muss. Für einen westlich geprägten Menschen, der durch die Aufklärung gegangen ist, erscheint das selbstverständlich, aber im Islam ist das nicht automatisch so.
Im Islam gab es nie eine Aufklärung oder eine Korankritik, wie es sie im christlichen Bereich mit der Bibelkritik gibt. Das ist eine ganz andere Ausgangslage. Wenn man mit Muslimen intensiv diskutiert, merkt man oft, dass manche Argumentationen für westliche Menschen seltsam erscheinen.
Ich schreibe gerade einen Aufsatz über die sogenannten wissenschaftlichen Beweise zur Wahrheit des Korans. Im Internet, auch auf vielen islamischen Seiten, werden diese wissenschaftlichen Beweise oft sehr gut präsentiert. Für jemanden, der in westlicher und europäischer Kultur aufgewachsen ist und meist kritisches Denken gelernt hat, erscheinen viele dieser Beweise jedoch sehr merkwürdig.
So wird beispielsweise gesagt: „Allah schuf den Menschen aus einem Blutklumpen.“ Im Koran steht eine ähnliche Aussage. Einige Muslime sehen darin einen Beweis für die göttliche Herkunft des Islam, da die Embryologie heute nachweist, dass der Mensch aus einem Blutklumpen entsteht. Wer sich jedoch genauer mit Medizin und Embryologie beschäftigt, merkt schnell, dass das nicht stimmt. Das Embryo ist kein Blutklumpen; Blut entsteht erst in einer viel späteren Phase der menschlichen Entwicklung. In den ersten Zellteilungen ist Blut gar nicht vorhanden. Diese Vorstellung ist eher eine stark vereinfachte und von Aberglauben geprägte Auffassung der Entstehung des Menschen.
Was ein westlich geprägter Mensch als Unsinn ansehen würde, betrachtet ein gläubiger Muslim als Beweis für die Wahrheit des Korans.
An einer anderen Stelle im Koran steht, dass jemand ein Stück Eisen in die Hand nahm. Einige Muslime interpretieren das als Hinweis auf die prophetische Qualität des Korans, da es ein Hinweis auf Smartphones sein soll. Wenn man den Text genau liest, steht dort jedoch nichts von Technik. Außerdem besteht ein Smartphone heute wahrscheinlich zum allergeringsten Teil aus Eisen, da der Großteil aus Kunststoff und Plastik besteht. Auch hier passt die Interpretation nicht wirklich.
Manche dieser Beispiele lassen einen wirklich fragen, wie solche Interpretationen zustande kommen. Aber man erkennt, dass hier eine andere Herangehensweise vorliegt. In der westlichen Welt wurde Religion der Vernunft unterworfen und kritisch hinterfragt. Manchmal vielleicht sogar zu sehr, weil die Vernunft absolut gesetzt wurde, was wiederum auch problematisch ist. Im islamischen Raum ist das so kaum der Fall.
Die einen Muslime sagen, es gilt nur der Koran, andere sagen Koran und Vernunft. Es gibt auch eine Gruppe, die sagt, Koran, Vernunft und Hadith seien Quellen der Erkenntnis. Die Hadith und die Sunna sind zusätzliche Quellen, die zum großen Teil mündliche Überlieferungen der Aussprüche Mohammeds und seiner Gefährten sowie die Interpretationen und Deutungen wichtiger islamischer Gelehrter enthalten.
Das gibt es in anderen Religionen auch. Im katholischen Bereich spricht man vom Lehramt, das neben der Bibel als autoritative Quelle gilt. Das Lehramt umfasst die Beschlüsse des Vatikan und die Gemeinschaft der Bischöfe. Im Judentum gibt es den Talmud, der Deutungen und Lehrauslegungen enthält und für viele Juden als autoritativ gilt. So gibt es auch im Islam neben dem Koran zusätzliche Quellen, die für die Glaubensauslegung wichtig sind.
Vielfalt innerhalb des Islam und kulturelle Unterschiede
Es gibt verschiedene Ausrichtungen im Islam. Wenn heute vom Muslim gesprochen wird, muss immer klar sein, von welchem Muslim die Rede ist. Das bedeutet, es ist wichtig zu wissen, aus welchem kulturellen Hintergrund die Person stammt, welcher Lehrausrichtung sie angehört und zu welcher Konfession sie zählt.
Wenn wir zum Beispiel viel über den sogenannten Islamischen Staat (IS) lesen, handelt es sich dabei eigentlich um eine kleine Gruppe, die zu den Sunniten gehört. Die Sunniten sind zwar die größte Gruppe im Islam, aber nur eine von mehreren. Ähnlich wie im Christentum, wo es evangelische, katholische, orthodoxe oder anglikanische Konfessionen gibt, existieren auch im Islam verschiedene Ausrichtungen und Lehrausrichtungen. Diese vertragen sich oft nicht miteinander.
Die meisten Menschen, die von IS-Anhängern getötet werden, sind andere Muslime. Zwar werden auch Christen getötet, aber in der Region leben vergleichsweise wenige Christen. Die Mehrheit der Bekämpften sind Muslime, die nicht der Interpretation des Korans der IS folgen oder die aus ihrer Sicht der „falschen“ islamischen Konfession angehören.
Daher ist der Umgang mit Muslimen sehr unterschiedlich, je nachdem, aus welchem kulturellen Raum sie stammen. In Deutschland waren in den vergangenen Jahrzehnten die meisten Muslime türkischer Herkunft. Das unterscheidet sich deutlich von vielen Flüchtlingen, die derzeit nach Deutschland kommen und meist dem arabischen Islam angehören. Diese kommen aus Nordafrika, Syrien oder dem Irak und sind kulturell und religiös anders geprägt. Sie verhalten sich auch anders zueinander.
Beispielsweise verachten viele arabische Muslime türkische Muslime. Noch stärker ist ihre Abwertung gegenüber afrikanischen Muslimen und schwarzen Muslimen. Im Islam gibt es also nicht einfach das Gefühl „Wir sind alle Brüder, weil wir Muslime sind“. Stattdessen bestehen starke Rangunterschiede und unterschiedliche Selbstbilder. Die arabischen Muslime sehen sich als Elite – was auch nachvollziehbar ist. Mohammed war Araber, und der Koran ist ursprünglich auf Arabisch verfasst. Deshalb werfen arabische Muslime den türkischen Muslimen vor, den Koran nicht korrekt lesen zu können.
Ähnliches gilt für viele asiatische Muslime. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass die Mehrheit der Muslime nicht in arabischsprachigen Regionen lebt, sondern vor allem in Asien. Das größte islamische Land der Welt ist Indonesien. Viele denken bei Muslimen zuerst an Länder wie Saudi-Arabien, Iran oder Irak, doch zahlenmäßig leben die meisten Muslime in Indonesien. Pakistan ist das nächstgrößte islamische Land, ebenfalls in Asien.
Der Schwerpunkt der muslimischen Welt liegt also in Asien, wo auch große innerislamische Auseinandersetzungen stattfinden. Trotzdem stammt der Islam ursprünglich aus der arabischen Welt.
In Deutschland begegnet uns der Islam vor allem in der türkischen Interpretation und Deutung, was noch einmal eine besondere Ausprägung darstellt. In Frankreich sind es vor allem nordafrikanische Muslime, die prägend sind. In England trifft man überwiegend auf asiatische Muslime. Das hängt mit dem britischen Kolonialreich zusammen, das viele Menschen aus diesen Regionen nach Großbritannien brachte.
Man muss also immer umdenken und sich darauf einstellen, dass Muslime zwar einer Religion angehören, diese Religion aber sehr unterschiedlich geprägt sein kann.
Diese Punkte habe ich nur vage erwähnt, um einen Eindruck von der Vielfalt zu geben, die uns begegnet, wenn wir mit Muslimen zu tun haben.
Historische Entwicklung des Islam
Vielleicht sollte ich ganz kurz auf die Geschichte des Islam eingehen. Den Islam kann man nicht genau datieren, aber ungefähr datiert man ihn auf das Jahr 620 nach Christus. Mohammed wurde etwa 570 nach Christus in Mekka geboren, der damaligen zentralen Stadt im Gebiet des heutigen Saudi-Arabiens. Damals gab es noch kein einheitliches Saudi-Arabien, sondern verschiedene Städte mit großem Einfluss, und Mekka war eine der wichtigsten.
Mekka war auch religiös zentralisiert. Die Araber gingen regelmäßig nach Mekka, um dort zu beten. Es herrschte ein Polytheismus, das heißt, viele verschiedene Götter wurden angebetet. Genau an der Stelle, wo heute die große Moschee steht, befindet sich die sogenannte Kaaba. Wenn man sie gesehen hat, weiß man, dass es eine riesige Moschee mitten in Mekka ist, die fast eine halbe Million Menschen fasst, zum Großteil nicht überdacht. In der Mitte steht ein großer Würfel aus gemauertem Stein, haushoch und mit Samt überzogen. Diese Kaaba, eine Art Tempel, stand bereits in vorislamischer Zeit, also hatte Mohammed sie noch kennengelernt.
Mohammed wuchs in einem wohlhabenden Clan auf, allerdings in einem verarmten Zweig dieses Clans. Seine Eltern starben relativ früh, sodass er sein Geld selbst verdienen musste. Er arbeitete als Karawanenführer, lernte dadurch viele andere Kulturen kennen und kam auch mit Juden und Christen in Kontakt. Der Handel zwischen Indien und dem Mittelmeerraum verlief durch Arabien, und so verdiente man gut mit. Man kam mit den Vorstellungen der Hindus, Christen und Juden in Berührung.
In den meisten arabischen Städten lebten damals sowohl Christen als auch Juden als Minderheiten. Das war außerhalb des Römischen Reiches, in einer Zeit, in der der christliche Glaube innerhalb des Römischen Reiches bereits als Staatsreligion galt. Diese wurde etwa um das Jahr 400 eingeführt. Viele sektiererische oder nonkonformistische Gruppen flohen aus dem Römischen Reich und fanden sich auch in Arabien wieder. Das erklärt, warum Mohammed mit der Zeit eine verschobene Vorstellung vom christlichen Glauben bekam. Diese zeigt sich auch im Koran.
Anfangs war Mohammed begeistert von Juden und Christen. Im Koran werden sie mit Hochachtung genannt. In mehreren Suren wird erwähnt, dass sie zu den Religionen des Buches gehören und an einen Gott glauben. Mohammed selbst versteht sich – und so versteht der Islam ihn bis heute – als einen weiteren von Gott, beziehungsweise von Allah, berufenen Propheten. Er steht in einer Reihe mit Abraham, Mose, Jesus und weiteren sogenannten 213 Rasul. Rasul sind von Allah berufene Propheten, zu denen unter anderem auch Jesus und Mose gehören. Mohammed ist der letzte von ihnen, das sogenannte Siegel der Propheten.
Mohammed wollte eigentlich denselben Gott verkündigen, den auch Christen und Juden vor ihm verkündet haben. Er sah sich nur als von Gott berufener Prophet für die Araber. Er interpretierte das so: Mose ist als Prophet zu den Juden geschickt, Jesus zu den Mitgliedern des Römischen Reiches, und er selbst ist von Allah für die arabische Welt gesandt.
Allerdings gab es Probleme. Mohammed selbst war, wie der Koran es nennt, Analphabet, das heißt, er konnte weder lesen noch schreiben. Er hat den Koran auch nicht selbst geschrieben. Einzelne Teile davon wurden ihm durch eine Offenbarung übermittelt – so berichtet man – und gesammelt wurden sie erst unter dem dritten Kalifen, dem Nachfolger Mohammeds. Es gibt Berichte, insbesondere von den Schiiten, einer der großen Konfessionen neben den Sunniten, dass dieser Kalif den Koran gefälscht habe, indem er bestimmte ursprünglich erwähnte Texte weggelassen habe. Das führte schon in der dritten Generation zu einer großen Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten, die sich bis heute nicht gut verstehen.
Mohammed selbst hatte eine Berufungserfahrung in der Wüste, von der niemand sonst bestätigen kann, dass sie stattfand. Ihm soll der Engel Gabriel erschienen sein, den wir auch aus der Bibel kennen. Dieser habe ihn aufgefordert, die Offenbarung Gottes aufzuschreiben und weiterzutragen, obwohl Mohammed, wie gesagt, nicht lesen und schreiben konnte.
Mohammed trat öffentlich auf und stieß bald auf Widerstand, besonders weil er forderte, den Polytheismus abzuschaffen. Er wurde aus Mekka vertrieben und in Medina aufgenommen, wo er zum Führer des ganzen Stadtstaates wurde. Durch mehrere Kriegszüge eroberte er Mekka und weitere Oasen in der Umgebung. So breitete sich der Islam innerhalb weniger Jahrzehnte über einen Großteil des Orients aus und in den folgenden Jahrhunderten über weite Teile der Welt.
Die Blütezeit des Islam lag etwa im 13., 14. und 15. Jahrhundert. Zu dieser Zeit reichte sein Einflussgebiet von Spanien – das damals überwiegend islamisch war – bis nach Indien. Es handelte sich allerdings nicht um ein einheitliches Reich, sondern um verschiedene miteinander konkurrierende islamische Reiche. Dennoch war der Islam weltweit wesentlich weiter verbreitet als der christliche Glaube.
Mit dem 15. Jahrhundert begann die zunehmende Ausbreitung des Christentums durch die europäische Eroberung und spätere Kolonisation, die ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreichte. Bis dahin waren die islamischen Reiche die Hochkulturen und prägten die Weltkultur. Man weiß, dass während der Zeit der Kreuzzüge, insbesondere im 12. und 13. Jahrhundert, intensive kulturelle Einflüsse aus der arabischen Welt nach Europa kamen. Diese wurden dort begeistert aufgenommen, zum Beispiel in den Bereichen Medizin, Musik, Architektur und Mathematik. So stammen beispielsweise die arabischen Zahlen, die heute weltweit verwendet werden, aus dieser Zeit. Bis dahin rechnete man in Europa mit römischen Zahlen, was komplizierter zu lesen und zu schreiben war. Auch die Erfindung der Null stammt aus der arabischen Welt. Diese äußeren und inhaltlichen Einflüsse kamen aus der arabischen Welt und prägten Europa stark.
Das änderte sich mit dem 15. Jahrhundert. Parallel dazu erfolgten die Entdeckung Amerikas, die Rückeroberung Spaniens (Reconquista) und die Eroberung des Seewegs nach Indien. Letzteres legte den arabischen Handel lahm und verursachte immense Verluste. Im 19. Jahrhundert wurde fast die ganze Welt von europäischen Mächten regiert und besetzt.
Im 19. Jahrhundert galt der stolze Islam vielerorts als am Boden zerstört. Viele Muslime gingen davon aus, dass der Islam innerhalb weniger Jahrzehnte vom Erdboden verschwinden würde. Auch Hegel, der bekannteste deutsche Philosoph des 19. Jahrhunderts, vertrat diese Ansicht. Er glaubte, die Weltgeschichte zeige, dass der christliche Glaube der absolute und beste sei, weil er sich weltweit ausgebreitet habe – im Gegensatz zu allen anderen Religionen.
Aus heutiger Sicht wissen wir, dass dies nicht das Ende der Geschichte war. Die Geschichte ging weiter und entwickelte sich anders. Im 19. Jahrhundert entstand eine neue islamische Bewegung, die zu einer Renaissance des Islam führte, deren Ende bisher nicht abzusehen ist.
Die meisten Schriften und Gedanken, auf die sich heute Islamisten – das heißt gewalttätige, radikale und teilweise fundamentalistische Muslime – berufen, stammen fast ausschließlich von Vordenkern aus dem 19. Jahrhundert. Besonders wichtig sind dabei die Vordenker der sogenannten Muslimbruderschaft.
Die Muslimbruderschaft entstand im 19. Jahrhundert in Ägypten als Bewegung für die Unabhängigkeit Ägyptens und des Sudans vom britischen Kolonialismus. Das einigende Band war der Islam. Ähnliche Bewegungen gab es in vielen anderen Ländern, sodass es im 20. Jahrhundert zu einem regelrechten Neuaufblühen des Islam kam, das bis heute anhält. Wohin das führen wird, ist noch nicht absehbar.
Der Islam ist heute wieder lebendig und wächst stärker als der christliche Glaube. Das liegt zum Teil am großen Bevölkerungswachstum der islamischen Länder, aber nicht nur daran. Der Islam hat eine eigene Mission entwickelt, die sogenannte Dawah. Dabei wird überlegt, wie man die Welt zum Islam bekehren kann. Es gibt verschiedene Konzepte.
Ein Teil der sehr fundamentalistischen Muslime, zu denen beispielsweise Kuwait und Saudi-Arabien gehören, wird von den sogenannten Wahhabiten dominiert. Die Wahhabiten sind eine islamische Richtung, die sehr fundamentalistisch mit dem Islam umgehen. Viele radikale Gruppen stammen aus Saudi-Arabien oder werden von dort finanziert. Zum Beispiel kommt Al-Qaida in wesentlichen Linien aus Saudi-Arabien. Bin Laden etwa stammte aus Saudi-Arabien und verdiente sein Geld dort mit seiner Familie. Das spielte eine große Rolle.
Solche radikalen Gruppen gibt es heute in fast jedem islamischen Land, doch ursprünglich kommt diese radikale Interpretation aus Saudi-Arabien. Das erweckt manchmal den Eindruck, als sei das die eigentliche Form des Islam. Das ist es aber nicht.
Im 19. Jahrhundert dominierte in den meisten islamischen Ländern eher eine mystische Interpretation des Islam, der sogenannte Sufismus. Dieser war im Osmanischen Reich, dem damals größten islamischen Reich der Welt, weit verbreitet. Heute steht er eher im Hintergrund.
Sufis versuchen, die Nähe zu Gott nicht durch kriegerische Gewalt zu erlangen, sondern durch Gefühl, Ekstase, Tanz, Musik und ähnliche Ausdrucksformen. Diese mystische Interpretation gibt es in vielen Religionen, auch im Islam. Wer mit Mystik zu tun hat, wird keine Gewalt anwenden, sondern den Zugang zu Gott friedlich suchen und den Kontakt mit anderen Menschen eher friedlich gestalten.
Diese starke Strömung ist in fast allen arabischen oder islamischen Ländern in den letzten zwanzig Jahren zu beobachten. Auf der anderen Seite gibt es in den islamischen Ländern auch einen starken Schub der Säkularisierung. Diesen darf man nicht vergessen, auch wenn er in den Medien weniger genannt wird, weil er weniger spektakulär ist.
Gerade das erklärt, warum viele Muslime so radikal und aggressiv auftreten. Sie meinen, ihre islamischen Wurzeln seien durch die Säkularisierung gefährdet, die insbesondere aus Europa und Nordamerika kommt. Deshalb werden Europa und Nordamerika auf der einen Seite angehimmelt; sie sind Vorbilder. Viele Jugendliche aus islamischen Ländern wollen so leben wie in Europa, dort studieren und ein ähnliches Leben führen.
Auf der anderen Seite löst das in ihren Heimatländern bei vielen Menschen große Angst aus. Sie merken, dass sich ihre Kultur und Identität grundlegend verändert. Deshalb wollen sie dagegenhalten und scharf dagegen vorgehen.
Deshalb gibt es auch diese Auseinandersetzungen. Man sieht in den Medien Demonstrationen von Islamisten in Städten wie Kairo. Dort sind zwar einige Tausend Menschen auf den Straßen, doch Kairo ist eine Millionenstadt. Die Islamisten sind eher eine kleinere Randgruppe, schaffen es aber durch ihre Aggressivität und Rücksichtslosigkeit, viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie instrumentalisieren teilweise Menschen und bringen andere dazu, zu schweigen.
Innerhalb der islamischen Länder findet momentan ein starkes Ringen um die Macht und die richtige Interpretation des Islam statt. Die einen wollen eine gewalttätige, ausschließliche Interpretation, die die Welt erobern soll. Die anderen bevorzugen eine säkulare Haltung.
Die meisten jungen Leute in Städten wie Teheran, Istanbul oder Kairo wollen nicht den ganzen Tag in der Moschee sitzen. Sie wollen in den Club gehen, eine Freundin haben, einen Job finden, viel Geld verdienen, einen Mercedes fahren und einen neuen Computer kaufen. Sie wollen Apple-Produkte wie ein iPhone besitzen.
Der große Unterschied zwischen einem deutschen Jugendlichen aus Köln oder München und einem jungen Menschen in Kairo ist fast keiner, außer dass der deutsche Jugendliche eher die Möglichkeit hat, seine Wünsche zu verwirklichen, während es in den islamischen Ländern oft schwieriger ist.
Im Grunde wollen die meisten jungen Leute in diesen Ländern dasselbe wie ihre Altersgenossen im Westen. Weil sie das aber nicht so schnell erreichen und in den Medien immer wieder sehen, wie leicht das in Europa oder Nordamerika möglich ist, entsteht Neid. Aus diesem Neid wächst oft Aggression.
Das führt dazu, dass manche junge Leute einen regelrechten Hass auf Amerika und teilweise auch auf Europa entwickeln. Europa ist für die meisten jungen Menschen aus arabischen Ländern eher schwach und stellt keinen wirklichen Gegner dar. Amerika hingegen wird bewundert wegen seiner Stärke, aber auch gehasst, weil die eigene Schwäche im Vergleich umso stärker empfunden wird.
Das ist das Selbstbewusstsein vieler islamischer Jugendlicher in der arabischen Welt heute.
Islamische Flüchtlinge und ihre Wahrnehmung Europas
Wir müssen uns vorstellen, dass, wenn Muslime nach Deutschland kommen, zum Beispiel als Flüchtlinge, es sich oft um Menschen handelt, die keine intensive oder tiefe Erfahrung mit christlichen Ländern oder der europäischen Kultur haben. Ihr Bild von Europa und den USA ist in erster Linie durch islamische Propaganda und Medien geprägt.
Die Medien suggerieren, der Westen sei eine Art Schlaraffenland, in dem man mit geringem Aufwand reich werden und sich alles leisten kann. Woher kommt dieses Bild? Zum Teil entsteht es durch das Sprichwort „Über dem Garten ist es immer süßer“, das heißt, die Birnen im Nachbargarten sind immer süßer. Zum anderen ist es geprägt durch unsere eigene mediale Selbstdarstellung.
In der arabischen Welt sind Filme ein wichtiger Teil dieser Selbstdarstellung. Doch Spielfilme vermitteln meistens nicht das normale Leben. Wo wird in einem Spielfilm schon der Arbeitsalltag einer Krankenschwester oder eines Lehrers dargestellt? Das kommt kaum vor. Stattdessen zeigen Spielfilme oft Menschen, die ständig frei haben, in Villen wohnen, große Autos fahren und viele Freundschaften pflegen. Es gibt viel Action, und das ist das Bild, das vermittelt wird – von jemandem, der selbst nie aus finanziellen Gründen ins Ausland gereist ist und keine längere Selbsterfahrung gesammelt hat.
Das gilt für einen Großteil der islamischen Länder. Denn in den meisten dieser Länder hat man nicht genug Geld, um sich viele Auslandsreisen leisten zu können. Für die Reichen ist das etwas anderes, aber nicht für die Normalbevölkerung.
Dieses Bild speist sich also aus den Medienberichten, die man mitbekommt. Ein weiterer Grund ist die intensive islamische Propaganda. Diese stellt die Muslime als arme, unterdrückte Minderheit dar, die sich gegen die neuen Kreuzfahrer wehren muss, die den Islam vernichten wollen.
Manche mögen sich wundern: „Wir als Christen sind doch die Armen, die ständig unter Anschlägen leiden.“ Doch wenn man einen Muslim in Europa oder in einem kleinen Dorf in Ägypten, im Sudan, in Marokko oder anderswo fragt, ist er fest überzeugt, dass Christen diejenigen sind, die den Islam vernichten und gegen ihn kämpfen wollen. Diese Überzeugung wird ihm immer wieder gezeigt.
Das lässt sich auch belegen. Zum Beispiel wird eine Aussage von George Bush zitiert, in der er sagt, man kämpfe gegen die „Achse des Bösen“ und führe einen Kreuzzug für die Wahrheit. Dazu sieht man Bilder von amerikanischen Kampfflugzeugen, die Bomben auf arabische Dörfer abwerfen, wo Kinder und Frauen als Leichen am Boden liegen. Das wird als christliche Aggression gegen den Islam dargestellt. So ist das Selbstverständnis vieler Muslime.
Deshalb ist es auch verständlich, dass sich manche junge Leute dazu hinreißen lassen, sich in die Luft zu sprengen oder Anschläge zu verüben. Nach islamischer Auffassung hat man einen übermächtigen Gegner, gegen den man keine Chance hat – die amerikanische Militärmacht. Deshalb ist es erlaubt, zu fast aussichtslosen Mitteln zu greifen, weil man sonst keine Möglichkeiten hat.
Man hat keine Chance, sich gegen diesen übermächtigen Gegner zu wehren. Also greifen manche zu Selbstmordanschlägen oder Attentaten, obwohl diese eigentlich islamisch verboten sind. Der Koran sagt relativ eindeutig, dass weder Selbstmord noch das Töten Unschuldiger, also von Zivilisten, erlaubt ist.
Doch in einem aussichtslosen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner ist es erlaubt, auch zu solchen Mitteln zu greifen. Genau das ist es, was viele im Kopf haben.
Hier zeigt sich eine völlig andere Vorstellung als die, die jemand durch westliche Medien oder als Christ, der bei Open Doors von Christenverfolgung liest, bekommt. Die reale Verfolgung von Christen in vielen Ländern ist tatsächlich gegeben. Doch die islamische Propaganda stellt internationale Kriege und Auseinandersetzungen als religiöse Konflikte dar. So verstehen viele Muslime in ihren Ländern die Situation.
Das ist ein großes Problem. Dabei müssen wir offen sagen, dass die Kriege in Afghanistan oder im Irak nichts mit Religion im christlichen Sinne zu tun haben. Die Soldaten, sowohl amerikanische als auch europäische, sind zum Großteil Atheisten. Ein Teil der amerikanischen Militärs sind sogar Muslime, die gegen Taliban oder IS kämpfen. Auch viele Kämpfer im Land selbst sind Muslime, die gegen diese Gruppen vorgehen.
Das heißt, diese Konflikte sind nicht religiös motiviert.
Wie ist es in Afghanistan? Dort haben selbst deutsche Truppen versucht, Frieden zu sichern und Demokratie durchzusetzen. Vielleicht ist das nicht allen bewusst. Bis heute gibt es in Afghanistan, trotz über zehnjähriger Unterstützung durch europäische und amerikanische Mächte, keine Religionsfreiheit.
Offiziell ist es nach dem staatlichen Gesetz, das von den deutschen Truppen verteidigt wird, verboten, bei Todesstrafe vom Islam zum Christentum zu konvertieren.
Wenn das wirklich ein Kreuzzug wäre, bei dem die Menschen zum Christentum gebracht werden sollten, würde man doch erwarten, dass deutsche Soldaten Traktate verteilen, Bibeln austeilen oder zumindest in der Verfassung, die sie verteidigen, Religionsfreiheit verankern. Doch das ist nicht der Fall.
Hier wird deutlich: Die Kriege haben vor allem weltpolitische und wirtschaftliche Gründe, die nicht von der Hand zu weisen sind. Das Interesse daran ist vorhanden, doch es hat mit Religion eigentlich nichts zu tun.
Muslime nehmen das aber anders wahr, weil ihnen verkauft wird, es handele sich um einen Religionskrieg, an dem sie beteiligt sind und sich deshalb einbringen müssten.
Das macht die Situation sehr schwierig. Es erklärt auch, wie manche mit Fanatismus reagieren und sich freuen, wenn die Türme des World Trade Centers einstürzen oder T-Shirts mit dem Gesicht Bin Ladens tragen. Das ist sonst kaum vorstellbar, doch es ist daraus entstanden, dass es so etwas wie eine Robin-Hood-Vorstellung gibt: Endlich hat einer, der Unterdrückten, einen Namen und zeigt, dass auch sie zählen.
Das ist der Zwiespalt, in dem sich die islamische Welt momentan befindet.
Islamische Gemeinschaft in Deutschland und ihre Entwicklung
Die Situation in Deutschland ist geprägt durch Muslime. Die meisten Muslime, die in Deutschland leben, haben nie in einem islamischen Land gelebt. Ihre Vorfahren, die meisten türkischstämmig, sind bereits seit der zweiten oder dritten Generation in Deutschland ansässig.
Es gab hier verschiedene Ausrichtungen. Die ersten Muslime, die in den 1960er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kamen, wollten nur kurzzeitig bleiben. Sie verstanden sich als Muslime, aber eher als Kulturmuslime. Das spiegelte auch den damaligen Zustand der Türkei wider. Die Türkei war damals stark säkularisiert. Vielleicht kennen Sie Kemal Atatürk, den Vater der Türkei, der den Islam zurückdrängen wollte, um einen weltlichen Staat einzurichten.
Diese ersten Muslime bauten hier Moscheen auf, meist kleinere Hinterhofmoscheen mit wenig ausgeprägter religiöser Aktivität. Die zweite Generation war noch säkularisierter und wollte sich kaum noch religiösen Gemeinschaften anschließen.
Die dritte Generation, also diejenigen, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren geboren wurden, entwickelte hingegen ein stärkeres Selbstbewusstsein. Sie bemerkten, dass sie von der deutschen Gesellschaft nicht wirklich aufgenommen wurden. Dies lag nicht nur an der deutschen Gesellschaft, sondern auch zum Teil an ihrem eigenen Verhalten, da sie sich teilweise in Ghettos zurückgezogen hatten. Wenn man nach Schuldigen sucht, sind also mehrere beteiligt.
Fakt ist, dass diese dritte Generation ein neues islamisches Selbstbewusstsein entwickelte. Diese Menschen sieht man heute oft lautstark in Internetforen auftreten. Sie rufen beispielsweise, dass der Islam die wahre Religion sei. Meist handelt es sich dabei um junge Männer, die zu den Verlierern der Gesellschaft gehören, Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden, und sich nicht akzeptiert fühlen. Ihnen wird vermittelt, dass ihre eigentliche Identität der Islam sei und deshalb alle anderen ihre Feinde sind. Wenn sie von der Gesellschaft abgelehnt werden, liege das allein daran, dass sie Muslime sind.
Diese Vorstellung wird ihnen eingeredet und so verstehen sie es auch. Deshalb herrscht bei dieser Generation oft eine regelrechte Verachtung gegenüber Deutschen. Sie glauben, gegen sie kämpfen zu müssen, da diese sie unterdrücken wollen.
Die vierte Generation ist teilweise noch radikaler geworden. Einige junge Leute dieser Generation orientieren sich an Salafisten oder gehen nach Syrien, um dort für den sogenannten Islamischen Staat (IS) zu kämpfen. Sie fühlen sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und leben in einer Art Parallelwelt.
Muslime, die aus der islamischen arabischen Welt nach Deutschland kommen, sind häufig differenzierter und oft selbstkritischer. Besonders Muslime aus dem Iran sind kritisch, da im Iran eine streng islamische Republik unter Ayatollah Khomeini gegründet wurde. Wenn man heute mit einem Muslim aus dem Iran spricht, hört man oft wenig Positives über den Islam.
Ein türkischstämmiger Muslim in Deutschland, der nie in einem islamischen Land gelebt hat, erzählt hingegen häufig begeistert, wie großartig der Islam sei. Er glaubt, wenn Deutschland islamisch wäre, würden alle Probleme gelöst. Das liegt daran, dass er diese Realität nie erlebt hat.
Muslime, die tatsächlich aus islamischen Ländern geflohen sind, etwa aus Afrika oder Syrien, wissen sehr wohl, dass der Islam nicht nur friedlich und freundlich ist. Diese Erfahrung prägt sie.
Der Anteil der Muslime in Deutschland, die sich dem christlichen Glauben zuwenden oder ihre Religion kritisch sehen, ist besonders hoch unter Muslimen aus Persien, also aus dem Iran. Dort herrscht der Islam am stärksten und autoritärsten. Wenn dort junge Männer eine Frau auf der Straße angreifen, weil sie ihren Schleier nicht richtig trägt, dann muss man dieser Frau nicht erzählen, dass der Islam Frieden bedeutet und alles wunderbar sei. Vielmehr lehnen viele solche Menschen den Islam ab, weil sie ihn aus eigener Erfahrung als bedrückend erlebt haben.
Diese praktischen Erfahrungen führen oft dazu, dass diese Menschen nicht mehr religiös sind.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass viele Konflikte zwischen Christen und Muslimen in diesen Ländern ethnische Konflikte sind. Sie sind also nicht nur religiös bedingt, sondern haben auch kulturelle Hintergründe, die eine wichtige Rolle spielen.
Begegnung von Christen und Muslimen in Deutschland
Ich möchte nun einen weiteren Punkt ansprechen: Wie begegnen Christen Muslimen in Deutschland? Anschließend werde ich auf einige Fragen eingehen, die sich dabei ergeben haben.
Wenn man Muslimen in Deutschland begegnet, sollte man bedenken, dass sie meist aus einer ganz anderen Kultur stammen. Das ist übrigens auch das eigentliche Problem, das viele Deutsche haben, die sich häufig ausländerfeindlich zeigen.
Vor Kurzem gab es die Auseinandersetzungen mit Pegida. Diese großen Demonstrationen fanden in verschiedenen deutschen und europäischen Städten statt. Aus meiner Sicht sind sie problematisch, weil sie letztlich eine Form von Ausländerfeindschaft zum Ausdruck bringen. Häufig wird dabei die Forderung laut, man müsse diese Menschen zurückweisen, da es eine Überfremdung oder eine Islamisierung des Abendlandes gebe.
Ich finde es erstaunlich, dass gerade diejenigen, die am lautesten solche Forderungen erheben, meist keine überzeugten Christen sind, sondern säkularisiert leben. In Deutschland können wir schon lange nicht mehr von einem christlichen Land sprechen, sondern von einem säkularisierten Land.
Der christliche Glaube spielt in der deutschen Gesetzgebung und öffentlichen Diskussion eine untergeordnete Rolle. Wenn es also eine Entchristlichung in Deutschland gibt, dann geschieht das nicht wegen der Muslime, sondern durch den Säkularismus oder Atheismus. Das ist offensichtlich.
Betrachten Sie zum Beispiel die Universitäten. Dort kann man nicht mehr behaupten, dass das Bildungswesen christlich geprägt sei. Es ist größtenteils säkular und atheistisch – und das auch ohne den Einfluss des Islam. Von einer Islamisierung Deutschlands sehe ich daher nichts.
Wenn wir uns anschauen, wo radikale Muslime in Deutschland Einfluss haben, finden wir keine an der Spitze der Regierung. Auch in führenden Positionen von Unternehmen oder in den Medien sind radikale Muslime nicht präsent. Natürlich gibt es einige Muslime in diesen Bereichen, doch meist handelt es sich um liberale und weltliche Muslime. Wirklich religiöse, radikale Muslime tauchen kaum auf.
Ich glaube auch kaum, dass jemand wie Pierre Vogel eine Chance hätte, ins Parlament gewählt zu werden. Radikale Muslime haben derzeit faktisch keinen Einfluss auf die Gestaltung der Gesellschaft. Wie sich das in Zukunft entwickelt, kann niemand sagen, aber aktuell ist ihr Einfluss sehr gering.
Manchmal wird ein Feindbild an die Wand gemalt, das nicht der Realität entspricht. Aus christlicher Sicht ist das falsch, und objektiv betrachtet ist es auch nicht richtig. In Deutschland leben etwa 4 bis 4,5 Millionen Muslime, das sind ungefähr 5 bis 6 Prozent der Bevölkerung. Von einer Islamisierung kann man daher kaum sprechen.
Natürlich gibt es Brennpunkte, in denen viele Muslime leben. In den Medien wird dann berichtet, dass in manchen Schulen 60 bis 70 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben. Doch das ist nicht flächendeckend der Fall.
Hier müssen wir genau hinschauen und die Probleme benennen, ohne Ausländerfeindlichkeit zu schüren, wo sie nicht angebracht ist. Das Problem ist dabei meist nicht der Islam, sondern die fremde Kultur. Genau das ist es, was die Menschen aufregt.
Wenn zum Beispiel ein Deutscher Muslim wird, was ändert sich dann? Er fährt weiterhin in Urlaub, poliert sein Auto, spricht Deutsch – nur eben als Muslim. Das regt niemanden auf. Was die Leute aufregt, ist, wenn jemand eine andere Hautfarbe hat, anders aussieht, andere Musik hört oder andere Wertvorstellungen hat.
Diese Unterschiede bleiben bestehen, selbst wenn die Person kein Muslim mehr ist, sondern Atheist oder Christ wird. Das können Sie beobachten, wenn jemand mit islamischem Hintergrund zum christlichen Glauben konvertiert. Er ist zwar Christ, verhält sich kulturell aber oft noch anders als ein typischer Deutscher, weil er aus einer anderen Kultur stammt.
Ich habe immer wieder mit Christen zu tun, die aus der arabischen Welt kommen. Das sind zum Beispiel altorientalische Christen, also Menschen, die dort aufgewachsen sind – Armenier, Assyrer und andere, die aus der Türkei oder Syrien geflohen sind. Ebenso kenne ich Muslime aus dem Orient, die sich hier zum christlichen Glauben bekehrt haben.
Bei all diesen Menschen fällt mir auf, dass sie sich in vielen Dingen ähnlich verhalten wie Muslime aus dem gleichen kulturellen Hintergrund. Das ist also eine kulturelle Prägung.
Wer selbst Wurzeln als Russlanddeutscher hat, wird einige dieser Erfahrungen nachempfinden können. Manchmal spürt man, dass man zwischen zwei Welten steht: zwischen dem Verständnis eines Orientalen und dem Empfinden eines Europäers. Dabei spielt es nicht nur eine Rolle, ob jemand türkischer Herkunft ist, sondern es handelt sich um orientalisches Denken.
Kulturelle Besonderheiten und Herausforderungen im Umgang
Was die wenigsten Deutschen verstehen, insbesondere die einheimischen Deutschen, ist die strenge Trennung der Geschlechter im orientalischen Kulturkreis. Für viele ist das unvorstellbar. Immer wieder, regelmäßig und immer wieder an denselben Orten, wo man es eigentlich wissen könnte, gibt es junge Europäerinnen, oft Deutsche, die leichtfertig auf einen Orientalen zugehen. Sie meinen, es sei ganz normal, sich mit ihm auszutauschen, spazieren zu gehen, zu reden, Kaffee zu trinken oder Ähnliches. Sie denken, das könnten sie auch mit jedem Deutschen tun, und das funktioniert.
Meistens sind diese Orientalen sogar noch viel attraktiver als die typischen Deutschen. Sie erzählen den Mädchen sofort, wie toll sie sind: „Was hast du für tolle Augen und Haare, du bist so wunderbar!“ Das gehört einfach dazu. Ein Orientale kann so charmant sein und so flirten, wie es kein Deutscher kann. Wer sich mal richtig viele Komplimente abholen will, sollte zu so einem Orientalen gehen. Egal, wie man aussieht, er wird sagen: „Du bist so toll, die schönste Frau, die ich je gesehen habe!“ und denkt dann Tag und Nacht nur an sie. Das beeindruckt sehr, und das ist Teil der Kultur.
Aber das ist ganz anders gemeint, als man es einordnet. Zwischen muslimischen Männern und Frauen gibt es keine Freundschaft einfach so. Die Welt ist geschlechtergetrennt, und das gilt für Muslime in Deutschland zum großen Teil genauso wie für Muslime in der orientalischen Kultur. Ein Orientale versteht sich als Mann vielmehr als Macho. Ein orientalischer Mann ist ein Macho und kann deshalb auch richtig der Latin Lover sein. Das macht er von der Position der Stärke aus. Er sieht die Frau nicht als gleichberechtigtes Gegenüber, sondern als ein Wesen, das man für sich gewinnt. Hat man sie gewonnen, muss sie sich natürlich in die familiären Strukturen einordnen.
Deshalb habe ich regelmäßig Gespräche mit jungen Frauen, die einen Orientalen geheiratet haben. Sie dachten, er sei so nett und lieb, ihr Ali, so offen und freundlich. Doch nach der Hochzeit merken sie plötzlich, dass es ein anderer Mann ist. Aber er ist kein anderer Mann, sondern das ist einfach so, wie es im Orientalischen dazugehört: Wenn man eine Frau gewinnen will, ist man lieb und nett – auch zu den Schwiegereltern. Ein deutscher Freund hingegen will im Durchschnitt oft gar nichts mit den Schwiegereltern zu tun haben. Ein normaler Deutscher hält den Kontakt eher locker. Ein Orientale ist dagegen ganz freundlich zu den Schwiegereltern, denn das sind ja diejenigen, die Eltern und so weiter ganz toll finden. Solche Dinge spielen eine wichtige Rolle.
Das heißt noch lange nicht, dass das Denken dasselbe ist. Das Denken ist etwas ganz anderes, das ist nur das Verhalten. So hatten wir zum Beispiel orientalische Schüler an unserer Bibelschule. Einer davon kam aus Syrien. Immer wenn er in die Vorlesung kam, verbeugte er sich und sagte: „Mein Lehrer.“ Die anderen dachten, das sei Schleimerei. Aber das war normal, denn gegenüber einer Autoritätsperson muss man Ehrerbietung und Freundlichkeit zeigen.
Oder meine Frau und meine zweite Tochter, die im Moment Deutschunterricht unter Flüchtlingen in Detmold geben. Dort sind mehrere Gemeinden engagiert, an denen meine Frau und meine Tochter beteiligt sind. Wenn sie als Frauen dort zu lange mit jemandem reden, ruft dieser an und fragt nach ihrer Telefonnummer. Gerade heute hat wieder ein Mohammed aus Nordafrika angerufen. Er fragte erst einmal, wie es ihnen gehe, wie es dem Mann gehe, wie es der Familie gehe – das ist ganz typisch. Im Orient spielt die Familie eine wahnsinnig wichtige Rolle. Wer aus einem orientalischen Hintergrund kommt, kann das nachvollziehen. Bei einheimischen Deutschen ist das ganz anders.
Der einheimische Deutsche ist in erster Linie Individualist: das „Ich“ steht im Vordergrund. Alles andere kommt erst später – der Partner, die Eltern, Onkel und Tante, wenn überhaupt. Für einen Orientalen in seiner Kultur spielt die Familie eine unheimlich wichtige Rolle. Wenn man mit einem Orientalen zu tun hat, auch als Christ, ist es wichtig, das zu wissen. Wer signalisiert, dass die Eltern keine Rolle spielen, die Geschwister egal sind oder man gar nicht weiß, wie es ihnen geht, gilt für einen Orientalen als schlechter Mensch.
Das heißt, wenn man ihm vom christlichen Glauben erzählen will, ist man schon durchgefallen. Man hat keine Chance, denn einem schlechten Menschen glaubt man nichts. Wenn jemand nicht einmal seine Eltern ehrt, nicht hochachtend von ihnen oder den Geschwistern spricht und sich nicht erkundigt, ist das ein großes Problem. Man müsste auch fragen: „Wie geht es deinem Vater, deiner Mutter, deinem Bruder, deiner Schwester, deinem Cousin?“ Das gehört dazu.
Vor etwa zwanzig Jahren habe ich intensiver mit Muslimen in Bielefeld gearbeitet. Dabei lernte ich ein bisschen Türkisch, um Begrüßungen wie „Merhaba, nasılsın?“ („Hallo, wie geht's?“) zu verstehen. Die Antwort war immer genau und es folgte eine Gegenfrage. Ein bisschen kennen wir das hier in Deutschland noch: Man fragt „Wie geht’s?“, bekommt die Antwort „Gut“, und das war’s. Im Arabischen und Orientalischen ist das viel ausgeprägter. Dort gibt es große Worte, große Gesten, die eine sehr wichtige Rolle spielen.
Ein Muslim, den wir kennengelernt haben, hat ein riesiges Problem: Er ist der Einzige in der Familie mit einem Job. Was passiert? Alle Familienmitglieder kommen zu ihm und wollen Geld. Wenn er kein Geld gibt, ist er der Böse, nicht die, die fragen. Zum Beispiel erzählte er mir, dass sein arbeitsloser Bruder den ganzen Tag fern sieht und einen neuen Bildschirm möchte. Er bot ihm seinen alten Bildschirm an. Der Bruder schimpfte: „Was, ich bin dir so wenig wert, dass du mir nur deinen Alten geben willst?“ Also musste er Geld sparen, um seinem Bruder einen neuen Bildschirm zu kaufen und selbst mit dem Alten auskommen.
Das ist Familie. Familie ist wahnsinnig wichtig, spielt eine große Rolle. Ehrerbietung und Anerkennung spielen dabei eine ganz, ganz große Rolle. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern – Mann und Frau – sind viel größer als wir es kennen. Familie spielt eine viel größere Rolle als bei uns. Religion ist ein alltägliches Gesprächsthema.
Wenn man mit einem einheimischen Deutschen über Religion spricht, braucht es oft große Überwindung, weil die meisten nicht darüber reden wollen. Für den typischen Deutschen ist Religion Privatsache. Man kann eher fragen, welche sexuelle Orientierung jemand hat, als wie er an Gott glaubt. Das Thema Glauben ist tabu. Darüber spricht man nicht.
Bei einem Muslim hingegen gehört es zum Alltag, über Religion zu sprechen. Wenn man nicht über Glauben redet, gilt man als skurril oder gottlos. Für einen Muslim ist es normal, über Religion zu sprechen. Familie ist ein Gesprächsthema, Religion ist ein Gesprächsthema. Politik oder Beruf sind eher sekundär. Das Gespräch über Religion ist wichtig.
Im Gespräch mit einem säkularisierten Deutschen sollte man nie mehr als ein oder zwei Bibelstellen einbinden, da der andere meist überfordert ist oder ablehnt. Im Gespräch mit einem Muslim ist es gut, möglichst viele Bibelstellen zu nennen und die Bibel häufig zu erwähnen. Das zeigt, dass man bereit ist, sich unter Gott zu unterordnen, dass man sein heiliges Buch kennt und nicht nur eigene Gedanken weitergibt, sondern das Buch Gottes.
Das imponiert. Man lebt mehr in der Gemeinschaft, unterordnet sich Gott, dem Staat und der Sippe. Das ist stark ausgeprägt. Deshalb ist ein wichtiger Tipp, die Trennung von Mann und Frau zu beachten. Äußere nicht zu sehr die eigenen Gedanken, sondern berufe dich auf die Bibel und Gott. Wichtig ist auch, über Familie zu sprechen, die eigene Familie zu ehren und Gastfreundschaft hervorzuheben.
Der typisch einheimische Deutsche hat manchmal Probleme mit Gastfreundschaft. Er interpretiert zu ausgeprägte Gastfreundschaft oft als Unfreundlichkeit. Wenn man ihn einlädt und er einen Kaffee ablehnt, hört man normalerweise auf. Bei Russlanddeutschen oder muslimischen, arabischen Menschen ist das ganz anders.
Wenn man eingeladen wird und gefragt wird, ob man einen Kaffee oder Chai trinken möchte, gehört das Ablehnen zur Höflichkeit. Man sagt „Nein“, aber der Gastgeber bietet immer wieder an: „Komm, ich mache dir noch einen.“ Man sagt wieder „Nein“, aber der Gastgeber besteht weiter. Erst wenn man das Glas umdreht oder den Löffel schräg darauflegt, ist das ein deutliches Signal, dass man genug hat.
Das muss man wissen, sonst kann es zu Missverständnissen kommen – sowohl als Gastgeber als auch als Gast. Das führt manchmal dazu, dass sich Menschen mit orientalischem Hintergrund missverstanden oder unfreundlich behandelt fühlen, weil wir als typisch Deutsche anders reagieren als sie es gewohnt sind.
Deshalb sollte man bei Religion nicht zu vorsichtig oder zu zurückhaltend sein. Als überzeugter Christ muss man klar auftreten. Wenn man sagt: „Ich glaube an Jesus Christus und die Bibel ist wahr“, ist das für einen Muslim nicht schockierend, sondern positiv. Er denkt: „Das ist ja super, das ist toll.“
Zum Beispiel in dem Dorf, in dem ich lebe, gibt es zwei muslimische Familien, mit denen wir guten Kontakt haben. Obwohl wir uns klar sagen, der christliche Glaube ist wahr oder der Islam ist wahr, schätzen sie uns als Familie. Vor ein paar Jahren wollte ein muslimischer Vater Lindenblüten sammeln, um Tee daraus zu machen. Dabei kam er ins Gespräch mit mir und sagte nebenbei: „Wir sind doch die Einzigen hier im Dorf, die vernünftig sind.“
Das fand ich sehr gut. Wir verstehen uns fast arm in arm. Er meinte damit: „Wir legen Wert auf Familie, wir sind verheiratet, unsere Kinder sind wirklich unsere Kinder, und wir sind treu.“ Das schätzte er, weil sonst viele andere „spetschwerken“ (flirten oder untreu sind). Ich habe die Euphorie etwas gebremst und gesagt: „Ja, das stimmt, aber in anderer Hinsicht sind wir uns nicht einig.“ Das kann man ganz offen sagen – am Gartenzaun, über Religion, Glauben und feste Überzeugungen. Das gehört dazu.
Umgang mit islamischen Argumenten und Moralvorstellungen
Dazu gehört im Gespräch auch, dass man sich nicht zu schnell durch islamische Argumente oder Scheinargumente irritieren lässt. Ein beliebtes Argument der Muslime ist, dass Christen alle unmoralisch seien. Man liebt dieses Argument und schlussfolgert daraus, dass Christen deshalb minderwertig und nicht ernst zu nehmen seien.
Manche Christen oder Nicht-Christen denken dann, das sei so blöd, oder manche meinen sogar, es stimme ja auch. Dabei darf man das nicht so einfach sehen. Wir müssen auch beachten: Muslime sind keineswegs moralischer als die durchschnittliche christliche Bevölkerung. Sie drücken es nur anders aus.
Warum ist das so? Der typische Deutsche geht seiner Unmoral mit Begeisterung nach und rühmt sich dessen. Der Muslim hingegen macht es heimlich, aber genau dasselbe. Meine Frau und ich haben einige Zeit lang mit Prostituierten zusammengearbeitet – also Betreuung und geistliche Begleitung. Sie berichteten, dass ein Großteil ihrer Kunden Muslime seien. Diese seien oft sogar die rücksichtsloseren Freier, weil sie sich als Machos fühlten, die dort hinkommen.
Natürlich kommen sie dort hin, obwohl sie von Treue und anderen moralischen Werten sprechen. Die Praxis sieht jedoch völlig anders aus. Man darf also keine zu hohen Erwartungen haben. Manche Muslime sagen das auch selbst.
Manche muslimischen Jugendlichen, die ich in der Stadt treffe, sagen dann, der Islam sei so toll und die Christen seien alle blöd. Dann frage ich sie direkt: Wann warst du im Club? Hast du eine Freundin? Gehst du mit ihr ins Bett? Natürlich tun das junge Muslime genauso und wollen das auch. Natürlich wollen sie auch Alkohol trinken, obwohl das nach islamischer Auffassung verboten ist.
Ganz klar: Ein Muslim ist von außen betrachtet nicht moralischer oder besser als ein Christ. Das muss man auch in der Gesprächsführung wissen.
Jesus im Islam und christliche Perspektiven
Nun, vorhin wurde auch die Frage gestellt: Glauben Muslime an Jesus? Wenn man einen überzeugten Muslim fragt, ob er an Jesus glaubt, wird jeder Muslim, der sich einigermaßen auskennt, mit Ja antworten.
Allerdings glaubt er an einen Jesus, der ein islamischer Prophet ist, nicht an einen Jesus, der Sohn Gottes oder Gott selbst ist. Ebenso glaubt er nicht an einen Jesus, der am Kreuz für die Sünden der Menschen gestorben ist. Stattdessen glaubt er an einen Jesus, der von einer Jungfrau geboren wurde.
Im Koran gibt es mehrere Aussagen, die denen der Bibel entsprechen. Manche wurden jedoch verändert oder verfälscht. Deshalb glauben mehr Muslime daran, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, als viele europäische Christen. Die meisten Professoren an Universitäten glauben beispielsweise nicht daran, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, Muslime hingegen schon. Warum? Weil es so im Koran steht.
Muslime gehen davon aus, dass Jesus schon in seiner Kindheit Wunder getan hat und auch später Wunder vollbrachte. Im Koran wird er als der Messias bezeichnet. Dort steht, dass er das Wort Gottes ist, keine Sünde begangen hat und Tote auferweckte. Viele Wunder Jesu werden also auch im Koran erwähnt.
Jesus wird im Koran immer als ein treuer Prophet Allahs dargestellt. So wird er im Koran von Allah gefragt: „Hast du den Menschen gelehrt, dass sie neben mir auch dich und deine Mutter als Götter nehmen sollen?“ Jesus antwortet natürlich: „Nein, das habe ich nie getan.“
An dieser Stelle zeigt sich, dass Mohammed offenbar ein Missverständnis von der christlichen Trinität hatte. Wahrscheinlich hatte er es mit einigen sektiererischen Gruppen zu tun, bei denen die Marienverehrung so weit fortgeschritten war, dass Mohammed sich vorstellte, die Trinität bestehe aus Vater, Mutter und Kind – also Gottvater, Gottmutter Maria und Kind Jesus. Das lehnte er jedoch ab, denn für ihn war das Polytheismus.
Er warf den Christen vor, die Botschaft Jesu verfälscht zu haben und Jesus zu Gott gemacht zu haben, obwohl Jesus nie Gott sein wollte. Das steht so im Koran. Jesus hat demnach nie behauptet, Gott zu sein oder für unsere Sünden zu sterben.
Der Koran sagt zudem deutlich, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben ist. Die Überlieferung besagt, dass wahrscheinlich Judas an der Stelle Jesu gekreuzigt wurde. Die Menschen hatten sich geirrt, und Gott verwandelte das Gesicht Judas so, dass sie ihn für Jesus hielten. Jesus wurde dann entrückt.
Warum? Weil Allah als Herrscher absolut ist und keine Niederlage duldet. Einen seiner wichtigsten Propheten von Menschen ans Kreuz schlagen zu lassen, wäre eine absolute Niederlage für Allah. Deshalb musste es so sein: Allah triumphiert, er entrückt Jesus in den Himmel, und stattdessen wird der Verräter Judas ans Kreuz geschlagen und bestraft.
Diese Geschichte steht so im Koran. Logisch betrachtet klingt das doch ganz angenehm. Denn äußerlich gesehen war der Tod Jesu am Kreuz zunächst eine Niederlage. Derjenige, der als König der Welt und König der Juden auftrat, wurde grausam hingerichtet.
Wir Christen haben uns jedoch so sehr daran gewöhnt, dass wir es als Gottes Weg ansehen und es kaum noch wahrnehmen. Aus islamischer Sicht ist es jedoch eine absolute Niederlage. Das geht nicht! Der wichtigste Prophet, den Allah damals geschickt hat, endet so am Kreuz, und die Feinde besiegen ihn, obwohl Allah auf seiner Seite ist. Wäre das nicht ein Zeichen dafür, dass Allah schwach ist, wenn er so etwas zulässt? Das geht gar nicht.
Hier zeigt sich auch einer der wichtigen Punkte, die man im Gespräch überwinden muss: Wer ist Jesus? Wie kann man argumentieren, dass wir ein Opfer brauchen?
Ein Muslim geht davon aus, dass jeder Mensch für seine Sünden selbst gerade stehen muss. Es gibt keinen anderen, der dafür gerade steht. Wenn man einem Muslim das erklären will, kann man am besten auf Abraham Bezug nehmen, denn Abraham ist ihm bekannt.
Abraham sollte ja in der islamischen Überlieferung seinen Sohn Ismael, nicht Isaak wie in der Bibel, opfern. Stattdessen opferte er dann einen Widder. Das kann man als Bild nehmen: Hier wurde der Sohn ausgelöst, der sterben sollte, durch ein Tier, das getötet wird.
Dieses Bild wird auch im Hebräerbrief im Neuen Testament angewandt, wo gesagt wird, dass Jesus freiwillig an unserer Stelle gestorben ist, wo wir eigentlich bestraft werden müssten. Das ist eine völlig andere Konzeption als im Islam, aber den Opfergedanken gibt es auch dort – nämlich, dass Abraham ein Tier anstelle seines Sohnes opferte.
Das heißt, in der islamischen Welt muss man mit Bildern arbeiten, mit eigenen Erfahrungen, und sich stark auf Bibelverse berufen, wenn man den Glauben vermitteln will. Dabei sollte man auch kulturelle Aspekte berücksichtigen, wie die Trennung der Geschlechter, Gastfreundschaft und die Bedeutung der Ehrenfamilie.
Das sind einige wichtige theologische Inhalte, die man beachten sollte.
Abschluss und Ausblick auf Fragen
Da meine Zeit jetzt abgelaufen ist, gehe ich dazu über, noch auf einige Fragen zu antworten, sofern welche da sind. Davon gehe ich fest aus, denn ich habe viele Themen hier nur angeschnitten oder vage besprochen. Ich hoffe, dass für jeden etwas Neues oder zumindest etwas Bestätigendes dabei war.
Ich bin auf die Politik eingegangen, auf die Unterschiede in der islamischen Welt, auf die Ausprägung des Islam in Deutschland sowie auf die Geschichte des Islam. Außerdem habe ich erläutert, wie Christen und Muslime sich begegnen und wie gesellschaftliche, soziologische und kulturelle Unterschiede neben den religiösen eine Rolle spielen.
Nun bin ich gespannt auf Rückmeldungen und Fragen.
Neben dem Christentum gilt der Islam oder auch Israel als Sonderfeind. Woher kommt das? Man unterstellt den Juden und Christen, dass sie die Botschaft Allahs verfälscht haben. Zudem wird angenommen, dass der Zionismus, der Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstand und auf Theodor Herzl zurückzuführen ist, sich gegen den Islam richtet.
Das bedeutet, dass die Feindschaft gegenüber den Juden heute stärker ist als vor 200 Jahren. Vor 200 Jahren waren Juden in den arabischen Ländern eine verachtete Minderheit – so zumindest aus islamischer Sicht. Natürlich lebten viele Juden auch in Europa, womit die arabischen Muslime weniger zu tun hatten.
Viele arabische Juden sind später nach Israel gezogen und haben dort ein eigenes Land gegründet, in dem sie dominieren. Den Muslimen wird erzählt, dass die Muslime vertrieben worden seien. Das ist der Mythos der Palästinenser: Die Muslime seien vertrieben worden, und die Juden hätten sich dort durchgesetzt. Deshalb gelten sie als Feinde der Muslime, weil sie den Islam angegriffen und sich gegen Allah gestellt hätten.
Ansonsten dürfen Juden, wie auch Christen, eigentlich toleriert werden. Im Islam gelten sie als Bürger zweiter Klasse im eigenen Land.
Fragen zur Bedeutung des Dschihad
Andere Bemerkungen, Stellungnahmen, Ergänzungen, Fragen.
Letztens habe ich mich mit einem Muslim unterhalten, der Christ geworden ist. Er meinte, dass der Dschihad eigentlich nur eine Art Selbstverteidigung darstellt. Kann man das bestätigen?
Ja, man muss dabei unterscheiden, denn es gibt verschiedene Formen von Dschihad. Zunächst gibt es den kleinen und den großen Dschihad. Der große Dschihad richtet sich gegen die eigene Sünde und gegen den Teufel. Das heißt, man soll gegen Sünde, Anfechtungen und Ähnliches kämpfen. Diesen großen Dschihad soll jeder Muslim ständig führen.
Dann gibt es den kleinen Dschihad, der wiederum in zwei Ausrichtungen aufgeteilt ist. Zum einen ist das der Kampf gegen die Feinde Allahs. Diese Feinde sind diejenigen, die nicht bereit sind, sich zu bekehren, und auch diejenigen, die die Muslime bekämpfen. Häufig werden Amerika, Europa und ähnliche Länder als diejenigen gesehen und interpretiert, die den Islam angreifen.
Zum Beispiel wird oft gesagt, dass durch die europäischen Kriege, wie den Kampf gegen den IS, die Besetzung Afghanistans oder den Krieg gegen Saddam Hussein, ein Religionskrieg stattfindet. Daraus ergibt sich die Sichtweise, dass sich die Muslime als arme Opfer verteidigen müssen.
Viele Muslime vertreten diese Verteidigungsposition. Allerdings wird der Dschihad zum Teil auch zur Ausbreitung des Islam genutzt. Wenn jemand bewusst den Islam ablehnt, gilt er schon als Feind Allahs, und dann kann oder soll auch gegen ihn gekämpft werden.
Allerdings darf zum Dschihad eigentlich nur durch einen Kalifen aufgerufen werden. Der Kalif ist der rechtgeleitete Nachfolger Mohammeds. Nun ist die große theologische Frage, wer überhaupt berechtigt ist, zum Heiligen Krieg aufzurufen.
Die IS gehört mit Sicherheit nicht dazu. Die Anhänger der IS kennen den Koran häufig gar nicht, außer ein paar wenigen Suren. Daher müssen wir auch bedenken, dass viele radikal-islamische Gruppen, wie zum Beispiel der IS oder Boko Haram, meistens eher Verbrechergruppen sind. Sie sprechen vor allem junge Leute an, die gerne Gewalt ausüben wollen, und legitimieren das Ganze dann religiös.
Die wenigsten davon sind wirklich durch und durch religiös. Ihre Führer zitieren häufig den Koran, aber meist nur, um ihre eigenen Machtpositionen auszubauen. Häufig sind das nicht einmal die Frömmsten. Es gibt darunter zwar auch Fromme, ganz klar, aber die meisten sind eher junge Männer, die gerne straflos andere umbringen und vergewaltigen wollen.
Wenn man das noch mit dem Islam verbinden kann und ein paar Auszeichnungen oder Schulterklopfen bekommt, umso besser. Wir dürfen also nicht denken, dass das typisch islamisch sei. Bestimmte Gewalttaten werden zwar islamisch gerechtfertigt, aber häufig spielt vielmehr das Motiv der Gewaltausübung eine Rolle.
Bei Boko Haram gibt es ausführliche historische Untersuchungen, die zeigen, dass Boko Haram in der Frühphase nur Entführungen durchführte und Häuser überfiel. Erst später haben sie ihre islamische Ideologie aufgebaut, weil sie merkten, dass sie dadurch stärkeren Einfluss ausüben, mehr Angst und Schrecken verbreiten und mehr Anhänger gewinnen können.
Viele der einfachen Anhänger, nicht alle, meinen zwar, das aus religiösen Gründen zu tun. Doch hier mischen sich Machtstreben, Gewalt und Aggression mit dem Islam. Das ist nicht der reine, korrekte oder einzig mögliche Weg, den Islam zu interpretieren.
Argumente für den christlichen Glauben gegenüber dem Islam
Ja, noch etwas? Was ist deiner Ansicht nach das Top-Argument, warum das Christentum die Wahrheit ist und der Islam nicht?
Ich würde sagen, es kommt sehr darauf an, mit welchem Muslim ich spreche. Ein ganz wichtiges Argument wäre zum Beispiel: Du als Muslim hast nie eine klare Chance, gerettet zu werden, weil deine bösen Taten immer mehr sein werden als deine guten. Deshalb weiß ein Muslim nie, wann er genug getan hat, denn am Endgericht werden die bösen gegen die guten Taten aufgewogen.
So würde ich sagen, da habe ich es als Christ doch viel besser. Ich weiß, dass mir meine Schuld vergeben wird. Ich muss nicht so viel leisten, um sie abzubüßen, sondern die Vergebung ist eine Gnade. Das ist eine Sache.
Eine andere Sache wäre, dass es schon schwieriger wird, weil viele Muslime nicht historisch denken und argumentieren können. Aber wir können relativ deutlich sagen: Der christliche Glaube ist der zuverlässigere, historische und ältere Glaube.
Das heißt, wenn der Koran zu mir sagt, Dinge über Jesus, die 600 Jahre später geschrieben wurden, ohne dass einer der Verfasser jemals in Israel war, und ich aber in den biblischen Berichten, in den Evangelien lese, dass jemand wie Lukas genau den Zeugenaussagen nachgegangen ist, die Leute befragt hat, die Jesus gesehen haben, dann würde jeder westlich gebildete Mensch zu Recht sagen: Das ist viel zuverlässiger, was das Leben Jesu angeht und die Offenbarung Gottes, als etwas, das 600 Jahre später entstanden ist.
Ein Muslim denkt allerdings unhistorisch. Er sagt, es ist egal, dass der Koran später entstanden ist. Da Mohammed von Allah inspiriert ist, hat er die Wahrheit gesagt. Deshalb kommt dann das nächste Argument: Die Bibel sei verfälscht.
Der Christ sollte hieraufhin fragen: Wann wurde sie denn verfälscht? Das ist etwas, worauf keine muslimische Apologie eine korrekte Antwort geben kann, weil es ja auch nicht geht. Denn die ältesten Abschriften des Neuen Testaments gehen bis ins erste Jahrhundert zurück, also bis in die Zeit, in der noch die letzten Augenzeugen lebten. Man hat nie etwas gefunden, das davor existierte. Das heißt, die Überlieferung ist viel, viel genauer und zuverlässiger, als Muslime das gerne sehen wollen.
Sie nennen häufig das Barnabasevangelium, das frühestens aus dem Ende des zweiten Jahrhunderts stammt und als ursprüngliches Evangelium dargestellt wird. Heute ist wissenschaftlich klar, dass es erst viel später entstanden ist und ein Bild von Jesus zeigt, das mehr einer Interpretation entspricht.
Das wären zum Beispiel Argumente. Ich könnte auch Argumente der Logik, des Alters und des überzeugenden Konzepts der Erlösung anführen. Wenn wir tiefer einsteigen, kommt früher oder später die Diskussion: Ist der Koran wahr, also von Allah inspiriert, deshalb unverfälscht und unverändert? Und ist die Bibel verfälscht und verändert?
Das ist für Muslime eine ganz wichtige Frage. Ich würde im Gespräch den Konflikt durchaus aushalten wollen und empfehlen, nicht zu schnell zu viel preiszugeben, sondern bestimmte Formulierungen erst einmal zurückzustellen.
Ich würde mit einem Muslim nicht so intensiv darüber diskutieren, ob Jesus Gott ist. Warum? Weil ein Muslim das aus seiner Kultur und Argumentation so nicht nachvollziehen kann, wie der Christ es meint.
Denn wir als Christen glauben nicht an drei Götter, aber genau das wirft uns der Muslim vor. Wenn wir sagen, wir glauben an Vater, Sohn und Heiliger Geist – oder wie es ursprünglich mal hieß: Vater, Mutter, Kind – dann ist das schwer zu vermitteln.
Deshalb würde ich viel mehr Wert darauf legen, dass Jesus der Messias ist, der für die Sünde gestorben ist. Solche Dinge. Das andere würde ich erst für später aufheben, weil erst ein Grundverständnis von Jesus nötig ist und eine Annäherung an ihn, bevor man mit den eigentlichen theologischen Streitpunkten beginnt.
Das ist sehr wichtig. Wir müssen darauf eingestellt sein, dass viele Muslime die Bibel nicht kennen, aber trotzdem Bibelverse zitieren. Viele Muslime, die sich engagieren, schauen sich Videoclips an, zum Beispiel von "Die wahre Religion" oder von Pierre Vogel. Dort gibt es ein leicht durchschaubares Argumentationsmuster.
Sein bekanntestes Video ist das, wo ein Christ auf die Bühne gerufen wird und gefragt wird: "Glaubst du, dass Jesus Gott ist?" "Ja." "Weiß Gott alles?" "Ja." "Weiß Jesus, wann er wiederkommt?" "Nein." Dann wird der Christ von der Bühne gedrängt oder runtergeschubst, und der Muslim geht weg.
Auf dieser Ebene wird häufig apologetisch argumentiert. Es klingt auf den ersten Blick logisch, auf den zweiten nicht. Pierre Vogel und auch radikale Muslime lassen sich auf keine ernsthafte Diskussion ein. Sie wollen es gar nicht. Was sie wollen, ist Christen lächerlich zu machen.
Christen, die Gespräche mit Muslimen führen, sollten über solche Dinge nachgedacht haben und eine Antwort parat haben. Solche Argumente kommen immer wieder: Die Bibel ist verfälscht, die Trinität kann nicht stimmen, weil Jesus nicht weiß, wann er wiederkommt, und so weiter.
Es gibt immer wieder ähnliche Argumente, die genannt werden. Darauf sollte man sich ein bisschen vorbereiten, damit man nicht zu schnell dumm dasteht. Es ist wichtig, vernünftige Antworten zu haben.
Zum Beispiel bei der Frage, ob Jesus allwissend war oder nicht. Die christliche Theologie sagt ganz einfach: Jesus war auf der Erde ganzer Mensch und ganzer Gott. Während seines Erdenlebens hat er auf die Ausübung bestimmter göttlicher Eigenschaften verzichtet.
Das ist eine Freiheit, die jemand hat, der allmächtig und allwissend ist. Er kann zeitweilig auf seine Fähigkeiten verzichten. Das hat Jesus hier getan, ganz offensichtlich.
Wir lesen in der Bibel zum Beispiel, dass Gott nicht schläft und nicht schlummert, Jesus aber schlief, als das Schiff auf dem See Genezareth fast unterging. Gott ist allgegenwärtig, Jesus war es nicht, als er auf der Erde war.
Wir sehen einige göttliche Eigenschaften, aber auch Eigenschaften, die er abgelegt hat. Andererseits finden wir Eigenschaften, die seine Göttlichkeit zeigen. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Zustand vor seiner Menschwerdung und nach seiner Menschwerdung.
Nach seiner Menschwerdung übte er diese allmächtigen Eigenschaften wieder aus. Er verzichtete nur kurzzeitig auf sie, während er hier auf der Erde war.
Das wäre die theologische Antwort. Sie ist korrekt, aber muss natürlich entfaltet und erklärt werden.
Weitere Fragen und Antworten zum Islam und Christentum
Noch andere Fragen? Ja, ich habe mit einem Moslem gesprochen, bei Mohamed, der bei Anna vergeht. Er hat mir erzählt, dass mit vierzig Jahren bei Mohamed ein Engel erschienen sei, der eine wichtige Rolle gespielt hätte. Danach sollte Mohamed, glaube ich, erst einmal etwas sagen und auch unser Leben beschreiben.
Seine Geschichte umschreibt die Zeit von vierzig Jahren eigentlich lesend, aber auf einmal wird in einem bestimmten Moment erkannt, wie der Herr nicht ist. Ein gläubiger Muslim wird darin einfach ein Wunder sehen. Wenn wir als Christen an Wunder glauben und die Bibel darüber berichtet, können wir ungefähr nachvollziehen, wie ein Muslim das auch sieht. Das heißt, es gibt hier keine logische Erklärung, sondern es ist einfach ein Wunder Gottes – so würde er es interpretieren.
Ich würde als Christ jetzt vorsichtig sein, dem vollkommen entgegenzutreten. Im Gespräch würde ich darüber gar nicht lange diskutieren, weil es nichts bringt. Was man in keinem Fall machen sollte, ist, im Gespräch den Koran oder Mohammed schlechtzumachen, denn das ist für einen Muslim ein absolutes Tabu. Deshalb war das ja auch so ein Reizthema bei den Mohammed-Karikaturen.
Man kann über viele Sachen reden und diskutieren, auch engagiert sprechen, aber sich über Mohammed oder den Koran lustig zu machen, ist absolutes Tabu. Damit erreicht ein Christ nichts, höchstens, dass ihm alle Türen zugeschlagen werden und kein weiteres Gespräch mehr möglich ist.
Ich würde über Mohammed hier gar nicht so intensiv reden, wenn ich es aus nicht-islamischer Sicht anschaue. Nur für mich oder im Gespräch mit anderen Christen würde ich sagen, dass dieses Wunder stattgefunden hat. Dafür gibt es keinen einzigen Hinweis, denn im Gegensatz zu den Wundern Jesu fand dieses Wunder in vollkommener Abgeschiedenheit statt. Kein Mensch hat es je beobachtet.
Bei den Wundern Jesu waren häufig Tausende von Leuten ringsherum, die sie gesehen haben und bezeugen konnten, dass es so ist. Deshalb konnte Lukas später zahlreiche Zeugen auftreiben, die gesehen und gehört haben, was Jesus gesagt hat.
Diese Begegnung Mohammeds mit dem Engel soll in einer einsamen Höhle außerhalb von Mekka stattgefunden haben. Keiner war dabei, niemand hat es gesehen. Auch später wusste keiner, ob Mohammed wirklich schreiben konnte. Die Dinge, die ich erwähnt habe, wurden erst durch seine Anhänger aufgeschrieben, denen er sie mündlich mitgeteilt hat.
Es gibt also wenige wirklich eindeutige Hinweise darauf, dass dieses Ereignis stattgefunden hat. Aber darüber würde ich mit Muslimen nicht diskutieren, weil das nichts bringt. Es führt nicht weiter, sondern blockiert nur ihr Denken, wenn sie meinen, man greife ihren Propheten an.
Er hat auch immer erzählt, dass in der Bibel nicht alles stimmen würde. Zum Beispiel, dass einmal jemand sich erhängt habe und einmal jemand anderes sich das Genick gebrochen hätte. Das sind eben Muslime, die sich heute engagieren, aber die Bibel nicht lesen. Man kann davon ausgehen, dass diese Leute, die solche Widersprüche nennen, die Bibel nie wirklich gelesen haben. Trotzdem kennen sie diese angeblichen Widersprüche – woher?
Ich habe einige Bücher gelesen, die apologetisch von islamischer Seite geschrieben wurden. Fast ausschließlich zitieren sie bibelkritische Literatur deutscher Theologieprofessoren. Man muss sagen, der stärkste Feind des Christentums sind oft die bibelkritischen Theologieprofessoren.
Dort wird argumentiert, dass sogar die eigenen gelehrten Christen sagen, die biblische Überlieferung stimme nicht. Das wird verbreitet. Es gibt eine Liste von 99 Widersprüchen in der Bibel, die eifrig kopiert wird. Wenn jemand im Internet mit solchen Argumenten kommt, kann man davon ausgehen, dass er die Bibel nie gelesen hat oder diese Widersprüche selbst entdeckt hat. Das ist schon mal ein Problem.
Denn jemand, der von vornherein nur Widersprüche sucht, ist meist nicht daran interessiert, eine wirkliche Lösung zu hören. So erlebe ich das bei Muslimen immer wieder. Ich erkläre eine Lösung, und dann kommt etwas Neues. Es sind immer wieder diese 99 Widersprüche, die größtenteils aus der bibelkritischen Literatur deutscher Theologieprofessoren stammen.
Aber Antworten gibt es natürlich. Für jede dieser Stellen gibt es eine Erklärung. Man muss sich die Texte genau anschauen, was ein Muslim aber nie tut. Deshalb würde ich immer empfehlen, genau diesen Weg zu wählen: einzelne Stellen nennen, lesen und möglichst vorher darüber nachdenken, wenn man weiß, welches Gespräch kommt.
Zum Beispiel: Warum wusste Jesus nicht, wann er wiederkommt? Es gibt eine Antwort darauf. Oder wie ist das mit der Stelle, wo einmal gesagt wird, jemand habe sich erhängt, und an anderer Stelle, er habe sich das Genick gebrochen? Diese Dinge sind gar nicht so widersprüchlich, wie sie auf den ersten Blick scheinen.
Es ist nämlich so, dass fast jeder, der sich erhängt, sein Genick bricht, wenn er etwas weiter fällt. Das ist die Sache beim Erhängen. Früher, wenn Leute gerichtlich erhängt wurden, haben sie alle das Genick gebrochen. Niemand ist langsam erstickt. Es hängt von der Art der Befestigung des Seils und dem Impuls des Falls ab.
Hier werden also verschiedene Aspekte in den einzelnen biblischen Berichten genannt, die sich ergänzen. Das ist genau der Sinn der Evangelien. Gerade der Evangelienvergleich wird häufig als Beleg für Widersprüche angeführt. Aber wenn man Widersprüche sehen will, findet man sie.
Ich würde sagen: Der einzige Sinn der Evangelien ist, dass sie sich ergänzen. Würden alle Evangelien dasselbe schreiben, bräuchten wir nur eins. Das ist der Ansatz, den wir haben müssen. Wenn wir genau hinschauen, was da steht, werden wir feststellen, dass die meisten scheinbaren Widersprüche Ergänzungen sind und keine echten Widersprüche.
Das ist wichtig für das Gespräch mit Atheisten, die dieselben Widersprüche aus der theologischen Literatur herausgefiltert haben, wie für das Gespräch mit apologetisch ausgerichteten Muslimen, die diese Widersprüche in der Bibel benennen.
Vorsichtig würde ich dann auch manches am Koran benennen, wenn der Gesprächspartner zu heftig wird. Damit nicht der Eindruck entsteht, den die Muslime oft erreichen wollen: Euer Buch ist von vorne bis hinten voller Widersprüche, unseres dagegen unverändert.
Ich habe mit mehreren Muslimen gesprochen und ihnen gesagt, dass bei ihnen niemand den Koran kritisiert, weil wer das tut, bei ihnen umgebracht wird. Das ist kein Wunder, denn bei uns darf jeder die Bibel verspotten, ohne dass ihm etwas passiert. Das ist der Unterschied.
Es gibt viele Korankritiker, aber sie sind aus den islamischen Ländern geflohen und leben jetzt mit Schutz in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Amerika und anderen Ländern. Es gibt ganze Bücher über Islamkritik.
Man kann es manchmal auch klug machen, indem man nicht sagt: Das ist meine Meinung, sondern: Ich habe gelesen. Dann ist man nicht der Böse, sondern der, den man gelesen hat. Aber auch dieser muss die Kritik aushalten.
Zum Beispiel: Ich habe gelesen, dass Schiiten sagen, die Sunniten hätten den Koran gefälscht. Die meisten Muslime, die Sunniten sind, geraten darüber in Rage und nennen die Schiiten Lügner. Aber warum? Weil sie wissen, dass das stimmt. Dann stellt sich die Frage: Wieso sagen die Schiiten das? Sind sie nicht auch Muslime?
Die erste Form des Korans war nur in Konsonantenschrift, alle Vokale fehlten. Nehmen Sie mal die deutsche Sprache ohne Vokale – dann entstehen ganz andere Wörter. Die Vokale wurden erst viel später eingefügt. Das ist also eine Ungenauigkeit.
Dann gibt es Aussagen in den Hadithen, die deutlich vom Koran abweichen. Zum Beispiel steht drin, dass Mohammed etwas gesagt hat, was im Koran ganz anders steht. Wer stimmt dann? Vielleicht die Hadithe?
So sehen wir einige Ansatzpunkte im Koran selbst. Zum Beispiel wird Jesus von Gott gefragt, warum er den Menschen gesagt habe, dass sie neben ihm auch noch ihn und seine Mutter als Götter anbeten sollen. Das suggeriert, dass Christen daran glauben. Glauben Christen das wirklich? Nein, eindeutig nicht.
Warum behauptet dann der Koran das? Dann weiß der Koran nicht, was Christen wirklich glauben. Dann ist er doch nicht zuverlässig.
Das sind natürlich heftige Aussagen, da muss man vorsichtig sein. Es gibt auch die sogenannten satanischen Verse, wegen derer Salman Rushdie die Todesstrafe erhielt. Diese Verse sind auch im Koran.
Nachdem Mohammed Mekka erobert hatte, sagte er erst, man solle doch die weiblichen Gottheiten, die sogenannten Allat, weiter anbeten. Erst später, als er sich sicher fühlte, sagte er, das sei eine satanische Eingebung gewesen. Nun solle man alle Götter außer Allah abschaffen.
Die Frage ist: Wenn Mohammed einmal nicht erkannt hat, ob eine Offenbarung von Allah ist, woher wissen wir, dass er es an anderen Stellen erkannt hat? Das sind unangenehme Fragen für Muslime, denen sie sich meist nicht stellen wollen.
Es gibt viele Argumente, die zeigen, dass der Koran weder historisch noch theologisch zuverlässig ist. Er ist voller Widersprüche und nicht eindeutig überliefert. Die meisten Christen und Muslime kennen diese Argumente nicht.
Muslime kennen sie nicht, weil solche Diskussionen in ihren Ländern unterdrückt werden. Christen kennen sie nicht, weil sie sich zu wenig mit dem Islam auseinandersetzen. Und Muslime kennen das Christentum meist nicht, aber sie kennen die Literatur der Bibelkritiker, die die Bibel selbst schon in Frage stellt.
Fragen zur Überlieferung und Varianten des Korans
Ich habe jetzt noch eine Frage zu deiner Antwort. Du hast eben gesagt, der ursprüngliche Koran war ohne Vokale. Eine muslimische Freundin hat gesagt, ihr Bekannter kenne den Original-Koran, also das, was vor 600 Jahren geschrieben wurde. Auf jeden Fall kenne er das Original. Er habe es sogar schon einmal im Museum gesehen und verglichen. Dabei stimme es eins zu eins mit dem heutigen Koran überein.
Aber wenn es keine Vokale gab, was ist denn jetzt richtig? Gibt es dieses Original wirklich? Viele Muslime treten da sehr offenmundig auf. Dann muss man einfach sagen, dass sie keine Ahnung haben. Das ist ja die schlichte Wahrheit.
Viele Muslime behaupten sehr selbstbewusst, dass alles wahr sei. Warum? Weil Muslime oft nie gelernt haben, sich kritisch mit ihren eigenen Quellen auseinanderzusetzen. Es gibt Bücher, die ich auch empfehlen kann, zum Beispiel über historisch-kritische Koranexegese. Dort wird eindeutig gezeigt, wie es im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Überlieferungen, strenge Veränderungen und Ähnliches gab.
Es gibt zwar weniger verschiedene Überlieferungen als im christlichen Bereich. Woran liegt das? Weil der Koran immer durch die Regierung bestimmt und gefiltert worden ist, und alle anderen Koranversionen ausgerottet wurden.
Hier liegt ein wesentlicher Unterschied: Der christliche Glaube suchte immer eine Trennung zwischen Staat und Kirche. Manchmal liefen diese im Mittelalter zusammen, aber meistens waren sie getrennt. Im Islam gibt es das nicht. Die politische Führung ist immer auch die religiöse. Das führte dazu, dass alle Veränderungen des Korans unterdrückt wurden. So sind nur bestimmte Koranvarianten überlebt.
Allerdings gibt es am Rande und außerhalb des Herrschaftsbereichs andere Koranvarianten. Also, wie gesagt: Wenn er den Urkoran gemeint hat, den er in einem Museum gesehen und verglichen hat, dann hat er entweder nicht den ursprünglichen Koran gesehen und meinte deshalb, er sei ähnlich. Oder er hat ihn gar nicht gesehen, sondern das ist einfach nur eine Geschichte, die kursiert. Oder er hat nicht genau hingeschaut.
Verschiedene Varianten des Korans gibt es also. Das heißt, selbst wenn man sagt, „okay, da steht jetzt so ein Koran drin“, kann man nicht davon ausgehen, dass es in jedem Koran so steht. Nein, es gibt Unterschiede, nur nicht so ausgedehnt wie im christlichen Bereich.
Ich sage ja, im christlichen Bereich gibt es viele verschiedene Lesarten, weil eben jeder die Bibel abschreiben konnte, der wollte. Im Islam gab es das nicht, also gibt es weniger Varianten. Aber da es verschiedene islamische Konfessionen mit unterschiedlichen Lehrausrichtungen gibt, existieren auch dort unterschiedliche Lesarten. Diese werden meistens von den verschiedenen islamischen Gruppen benutzt. Da gibt es also auch Unterschiede.
Aber stimmt es auch, dass in der Schrift verschiedene Worte stehen? Ja, genau. Das ist bei der Bibel ein bisschen anders. Dort hat man den Ursprung. Die Nachkommenden haben natürlich verschiedene Übersetzungen, aber immer mit Bezug auf eine Urschrift.
Wobei wir auch sagen müssen: Wir haben eine Urschrift sozusagen, die uns aber nicht vorliegt. Das heißt, der Text, den wir heute haben – im Griechischen und Hebräischen – ist eine Rekonstruktion aus einer Vielzahl von Quellen, die überliefert wurden und dem Original sehr nahekommen. Aber die Urschrift selbst haben wir nicht.
Dieser Satz gilt auch für den Muslim. Das heißt, wir sind nicht grundsätzlich auf vollkommen unterschiedlicher Ebene. Der Unterschied besteht eher darin, dass der Koran immer von der politischen Herrschaft gefiltert wurde. Andere Koranvarianten wurden aus Herrschaftsgründen unterdrückt. Das ist auch das, was die Schiiten den Sunniten vorwerfen.
Sie werfen ihnen unter anderem vor, dass Mohammed gesagt habe, sein Nachkomme solle Ali sein – eben das Vorbild der Schiiten. Und dass die Sunniten diese Stelle herausgestrichen hätten, weil sie nicht in ihre Ehrüberzeugung passte. Deshalb existieren die Schiiten.
Es gibt sehr gute Literatur dazu. Wenn wir es ähnlich machen wollen wie Christen, die Muslime als Kritiker heranziehen, dann kann man vielfach schiitische Schriften sehen, die auf diese Unterschiede in der Koranüberlieferung und den Koranversionen hinweisen.
Das heißt, schiitische Gelehrte, die sich intensiv damit auseinandergesetzt haben, weisen genau auf die Unterschiede der Varianten hin, die es im Koran und in der Koranüberlieferung gibt.
Wie heißen diese Bücher von schiitischen Gelehrten? Äh, eben Schiiten. Oder was meinst du genau? Zum Beispiel das Autor und das Buch – wie heißen die? Oder weißt du das nicht?
Sie können zum Beispiel nachlesen, dass Adal-Quri, ein Islamwissenschaftler in Deutschland, ein Buch darüber geschrieben hat. Dort nennt er die einzelnen Quellen und Gruppen.
Adam Khuri, genau. Er stammt aus dem Libanon, wohnt in Deutschland und ist immer noch Muslim. Aber eben ein Muslim, der sich historisch-kritisch mit dem Koran auseinandersetzt und diese Sachen erforscht hat.
Er hat übrigens auch den ausführlichsten Korankommentar in deutscher Sprache herausgegeben, der bei der Gütersloher Verlagsgesellschaft erschienen ist. In Deutschland gibt es nicht viele Kommentare zum Koran, aber einen davon hat er herausgegeben. Er ist also ein Korangelehrter, der sich sehr gut auskennt, aber eher als liberaler Gelehrter gilt.
Genau, ja. Er ist Professor dafür. Manche lesen auch Bassantibi. Er hat ebenfalls einige Sachen darüber geschrieben, wobei er mehr Politikwissenschaftler ist, sich aber auch mit dem Koran auseinandergesetzt hat. Er hat unter anderem über den sogenannten Euro-Islam geschrieben, also eine kritische Reflexion des Islam. Das sind Beispiele.
In diesen Büchern werden dann auch andere Autoren genannt, die sich in der Vergangenheit kritisch mit dem Koran und seiner Überlieferung auseinandergesetzt haben.
Weitere Fragen zur Bibel und Koranüberlieferung
Ja, noch andere Rückfragen. Habe ich das richtig verstanden? Also wie beim Koran, so auch bei der Bibel haben wir keine eindeutigen Urschriften. Genau.
Was hat Luther denn gesagt? Luther hatte eine Rekonstruktion, eine alte Überlieferung, gehabt. Vor ihm lebte Erasmus von Rotterdam. Erasmus von Rotterdam hat alle damals verfügbaren Abschriften der Bibel gesammelt und miteinander verglichen. Dann hat er einen rekonstruierten Text des ursprünglichen Textes zusammengestellt. Dieser war die Grundlage für die Übersetzung von Martin Luther.
Dieser Text war auch relativ zuverlässig. In der Zwischenzeit hat man jedoch noch einige Abschriften der Bibel gefunden, die älter sind als die damals bekannten, wie zum Beispiel der Textus Sinaitikus und der Textus Vaticanus. Das sind zwei sehr alte Abschriften. Deshalb weichen heutige Bibelübersetzungen manchmal etwas von der von Luther ab. Man sagt, diese Abschriften sind näher am ursprünglichen Text.
Wir haben zum Beispiel kein Originalmanuskript von Lukas oder von Matthäus. Aber wir haben schon relativ frühe Zitate. Kirchenväter am Ende des ersten Jahrhunderts zitieren diese Schriften. Einzelne Abschnitte daraus sind schon aus dem ersten Jahrhundert. Vollständige Abschriften aus dem zweiten Jahrhundert sind erhalten. Wir wissen, dass es diese Schriften damals gegeben hat und dass sie zuverlässig überliefert worden sind.
Ein Unterschied besteht darin, dass der Islam von Anfang an Staatsreligion war. Das heißt, der Staat war daran interessiert, eine gerade gültige Version durchzusetzen und zu verbreiten. Der christliche Glaube hingegen wurde 300 Jahre verfolgt und unterdrückt. Es gab keine staatliche Institution, sondern massenhaft wurden Bibeln durch den römischen Staat verbrannt, weil er sie vernichten wollte. Deshalb ist die Quellenlage schwieriger.
Trotz all der Varianten, die man gefunden hat, gibt es in den wesentlichen Aussagen der Bibel keinerlei Variation oder Abweichung. Wenn ein Muslim diese Argumentation benutzt und sagt: "Na ja, da ist ja so viel Abweichung, also habt ihr ja auch eingeführt, Jesus sei nicht Gott", dann ist das falsch. Kein einziger Bibelvers, der sagt, Jesus sei Gott, ist durch all diese Textvarianten strittig.
Es geht eher um Details, zum Beispiel, wo ist ein Punkt, wo ist ein Komma. Einer schreibt "laufen", der andere schreibt "gehen". Solche Varianten sind eher nebensächlich. Theologisch relevante Varianten gibt es so gut wie keine, und über die zentralen Aussagen gar keine.
Die Frage, ob Jesus von der Jungfrau geboren wurde, wird durch keine Textvariante infrage gestellt. Ebenso wenig, ob Jesus für uns am Sündenkreuz gestorben ist oder auferstanden ist. Es gibt Unterschiede, aber keine theologisch relevante Abweichung.
Man darf sich der Bibel so nähern. In der islamischen Welt gibt es kaum Erforschung der verschiedenen Koranvarianten, weil das nicht sein darf. Was nicht sein darf, darf man nicht erforschen. In der christlichen Welt ist es nicht verboten, zu forschen, deshalb wird das auch öffentlich diskutiert. Das ist ein Vorteil.
Wir haben keine Angst, dass man sich kritisch mit der Bibel auseinandersetzt. Die islamische Welt hat Angst, dass man sich kritisch mit dem Islam auseinandersetzt, deshalb ist es verboten. Jeder, der den Islam kritisch betrachtet, kommt in islamischen Ländern ins Gefängnis, wird vertrieben oder getötet.
Wofür? Jemand, der den Koran, Allah oder Mohammed schändet oder verunehrt, hat damit sein Lebensrecht verwirkt. Besonders schlimm äußert sich das, wenn man seinen Glauben aufgibt, zum Beispiel wenn ein Muslim Christ wird.
Bei der Bibel haben wir ja den Textus Receptus oder wie er heißt. Nein, den Textus Receptus gibt es nicht. Textus Receptus nennt man die Konstruktion von Erasmus von Rotterdam.
Beim Koran, wenn ich zum Beispiel in den Giebel sage: "Jetzt habe ich den Koran, der mir geschenkt wurde", also nicht mir persönlich, aber in der Boke, wie könnte ich jetzt hingehen und sagen: "Im Koran ist die und die Sure"? Für mich ist der christliche Glaube und Jesus sowieso für jeden zu empfehlen, die Nummer eins. Aber dass man sich einfach damit beschäftigt hat, wo man nachgucken kann, wo welche Sure steht, damit man wirklich nochmal nachlesen kann, wie bei uns in der Bibel, wo steht, wie Jesus zum Himmel gegangen ist.
Das ist im Koran wesentlich komplizierter, weil das Neue Testament in erster Linie chronologisch geschrieben ist, der Koran nicht. Wenn man Aussagen über Jesus nachlesen will, muss man in ganz verschiedenen Suren lesen.
Der Koran ist eher entstanden, so wäre meine Deutung, auf die jeweiligen politischen Sachfragen, mit denen sich Mohammed konfrontiert sah. Wenn er sich an diese Sachfragen erinnerte, die er von den Christen gehört hatte, zitiert er mal etwas von Jesus, aber nur so viel, wie er braucht.
Zum Beispiel geht es darum: "Ihr erkennt mich nicht an" oder "Die Christen sagen, Jesus sei Gott", dann kommt etwas dagegen. Aber dann kommen sie wieder zu einem anderen Thema.
Wenn ihr den Koran lest, und ich würde euch empfehlen, lest mal mehrere Suren hintereinander, werdet ihr feststellen, dass er nicht systematisch ist.
Wir fangen mit den Evangelien an: Geburt Jesu, dann geht es weiter bis zu seinem Tod und seiner Auferstehung. Das findet ihr im Koran nirgends. Wenn ihr die Geschichte von Jesus, Mose oder Abraham nachlesen wollt, findet ihr in verschiedenen Suren jeweils nur ein paar Verse.
Warum? Weil Mohammed nicht generell darstellen wollte, wie Jesus gelebt hat. Er gebraucht Jesus lediglich für seine aktuelle politische oder religiöse Diskussion.
Deshalb ist es für jemanden, der gewohnt ist, in der Bibel zu lesen, erst einmal schwierig, im Koran zu lesen. Das Ganze wirkt etwas konfus, unlogisch, ungeordnet. Man muss sich erst ein bisschen vertraut machen, das geht aber nicht anders.
Ich würde es trotzdem jedem empfehlen, weil man so auch mit einem Muslim viel ehrlicher und offener sprechen kann, als wenn man über ein Buch spricht, das man nicht kennt.
Wenn ich einen Muslim auffordere, wie ich es auch tue: "Lest doch mal in der Bibel", dann kann ich zu Recht erwarten, dass er auch sagt: "Ja, ich lese auch im Koran" – was oft auch der Fall ist. Ich habe den Koran auch schon durchgelesen.
Ich gebe meinen Gesprächspartnern genau die Suren an, die besonders relevant sind für das Gespräch zwischen Muslimen und Christen. Etwa ein Drittel des Korans erwarte ich, dass jeder für den Unterricht gelesen hat und sich damit auseinandersetzt.
Jetzt traue ich mir, noch eine Sache zu fragen, damit Sie sich nicht zu viele Fragen stellen. Genau das ist die Antwort auf meine Frage: Gibt es irgendwo PDF-Dateien oder im Internet etwas? Ich möchte ehrlich gesagt nicht die ganze Arbeit machen und den Koran lesen. Ich habe es ein bisschen gemacht, und mein Eindruck war, dass alles total durcheinander ist.
Wie könnte man da weiter vorgehen? Man kann das machen. Wer will, kann ich auch eine PDF zuschicken, in der ich alle Suren und Verse herausgesucht habe, die das Leben Jesu beschreiben.
Wenn man wissen will, was der Koran über Jesus sagt, habe ich die Suren mit den jeweiligen Stellen herausgesucht und könnte sie zuschicken. Ich habe das in einem Text zusammengefasst: "Jesus ist das und das und das", und immer in Klammern die jeweilige Sure mit Vers angegeben, damit man das nachlesen kann.
Das wäre eine Möglichkeit. Dasselbe habe ich auch für Mose gemacht. Mose ist auch interessant, manche Geschichten bei Mose zeigen deutlich, wie wenig historisch der Koran ist.
Beispielsweise in der Geschichte von Mose droht der Pharao ägyptischen Zauberern, weil sie sich bekehrt haben. Im Koran bekehren sie sich, dann droht der Pharao, sie kreuzigen zu lassen.
Das ist interessant, weil es die Kreuzigungsstrafe zur Zeit Moses in Ägypten historisch gar nicht gab. Sie kam von den Philistern und wurde erst später im Römischen Reich eingeführt.
Das zeigt, dass der Koran nicht historisch im heutigen Sinne ist. Für Mohammed war es möglich, dass Mose 1400 Jahre vorher lebte und ähnliche Ereignisse erlebte.
Im Koran werden keine Daten genannt, wann Mose lebte oder wie er lebte. Für mich wäre das viel weniger glaubwürdig.
Wenn ich sage, bei der Geburt Jesu war der Kaiser so und so Herrscher, und Lukas macht das ganz genau, dann ist das für mich ein hoher Grad historischer Zuverlässigkeit.
Das findet man über die Berichte der Vergangenheit im Koran so gut wie nie. Das ist eine Einschätzung.
Viele Muslime können über den Koran nicht neutral nachdenken, selbst wenn sie studiert sind. Sobald es um den Koran und Allah geht, spielen Logik und Argumente keine Rolle mehr.
Der Koran ist wahr, weil er wahr ist und weil er heilig ist. Deshalb ist er perfekt, und das geht nicht anders.
Deshalb würde ich sagen, das Hauptaugenmerk in der Diskussion sollte nicht darauf liegen, ob der Koran richtig oder falsch ist oder ob Fehler darin sind. Das sollte man nur anwenden, wenn der Gesprächspartner ständig sagt: "Die Bibel ist falsch, die Bibel ist falsch."
Dann muss man etwas dazu sagen und solche Sachen vorsichtig benennen. Aber durch das Schlechtmachen des Korans gewinnt man nichts.
Im Gespräch mit einem Muslim sollte mehr im Mittelpunkt stehen: unser Bekenntnis zu Jesus Christus, unser Vertrauen auf die Bibel, unser Erleben im Glauben mit Jesus Christus, unsere Gewissheit von Gebetserhörung.
Das sind Dinge, die für die meisten Muslime viel schwerer wiegen als reine Argumente.
Auch das Leben des Christen ist wichtiger als reine Argumente. Die Argumente muss man nennen, aber in den wenigsten Fällen führen sie zu einer Veränderung des Denkens.
Dazu kommt, dass der christliche Mann, wie ich erwähnt habe, sich oft als Macho fühlt. Zuzugeben, dass er nicht recht hat, ist in der islamischen Welt unmöglich. Man verliert sein Gesicht, und das geht nicht.
Egal, was man sagt, besonders wenn man in einer Gruppe spricht – und meistens treten Muslime in Gruppen auf – wird niemand sagen: "Du hast Recht." Das geht nicht, weil man in religiösen Fragen das Gesicht zu verlieren als eine der schlimmsten Sachen empfindet.
Deshalb müssen wir als Christen apologetisch argumentieren. Ich würde dazu auffordern. Aber man darf nicht erwarten, dass eine intellektuelle Diskussion dazu führt, dass der andere seine Meinung ändert. Das passiert nicht.
Die Diskussion dient unter anderem dazu, dass der andere merkt: Ich stehe zu meiner Sache, habe sie durchdacht, ich bin nicht dumm, und was ich vertrete, ist nicht aus den Fingern gesogen.
Man zeigt Selbstbewusstsein in Glaubensfragen. Das kommt dabei herüber.
Vielleicht denkt dann in einer stillen Stunde auch der eine oder andere westlich geprägte Muslim einmal wirklich darüber nach – aber nicht vor oder mit mir. Das kommt selten vor.
Deshalb ist der Weg von einem Muslim zum Christen meistens von verschiedenen Aspekten geprägt: häufig durch eine Enttäuschung vom Islam.
Das ist oft bei persischen, also iranischen Muslimen der Fall, aber auch bei anderen, die Verfolgung durch Muslime erlebt haben.
Dann gibt es häufig übernatürliche Erlebnisse: Muslime haben plötzlich Träume, Visionen oder Jesus erscheint ihnen.
Auch durch das Leben mit Christen merken sie, dass Christen anders leben, als sie es gewohnt sind.
Viele Dinge, die sie in ihrer eigenen Religion benennen, erleben sie nicht, zum Beispiel Vergebung oder wirklich gelebte Menschlichkeit.
Das sind aus meiner Beobachtung die häufigsten Gründe, warum Muslime Christen werden.
Die Argumentation allein ist begleitend, besonders bei Männern. Frauen diskutieren weniger darüber.
Männer wollen selbstbewusst sein, Helden sein, sich auskennen. Das gehört mit dazu.
Aber man sollte dem nicht zu viel Gewicht geben und nicht meinen, dass man dadurch jemanden dem christlichen Glauben näherbringt.
Das müssen wir, glaube ich, deutlich sehen.
Theologische Unterschiede und Koranvarianten
Zwischen den verschiedenen Versionen des Korans gibt es theologische beziehungsweise fundamentaltheologische Unterschiede. Zunächst einmal gibt es Hinweise auf Überlieferungen des Korans, deren Texte heute jedoch nicht mehr vorliegen. Viele dieser Texte werden beispielsweise von Schiiten apologetisch genannt, doch der ursprüngliche Text ist nicht mehr erhalten.
Der Grund dafür ist, dass diese Varianten durch die islamischen Herrscher vernichtet wurden. Das bedeutet, dass es zu ihrer Zeit verschiedene Versionen gab, die auch erwähnt werden, aber heute nicht mehr existieren. Dies ist ein wichtiger Punkt.
Darüber hinaus gibt es Abweichungen im Text. Hier stellt sich die Frage, wie wichtig man diese Abweichungen aus theologischer Sicht einschätzt. Das ist eine Interpretationsfrage. Es hängt davon ab, wie sehr man jeden einzelnen Buchstaben im Koran für bedeutend hält oder nicht.
Deshalb ist es schwer zu beantworten, ob es wesentliche Abweichungen gibt oder nicht. Die Diskussion darüber, ob Allah existiert oder ob Gott sich als Allah offenbart hat, ist bei allen Koranvarianten einhellig. Die Unterschiede betreffen eher Detailfragen.
Ich möchte dabei nicht muslimisch-kritisch sagen, dass alles schlecht ist. Vielmehr will ich darauf hinweisen, dass der Koran des anderen nicht viel besser ist als meiner – das ist mein Argument. Ich behaupte nicht, dass im ursprünglichen Koran etwas ganz anderes stand als heute. Grundsätzlich steht im Kern dasselbe drin. Es gibt Abweichungen in Detailfragen, aber diese bewegen sich auf derselben Ebene.
Wenn ich sagen würde, warum die Bibel überlegen ist, dann würde ich das eher an inhaltlichen Aspekten festmachen. Dabei geht es nicht um die Zuverlässigkeit der Überlieferung, sondern um den Inhalt selbst. Zum Beispiel, wie gut die Aussagen historisch überprüfbar sind oder wie nachvollziehbar Aussagen zur Sündenvergebung sind.
Auch die Frage, wie groß die Liebe Gottes in einem oder anderen Buch dargestellt wird, spielt eine Rolle. Solche Aspekte betreffen nicht unbedingt die Überlieferung, sondern den Inhalt. Und ich glaube, das ist der entscheidende Punkt.
Umgang mit den heiligen Schriften im Islam
Gibt es noch Anmerkungen oder Fragen?
Sehen Muslime die Bibel als gesamtes Buch oder nur das Neue Testament? Die Antwort darauf ist sowohl Ja als auch Nein. Einerseits gibt es Stellen im Koran, die Muslime dazu auffordern, die heiligen Bücher der Christen und Juden als Vorbild zu lesen. Das Neue Testament wird im Koran jedoch nicht direkt erwähnt. Stattdessen ist dort vom „Injil“ die Rede.
Das Injil ist das Buch, das Jesus zugeschrieben wird. Hier zeigt sich bereits eine historische Unkenntnis Mohammeds, denn Jesus hat nie ein Buch geschrieben. Mohammed ging jedoch davon aus, ähnlich wie er über sein eigenes Leben und seine Offenbarungen schreibt, dass auch Jesus ein Buch verfasst habe. Da die Evangelien das Leben Jesu beschreiben, nahm Mohammed an, diese seien von Jesus selbst verfasst, was jedoch nicht der Fall ist.
Diese Annahme ist eine weitere historische Ungenauigkeit im Koran, wie sie dort weitergegeben wird. Das von Jesus geschriebene Injil soll laut Koran durchaus gelesen werden. Das ist ein Argument und eine koranische Stelle, die man Muslimen zeigen kann, um ihnen zu verdeutlichen, dass das Injil als Offenbarung Jesu im Islam eine wichtige Rolle spielt.
Wenn ein Muslim das Injil liest, wird er früher oder später zu seinem Imam gehen. Der wird ihm sagen, dass das ursprüngliche Injil natürlich gelesen werden soll, aber nicht das, was die Christen angeblich verfälscht haben.
Hier stellt sich die Frage: Was genau ist gefälscht? Eine direkte Antwort darauf ist schwierig. Grundsätzlich gilt: Alles, was mit dem Koran übereinstimmt, ist nicht gefälscht. Alles, was nicht mit dem Koran übereinstimmt, gilt als gefälscht. So einfach ist das Prinzip.
Man erkennt daran, dass dies eine Art hermeneutischer Schlüssel ist, mit dem Muslime die Schriften beurteilen.
