Bevor ich mit dem Thema beginne, möchte ich noch einmal anknüpfen. Ich glaube, es lohnt sich für diejenigen, die morgen noch nichts anderes geplant haben oder ihre Pläne umstellen können.
Unter anderem gibt es diese hervorragende Klosterbibliothek, in die wir auch einen Blick werfen werden. Sie gilt als UNESCO-Weltkulturerbe und zählt zu den schönsten Bibliotheken weltweit. Das ist ein zusätzlicher Eindruck neben der Stadt und dem Spaziergang, den wir sonst noch machen. Falls also jemand ganz spontan noch dabei sein möchte, ist das bestimmt eine gute Gelegenheit.
Ich gehe davon aus, dass die Gemeinschaft mit denjenigen, die teilnehmen, ebenfalls sehr angenehm sein wird. Wir leben heute in einer, ich würde grundsätzlich sagen, schönen Zeit. Natürlich gibt es manche Menschen, und die Medien verstärken das oft, die uns die negativen Seiten unserer Zeit immer wieder vor Augen führen.
Ich vermute aber, wenn wir unsere Vorfahren fragen würden – vor zweihundert, dreihundert oder vierhundert Jahren –, würden die meisten gerne mit uns tauschen. Natürlich könnte man auch sagen: „Du weißt aber nicht alle Nachteile.“ Das ist ähnlich wie im Urlaub: Wenn man irgendwohin reist, sieht alles schön aus, aber wenn man dort lebt, ist es doch etwas anderes.
Was ich meine: Unser Leben wird heute durch viele Dinge erleichtert, vor allem durch technische Einrichtungen. Wenn ihr zum Beispiel einmal das Museum Ballenberg besucht und seht, wie die Leute früher gelebt haben, allein der Haushalt war eine große Herausforderung. Es gab keine Waschmaschine, keinen Staubsauger, keinen Kochherd, keine Mikrowelle und vieles mehr.
Heute können wir vieles automatisch erledigen, aber damals war das Leben richtig aufwendig. Man musste beispielsweise nicht einfach in den Supermarkt gehen, um Butter oder Milch zu kaufen, sondern direkt zur Kuh. So etwas gab es damals nicht. Das Leben war wirklich anstrengend und aufwendig.
Eine Sache sind die technischen Hilfsmittel, die wir überall im Alltag haben. Eine andere Sache, die uns heute sehr entgegenkommt, sind die Möglichkeiten der Medizin.
Ich merke das immer wieder, wenn ich mit Menschen über Medizin spreche. In Europa, in den meisten Ländern Europas, sagen manche: „Ja, Michael, wenn du wüsstest, der Arzt kann mir da nicht weiterhelfen, und überhaupt unser medizinisches System – da läuft das so und so.“ Wenn ich dann in anderen Teilen der Welt bin, merke ich: „Uh, das sieht aber dort nochmal ganz anders aus.“
Da kann es sein, dass eine Operation notwendig wäre, die vielleicht tausend Franken kostet. Aber weil niemand da ist, der das bezahlt, stirbst du vor dem Krankenhaus. Auch heute noch. Es ist ja nicht so, dass es weltweit Menschen gibt, die sagen: „Überall, wo Leute Hilfe brauchen, helfen wir ihnen auch.“
Wenn wir das aus diesem Blickwinkel betrachten, müssen wir sagen: Ja, man kann immer noch einiges am medizinischen System verbessern, zweifellos. Aber wir haben immens viele Möglichkeiten.
Ich vermute, dass manche von uns, die hier heute Abend sitzen, vor 200 Jahren schon tot wären. Die durchschnittliche Lebenserwartung war damals geringer. Ich selbst hatte vor etwas über zwanzig Jahren Krebs. Nach menschlichem Ermessen stirbt man an Krebs, wenn Gott kein Wunder tut. Heute ist es so, dass es bei vielen Krebsarten – je nachdem, wie früh sie entdeckt werden – Therapien gibt. Dadurch können viele Menschen weiterhin leben.
Es gibt viele andere Erkrankungen, die früher tödlich waren, bei denen wir heute verhältnismäßig lange und manchmal auch noch relativ gut damit leben können. Das verdanken wir der Medizin.
Die Medizin ist im Grunde genommen etwas Besonderes. Ein Mediziner kann dich am Ende nicht heilen. Er kann versuchen, krankes Gewebe zu entfernen, aber die Heilung muss vom Körper beziehungsweise von Gott kommen.
Zum Beispiel schneidet ein Chirurg dich auf, aber er kann nicht dafür sorgen, dass die Wunde wieder zusammenwächst. Das muss der Körper übernehmen. Wenn du den ganzen Lärm deines Lebens überall offen hättest, wäre das ein Problem.
Medizin kann also etwas bewirken, das ist wahr. Aber der Großteil der Heilung muss vom Körper kommen. Und der Körper kommt nicht irgendwoher, sondern letztlich von Gott.
Der Körper ist eine ganz geniale Maschine, wenn man das so betrachtet. Er repariert sich selbst. Das kennen wir sonst kaum. Die meisten Dinge brauchen keinen Arzt.
Jedes Jahr entwickelt dein Körper Krebszellen. Aber wenn das Immunsystem einigermaßen gesund ist, erkennt es diese Krebszellen und vernichtet sie sofort wieder. Bakterien, die in deinen Körper gelangen, werden ebenfalls vom Immunsystem erkannt und bekämpft.
Wäre das nicht so, wären wir hoffnungslos verloren. Wir würden alle nur wenige Monate alt werden und daran sterben. Gott hat das genial gemacht.
Wenn du dich damit beschäftigst, wie viele einzelne Stoffe im Blut und im Immunsystem sind und wie genial das funktioniert, dann steht Gott dahinter.
Mediziner können das erforschen und an manchen Stellen unterstützen. Darüber freuen wir uns – ich freue mich zumindest darüber.
Eine der Möglichkeiten, mit der wir uns heute Abend beschäftigen werden, ist der Austausch kranker Organe. Meistens stirbt ein Mensch nicht einfach so, weil alles ausfällt. In den meisten Fällen gibt es einen Schwachpunkt oder eine Erkrankung, die ein bestimmtes Organ besonders schädigt. Wenn man dieses Organ austauschen oder erneuern könnte, könnten Menschen in vielen Fällen deutlich länger leben.
Schon in früheren Jahrhunderten träumte man davon und versuchte es auch. Allerdings schlugen die meisten Versuche fehl, weil die medizinischen Kenntnisse noch zu gering waren. Meistens handelte es sich dabei um Herrscher, die im Sterben lagen. Man sagte dann: "Wir probieren noch etwas." Oft wurde ein Sklave dafür benutzt, da sein Leben als weniger wertvoll betrachtet wurde. Man operierte das kranke Organ heraus und setzte das Organ des Sklaven ein. Am Ende starben meist beide, der Sklave und der Herrscher, weil viele wichtige Aspekte nicht beachtet wurden.
Erst im zwanzigsten Jahrhundert, genauer gesagt Mitte des Jahrhunderts, gab es durchschlagende Erfolge. Diese Erfolge entsprachen allerdings anfangs nicht ganz den Erwartungen. Wenn man heute ins Internet schaut, wird oft die erste Herztransplantation durch den südafrikanischen Arzt Bernard gefeiert. Das war eine Sensation. Die Weltpresse berichtete darüber, im Fernsehen konnte man den Patienten und den Arzt sehen, und alle waren glücklich.
Was auf den Bildern jedoch nicht zu sehen war: Der Patient starb wenige Tage später. Am Ende können wir nicht genau sagen, ob er ohne Operation länger oder kürzer gelebt hätte. Aber es war auf jeden Fall das erste Mal eine gelungene Herztransplantation.
In den folgenden Jahren wurden in Europa, Nordamerika und anderen Ländern weitere Herztransplantationen durchgeführt. Fast alle Patienten starben jedoch innerhalb kurzer Zeit – das heißt, nach einigen Tagen, Wochen oder maximal Monaten. Daraufhin gab es einige Jahre, in denen keine Transplantationen mehr durchgeführt wurden.
Der Grund dafür war eine unterschätzte Herausforderung, die über die reine Chirurgie hinausging. Es reichte nicht aus, nur das Organ einzusetzen oder die richtige Blutgruppe zu bestimmen – das war alles schon bekannt. Das Problem war das Immunsystem des Körpers. Es ist so gut aufgebaut, dass es fremdes Gewebe erkennt und bekämpft. Das ist normalerweise sinnvoll, denn alles Fremde im Körper, wie Bakterien, Viren oder andere Erreger, soll ja bekämpft werden.
Ein transplantiertes Organ ist für den Körper ebenfalls fremd und wird sofort vom Immunsystem erkannt und abgestoßen. Dieses Problem konnte man lange Zeit medizinisch nicht überwinden, weshalb die Patienten starben. Die Operation an sich war oft gelungen, aber das Immunsystem kämpfte gegen das neue Organ, und das führte zum Tod.
Es dauerte etwa zehn bis fünfzehn Jahre, bis man intensiv an diesem Problem arbeitete. Schließlich wurden sogenannte Immunsuppressiva entwickelt – Medikamente, die das Immunsystem des Menschen unterdrücken. Diese Medikamente sind heute eine wichtige Begleitung bei Organtransplantationen. Patienten müssen sie meist lebenslang einnehmen, damit das Immunsystem das neue Organ nicht abstößt.
Generell ist die Beschäftigung mit Organtransplantation heute Abend eine herausfordernde Angelegenheit. Medizinisch betrachtet ist sie genial, aber auch kompliziert und schwierig. Juristisch stellt sie ebenfalls eine Herausforderung dar, wie es gerade bei der Abstimmung in der Schweiz diskutiert wurde. Die Frage lautet: Wie geht man juristisch damit um?
Darüber hinaus ist es auch eine seelsorgerliche Frage: Wie geht man damit um? Ebenso stellt sich die ethische Frage: Ist das jetzt ethisch richtig oder falsch? Welche Aspekte sind dabei zu berücksichtigen?
Wenn wir das Thema betrachten, müssen wir verschiedene Personengruppen näher anschauen. Bei der Organtransplantation geht es einerseits um die Person, die das Organ bekommt, und andererseits um die Person, die das Organ gibt. Hinzu kommen die Angehörigen sowie das medizinische Personal. Diese Gruppen sind unmittelbar und direkt von einer Organtransplantation betroffen.
Für jede dieser Gruppen gibt es unterschiedliche Perspektiven. Jeder hat verschiedene Gefühle, Argumente und Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hat. Je nachdem, aus welcher Sicht man das betrachtet, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Außerdem müssen wir sehen, welche Begleiterscheinungen es bei Organtransplantationen gibt. Häufig stellen sich Menschen, die selbst keine Organtransplantation erlebt haben, das Ganze zu einfach vor. Die Medien vermitteln das oft sehr vereinfacht. Ich habe mehrfach Aufklärungsbroschüren von meiner Krankenkasse erhalten und musste feststellen, dass diese sehr oberflächlich und billig gemacht waren. Es wird so dargestellt, als wäre das ein Eingriff wie beim Zahnarzt. Das ist natürlich nicht der Fall.
Man sollte die Schwierigkeiten, Nebenwirkungen und Probleme nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Das halte ich für nicht seriös. Wer sich für eine Organtransplantation entscheidet – sei es als Spender, Empfänger, medizinisches Personal oder Angehöriger – sollte zumindest wissen, worauf er sich einlässt.
Darauf möchte ich heute Abend eingehen. Allerdings vorweg: Ich habe nicht vor, Vorschriften zu machen. Ich werde hier nicht sagen: Wenn du das nicht machst, was ich dir sage, kommst du ins Fegefeuer. Ich selbst bin nicht katholisch, und aus meiner Sicht gibt es das Fegefeuer ohnehin nicht.
Es geht vielmehr darum, euch zu helfen, verschiedene Faktoren zu erkennen und zu berücksichtigen. Dabei sollten wir uns von eigenem Unwohlsein oder persönlichem Vorteil lösen.
Wenn wir ethisch an eine Sache herangehen, werden wir bei manchen Punkten sagen müssen, dass es aus der Sicht Gottes guten Grund gibt, anzunehmen, dass etwas nicht gut ist – auch wenn es uns einen Vorteil bringt.
Als Christen sollten wir immer wieder vor Augen haben: Ethik dient nicht dazu, das zu rechtfertigen, was mir vorteilhaft erscheint, damit ich hinterher ein gutes Gefühl habe. Ethik kann auch zum Ergebnis führen, dass ich etwas tue oder unterlasse, weil ich davon ausgehe, dass es im Sinne Gottes richtig ist – obwohl ich dadurch einen Nachteil habe.
Ganz platt gesagt: Man erlebt das manchmal am Arbeitsplatz. Wenn du dort ordentlich lügst, machst du meistens besser Karriere – vorausgesetzt, es merkt keiner. Ich habe in Basel in einem Hotel gearbeitet, und einige Kollegen haben dort gestohlen. Sie hatten dadurch einen Vorteil, weil sie ihren Lohn plus das, was sie gestohlen haben, hatten. Wenn ich gesagt habe, ich stehle nicht, hatte ich einen Nachteil.
Das bedeutet: Wenn du etwas ethisch falsch findest, hast du manchmal einen Nachteil davon. So kann das bei manchen Dingen sein.
Deshalb müssen wir immer klar trennen: Bringt es mir einen Vorteil? Das ist eine berechtigte Frage. Oder ist es aus der Sicht Gottes richtig? Gibt es Bedenken?
Ich möchte euch heute Abend also mit einigen Gedanken nach Hause gehen lassen. Hoffentlich bestätigt ihr manches, was ihr schon gedacht habt. Vielleicht gibt es auch einige neue Punkte, über die ihr weiter nachdenken und sie einordnen könnt.
Meistens ist das Thema Organtransplantation keine Frage, die man heute Abend sofort beantworten muss. Vielmehr ist es etwas, womit man sich länger auseinandersetzt – und das ist gut so. So kann man besser einordnen, wie man das Thema sieht, und zwar auch auf den verschiedenen Ebenen: wenn man im Krankenhaus arbeitet, wenn man Angehöriger eines Spenders ist, wenn man selbst Spender oder Empfänger ist.
Ich werde diese verschiedenen Perspektiven heute Abend ansprechen, nicht endlos lang, aber mit einigen zentralen und wichtigen Aspekten.
Zunächst einmal, wenn wir uns den Empfänger anschauen, der ein Organ erhält, dann ist das natürlich derjenige, für den die gesamte Prozedur überhaupt durchgeführt wird. Diese ist sehr aufwendig, weil sie Menschen enorm helfen kann.
Es gibt Menschen mit angeborener Herzschwäche, Nierenschwäche, Leberschwäche oder Leberversagen – oder anderen schweren Erkrankungen. Für viele von ihnen, manchmal sogar für Kinder, gibt es oft keine menschlich vertretbare Perspektive, lange mit der Krankheit zu leben. Stattdessen droht der Tod. Für diese Menschen ist eine Organtransplantation lebensnotwendig.
Wenn alles optimal verläuft, erhält der Patient das neue Organ, der Körper nimmt es an, und er gewöhnt sich daran. Auch der Patient gewöhnt sich an das Organ. Im Idealfall kann er dann viele Jahre relativ ohne große Einschränkungen leben. Ich sage „relativ“, weil es natürlich immer einige Einschränkungen geben kann. Aber das ist das Ziel, das man vor Augen hat – das Ideal. Und genau deshalb wird das Ganze gemacht und warum wir heute Abend darüber nachdenken.
Grundsätzlich kann man viele Organe transplantieren. Man könnte eher fragen: Was kann man nicht transplantieren? Es gibt eine ganze Menge, das transplantiert werden kann.
Eine Weile wurde viel über die Herztransplantation diskutiert. Das war natürlich eine große Sache. Manche Ärzte sagen sogar heute, dass die Lebertransplantation manchmal noch komplizierter sein kann als die Herztransplantation – wegen der Funktion, des Einbaus und so weiter. Es gibt also verschiedene Herausforderungen.
Relativ häufig transplantiert wird zum Beispiel Haut. Wenn jemand zum Beispiel verbrannt ist, kann man Haut transplantieren. Eine sehr häufige Form, die viele vielleicht nicht als Organtransplantation wahrnehmen, ist die Blutspende. Blut ist medizinisch gesehen ein Organ des Menschen. Wenn man Blut spendet, produziert der Körper es nach. Das heißt, wenn eine gewisse Menge Blut entnommen wird, stellt der Körper es wieder her.
Vielleicht kennt ihr auch die Knochenmarkspende. Das ist manchmal bei Menschen mit Blutkrebs notwendig. Wenn es besonders schlimm ist, wird Knochenmark von einem genetisch sehr ähnlichen Spender in den Körper des Patienten transplantiert. Das Knochenmark regeneriert sich normalerweise im Körper und wird wieder nachgebildet.
Interessanterweise ist es sogar so, dass man bei einer gesunden, großen Leber einen Teil entnehmen und transplantieren kann. Die Leber wächst dann beim Spender nach. Die Leber ist eines der Organe, die regenerieren und nachwachsen. Natürlich muss man bei jedem Einzelfall genau untersuchen, wie groß die Leber ist und ob das möglich ist. Aber grundsätzlich wächst sie nach.
Bei all diesen Transplantationen muss man natürlich beachten, dass sie nicht ganz unkompliziert sind. Jede Operation birgt Risiken, zum Beispiel Infektionen oder andere Nebenwirkungen. Allein die Narkose, unter der Organe wie die Leber entnommen werden, bringt ein gewisses Risiko mit sich. Niemand kann genau voraussagen, wie die Folgen der Operation ausfallen werden. Manchmal können Schmerzen auftreten.
Das heißt, derjenige, der sich entscheidet, Organe zu spenden – und ich habe bisher Beispiele von sogenannten Lebendspenden genannt – trifft eine wichtige Entscheidung. Lebendspenden bedeuten, dass ein Mensch ein Organ oder Gewebe spendet und dabei lebt, sowohl vor als auch nach der Spende. Die Beeinträchtigung ist dabei nur teilweise vorhanden.
Ein Beispiel ist die Niere. Ein Mensch hat normalerweise zwei Nieren. Wenn jemand eine Niere spendet, übernimmt die andere Niere die Arbeit, sodass der Spender weiterhin leben kann. Das ist eine Form der Lebendspende. Auch Haut- und Knochenmarkspenden zählen dazu.
Lebendspenden unterscheiden sich grundsätzlich von Spenden, bei denen der Spender tot sein muss oder bei denen der Tod des Spenders die Folge der Spende ist. Das ist eine ethische und medizinische Frage, wie man diese Formen der Spende einordnet. Es ist ein großer Unterschied, vor allem aus ethischer Sicht.
Wenn wir bei den Lebensspenden bleiben – also wenn du lebendig bist und etwas gibst –, haben wir ja gesagt, dass der Empfänger davon einen Vorteil hat. Können wir nun sagen, dass das ethisch verboten ist? Ich würde sagen, nein.
Die Zeugen Jehovas zum Beispiel sind ganz strikt dagegen, sogar gegen die Blutspende. Sie sagen, man dürfe nichts von einem Organismus auf einen anderen übertragen. Dabei berufen sie sich auf ein alttestamentliches Zitat, in dem steht: „Im Blut ist das Leben.“ Daraus leiten sie ab, dass weder Blut noch Organe oder andere Teile von einem Lebewesen auf ein anderes übertragen werden dürfen.
Diese Argumentation halte ich für nicht ganz überzeugend, denn das Alte Testament meint mit dieser Aussage meiner Ansicht nach etwas anderes. Es besagt nicht, dass, wenn du ein Körperteil verlierst, dein Leben ebenfalls verloren ist. Sonst müssten wir ja auch sagen: Wenn du durch einen Unfall eine Hand verlierst, ist ein Teil deines Lebens weg. Oder wenn du zwei Liter Blut verlierst, ist ein Teil deines Lebens im Boden versickert. Das glaube ich nicht, dass die Bibel das meint.
In der Bibel ist mit „Blut“ die Gesamtheit des Blutes gemeint. Schon bei Noah wird gesagt: „Du sollst kein Menschenblut vergießen, denn wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch vergossen werden.“ Damit ist natürlich nicht gemeint, dass du bestraft wirst, wenn du dich schneidest und Blut verlierst. Es geht vielmehr darum, dass das Töten eines Menschen gemeint ist.
Man spricht ja auch vom „Blutvergießen“, wenn ein Mensch getötet wird. Genau das ist bei Noah gemeint. Und ich glaube, das ist die Aussage hinter „Im Blut ist das Leben“. Man weiß, wenn das Blut vollständig aus dem Körper ist, ist der Mensch tot. Aber man weiß genauso, dass ein Mensch auch tot ist, wenn das Herz stillsteht oder andere lebenswichtige Funktionen ausfallen.
Das war den Menschen zu allen Zeiten klar. Dass hier das Blut als Beispiel genommen wurde, hängt damit zusammen, dass die Juden, wenn sie ein Tier essen, das gesamte Blut auslaufen lassen müssen. Das ist Teil der koscheren Speisevorschriften und gilt bis heute. Dabei geht es nicht um eine gewisse Menge Blut, sondern um das gesamte Blut, weil das Tier nur dann wirklich tot ist.
Ich glaube, hier geht es um die Reinheitsvorschriften des Alten Testaments und um die Vorstellung, dass das gesamte Blut herauskommt und dann jemand tot ist. Bei den Lebensspenden geht es aber nicht darum. Dort wird nur ein Teil des Blutes entnommen, das sich wieder regeneriert. Deshalb halte ich es für einen Missbrauch, diesen biblischen Zusammenhang für medizinische Eingriffe heranzuziehen.
Unabhängig davon argumentieren manche, zum Beispiel Herr Sarkot, dass Gott die Lebewesen getrennt geschaffen habe und man deshalb nichts von einem Lebewesen auf das andere übertragen dürfe. Auch das halte ich nicht für ein überzeugendes Argument.
Ich glaube, in der Bibel finden wir keine klare Aussage, die die Legitimität von Lebensspenden entweder befürwortet oder verbietet.
Man könnte auch fragen: Wenn es keine Aussagen dazu gibt, hat derjenige, der das Organ gibt, eine ethische Verpflichtung dazu? Also zum Beispiel zur Bluttransfusion oder Knochenmarkspende, weil er als Christ Nächstenliebe üben soll.
Auch diese Argumentation halte ich nicht für überzeugend. Es gibt immer bestimmte Risiken für den eigenen Körper, die man abwägen muss. Man muss entscheiden, ob man das möchte oder nicht.
Ich sehe in der Bibel nichts, was direkt darauf hinweist, dass wir solche Spenden unbedingt machen sollten. Allerdings kann es eine Überlegung wert sein, wenn man weiß, dass es zu wenig Blut gibt und viele Operationen Blut benötigen. Dann könnte man sich entscheiden, zur Blutspende zu gehen oder Knochenmark zu spenden.
Ich denke, es ist gut, sich darüber Gedanken zu machen. Aber ich würde nicht sagen, dass ein Christ sündigt, wenn er das nicht tut. Eine solche Verpflichtung sehe ich in der Bibel nicht, es sei denn, Gott macht einem das ganz deutlich.
In diesem Fall, wenn wir Gott ungehorsam sind, dann ist das Sünde, klar. Aber das gilt nicht allgemein. Deshalb sollten wir auch keinen Druck ausüben und sagen, ein Christ müsse das tun.
Die eigentliche große ethische Herausforderung liegt eher bei dem, was heute sehr stark diskutiert wird: den Organen, die man entnimmt, wenn der Patient tot ist. Das ist meistens der Fall, wenn man einen Organspendeausweis unterschreibt – oder in der Schweiz bald nicht mehr, denn früher war es so, dass man zustimmen musste.
Die meisten von euch oder ich würden wahrscheinlich nie als Organspender infrage kommen. Das liegt daran, dass bei bestimmten Erkrankungen oder einem bestimmten Alter die Organe nicht mehr nutzbar sind. Denn niemand will mehr Organe, die nicht mehr gut genug sind. Ab einem bestimmten Alter taugen sie nicht mehr, oder wenn sie stark geschädigt sind. Zum Beispiel will niemand eine Leber von einem Trinker. Ebenso wenig will jemand ein Organ, das möglicherweise Krebszellen enthält. Krebs betrifft mit der Zeit fast den ganzen Körper. Wer möchte also ein Organ transplantiert bekommen, in dem Krebszellen enthalten sind? Das wäre problematisch.
Das heißt, Organtransplantationen sind eigentlich nur in ganz bestimmten Todesfällen möglich, wenn der Körper noch fit und gesund ist. Und das gilt nur unter der Voraussetzung, dass der Patient hirntot ist. Wenn jemand an etwas anderem stirbt, ist eine Organspende nicht möglich.
Die große Herausforderung bei der Organspende am Lebensende besteht darin, dass der Mensch gleichzeitig noch lebendig und tot sein muss. Das klingt paradox. Wie soll das funktionieren? Das ist genau die Schwierigkeit.
Denn wenn ein Organ tot ist, kann man es nicht mehr transplantieren. Wenn der Mensch gestorben ist, muss die Transplantation innerhalb eines sehr kurzen Zeitrahmens erfolgen. Man muss den Patienten erst einmal erreichen, das Organ herausoperieren und dann transplantieren. Das ist nur möglich, wenn das Organ noch lebt, was bedeutet, dass der Mensch noch lebt, aber gleichzeitig tot sein muss – also hirntot.
Diese ethische Diskussion ist heute weniger eine medizinische Frage. Die medizinische Debatte dreht sich eher um die Nebenwirkungen von Organtransplantationen. Diese sollte man nicht unterschätzen.
Viele Menschen, die ein Organ erhalten, haben psychische Probleme danach. Auch körperliche Nebenwirkungen sind häufig. Oft funktioniert das gespendete Organ nicht genauso gut wie das ursprüngliche. Das bedeutet, dass nach einer gewissen Zeit, zum Beispiel nach 10 oder 20 Jahren, eine erneute Transplantation nötig sein kann.
Ich habe einen Pastor in Israel kennengelernt, der bereits zum zweiten Mal eine Niere transplantiert bekommen hat. Diese zweite Niere ist nun auch wieder ausgefallen. Das zeigt, dass eine Transplantation nicht automatisch so funktioniert wie das Originalorgan – das ist eher die Ausnahme.
Außerdem haben viele Menschen, die starke Immunsuppressiva einnehmen, körperliche und gesundheitliche Nebenwirkungen. Eine mögliche Gefahr besteht darin, dass durch die Unterdrückung des Immunsystems das Risiko für Krebs oder Infektionen steigt. Das Immunsystem schützt normalerweise vor solchen Erkrankungen, und wenn es unterdrückt wird, können andere Krankheiten häufiger auftreten.
Auch wenn man Knochenmark oder eine Niere spendet, gibt es medizinische Risiken. Zum Beispiel übernimmt die andere Niere bei einer Spende einen Teil der Aufgabe, aber man ist statistisch gesehen anfälliger für Nierenversagen, wenn man nur eine Niere hat.
Deshalb sollte sich jeder, der etwas spenden möchte, genau informieren. Man muss die Bedingungen und Folgen medizinisch abschätzen können, um nicht spontan und unüberlegt zu entscheiden. Denn man muss mit den Konsequenzen leben können.
Man sollte auch bedenken, dass Spenden, besonders Lebensspenden, viele psychische Herausforderungen mit sich bringen können – sowohl für den Spender als auch für den Empfänger.
Nehmen wir an, eine Frau braucht ein Organ, zum Beispiel eine Niere, und ihr Mann spendet diese. Das schafft eine große Abhängigkeit. Untersuchungen zeigen, dass der Spender oft das Gefühl hat, dem Empfänger etwas Wertvolles gegeben zu haben, wodurch dieser in eine Schuldposition gerät.
Das kann zu Konflikten führen: Der Spender sagt vielleicht, „Ich habe dir meine Niere gegeben, jetzt musst du tun, was ich will“, etwa im Urlaub. Oder wenn die Beziehung auseinandergeht und man sich scheiden lässt, entsteht die Frage: „Kann ich meine Niere zurückhaben?“ Natürlich ist das nicht möglich, aber solche Gedanken zeigen, wie belastend die Situation sein kann.
Es entsteht eine psychische Abhängigkeit, die das Zusammenleben erschwert. Der Eindruck, dass der eine dem anderen etwas schuldet, kann zu Spannungen führen. Je nachdem, wie Menschen damit umgehen, kann das eine große Herausforderung sein.
Auch bei Organspenden nach dem Hirntod gibt es psychische Probleme. Besonders bei Herztransplantationen benötigen viele Patienten eine langwierige psychologische Behandlung. Sie müssen mit dem Gedanken zurechtkommen, dass jemand sterben musste, damit sie das Herz bekommen konnten.
Das ist nicht einfach. Es gibt Menschen, denen das egal ist – für sie zählt nur, dass sie leben. Aber es gibt auch sensible Personen, die ernsthafte Probleme damit haben. Solche Fälle sind gar nicht selten.
In der Nähe von mir gibt es eines der wichtigsten deutschen Herztransplantationszentren in Bad Oeynhausen. Dort kenne ich einige Christen, die arbeiten, und sie berichten häufig von psychologischen Problemen bei Patienten nach der Transplantation. Depressionen und andere Schwierigkeiten sind keine Seltenheit.
Auch das zeigt, dass Organspenden und Transplantationen viele Herausforderungen mit sich bringen – medizinisch, ethisch und psychisch.
Die eigentliche ethische Herausforderung liegt bei der Frage des Hirntods, insbesondere wenn lebenswichtige Organe entnommen werden sollen und der Spender bereits tot sein muss. Dieses Problem bestand von Anfang an.
Als in den 1960er Jahren die ersten Herztransplantationen durchgeführt wurden, stellte sich die juristische Frage, ob das erlaubt sei. Zu dieser Zeit galt in den meisten Krankenhäusern weltweit das dauerhafte Herz-Kreislauf-Stillstandskriterium. Das bedeutet, wenn Herz und Kreislauf dauerhaft stillstehen, wird der Patient als tot erklärt. Hierbei werden Herzschlag und Puls abgehört.
In der Medizin gibt es sichere und unsichere Todeskriterien. Die sicheren Todeskriterien treten erst später ein, wie zum Beispiel Leichenstarre, Leichenflecken, Verwesung oder die Erkaltung des Körpers. Das dauerhafte Herz-Kreislauf-Stillstandskriterium kann hingegen früher festgestellt werden. „Dauerhaft“ heißt, dass es nicht mehr rückgängig zu machen ist, also irreversibel. Natürlich gibt es auch Menschen, die Atemaussetzer haben oder reanimiert werden, deren Herz für eine gewisse Zeit stillsteht. Wenn das bis zu drei oder vier Minuten dauert, kann das noch gut ausgehen. Darüber hinaus treten meist organische und vor allem Hirnschäden auf.
Bis dahin war es kein Problem, einen Verstorbenen nach einer gewissen Zeit erneut zu untersuchen, etwa nach einer halben Stunde, um Fieber, Temperatur oder Herzschlag zu messen. Es bestand keine Dringlichkeit. Wenn jedoch ein lebenswichtiges Organ entnommen werden soll, ist das nicht möglich, denn der Körper muss noch funktionieren.
Deshalb ist man in vielen Ländern vom Herz-Kreislauf-Stillstandskriterium zum Hirntod-Kriterium übergegangen. Nicht alle Länder haben diesen Schritt gemacht, einige halten weiterhin am Herz-Kreislauf-Stillstandskriterium fest. Der Vorteil des Hirntod-Kriteriums liegt darin, dass ein Mensch am Leben erhalten werden kann, auch wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert.
Hier muss man genau definieren, was „tot“ bedeutet. Das Kriterium ist, dass keine Hirnströme oder Hirnaktivität mehr messbar sind. Medizinisch und technisch ist das nicht ganz befriedigend, da die Geräte der 1960er und 1970er Jahre viel ungenauer waren als heute. Damals wurden Hirnströme gemessen, die mit heutigen Geräten noch messbar wären, weil die damaligen Apparate nicht fein genug waren.
Heute kann man feiner messen und feststellen, ob noch Hirnaktivität vorhanden ist. Wenn zweimal nacheinander in zeitlichem Abstand keine Hirnaktivität mehr festgestellt wird, gilt das Gehirn als nicht mehr funktionsfähig und irreversibel geschädigt – das heißt, die Schädigung ist nicht rückgängig zu machen. Dann kann der Mensch als tot erklärt werden. Das ist die Idee hinter dem Hirntod.
Allerdings wirkt ein hirntoter Mensch im Krankenhaus für Außenstehende oft wie jemand im Koma oder schlafend. Die Person atmet, hat Verdauungstätigkeiten und kann sich sogar bewegen. Das macht die Situation auch für Angehörige schwer nachvollziehbar.
Ich erinnere mich an eine Frau, die mir in München von ihrer Erfahrung erzählte. Sie war im Urlaub, als ihr Mann von einem Auto erfasst wurde und ins Krankenhaus kam. Dort wurde ihr gesagt, dass ihr Mann hirntot sei. Die Ärzte drängten sie sofort, der Organspende zuzustimmen. Unter dem emotionalen und psychischen Stress sagte sie damals zu, heute würde sie das nicht mehr tun.
Der Schock war groß: Ihr Mann war verunfallt, und sie saß am Bett neben ihm. Für sie wirkte er lebendig, da er noch atmete. Doch als sie ihn das nächste Mal sah, war er eine Leiche. Dazwischen konnte sie keinen wirklichen Abschied nehmen. Die Person lag im Bett, oft an Apparaten angeschlossen.
Viele Menschen sind heute an Apparaten, auch wenn sie nicht hirntot sind. Das macht es für Laien schwer, den Unterschied zu erkennen. So erinnere ich mich an eine junge Frau im Kinderspital Basel, die seit ihrer Geburt an eine Beatmungsmaschine angeschlossen war. Sie war ansprechbar, konnte aber ihr Zimmer nicht verlassen, da sie auf die Maschine angewiesen war. Nicht jeder, der beatmet wird, ist tot. Jemand mit einer Herz-Lungen-Maschine ist jedoch tot.
Für Laien ist der Unterschied oft nicht erkennbar. Man sieht einen warmen Menschen, der sich manchmal bewegt, aber nicht ansprechbar ist – ähnlich einem Komapatienten. Ein Komapatient zeigt jedoch noch Hirnströme, während diese beim Hirntoten fehlen.
Die emotionale Komponente ist für Angehörige sehr wichtig. Abschiednehmen ist schwierig oder sogar unmöglich, wenn der Patient hirntot ist und an Maschinen hängt. Die Frau empfand es als sehr belastend, dass sie unter Druck gesetzt wurde, schnell einer Organspende zuzustimmen.
Denn nach der Feststellung des Hirntods muss schnell transplantiert werden. Es bleibt kaum Zeit zum Nachdenken oder Abschiednehmen.
Andere Angehörige sehen das anders und empfinden es als tröstlich, wenn mit den Organen noch etwas Sinnvolles geschieht. Es gibt also verschiedene Perspektiven und Sichtweisen, die hier eine Rolle spielen.
Wichtig ist, solche Fragen frühzeitig zu bedenken, bevor man selbst in eine solche Situation kommt.
Ja, und das Schwierige daran ist natürlich die Frage, über die sich weder Juristen noch Mediziner einig sind – egal, ob sie Christen sind oder nicht: Ist der Mensch, der als hirntot erklärt wird, wirklich tot oder nicht?
Wir müssen sagen, tot oder nicht tot ist eine Frage der Wirklichkeit. Hirntod ist hingegen eine rein juristische Feststellung. Das heißt, juristisch wird entschieden: Jetzt erklären wir den Menschen als tot. Ein Biologe würde sowieso sagen, Sterben ist ein Prozess, was ja auch stimmt, selbst wenn das Herz stillsteht. Die meisten Körperzellen leben noch Stunden danach, denn Sterben ist nie von einer Sekunde auf die andere abgeschlossen. Es beginnt immer mit dem Ausfall eines Organs, dann fällt ein weiteres Organ aus, und so weiter. Zum Beispiel leben Hautzellen und Muskelzellen noch stundenlang nach dem Herzstillstand.
Das bedeutet, es gibt unterschiedlich empfindliche Zellen. Realistisch und biologisch gesehen ist Sterben ein Prozess. Dieser Prozess beginnt häufig schon lange vorher, wenn schwere Erkrankungen einzelne Organe langsam ausfallen lassen oder diese immer schwächer werden. Spätestens beginnt er dann, wenn der Kreislauf zusammenbricht oder wichtige Organe ausfallen. Dann ziehen sie andere Organe mit sich.
Sterben ist also keine punktuelle Sache, sondern biologisch ein Prozess. Das wisst ihr auch, wenn ihr Bücher über das Sterben lest. Dort wird zum Beispiel gesagt: Selbst wenn das Herz stillsteht, nimmt der Patient noch minutenlang Reize wahr. Vielleicht hat er gerade den letzten Atemzug getan, aber er hört noch, weil das Hören länger erhalten bleibt als andere Sinne, auch wenn das Herz stillsteht.
Die Vorstellung, sobald kein Atem mehr da ist und das Herz stillsteht, sei alles vorbei, stimmt also nicht. Das wissen auch gerade diejenigen, die nach mehreren Minuten wiederbelebt wurden und sich an Dinge erinnern konnten, die während dieser Zeit geschahen. Auch andere Sinne fallen nicht plötzlich komplett aus.
Das macht die Sache schwierig: Können wir überhaupt den Tod an einem einzigen Punkt festmachen? Ich habe ja schon gesagt, in der Bibel finden wir nichts Genaues über Organtransplantation. Wir finden aber einige Aussagen über den Tod des Menschen.
Jetzt ist die Frage: Kann man diese Aussagen direkt auf die heutige Situation anwenden oder nicht? Das ist sicherlich nicht ganz klar. Auffällig ist jedoch, dass die Bibel nicht zwischen einzelnen Organen unterscheidet, schon gar nicht beim Gehirn. Wenn wir in der Bibel lesen, wo der Sitz des Lebens ist, dann steht er zum Beispiel in den Nieren oder im Inneren, etwa im Herzen.
Das heißt, wenn diese Stellen ausfallen und tot sind, dann ist auch der Mensch tot. Die Bibel kennt eigentlich nur dieses Ganz-Tod-Kriterium. Das bedeutet zum Beispiel, wenn kein Odem mehr in einem Menschen ist, also dauerhafter Atemstillstand, oder wenn der Mensch erkaltet ist oder wenn das ganze Blut draußen ist. Dort, wo Jesus mit den Jüngern zu Lazarus kommt, sagen sie ja, er sei schon verwest – also ganz tot.
Wenn in der Bibel vom Tod die Rede ist, dann fällt nie nur ein einzelnes Organ aus, sondern es ist der Gesamtausfall des Körpers. Wir können ja auch gar nicht sagen, wann genau die Seele den Körper verlässt. Und es wäre ein Irrtum, anzunehmen, die Seele sei im Gehirn. Diese Idee kam erst durch die Aufklärung, weil man sagte, das Wesentliche des Menschen sei das Denken.
Das führt allerdings zu schwierigen Schlussfolgerungen. Das würde bedeuten, ein behinderter Mensch, der nicht mehr so denken kann oder bei dem wir nicht merken, wie er denkt, habe keinen Intelligenzgrund und sei weniger Mensch. Einige argumentieren heute so. Der australisch-amerikanische Ethiker Peter Singer sagt sogar, ein behinderter Mensch sei kein Mensch und könne deshalb einfach getötet werden, weil Menschsein an die Fähigkeit zum richtigen Denken, zur Selbstwahrnehmung und zum Planen gebunden sei.
Das ist eine konsequente Folge der Aufklärung, die das Denken als das Entscheidende sieht. Wenn der Mensch nicht mehr denken kann, sei er nicht mehr Mensch. Das ist jedoch nicht biblisch. In der Bibel ist der Mensch Mensch, weil Gott ihn als Mensch geschaffen hat – unabhängig von seinen Leistungen oder intellektuellen Fähigkeiten. Deshalb wird der Mensch als eine lebendige Seele bezeichnet, so steht es häufig im Alten Testament.
Das macht die Sache schwierig. Dann müssten wir sagen: Wenn ein Organ ausfällt, ist der Mensch ein Mensch, der im Sterbeprozess ist, aber nicht tot. Zum Beispiel, wenn deine Niere ausfällt: Wenn man nichts macht, wirst du nach einer gewissen Zeit sterben, weil sich der Körper vergiftet. Wenn deine Leber ausfällt, wirst du nach einer gewissen Zeit sterben, weil die Leber für die Entgiftung notwendig ist. Wenn deine Bauchspeicheldrüse ausfällt, wirst du nach einer gewissen Zeit sterben, weil sie für die Insulinproduktion zuständig ist.
Das heißt, viele Organe, wenn sie ausfallen, führen nicht automatisch zum Tod, aber höchstwahrscheinlich zum Sterben. Ich hoffe, der Punkt ist klar: Es gibt einen Unterschied, ob ich sage, ein Organ ist nach unserem Ermessen nicht mehr funktionsfähig, oder ob ich sage, der ganze Mensch ist tot.
Das ist zumindest eine wichtige Frage, der wir nachgehen müssen: Können wir sagen, wenn das Gehirn nicht mehr messbar funktioniert, ist der Mensch tot? Lange wurde stark auf das Kriterium der Irreversibilität gesetzt – also dass dieser Zustand nicht mehr rückgängig zu machen sei.
Vor etwa einem Jahr gab es in den USA, ich glaube in Harvard, einen Versuch mit Schweinehirnen. Man nahm die Gehirne von Schweinen aus einem Schlachthof, brachte sie ins Labor und versorgte sie dort wieder mit Blut. Das Interessante daran, was auch ethische Diskussionen auslöste, war, dass danach wieder Hirnaktivität messbar war.
Das stellt die Frage, ob das Irreversibel wirklich existiert, oder ob wir nur momentan keine Methode haben, das wieder in Gang zu bringen. In der Forschung ist das offen. Man weiß es nicht, man geht einfach davon aus, dass es im Moment nicht möglich ist. Natürlich wurde das Schwein nicht lebendig, es war ja nur das Gehirn. Man wusste auch nicht, was das Gehirn jetzt „denken“ kann. Aber bis dahin galt als sicher, dass ein Gehirn, das längere Zeit ohne Blut war, keine Aktivität mehr zeigt.
Dieser Versuch hat gezeigt, dass unter bestimmten Umständen wieder Aktivität möglich ist. Ob das je zu einer richtigen Funktion führt, ist vollkommen offen, weiß niemand. Aber der feste Satz, dass da gar nichts mehr möglich ist, scheint durch diese Experimente infrage gestellt zu sein. Da ist noch einiges offen.
Auch die Frage, ob ein Mensch tot ist, wenn das Gehirn keine messbare Aktivität mehr zeigt, ist für Mediziner nicht einfach zu beantworten. Ich habe in einer Arbeitsgemeinschaft für biblische Ethik in der Medizin mit verschiedenen Ärzten zusammengearbeitet, unter anderem mit einem Anästhesisten.
Der sagte mir, er war selbst bei solchen Fällen dabei, und wenn eine Explantation, also die Organentnahme, stattfindet, wird der Patient anästhetisch behandelt. Das wirkt für medizinisches Personal und Außenstehende seltsam: Warum muss man bei einer Leiche Schmerzbehandlung machen?
Die heutige Standardantwort lautet: Weil es vegetative Reaktionen gibt, die nicht vom Gehirn, sondern vom Rückenmark ausgehen. Es kann vorkommen, dass die Person beim Aufschneiden zuckt. Das ist eine Reaktion des Nervensystems, das losgelöst vom Gehirn arbeitet. Dennoch ist das für Pflegekräfte und Ärzte unbefriedigend.
Man hat also eine Leiche vor sich – zumindest juristisch – die aber noch einen Blutkreislauf hat. Die Nerven reagieren sogar noch, wenn man aufschneidet. Deshalb wird Anästhesie angewendet. Am Ende des Eingriffs ist der Patient dann wirklich tot, weil kein Blutkreislauf und keine Reaktion mehr vorhanden sind.
Wie gesagt, es ist eine Frage der Einordnung: Ist es für mich plausibel, dass ein Mensch mit nicht mehr messbaren Hirnströmen tot ist? Damit wäre aus meiner Sicht ein wesentliches ethisches Problem ausgeräumt. Man könnte sagen, dann kann man die Organe durchaus verwenden.
Offen bleibt dann immer noch die Frage: Ist der Mensch einverstanden? Man könnte auch fragen, ob das ein korrekter Umgang mit der Leiche eines Menschen ist. Vor zwei Jahren gab es in Frankreich einen Skandal, bei dem ein Journalist recherchierte und empört war, wie lieblos mit Leichen umgegangen wurde, von denen Organe entnommen wurden. Es wurde lieblos zugenäht, was nicht vorgesehen war.
Die Frage ist, wie das ethisch einzuordnen ist. Ist das Leichenschändung? Wenn du auf den Friedhof gehst und einer Leiche Organe entnimmst, wäre das Leichenschändung und strafbar. Wenn ein Arzt das tut, aus anderen Motiven, ist es korrekt. Das sind Fragen, über die man sich klar werden muss. Ich halte das allerdings für ein geringeres ethisches Problem.
Das hauptsächliche ethische Problem sehe ich darin: Ist es plausibel, dass ein Mensch, dessen Gehirn keine messbare Aktivität mehr zeigt, dessen Seele also nicht mehr da ist, wirklich schon ganz tot ist oder nicht? Ethiker, Christen wie Nichtchristen, sind sich da uneinig.
Wir müssen auch bedenken, dass das Hirntodkriterium eigentlich erst entwickelt oder erfunden wurde, um Organtransplantationen zu ermöglichen. Losgelöst davon macht es wenig Sinn. Die meisten von euch werden nicht als hirntot erklärt, wenn ihr sterbt. Da kommt der Sanitäter, stellt fest: kein Atem, kein Herzschlag – dann bist du tot.
Das Hirntodkriterium wird nur in besonderen Fällen angewandt. Man könnte natürlich argumentieren, dass ich durch die Entscheidung, meine Organe zur Verfügung zu stellen, anderen Menschen helfe. Das ist durchaus relevant und sollte nicht einfach beiseitegeschoben werden. Viele Menschen warten ja auf Organe, wenn man denn wirklich hirntot ist, was für die meisten von euch nie zutreffen wird.
Es kommt darauf an, wann und wie ihr sterbt und unter welchen Umständen. Das kann man durchaus so sehen. Allerdings muss man berücksichtigen, unter welchen Umständen das stattfindet. Wenn du sagst: Eigentlich lebe ich noch, aber ich will meine Organe geben, wäre das – etwas platt ausgedrückt – eine Aufforderung zur Tötung, was biblisch problematisch ist.
Man kann natürlich auch sagen: Der Mensch ist ja kurz vor dem Tod, er würde sowieso sterben. Das stimmt, aber allgemein gilt in der Schweiz und in Deutschland, dass ein Mensch, egal wie nah er dem Tod ist, schützenswert ist. Seine Persönlichkeitsrechte gelten. Du kannst nicht sagen: Weil ein Patient in zwei Wochen stirbt, ist er weniger geschützt – nicht einmal, wenn er eine Minute vor dem Tod steht.
Er gilt als schützenswerter Mensch. Juristisch und biblisch können wir nicht sagen, ein Mensch sei mehr wert, wenn er länger lebt, oder weniger wert, wenn er weniger Zeit hat oder Schmerzen hat. Der Wert des Menschen liegt nach der Bibel darin, dass Gott ihm das Leben gegeben hat. Erst wenn Gott das Leben nimmt, ist es weg. Bis dahin ist das Leben schützenswert.
Unsere Gesellschaft sieht das anders. Sie bewertet Leben nach Gehirn, Denken, Selbstbestimmung, Erleben und freier Entscheidung. Diese Perspektive zeigt sich nicht nur bei der Organtransplantation, sondern noch stärker im Umgang mit Behinderten, bei Abtreibung oder Sterbehilfe.
Bei der Sterbehilfe wird gesagt: Dieses Leben ist nichts mehr wert, deshalb kann man es beenden oder sollte es vielleicht sogar beenden. Immer mehr Menschen, zum Beispiel in den Niederlanden, werden gesellschaftlich unter Druck gesetzt, weil Pflegeplätze teuer sind. Manche stimmen dem Sterben zu, weil sie psychisch unter Druck gesetzt werden – das ist dokumentiert.
Das ist ein anderes Thema, aber es hängt alles damit zusammen, wie wir Leben bewerten. Ist Leben nur wertvoll, wenn du gesund, hübsch und intellektuell bist, dich frei entfalten kannst? Oder ist Leben auch wertvoll, wenn du krank, alt oder in Schmerzen bist?
Biblisch gesehen ist die Sache klar: Auch wenn Stunden und Tage kommen, die wir nicht wollen, bleibt der Wert des Menschen gleich. Denken wir an Saul, der wollte, dass sein Schwertträger ihn tötet, weil Feinde nah sind. Er wusste, er hat nur noch wenige Minuten zu leben. Doch der Schwertträger sagte zu Recht: Gott will das nicht. Nein, Leben wird nicht genommen, wir sollen es nicht in eigene Hand nehmen. Das ist eine biblische Herausforderung.
Am Ende muss jeder für sich entscheiden. Das kann man nicht pauschal sagen. Damit habe ich auch begonnen. Aber hoffentlich sind ein paar Aspekte deutlich geworden.
Wer Organe empfängt, sollte wissen, dass es Nebenwirkungen gibt. Trotzdem ist es ein großer Vorteil, oft noch viele Jahre leben zu können. Trotz der Risiken, die für den Organspender entstehen, kann man anderen damit helfen. Das ist positiv und eine persönliche Entscheidung.
Auch medizinisches Personal macht sich Gedanken. Der Anästhesist, mit dem ich zusammengearbeitet habe, fühlt sich dabei unwohl. Er hat den Eindruck, die Menschen sind nicht wirklich tot und will nicht mehr an solchen Organentnahmen teilnehmen. Das kann er auch, denn es gibt viele andere Operationen.
Für medizinisches Personal ist es eine Herausforderung. Wenn man denkt, der Hirntote ist vielleicht doch nicht ganz tot, tötet man dann die Menschen? Man kann sagen, sie würden sowieso sterben, aber das ist medizinisch kein Argument.
Wenn du im Altenheim bist und sagst: Der stirbt sowieso, dann mache ich das Kissen drauf – das ist Mord und nicht erlaubt. Auch wenn jemand kurz vor dem Tod ist, ist das juristisch nicht erlaubt.
Medizinisches Personal muss für sich klären, ob das Hirntodkriterium plausibel ist. Für das eigene Gewissen und vor Gott gilt nicht automatisch, was der Staat definiert. Wenn der Staat sagt, das gilt so, musst du prüfen, ob das nur Pragmatik ist oder ob es mit deinem Gewissen und Glauben übereinstimmt.
Danach sollte man entscheiden, wie man mit Organspende umgeht. Egal, was der Staat entscheidet, man sollte nicht einfach passiv bleiben, sondern aktiv eine Überzeugung entwickeln oder bewusst ablehnen.
Es gibt verschiedene Argumente, und ich hoffe, diese sind deutlich geworden. Man muss sie abwägen und eine Entscheidung treffen. Ich wünsche mir, dass das auch in der Öffentlichkeit stärker diskutiert wird – auch von Krankenkassen und Politikern.
In den letzten Jahren höre ich in Deutschland, ich weiß nicht, wie es in der Schweiz ist, oft nur Pro-Argumente. Das finde ich problematisch. Entscheidungen sollten auf einer breiten Grundlage von Fakten und Daten beruhen.
Die Zeit ist wie geplant vorbei. Es ist klar, wir haben kein intensivmedizinisches Seminar gemacht. Das würde je nach Perspektive unterschiedlich ausfallen – ob man zukünftiger Organempfänger, Organspender oder medizinisches Personal ist. Dafür müsste man noch Details anschauen, was wir jetzt nicht getan haben.
Wir haben eine allgemeine Grundlage gelegt. Soweit es mich betrifft, schlage ich vor, wir nehmen uns noch ein paar Minuten für Anmerkungen, Kommentare und Rückmeldungen. Wie du persönlich entscheidest, ist deine Sache.
Ich hoffe, es ist klar, dass ich keinen Druck ausüben will, sondern nur verschiedene Aspekte zeigen möchte. Man kann das mit Gebet, Nachdenken oder Lesen bewegen.
Vielleicht sind manche Dinge unklar, die ich erwähnt habe, oder es gibt zusätzliche Fakten, die ergänzt werden sollten. Jetzt ist die Möglichkeit für Rückmeldungen.
Ich weiß nicht, wie wir das am besten machen – vom Platz aus mit dem Mikrofon? Ja, super.