Möglicherweise habt ihr den Bibeltext, den ich gestern vorgelesen habe, noch im Ohr. Trotzdem möchte ich ihn zur Vertiefung und Wiederholung noch einmal lesen.
Anschließend werde ich einige Gedanken dazu weitergeben und genauer betrachten, was dieser Text vielleicht unter der Oberfläche für uns bereithält.
Es handelt sich um die ersten Verse aus dem dritten Kapitel des Lukasevangeliums, genauer gesagt um die Verse eins bis neunzehn. Ich lese nun noch einmal vor.
Historischer Rahmen und Einleitung des Wirkens Johannes des Täufers
Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war, und Herodes Landesfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus Landesfürst von Iturea und der Landschaft Thraconitis, sowie Lysander Landesfürst von Abilene, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.
Er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja: „Es ist eine Stimme des Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden. Was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.“
Da sprach Johannes zu den Mängeln, die hinausgingen, um sich von ihm taufen zu lassen: „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße und nehmt euch nicht vor zu sagen: ‚Wir haben Abraham zum Vater‘. Denn ich sage euch, Gott kann Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Die Axt liegt schon an die Wurzel der Bäume. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen werden.“
Die Menge fragte ihn und sprach: „Was sollen wir denn tun?“ Er antwortete und sprach zu ihnen: „Wer zwei Hemden hat, gebe dem, der keines hat, und wer zu essen hat, tue ebenso.“
Auch die Zöllner kamen, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: „Meister, was sollen wir tun?“ Er sprach zu ihnen: „Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist.“
Da fragten ihn auch die Soldaten: „Was sollen wir tun?“ Und er sprach zu ihnen: „Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold.“
Als das Volk von großer Erwartung erfüllt war und alle in ihren Herzen über Johannes nachdachten, ob er vielleicht der Christus sei, antwortete Johannes und sprach zu allen: „Ich taufe euch mit Wasser, es kommt aber einer, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm die Riemen seiner Schuhe zu lösen. Er wird euch mit heiligem Geist und mit Feuer taufen. In seiner Hand ist die Wurfschaufel, und er wird seine Tenne fegen. Den Weizen wird er in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.“
Mit vielem anderem mehr ermahnte er das Volk und verkündigte ihm das Heil.
Der Landesfürst Herodes aber, der von Johannes zurechtgewiesen wurde wegen Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen allem Bösen, das er getan hatte, fügte noch dies hinzu: Er warf Johannes ins Gefängnis.
Soweit dazu.
Einordnung des Textes in den Gesamtzusammenhang des Lukasevangeliums
Wir sind jetzt zum letzten Mal in der Zeit der Vorbereitung des Auftretens Jesu, in dem Abschnitt, den ich etwas locker das Alte Testament im Lukasevangelium genannt habe. Das ist die Zeit, bevor es richtig mit dem Auftreten Jesu losgeht.
Ab Kapitel 4, genauer gesagt ab Vers 21, wird der Übergang von Johannes zu Jesus deutlich. Johannes ist noch ein Vertreter des Alten Testaments und bereitet das Auftreten Jesu vor. Im Kapitel 4 erfolgt dann der Übergang: Jesus tritt auf und setzt die Geschichte fort.
Johannes und Jesus sind ungefähr gleich alt. Das erfahren wir aus der Geburtsgeschichte: Als Elisabeth schwanger war, war auch Maria schwanger. Sie müssen also etwa im gleichen Alter gewesen sein. Manchmal stellt man sich Johannes älter vor, weil er früher auftritt und als würdige Gestalt in der Wüste asketisch lebt. Tatsächlich sind sie aber etwa gleich alt. Johannes beginnt früher zu predigen und bereitet sozusagen den Weg für Jesus.
Diese Phase erstreckt sich bis Kapitel 9. Dort wird berichtet, wo Jesus überall umhergegangen ist und gepredigt hat, hauptsächlich in Galiläa. Ab Kapitel 9 bis Kapitel 19 folgt dann der sogenannte lukanische Reisebericht. Das ist die große Reise von Galiläa nach Jerusalem.
Ab Kapitel 19 bis Kapitel 24 geht es um das Leiden und Auftreten Jesu in und um Jerusalem. Hier werden das Leiden, der Tod, die Auferstehung, die Erscheinungen Jesu und schließlich die Himmelfahrt beschrieben.
Johannes der Täufer, der hier predigt, zeigt in seiner Predigt bereits zentrale Punkte der späteren Predigt Jesu. Wenn wir seine Worte genauer betrachten, erkennen wir, dass das Schicksal Israels, das Gericht, das Kommen des Messias und das Heil für die Heiden beziehungsweise für alle Menschen zumindest angedeutet, vorhergesagt und verheißen werden.
Gliederung des Textes und Aufgaben Johannes des Täufers
Der Täufer tritt hier auf, und wir können den Text, den wir gerade gelesen haben, folgendermaßen einteilen. Von Vers 1 bis Vers 6 wird Johannes der Täufer beschrieben. Es geht darum, was eigentlich seine Aufgabe ist und wofür er da ist. Man könnte es auch als eine Art Amtseinsetzung für Johannes den Täufer verstehen. Was macht er eigentlich?
Früher sprach man von einer Bestallung. Das bedeutet, jemand ist nicht einfach in den Stall hineingekommen, sondern hat eine besondere Aufgabe erhalten. Er wurde in Amt und Würden eingesetzt, und es wurde festgelegt, was er zu tun hat. So finden wir das hier in ähnlicher Weise ebenfalls beschrieben.
Von Vers 7 bis Vers 18 folgt dann der Inhalt der Taufpredigt, denn es geht ja um die Taufe. Die Menschen kommen, weil sie sich taufen lassen wollen, und Johannes der Täufer gibt ihnen noch einige wichtige Hinweise mit auf den Weg. Ob wir uns das zum Vorbild nehmen sollten, sei dahingestellt. Wenn demnächst in der Gemeinde eine Taufe stattfindet, dann gibt es oft erst Schlangenbrot und andere Aktivitäten.
Zunächst aber werden die Täuflinge hier von Johannes beschimpft und zurechtgewiesen, bevor sie dann untergetaucht werden. Johannes der Täufer gestaltet es so, dass er eine Predigt voranstellt, ehe die Taufe vollzogen wird.
In Vers 19 und Vers 20 finden wir den Abschluss der Wirksamkeit von Johannes dem Täufer. Er wird von Herodes festgenommen und abgeführt.
Bedeutung der historischen Angaben im Text
Der Text beginnt mit Vers 1 und berichtet zunächst über den damaligen römischen Kaiser. Dies ähnelt dem Anfang des Lukasevangeliums, wo jedoch noch Augustus der Kaiser ist. In diesem Text ist inzwischen ein anderer Kaiser an der Macht, nämlich Tiberius.
Zunächst können wir uns die Frage stellen, warum hier die verschiedenen Herrscher der damaligen Zeit aufgelistet werden. Diese Namen sind uns heute meist unbekannt. Wir müssen auch berücksichtigen, dass die Situation in Israel zur Zeit, als Lukas das Evangelium schrieb, eine ganz andere war. Aus der profanen Geschichte wissen wir, dass die genannten Herrscher zu dem Zeitpunkt, als Lukas schrieb – während oder wahrscheinlich nach den Missionsreisen des Paulus – bereits alle tot waren.
Lukas schrieb also nicht über Zeitgeschichte, sondern musste zu seiner Zeit nachforschen, wie die Lage vor etwa dreißig Jahren gewesen war, als Jesus auftrat und Johannes der Täufer predigte. Dabei wird deutlich, dass diese Angaben für ihn wichtig sind und nicht nur eine Nebensache darstellen.
Warum ist das so? Zum einen möchte Lukas der Person, an die er schreibt – dem Theophilus – genaue und nachprüfbare Fakten über das Leben Jesu liefern. Nachprüfbare Fakten sind historische Ereignisse, die in Zeitungen oder Archiven nachgelesen werden können. Vielleicht wohnte Theophilus in Rom, Antiochien oder anderswo und konnte selbst in Archiven oder Bibliotheken überprüfen, wie die politische Lage vor dreißig Jahren war.
So wird deutlich, dass alles, was Lukas berichtet, mit historischen Fakten übereinstimmt. Das erhöht die Glaubwürdigkeit von Lukas auch in den religiösen Aussagen über Jesus und Johannes den Täufer. Man erkennt, dass Lukas sich genau überlegt, wie er Menschen davon überzeugen kann, Jesus nachzufolgen. Deshalb nimmt er auch diese historischen Daten mit auf.
Dies kann uns auch in apologetischen Glaubensgesprächen helfen, wenn wir mit Menschen sprechen, die dem Glauben fernstehen. Nicht nur aus Trägheit, sondern weil sie ernsthafte Bedenken haben und meinen, das stimme alles nicht, weil ihnen ihr Religionslehrer in der Schule etwas anderes gesagt hat. Wir können uns an Lukas orientieren und zeigen, dass es viele Gründe gibt, auch außerhalb dessen, was Jesus selbst gesagt hat, die Glaubwürdigkeit Jesu und die historische Nachprüfbarkeit seiner Geschichte zu belegen.
Ich glaube jedoch, dass es nicht nur darum geht, die Glaubwürdigkeit Jesu oder Johannes des Täufers zu erhöhen. Vielmehr will Lukas uns auch verdeutlichen, dass es in der Bibel keine zwei getrennten Welten gibt. Es gibt nicht eine fromme Innigkeit, einen persönlichen Glauben auf der einen Seite und das Geschäftsleben, den Alltag, die Wissenschaft oder die Welt der Fakten auf der anderen Seite.
Diese Zweiteilung ist seit der Aufklärung in Deutschland weit verbreitet: Die Welt des Wissens und der Wissenschaft gilt als genau und überprüfbar. Der Bereich des Glaubens hingegen wird oft als schwammig, oberflächlich und beliebig angesehen. Man müsse tolerant und vielfältig sein, denn jeder könne seinen eigenen Glauben haben.
Lukas dagegen steuert dem völlig entgegen. Er sagt, dass beide Bereiche zusammengehören. Dort, wo die säkulare, politische Welt war, hat Gott gesprochen. Gott hat keine Parallelwelt, keine zwei Welten, in denen wir leben. Es ist eine Welt, die zusammengehört, und das will Lukas uns zeigen.
Das ist auch heute für uns wichtig. Dort, wo wir leben, müssen wir unser Zeugnis über den christlichen Glauben nicht zurückhalten, weil wir Angst haben, dass die Menschen zu wissenschaftlich, intellektuell oder gut informiert seien und unser Glaube deshalb unwahrscheinlich sei oder wir uns selbst nicht sicher sind, ob er stimmt.
Nein, das brauchen wir nicht. Diese Welt gehört zusammen. Es ist überprüfbar, dass Tiberius Kaiser war, genauso überprüfbar ist, dass Johannes der Täufer auftrat, was er predigte und sagte, und natürlich auch das Leben Jesu.
Wir sollten Mut schöpfen und nicht dem Irrweg folgen, den viele Menschen um uns herum gehen, die meinen, religiöse Dinge seien nicht so genau. Manche Christen sagen sogar, man könne dem Muslim sagen, er glaube ja auch an Gott, und über Jesus stehe ja auch etwas im Koran. Deshalb solle man ihn als Muslim, Orthodoxen, Katholiken, Buddhisten oder Juden einfach seinen eigenen Weg gehen lassen. Irgendwo kämen alle schon zusammen.
Leider vertreten solche Ideen auch manche Christen, selbst in freien Gemeinden oder der evangelischen Kirche. Hier aber sagt Lukas: Nein, das geht nicht. Es gibt eine Wahrheit. So wie es zu jener Zeit nur einen Kaiser gab, nämlich Tiberius, so ist es auch mit Jesus: Nur er ist wahr, und das ist historisch überprüfbar, wie es hier steht.
Das ist der Hintergrund: Es gibt keine getrennten Welten – keine säkulare, weltliche und eine geistliche Welt, die wir nur am Sonntagmorgen, in der Freizeit, in der Bibelstunde oder im Hauskreis erleben. Es gehört alles zusammen.
Die sechsfachen Herrscherangaben und ihre Bedeutung
Darüber hinaus erstaunen uns die genauen Angaben, die er macht. Es wäre ja eigentlich möglich gewesen, einfach zu sagen: „Na ja, das war zur Regierungszeit von Tiberius“ oder „das war zu der Zeit, als Pontius Pilatus in Jerusalem residierte.“ Doch das tut er nicht. Wenn wir den Text durchlesen, merken wir, dass er sechs verschiedene Personen nennt, um den Zeitpunkt ganz genau festzulegen.
Dabei ordnet er die Personen vielleicht in einer Reihenfolge, die uns bisher nicht so aufgefallen ist. Er geht nach der Wichtigkeit vor, wie sie für einen normalen römischen Staatsbürger galt. Zuerst nennt er den Kaiser, den Imperator, also den Herrscher an der Spitze – das ist das Wichtigste. Danach folgen die Landesfürsten, eine Art Grafen, also untergeordnete Fürsten. Dann kommt der römische Statthalter, der noch untergeordnet war. Anschließend nennt er die religiösen Führer in Israel. Diese hatten politisch nicht viel zu sagen, waren aber dennoch wichtig in Israel.
Es handelt sich also um eine absteigende Reihenfolge von der höchsten Herrschaft bis zu denen, die noch Einfluss in Israel hatten. Auch hier sind die Reihenfolgen keine zufällige Aneinanderreihung, sondern gut durchdacht.
Beginnen wir mit dieser sechsfachen Datierung. Zuerst haben wir Tiberius. Er ist Kaiser in Rom und Nachfolger des Augustus. Wahrscheinlich war er schon im Jahr elf oder zwölf nach Christus Mitregent von Augustus gewesen. Als dieser schließlich im Jahr vierzehn nach Christus stirbt, wird Tiberius Regent. Im Jahr vierzehn nach Christus beginnt also seine Herrschaft.
Es wird gesagt, dass es im fünfzehnten Jahr der Herrschaft Tiberius’ ist. Nun müssen wir 14 plus 15 rechnen und kommen auf das Jahr 29. Wir wissen also ziemlich sicher, dass Jesus etwa im Jahr 29 aufgetreten ist. Auch Johannes der Täufer ist um diese Zeit aktiv geworden. Allerdings sind wir uns nicht ganz sicher, denn es kommt darauf an, wie man zählt.
Stellt euch vor, Augustus stirbt im August, am 30. August. Tiberius beginnt dann zu regieren. Nun stellt sich die Frage: Zählt man das erste Regierungsjahr bis zum August des Folgejahres oder bis zum 31. Dezember? Es gab beide Zählweisen. Da nicht genau angegeben ist, welche Zählweise gewählt wurde, könnte es auch schon im Jahr 28 gewesen sein, also entweder im weiteren Verlauf des Jahres 28 oder im Jahr 29. Aber wir sehen, dass die Angabe ziemlich genau ist. Für die Menschen damals war das auch nachprüfbar.
Als Nächstes kommen die Herrscher in Israel. Hier gibt es verschiedene Übersetzungen. In der neueren Lutherübersetzung steht „Landesfürst“. In anderen Übersetzungen findet man „Vierfürst“. Manche von euch haben das vielleicht schon gesehen. „Vierfürst“ ist dem griechischen Original näher, aber weil viele Leute mit diesem Begriff nichts anfangen können, wurde er in der neueren Lutherübersetzung durch „Landesfürst“ ersetzt. Eure Bibelübersetzung ist also genauer, wenn dort „Vierfürst“ steht.
Nun stellt sich natürlich die Frage: Was ist ein Vierfürst? Ist er vielleicht viermal so mächtig wie ein normaler Fürst? Nein. Dieser Begriff stammt aus Kleinasien und wurde von den Römern als Fachbegriff eingeführt. Er bedeutet „Viertelfürst“. Das heißt, er ist kein vollständiger Fürst, sondern nur ein Viertelfürst.
Was bedeutet das? Ein Viertelfürst herrscht nicht über ein ganzes Gebiet, wie es ein Fürst oder König tun würde. Ein König herrscht über ein großes Gebiet, auch wenn er den Römern untergeordnet war, wie Herodes der Große, der die Kinder in Bethlehem umgebracht hat. Er war König, obwohl er ein Vasall der Römer war.
Herodes der Große starb etwa vier Jahre vor Christus. Ihr fragt euch vielleicht, wie das möglich ist, wenn er doch die Kinder in Bethlehem umgebracht hat. Ist er aus dem Grab wieder auferstanden? Nein. Das liegt daran, dass man nicht ab der Geburt Jesu gezählt hat. Die Jünger oder Maria haben nicht das erste Jahr nach der Geburt Jesu als Beginn genommen. Erst im Mittelalter hat ein Mönch in Deutschland zurückgerechnet und sich dabei um einige Jahre verrechnet. Deshalb wurde Jesus wahrscheinlich einige Jahre vor Christus geboren.
Herodes der Große starb also vier Jahre vor Christus. Gestern hatten wir noch das Problem, wie lange die Familie in Ägypten blieb. Wahrscheinlich war Jesus etwa vier Jahre alt, als sie zurückkehrten. Das heißt, die Zeit in Ägypten war relativ kurz, nicht jahrelang.
Herodes der Große hatte drei Söhne, von denen er einige umbringen ließ, weil er Angst hatte, dass sie ihm den Thron streitig machen könnten.
Nun gibt es diese Vierfürsten, also diese Statthalter oder Herrscher, und das sind drei Söhne Herodes’. Der erste ist Herodes Antipas, der hier als Landesfürst von Galiläa erwähnt wird. Er wird häufig genannt, um Verwechslungen zu vermeiden, denn die anderen Söhne hießen ebenfalls Herodes mit Zweitnamen. Manchmal verwechseln wir sie, denken, es sei derselbe Herodes, der den Kindermord veranlasst hat, oder der Jesus vorgeführt wurde. Hier ist Vorsicht geboten, denn „Herodes“ war ein beliebter Name, ähnlich wie „Andreas“ bei uns.
Herodes Antipas war Landesfürst über einen Teil des Reiches, nämlich Galiläa und einen Teil von Perea. Auf der Landkarte in der Bibel könnt ihr sehen, dass das im nördlichen Teil Israels liegt. Er regierte bis 39 nach Christus und starb dann. Er war Herrscher über den Bereich, in dem Jesus zunächst auftrat, also den nördlichen Teil.
Wir merken jedoch, dass Lukas, der etwa in der Zeit von 60 bis 70 nach Christus schrieb, diesen Herodes Antipas nicht mehr nennt, weil er zu diesem Zeitpunkt schon lange tot war. Zu diesem Zeitpunkt herrschte ein anderes System in Israel.
Der zweite ist Herodes Philippus, der hier nur als Philippus genannt wird. Er herrschte in Iturea und in der Landschaft Trachonitis, etwas weiter südlich. Bekannt ist er vor allem durch Caesarea Philippi, eine Stadt, die er gebaut hat. Sie liegt relativ nahe am Meer.
Caesarea Philippi wurde von diesem Herrscher erbaut und nach ihm benannt. „Caesarea“ ehrt den Kaiser in Rom, und „Philippi“ bezieht sich auf ihn selbst. Er wollte damit zeigen, dass er und der Kaiser ein gutes Team sind. Herodes Philippus regierte bis 33 nach Christus und starb etwa zu der Zeit, als auch Jesus starb.
Der dritte ist Herodes Archelaos, der Judäa, Samaria und Idumea bekam. Er wurde von vielen Juden als Idumeer verschrien, weil er kein richtiger Jude war. Er war ein schlechter, tyrannischer Herrscher und regierte nur relativ kurz. Es gab viele Aufstände, was den Römern zu viel wurde. Sie schickten ihre Armee aus Syrien, setzten ihn ab und Pontius Pilatus übernahm die Herrschaft.
Als Jesus auftrat und hingerichtet wurde, war Judäa also nicht mehr unter Archelaos, sondern unter Pontius Pilatus.
Dann gibt es noch Lysander, der etwa 36 nach Christus starb. Er regierte im Bereich um Abila und im Süden des Antilibanon. Der Libanon liegt ganz im Norden, und der Antilibanon ist das Gebirge auf der Seite Israels. Lysander herrschte in dieser Region. Das waren bekannte Personen zur damaligen Zeit.
Nachdem diese Herrscher alle gestorben waren, stellt sich die Frage, wie die Situation zur Zeit von Lukas war. Dann kam Agrippa der Erste, der Enkel von Herodes dem Großen. Man nennt ihn oft Herodes Agrippa, hier nennen wir ihn einfach Agrippa der Erste.
Agrippa vereinigte wieder alle diese vier Fürstengebiete. Die einzelnen Fürsten gab es dann nicht mehr. Es entstand wieder ein großes Gebiet. Auch Pontius Pilatus zog ab. Es entstand wieder ein jüdisches Reich. Dieses existierte bis 44 nach Christus, als Agrippa plötzlich starb.
Danach hatten die Römer genug von jüdischen Herrschern und machten das Gebiet wieder zu einer römischen Provinz. Es kam zu einem großen Aufstand, der 70 nach Christus in der Eroberung Jerusalems endete. Zwischenzeitlich gab es noch einmal einen jüdischen Herrscher, der die Macht an sich riss, bevor wieder ein römischer Prokurator eingesetzt wurde.
So viel zur Geschichte, damit wir besser verstehen, was hier überhaupt angesprochen wird.
Die Hohepriester Hannas und Kaifers im historischen Kontext
Lukas gibt uns einen Einblick in die damaligen Herrschaftsverhältnisse und erwähnt dabei auch Hannas und Kaiphas, die zu diesem Zeitpunkt Hohepriester waren.
Wir müssen bedenken, dass es im Alten Testament eigentlich nur einen Hohepriester geben durfte. Das ist dort klar festgelegt, wenn wir nachlesen. Es gab nicht mehrere Hohepriester gleichzeitig. Deshalb habe ich gestern schon die Frage gestellt, wie es sein kann, dass Lukas hier zwei verschiedene Hohepriester nennt. Er kennt doch das Alte Testament. Wie kommt es, dass er sich scheinbar irrt?
Eine mögliche Erklärung wäre, dass beide im selben Jahr geherrscht haben. Vielleicht war der eine zu Beginn des Jahres Hohepriester, starb oder wurde abgelöst, und dann trat der andere an seine Stelle. So könnten sie im gleichen Jahr Hohepriester gewesen sein. Das ist aber etwas schwierig, denn beide werden auch noch in der Apostelgeschichte erwähnt, also lebten sie einige Jahre später noch.
Vielleicht wurde der eine abgesetzt. Im Alten Testament war das Hohepriesteramt eigentlich auf Lebenszeit vergeben. Allerdings müssen wir sagen, dass zur Zeit des Römischen Reiches, als die Römer in Israel regierten – etwa von 37 bis 26 nach Christus, also in der Zeit, in der wir uns befinden – insgesamt 28 verschiedene Hohepriester im Amt waren.
Diese wechselten sich nicht nur durch Tod ab, sondern es gab viele Intrigen. Der eine setzte den anderen ab, man versuchte, die Römer einzubeziehen, damit diese einen neuen Hohepriester einsetzten. Es gab also viele Machtwechsel.
Einer der bedeutendsten war Hannas, der von Jahr 7 bis 14 nach Christus Hohepriester war. Er hatte vier Söhne, die nacheinander ebenfalls Hohepriester wurden. Hier sehen wir schon, wie Intrigen und Machtkämpfe eine Rolle spielten.
Nachdem seine Söhne das Amt ausgeübt hatten, brachte Hannas seinen Schwiegersohn Kaiphas an die Macht. Zu diesem Zeitpunkt war Kaiphas Hohepriester.
Wir merken aber, dass alle diese Personen Marionetten waren. In Wirklichkeit stand Hannas im Hintergrund und zog die Fäden. Deshalb erwähnt Lukas beide: Hannas und Kaiphas.
Auch als Jesus gefangen genommen wird, wird er zuerst zu Hannas gebracht. Das ist ungewöhnlich, denn Hannas war zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr Hohepriester.
Hannas war die graue Eminenz im Hintergrund. Er hatte zwar seinen Schwiegersohn vorgeschickt, der offiziell die Macht innehatte, doch Hannas bestimmte im Hintergrund, was zu tun war. Deshalb nennt Lukas beide: den einen als echten Hohepriester und den anderen, der im Hintergrund die Macht ausübte und eigentlich selbst Hohepriester sein wollte.
Das können wir nachlesen, zum Beispiel in Johannes 18,13, wo berichtet wird, dass Jesus zuerst zu Hannas gebracht wurde. Hannas taucht auch in Apostelgeschichte 4,6 auf. Dort müssen sich die Apostel mit ihm auseinandersetzen.
Und wieder zeigt sich: Wenn es um wichtige Entscheidungen geht, geht man nicht zuerst zum offiziellen Hohepriester, sondern zu Hannas, der alles in der Hand haben wollte.
Die Berufung Johannes des Täufers als alttestamentlicher Prophet
Nun kommen wir zu dem Teil des Kapitels, in dem wir mehr vom Inhalt erfahren. In Vers 2 heißt es: „Da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.“
Wenn man das so liest, fallen mir zwei Dinge auf. Zum einen sollte euch diese Formulierung bekannt vorkommen, wenn ihr im Alten Testament bei den Propheten lest. Dort heißt es oft: „Das Wort des Herrn geschah zu diesem oder jenem.“
Das ist eine bestimmte Redewendung. Im gesamten Evangelium steht nicht, dass das Wort Jesu geschah, und dann spricht Jesus etwas anderes. Das gibt es nicht. Vielmehr ist hier eine ganz besondere Bezeichnung verwendet, die fast ausschließlich im Alten Testament gebraucht wird, wenn Gott sich einem Propheten mitteilt.
Als Einleitung steht dort: „Das Wort des Herrn geschah.“ Das ist eine ungewöhnliche Ausdrucksweise. Im Alltag würde niemand so sprechen, zum Beispiel „Das Wort Michaels geschah“ – das würde niemand sagen. Man würde eher sagen: „Michael hat gesagt“ oder Ähnliches. Hier merken wir, dass es sich um eine besondere Form handelt, eine Ausnahmeform, die nur benutzt wird, wenn gesagt wird, dass Gott sich in seiner Herrlichkeit einem Menschen mitteilt, der diese Botschaft dann weitergeben soll, also einem Propheten.
Hier wird Johannes nicht als normaler Mensch angesprochen, sondern als typisch alttestamentlicher Prophet. So wird es formuliert: „Das Wort des Herrn geschah zu Johannes.“
Wir erkennen auch, dass Johannes sich nicht selbst überlegt hat, was er predigt. Das, was er predigt und weitergibt, ist direkt von Gott eingegeben. Gott sagt ihm hier, was er sagen soll. Es ist also nicht seine eigene Erfindung.
Auch das zeigt, dass er ein typischer Prophet des Alten Testaments ist. Er tritt auf, wann Gott es will, und sagt, was Gott ihm aufträgt. Ihr könnt das vergleichen mit Jeremia 1,1-2. Dort finden wir genau dieselbe Formulierung, als Jeremia zum Propheten berufen wird.
Was wir hier außerdem sehen, ist, dass Johannes sehr förmlich angesprochen wird. Normalerweise ist nur von „Johannes“ die Rede. Im weiteren Text wird höchstens mal von „Johannes dem Täufer“ oder nur vom „Täufer“ gesprochen. Hier aber heißt es „Johannes, der Sohn des Zacharias“.
Zunächst zeigt das, dass Lukas sehr genau ist. Er will genau angeben, um welchen Johannes es sich handelt. Es gibt viele Johannes, aber hier ist genau jener gemeint, von dem er zuvor geschrieben hat, den Gott Zacharias angekündigt hat und der von Elisabeth geboren wurde.
Das hat aber noch mehr Bedeutung. Wenn ihr im Alten Testament vergleicht, wer immer zum Propheten berufen wurde, wurde häufig auch mit seinem Herkunftsnamen genannt, also „der Prophet soundso, Sohn des soundso“, damit klar festgelegt war, um wen es sich handelt.
Hier merkt man, dass Lukas sich bei seiner Beschreibung genau an das Muster hält, wie alttestamentliche Prophetenberufungen abliefen. Das ist auch das letzte Mal, dass eine solche Formulierung in dieser Weise verwendet wird. Später wird das nicht mehr erwähnt.
Das deutet auch darauf hin, dass wir uns noch in der Ankündigung des Handelns Jesu befinden. Noch ist die Verheißung prägend: „Das und das wird passieren.“ Sobald Jesus auftritt, steht nur noch die Erfüllung im Vordergrund. Dann heißt es: „So wie gesagt worden ist von dem Propheten“, „so wie Johannes der Täufer gesagt hat“, und die Verheißungen erfüllen sich.
Johannes der Täufer ist einer der Propheten, die auftreten wie Elia. Deshalb wird Johannes häufig mit Elia verglichen. Er ist ein typischer alttestamentlicher Prophet, der hier auftritt. Deshalb auch die Formulierung „der Sohn des Zacharias“. Es geht nicht nur darum, dass er tatsächlich der Sohn des Zacharias ist, sondern dass dies eine typische alttestamentliche Anrede ist.
Hier erfüllt sich die Ankündigung aus Kapitel 1, Verse 13 bis 17. Dort heißt es: „Der Engel sprach zu Zacharias: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären. Du sollst ihm den Namen Johannes geben. Du wirst Freude und Wonne haben, und viele werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken und wird schon vom Mutterleib an erfüllt sein mit dem Heiligen Geist, der schon vorher da ist. Er wird viele von den Kindern Israels zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren.“
Weiter heißt es: „Er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elias.“ Hier ist der Vergleich mit Elia. Johannes wird die Kraft Elias haben und wie Elia auftreten. Deshalb wird dieser Vergleich so häufig gezogen.
Das wird auch angekündigt in Maleachi 3,1 und 3,23. Dort heißt es, dass Elia noch einmal wiederkommen wird, am Ende der Zeiten, um das Kommen des Messias vorzubereiten. Deshalb warten die Menschen noch auf Elia.
Als Jesus die Jünger fragt: „Was denken die Menschen, wer ich sei?“, antworten sie, manche denken, du bist Elia, der den Messias vorbereitet. Das ist jedoch ein Irrtum. Der von Maleachi angekündigte Elia oder der Geist Elias, der kommt, ist Johannes der Täufer. Hier erfüllt sich diese Prophezeiung.
Wir sehen hier also schon die Erfüllung des Alten Testaments und der Ansage des Engels an Zacharias. Johannes wird kein Wein trinken, er wird in der Wüste sein, das Volk bekehren und wie Elia auftreten. Das ist nun schon erfüllt, einige Kapitel später, etwa dreißig Jahre später. Dazwischen wird nicht viel beschrieben.
Was wir außerdem bemerken, ist, dass Propheten normalerweise erst mit dem Heiligen Geist gesalbt wurden, wenn sie berufen wurden, so wie auch die Könige im Alten Testament. Hier aber ist Johannes anders.
Der Heilige Geist ist schon bei seiner Geburt da, das wurde Zacharias ja vorher verheißen. Johannes wird also von Geburt an vom Heiligen Geist erfüllt und geführt.
Deshalb sagt später auch Jesus, dass Johannes der größte Prophet des Alten Testaments ist. Er ist der größte, weil er von Anfang an von Gott vorbereitet und vom Heiligen Geist geleitet wird.
Er hat nicht nur die Aufgabe, Prophet zu sein, sondern auch die des Vorbereiters des Messias, des Vorbereiters des irdischen Lebens Gottes selbst. Deshalb wird er besonders herausgehoben.
Die Bedeutung der Wüste als Ort der Berufung und Vorbereitung
Worauf wir auch noch achten sollten, ist, dass der Startschuss für das Auftreten von Johannes dem Täufer in der Wüste geschieht. Er wird in der Wüste berufen oder hält sich dort auf. Das wird häufig betont: Johannes ist in der Wüste, später predigt er ebenfalls dort.
Wir können uns die Frage stellen: Warum gerade die Wüste? Die Wüste ist im Alten Testament ein besonderer Ort, oft ein Ort der Offenbarung Gottes. Die Offenbarung Gottes fand selten im Getümmel der Menschen statt. Denken wir zum Beispiel an Mose: Wo begegnet ihm Gott bei seiner Berufung? In der Wüste, am brennenden Dornbusch.
Auch Elija erlebt seine Theophanie, seine Gottesoffenbarung, in der Wüste. Er begegnet Gott dort, in Bergklüften. Die Wüste Israels ist keine wie die der Sahara, mit großen Sanddünen. Solche findet man höchstens ganz im Süden Israels. Dort, wo sich Elija und andere Propheten aufhalten und auch Johannes der Täufer, handelt es sich eher um eine Steinwüste.
Wir sehen also, viele Propheten, ebenso wie Mose am Berg Sinai, sind in der Wüste. Das bedeutet nicht, dass Israel später vorgeworfen wurde, einen Wüstengott zu haben, der nichts zu sagen habe. Das ist nicht richtig. Aber häufig will Gott, dass die Menschen von allem abschalten und Ruhe suchen.
Manchmal ist es auch so, dass wir die Gegenwart Gottes nicht im Alltagsgestürm finden können, wo alles auf uns einstürmt. Dort hören wir Gott kaum, weil wir selbst zu sehr mit unseren Gedanken beschäftigt sind. Unsere Gedanken machen so viel Lärm, dass sie Gottes Reden übertönen.
Deshalb ist es manchmal gut, sich zurückzuziehen, an einen Ort, wo man alleine sein kann, wo es still ist und man von der Umgebung abschalten kann. Das ist wichtig, um auf Gott hören zu können. Johannes macht das genauso. In der Einsamkeit, in der Wüste, wo er intensiv mit Gott zusammen sein kann, befindet sich Johannes der Täufer.
Die Wüste ist der Ort der Asketen, dort, wo man Ruhe und Gottesnähe findet. Hier reift Johannes heran, wie wir in Kapitel 1, Vers 80 lesen. Nach dem Heranreifen folgt die Erfüllung. Das lesen wir auch in Jesaja 40, Vers 3. Dort wird gesagt, dass derjenige, der den Messias ankündigt, in der Wüste auftreten wird.
Es ist also nicht nur so, dass Johannes Gott sucht, sondern sein Auftreten in der Wüste ist auch vorhergesagt, zum Beispiel in Jesaja 40,3.
Johannes der Täufer als Wanderprediger und die Bedeutung seiner Taufe
Und dann lesen wir ab Vers 3: „Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünde.“ Hier fallen uns mehrere Dinge auf – oder zumindest sollten sie uns auffallen.
Zum einen sehen wir, dass Johannes nicht die ganze Zeit nur am Jordan stand, ein großes Schild aufgestellt hat mit der Aufschrift „Taufe des Johannes“ und die Leute irgendwann vorbeikamen, um sich taufen zu lassen. Nein, was wir hier lesen, ist, dass er herumgereist ist, sozusagen in ganz Israel. Denn wenn hier steht, dass er im ganzen Gebiet um den Jordan predigte – wo ist der Jordan? Der Jordan fließt vom See Genezareth bis zum Toten Meer. Das umfasst die gesamte Fläche Israels.
Im Norden liegt der See Genezareth, im Süden das Tote Meer. Dort, in der Gegend von Elad, fließt der Jordan ins Meer. Dort predigte Johannes. Er hielt sich nicht in den großen Städten auf, das können wir daraus schließen. Er wanderte also um den Jordan herum, vom Norden in den Süden, und predigte den Leuten.
Den Inhalt seiner Predigt lesen wir hier: Taufe der Buße zur Vergebung der Sünde. Das ist der Inhalt. Er reiste also umher. Er war die Stimme in der Wüste, zu der die Menschen hinaus pilgerten. So lesen wir es in Lukas 1, Vers 80, und auch in Lukas 7, Vers 24 wird er die Stimme in der Wüste genannt, die zu Gott ruft und die Menschen zur Umkehr bewegen soll.
Er war an das ganze Volk Israel gesandt. Das lesen wir zum Beispiel im Vers 18 desselben Kapitels. Mit vielen anderen Worten ermahnte er das Volk – also das ganze Volk, nicht nur einen kleinen Teil oder einzelne Menschen. Er war gesandt, ganz Israel vorzubereiten. Das war die Aufgabe des Elija und hier auch des Johannes des Täufers: ganz Israel auf die Ankunft des Messias vorzubereiten.
Er predigte die Buße. Das ist eine Erfüllung von Jesaja 40, Verse 3 bis 5. Dort wird gesagt, dass genau das der Messias-Vorläufer tun wird: die Menschen zur Buße, zur Umkehr bringen, um sie auf die Ankunft Jesu vorzubereiten.
Die Taufe selbst scheint jedoch an den Jordan gebunden zu sein. Sie wurde offenbar nirgendwo anders vollzogen. Das wird hier zumindest später erwähnt, dass die Leute, wenn sie sich taufen ließen, zu Johannes dem Täufer kamen. Obwohl es damals natürlich auch andere Arten von Taufe gab, hätten sie irgendein Becken aufstellen können, wie wir das heute in Gemeinden tun. Das haben sie aber nicht getan. Stattdessen wurde fließendes Wasser verwendet, nämlich das Jordanwasser, dort, wo getauft wurde.
Was Johannes verkündete und tat, war: Er predigte und er taufte. Das waren seine beiden besonderen Merkmale. Der Auftrag zur Taufe scheint von Gott selbst zu kommen, denn wir lesen hier direkt, dass er das Wort Gottes hört und dann mit dem Taufen beginnt. Das heißt, er hat sich das nicht selbst ausgedacht. Auch die Taufe als Symbol, als Zeichen, war ein Auftrag Gottes.
Er führt hier aus, was Gott ihm selbst gesagt hat. Auch die Umkehr zur Buße kommt von Gott. Die Taufe der Buße wird auch häufiger in der Apostelgeschichte erwähnt. Dort begegnen wir Menschen, zu denen Petrus kommt und die nur die Taufe des Johannes hatten. Man merkt, dass die Taufe des Johannes eine andere Taufe war als die Taufe, die Jesus später durchführte.
Das lesen wir auch hinterher, wenn Johannes den Unterschied macht: So taufe ich, so wird Jesus taufen – nämlich mit Feuer und Geist. Das wird später kommen. Es gibt allerdings keine genauen Angaben über die Art der Taufe.
Ich habe euch gestern verschiedene Möglichkeiten vorgestellt. Wenn wir uns Berichte aus der damaligen Zeit anschauen, wie die Menschen sich gewaschen haben – denn die Taufe hat ja einen symbolischen Wert, ähnlich dem Waschen – dann sehen wir, dass die Leute sich meistens nicht untertauchen ließen oder selbst untertauchten. Stattdessen stellten sie sich bis knietief ins Wasser und wuschen sich mit der Hand. Schwämme oder Waschlappen gab es damals nicht.
Das bedeutet, wenn das das Vorbild der damaligen Zeit war, dann hat Johannes der Täufer wahrscheinlich ähnlich getauft. Er stellte sich neben die Menschen, und entweder übergoss oder bespritzte er sie. Je nachdem, an welcher Stelle am Jordan er taufte, war das auch gut möglich, denn der Jordan ist stellenweise relativ flach. Es gibt allerdings auch tiefere Stellen, sodass eine Untertauchung ebenfalls möglich gewesen wäre.
Eine hundertprozentige Antwort darauf werden wir nicht bekommen können. Ich wollte aber erwähnen, dass einiges dafür spricht, dass es keine vollständige Untertauchung war. Das ist aber nicht sicher. Das heißt nicht, dass die Untertauchtaufe falsch ist. Sie ist sehr gut, und Christen des ersten Jahrhunderts sind dazu übergegangen.
Wir wissen jedoch nicht hundertprozentig, wie Johannes taufte. Und dies ist ja auch die Taufe des Johannes, nicht die Taufe, die Jesus später lehrt. Daher besteht hier ein gewisser Unterschied.
Die Taufe zur Busse und Vergebung im alttestamentlichen Kontext
Wenn wir hier von der Taufe zur Vergebung oder von der Buße zur Vergebung der Sünden lesen, erinnert uns das auch an alttestamentliche Praktiken. Zum Beispiel gab es den großen Versöhnungstag, den Yom Kippur. An diesem Tag wurde etwas von dem Blut beispielsweise auf die Bevölkerung der Juden gespritzt, um die Vergebung der Sünde zu symbolisieren.
Das zeigt, dass Sünde vergeben wird und etwas mitgeteilt wird – hier durch Blut, im Neuen Testament oft durch Wasser. Die Menschen sollen die Vergebung Gottes zugesprochen bekommen. Im Alten Testament, ebenso wie schon in Kapitel 3, Vers 16, wird die Taufe des Johannes jedoch eng mit der Mitteilung des Heiligen Geistes verbunden. Eigentlich ist es erst der Geist, der die Sünde vergeben kann.
Wir merken, dass Johannes der Täufer nicht die volle Macht hat, Sünde zu vergeben. Deshalb müssen wir sagen: „Zur Vergebung der Sünde“ bedeutet, dass Buße die Voraussetzung für die Vergebung der Sünde ist. Das heißt nicht, dass die Menschen, die durch Johannes getauft wurden, automatisch Vergebung der Sünde haben. In der Bibel steht eindeutig, dass Sünde nur durch Jesus Christus vergeben werden kann.
Das lesen wir auch in der Apostelgeschichte, wo Petrus den Jüngern des Johannes begegnet. Diese hatten nur die Taufe des Johannes erhalten, mussten aber noch zum Glauben an Jesus kommen und wurden dann auf den Namen Jesu getauft. Denn sie hatten noch keine Vergebung der Sünden.
Daraus erkennen wir: „Zur Vergebung der Sünde“ bedeutet, dass Buße Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen später bereit sind, die Botschaft Jesu anzunehmen und umzukehren. Diese Aufgabe übernimmt Johannes hier. Die Sündenabwaschung und die Geistmitteilung stehen unmittelbar nebeneinander, zum Beispiel auch in Hesekiel.
In Hesekiel wird angekündigt, dass die Sünde am Ende der Zeit vergeben wird. Hesekiel 36,25 lautet: „Und ich will reines Wasser über euch sprengen!“ Das soll am Ende der Zeiten geschehen. Hier wird wieder das Bild benutzt, das wir auch bei der Taufe kennen: Wasser besprengen.
Damals war das ein Bild für die Vermittlung des Heils. „Ich will Wasser über euch sprengen, dass ihr rein werdet von all eurer Unreinheit und von all euren Götzen will ich euch reinigen.“ Diese Ankündigung in Hesekiel bezieht sich auf das Ende der Zeiten. „Ich will euch besprengen, damit ihr rein werdet von Sünden.“ Genau das tut Johannes hier im Hinblick auf das Wirken Jesu.
Dann folgen noch bekanntere Verse, zum Beispiel Hesekiel 36,26: „Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist geben, und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch nehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.“
Hier wird vorausgesagt, dass dies am Ende der Zeiten geschehen wird – und genau das passiert auch. Doch wann geschieht es, dass das steinerne Herz ausgetauscht wird gegen ein fleischernes? Dieses Bild nimmt Paulus im Römerbrief auf. Es geschieht durch Jesus Christus. Nur Jesus kann das bewirken.
Wir erkennen, dass die Besprengung, die Vergebung der Sünde, der Austausch des Herzens und damit das veränderte Leben nur durch Jesus möglich sind. Das wird auch hier bei Johannes nicht ausgeschlossen, sondern ist das, was er aufnimmt.
Unterschiede der Taufe Johannes und alttestamentlicher Proselytentaufe
Johannes der Täufer übernimmt nicht, wie im Alten Testament üblich, die Proselytentaufe. Wenn ein Heide Jude werden wollte, wurde er getauft, beschnitten und konnte dann Jude werden. Johannes tut dies nicht, denn es ist nirgends die Rede davon, dass die Getauften Mitglieder einer Gemeinde wurden oder dass es eine besondere Gruppe gab, etwa eine Johannissynagoge. Die Menschen vor und nach der Taufe waren ganz normale Juden.
Was Johannes tut, ist keine Proselytentaufe. Es ist auch nicht die Taufe, wie sie die Essener praktizierten. Die Essener am Toten Meer hatten große Taufbecken, in die sich jemand immer wieder tauchte, wenn er sündigte, um sich sozusagen zu reinigen. Das ist jedoch etwas anderes. Johannes der Täufer ruft die Menschen nicht dazu auf, sich immer wieder taufen zu lassen – nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer wieder.
Wir erkennen also, dass die Taufe bei Johannes etwas ganz Neues war, anders als das, was damals bei den Juden üblich war. Gott hat ihm diesen Auftrag gegeben und ihn darin eingesetzt. Es geht nicht darum, Israel als Ganzes zu erneuern, sondern dass einzelne Menschen umkehren, sich von Gott rufen lassen, ihre Taten bereuen und Buße tun.
Dies erfüllt eine Verheißung aus dem Alten Testament, beispielsweise Jesaja 40,3-5. Die Verse 4-5 können wir heute nicht näher betrachten, das gehört in eine spätere Auslegung.
Neben dem bisher Gesagten möchte ich noch eine weitere Sache ansprechen: Wir sollten die Welt nicht in zwei Bereiche aufteilen – den Bereich des Glaubens und den Bereich der Welt. Alles gehört zusammen, egal wo wir leben und was wir tun.
Das zeigt sich auch später, wenn verschiedene Berufsgattungen wie Zöllner und Soldaten erwähnt werden und Jesus fragt. Das Leben gehört zusammen. Wir sollten das auch in unserem eigenen Leben verwirklichen. Dort, wo wir im Beruf sind oder in der Familie, sollen wir als Christen leben und nach christlichen Maßstäben handeln – genauso wie am Sonntag im Gottesdienst. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Eine weitere Herausforderung ist der Umgang mit Menschen, die nicht an Gott glauben. Ihnen sollten wir die vielen Hinweise aus der Welt, der Wissenschaft und der Geschichte geben, die ihnen helfen können, besser zu verstehen, was Jesus eigentlich wollte und getan hat.
Nachfolge und Dienst am Beispiel Johannes des Täufers
Als Nächstes können wir sagen: So wie Johannes sich hat gebrauchen lassen, lasst auch euch von Gott gebrauchen. Tut das genauso, wie Johannes es getan hat!
Johannes hat in seinem Dienst nicht auf sich selbst hingewiesen, sondern auf Gott beziehungsweise auf Jesus. So soll auch unser ganzes Tun und Wirken nicht in erster Linie zeigen, wie toll wir sind. Vielmehr soll unser Dienst zeigen, wie großartig Jesus ist.
Es gibt ein bekanntes Gemälde, ich glaube von Lukas Krah, das Johannes den Täufer unter dem Kreuz Jesu zeigt. Eigentlich kann das nicht sein, weil Johannes ja bereits tot ist. Doch auf dem Bild ist es möglich. Das Besondere daran ist, dass Johannes ein Buch in der Hand hält. Darauf steht etwas geschrieben, und er zeigt mit seinem Finger auf Jesus. Darin steht: „Ich muss abnehmen, er aber muss zunehmen.“
Vielleicht habt ihr dieses Gemälde schon einmal gesehen. Es ist sehr bekannt und enthält die zentrale Botschaft Jesu und Johannes’. Diese Botschaft ist auch für uns wichtig, wenn wir im Dienst für Gott stehen. So soll unser Dienst sein: wie der Finger des Johannes, voller Einsatz.
Johannes lebte in der Wüste, schwitzte dort und ernährte sich von Heuschrecken. Wir müssen das nicht genauso machen. Wahrscheinlich gibt es leckerere Speisen zum Mittagessen. Aber wir könnten ja mal die Küche anrufen und fragen, ob wir Johannes den Täufer etwas näher kennenlernen können – mit Honig und Heuschrecken.
Das heißt: Wir sollen auch bereit sein, etwas zu opfern. Aber nicht, damit die Leute auf uns schauen. Vielmehr soll alles darauf ausgerichtet sein: Seht, wie großartig Jesus ist! Das soll der Inhalt unseres Redens und Handelns sein. Nicht: Seht, wie toll unsere Gemeinde ist, wie toll ich selbst bin oder wie großartig unsere Familie ist. Sondern: Seht, wie wunderbar Jesus ist – darauf soll alles ausgerichtet sein, so wie bei Johannes dem Täufer.
Im nächsten Teil seiner Predigt und in dem, was er sonst noch den Menschen und uns damit sagen will, werden wir uns in der nächsten Bibelarbeit genauer beschäftigen.
Schlussgebet und Ausblick
An dieser Stelle möchte ich gerne mit euch beten.
Herr Jesus Christus, vielen Dank, dass wir das Vorbild von Johannes dem Täufer haben. Danke auch für das Vorbild des Lukas, der so akkurat und genau nachgeforscht hat, dass wir bis heute wissen, dass Dein Wort zuverlässig ist. Das, was darin geschrieben steht, stimmt mit Geschichte und Wissenschaft überein. Es gibt keine Trennung zwischen ihnen.
Vielen Dank auch dafür, dass Johannes so gehorsam war und das getan hat, wozu der Vater ihn beauftragt hat. Danke, dass er sich ganz zurückgenommen hat, sich nicht selbst in den Vordergrund gestellt hat, sondern bereit war, sich in Demut in den Hintergrund zu stellen.
Ich möchte dich bitten, dass wir von Lukas lernen können – von seiner Art zu schreiben, seine Art, die Welt zu sehen und dich zu beschreiben, auf dich hinzuweisen. Wir möchten auch von Johannes lernen, ganz für dich da zu sein, Opfer auf uns zu nehmen und das Gespür für die Menschen zu haben, wo es nötig ist. Dabei wollen wir immer daran denken, dich groß zu machen.
Wir bitten dich auch, dass du uns in dieser Freizeit größer wirst. Lass uns noch mehr von den vielfältigen Facetten deines Wirkens, deines Wesens, deines Willens und deines Plans erkennen. Führe uns durch diesen Tag und benutze ihn, damit wir dir ein Stück näherkommen. Amen.
Falls jetzt noch Fragen zu den Versen, die wir heute Morgen angeschaut haben, oder auch darüber hinaus aufgetaucht sind, oder ihr sonst Anmerkungen habt, können wir uns gerne etwas unterhalten. Wir werden uns dabei allerdings langsam nach draußen verlegen, damit die Frauen rechtzeitig zur Frauenstunde den Raum frei haben.