Einführung: Der moderne Atheismus und seine öffentliche Präsenz
Wenn wir uns heute mit dem Atheismus beschäftigen und darüber nachdenken, wurde bereits eingangs darauf hingewiesen, dass es vor wenigen Monaten den sogenannten Atheismus-Bus gab, der durch Deutschland gefahren ist. In Deutschland sind wir allerdings relativ spät davon betroffen worden.
In England, Italien, der Schweiz und in verschiedenen anderen europäischen Ländern gab es in den letzten zwei, drei Jahren bereits vor Deutschland Plakataktionen. Auf diesen wurden die Menschen dazu aufgefordert, Gott in Frage zu stellen oder sich darüber zu freuen, dass es keinen Gott gibt. Nach dem Motto: „Freu dich des Lebens, da ist kein Gott, der dich daran stört“. Diese Aktionen sollten öffentlichkeitswirksam Menschen vom Atheismus überzeugen.
Das ist eine ganz neue Situation. In Deutschland gibt es mehrere Vereinigungen, die für den Atheismus kämpfen. Diese sagen also nicht nur einfach, dass sie Atheisten sind, sondern setzen sich aktiv dafür ein, dass sich der Atheismus in Deutschland verbreitet.
Beispielsweise gibt es die sogenannten „Brights“. So nennen sie sich selbst – ein englischsprachiger Ausdruck. Man könnte es übersetzen mit „die Leuchtenden“, „die Erleuchteten“, „die Klugen“ oder ähnlich. Zu diesen gehört auch Richard Dawkins, der durch sein Buch „Der Gotteswahn“ bekannt geworden ist.
Der Titel des Buches soll bereits deutlich machen, dass all diejenigen, die an einen Gott glauben – und das sind wahrscheinlich viele von Ihnen – eigentlich wahnsinnig seien, weil sie daran glauben, dass es einen Gott gibt. „Der Gotteswahn“ ist dabei als Krankheitsbezeichnung gemeint. Es soll eine Art Krankheit sein, an Gott zu glauben, so beschreibt er es auch in seinem Buch.
In seinem Buch erwähnt Dawkins außerdem, was das Ziel seiner Arbeit und auch der Arbeit der Brights ist. Er schreibt dort in seiner Funktion als Naturwissenschaftler, als weltweit bekannter Biologe und Evolutionsbiologe, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, dass das Ziel seiner Arbeit sei, die Menschen zum Atheismus zu bekehren.
Das Wort „bekehren“ sollte den normalen Leser stutzig machen. Denn hier wird deutlich, dass es nicht um naturwissenschaftliche Ergebnisse oder um eindeutige Fakten geht. Vielmehr geht es in seinem Buch darum, Menschen zu seiner Weltanschauung zu überzeugen beziehungsweise zu bekehren. Es handelt sich also nicht um eine reine Information, sondern um ein Buch, das die Menschen zum Atheismus bekehren will.
Organisationen und politische Einflüsse des Atheismus in Deutschland
Nun, die Brides sind nicht die einzigen. In Deutschland gibt es auch die Giordano Bruno Gesellschaft, die Sie im Internet finden können. Sie veröffentlicht zahlreiche Publikationen und versucht immer wieder, durch öffentlichkeitswirksame Aktionen Kirchen und den Glauben anzugreifen. Häufig werden Mitglieder der Giordano Bruno Gesellschaft vom Spiegel interviewt.
Der Spiegel nimmt regelmäßig, vor allem zu Weihnachten und Ostern, gegen den Glauben Stellung. Ich bin zwar kein Prophet, aber ich kann Ihnen jetzt schon garantieren, dass zu Weihnachten wieder ein Artikel im Spiegel erscheinen wird, der den Glauben kritisiert. Dort wird dann behauptet, dass das, was in der Bibel steht, nicht stimmt. Darauf kann man sich im Spiegel verlassen. Oft werden auch Mitglieder der Giordano Bruno Gesellschaft zitiert.
Darüber hinaus gibt es die Deutsche Humanistische Union, eine weitere Organisation, die sich nicht nur für Menschenliebe einsetzt, wie der Name „Humanismus“ vermuten lässt. Sie kämpft auch dafür, dass in Deutschland der Atheismus verbreitet wird. An verschiedenen Stellen wird versucht, dies politisch durchzusetzen.
Einige der großen Parteien haben sich dieses Ziel besonders auf die Fahnen geschrieben. Am deutlichsten spürt man das derzeit bei der Partei Die Linke, die bei der letzten Bundestagswahl außerordentlich viele Stimmen erhalten hat – mehr, als man eigentlich erwartet hatte. In ihren Parteiprogrammen und öffentlichen Reden macht sie klar, dass sie gegen den Glauben vorgehen will. Alle Gesetze, die Kirche und Glauben bisher schützen, sollen eingeschränkt oder abgeschafft werden.
Beispielsweise fordert eines ihrer Parteiprogramme die Abschaffung von Zuschüssen für christliche Schulen und den Religionsunterricht. Außerdem wird eine absolute Trennung von Staat und Kirche gefordert, was auch bedeutet, dass es an den Universitäten kein Theologiestudium mehr geben soll. Das ist Teil des Programms einer relativ stark gewählten deutschen Partei.
Auch bei Vertretern der SPD und der Grünen hört man ähnliche Töne. In unserer Nähe hatte eine große christliche Schule in Bielefeld in den letzten zwei Jahren erhebliche Probleme mit einigen SPD-Abgeordneten. Diese gingen offen zum Schulleiter und sagten, sie fänden den Glauben schlecht und würden die Kinder indoktrinieren. Sie kündigten an, alles dafür zu tun, damit die Schule ihre Genehmigung verliert.
Ein ähnliches Beispiel gab es bei Frau Ypsilanti, als sie in Hessen neu gewählt wurde und die Freie Theologische Hochschule (FTH) ihre Anerkennung suchte. Die Spitzenkandidaten der SPD sagten ganz deutlich, dass die FTH keine Anerkennung erhalten werde, wenn sie die Regierung stellen.
All dies gehört zu einem Gesamtkonzept, das manchmal nicht nur als atheistisch bezeichnet wird, sondern auch als Säkularisation. Das meint genau dasselbe: Die diesseitige Welt ist die einzige Welt, die zählt. Wenn es daneben noch Leute gibt, die an Gott glauben wollen, sollen sie das in ihrem Privatleben tun. Im öffentlichen Leben soll der Glaube jedoch keine Auswirkungen haben.
Öffentliche Angriffe auf den Glauben und gesellschaftliche Veränderungen
Und das ist die Überzeugung von vielen, vielen Menschen in den Medien. Sie werden das in den letzten Monaten verfolgt haben: Immer wieder sind Christen öffentlich angegriffen worden, selbst von staatlichen Fernsehsendern. Und das auf sehr polemische Art und Weise, sodass sich zahlreiche Leute dagegen gewandt haben – auch solche, die mit dem christlichen Glauben sonst wenig zu tun haben.
Das ist Teil eines großen Programms, den christlichen Glauben aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Es geht darum, das tägliche Leben, alles, was wichtig ist – zum Beispiel Finanzen und Erziehung – rein innerweltlich und atheistisch zu gestalten. Das passiert momentan. Nicht jeder sagt das so deutlich, aber dahinter steckt genau das. Der Staat versucht, das mit allen Mitteln durchzusetzen.
Ich weiß nicht, ob Sie sich an die Auseinandersetzungen rund um das Christival erinnern. Egal, wie man dazu steht – ob man es gut findet oder nicht – es war zumindest eine Veranstaltung von vielen gläubigen Christen. Danach gab es einen öffentlichen Aufruhr, insbesondere durch den grünen Abgeordneten Volker Beck. Es wurde kritisiert, dass dort etwas über Homosexualität gesagt wurde und auch Kritik an der Abtreibung geäußert wurde.
Dann folgten schnell Drohungen in der Öffentlichkeit: Wenn ihr nicht sofort damit aufhört, werden euch alle Zuschüsse gestrichen. Man merkt also, sobald Christen etwas sagen, das das öffentliche Leben beeinflussen könnte – und nicht mehr nur atheistische Überzeugungen eine Rolle spielen –, werden Christen argwöhnisch betrachtet. Man versucht, sie politisch und wirtschaftlich unter Druck zu setzen.
Dieses Programm des Gender Mainstreaming, das ich kurz erwähnt habe, ist mittlerweile auf allen Ebenen der Gesellschaft durchgesetzt. Wenn Sie irgendwo in der öffentlichen Verwaltung eine höhere Verantwortung tragen, dann haben Sie, falls nicht schon geschehen, garantiert eine Schulung zum Gender Mainstreaming erhalten.
Ich habe vor kurzem mit jemandem gesprochen, der in Süddeutschland regelmäßig christliche Jugendfreizeiten durchführt. Er sagte mir, dass er jedes Mal einen Brief bekommt, in dem gefragt wird, inwiefern er Gender Mainstreaming in seiner Freizeitarbeit berücksichtigt.
Atheismus ist heute nicht mehr nur die persönliche Überzeugung einiger weniger Menschen, sondern ein Grundverständnis des modernen Menschen geworden. Nur sagt das nicht jeder so deutlich. Doch das Leben ohne Gott, das säkularisierte Leben, ist zur Normalität geworden. Gott soll im öffentlichen Leben keine Rolle mehr spielen – das ist die Absicht dahinter.
Historische Rückblicke und die Wiederkehr des Atheismus
Und das überrascht uns umso mehr, je weiter wir historisch zurückdenken. Eigentlich waren wir davon ausgegangen, dass der Atheismus nach 1989 tot sei. Denn gerade die Regime, die damals zusammengebrochen sind, hatten den Atheismus als ihre Staatsphilosophie. Zum Beispiel in der DDR oder in der Sowjetunion. Dort war die politische Forderung klar: „Wir kommen ohne Gott aus, wir brauchen Gott nicht.“
War es nicht sogar schon so, dass diejenigen, die zu stark an Gott festhielten, als nicht mehr zurechnungsfähig galten und in psychiatrische Kliniken eingewiesen werden sollten? Sie hätten noch nicht begriffen, dass man ohne Gott lebt. Als diese politischen Systeme zusammenbrachen, war die öffentliche Diskussion um den Atheismus zunächst auch weitgehend beendet.
Wer von uns alt genug ist und sich an die Siebziger- oder Achtzigerjahre erinnert, weiß, dass es damals massenhaft Diskussionen über Atheismus gab. Kaum ein deutscher Theologe schrieb nicht irgendein Büchlein oder einen Aufsatz darüber, wie man mit Atheisten spricht. In der DDR gab es sogar Diskussionen darüber, wie Christsein im Sozialismus möglich sei – das hieß dort so oder ähnlich. Es ging darum, wie man Sozialismus und Christsein miteinander verbinden kann.
Nach 1989 wurde darüber kaum noch gesprochen. Das Thema schien erledigt zu sein – zumindest zum großen Teil. Doch jetzt merken wir, dass es wieder aufkommt. Wir hatten den Eindruck, es sei überwunden, aber dem ist nicht so. Unterschwellig gewinnt der Atheismus in Europa immer mehr Einfluss.
Denken Sie zum Beispiel an die Diskussion um die EU-Verfassung, die vorerst auf Eis gelegt wurde – unter anderem durch den Druck Frankreichs. Einige andere, eher atheistisch ausgerichtete Länder innerhalb der EU weigerten sich strikt, einen Bezug auf Gott in die Verfassung aufzunehmen.
Welche geschichtlichen Hintergründe stecken dahinter? Die EU ist aufgebaut auf den Grundlagen der Antike und der Aufklärung. Die etwa tausend Jahre christliches Mittelalter dazwischen wurden einfach ausgeblendet. Natürlich nicht vergessen, sondern bewusst ausgeklammert. Man will diesen Abschnitt der Geschichte nicht in der EU-Verfassung sehen, er soll ausgelöscht werden.
Wenn Sie nach Frankreich kommen, sehen Sie, wie es vielleicht in Zukunft in der ganzen EU aussehen wird. Denn in Frankreich ist die Trennung von Staat und Kirche bereits vollständig vollzogen. In anderen Ländern wird darauf gedrängt, dies noch stärker durchzusetzen.
Dabei geht es nicht um die Freiheit der Kirche. Vielmehr soll die Kirche möglichst wenig Einfluss haben – weder als Gemeinde noch als Institution. Die Welt soll vollkommen diesseitig orientiert und organisiert werden. Das ist das dahinterstehende Ziel.
Diese Auseinandersetzung wird uns nicht nur durch einen Atheistenbus oder ein Buch begegnen. Sie wird uns auch in den kommenden Jahren weiter begleiten.
Verschiedene Typen von Atheisten und ihre Haltung
Dabei müssen wir allerdings auch sagen, dass sich viele Menschen, die für diese Ziele kämpfen, gar nicht genau bewusst sind, wofür sie sich eigentlich einsetzen.
Denn viele Menschen, denen wir heute begegnen – manche bezeichnen sich als Atheisten, andere nicht. Einige sagen, sie seien Atheisten, sind es aber gar nicht. Vielleicht wundern Sie sich jetzt, wie das sein kann. Wenn Sie mal Menschen in Ihrer Umgebung fragen, wissen viele gar nicht so richtig, was Atheismus bedeutet.
Ich würde sagen, der Großteil der Deutschen sind praktizierende Atheisten. Was ich damit meine, ist: Sie leben so, als ob es keinen Gott gäbe, haben sich aber keine tiefen Gedanken darüber gemacht. Sie können einen Menschen treffen, vielleicht Ihren Nachbarn, und ihn fragen: „Wie hältst du es mit Gott?“ Er antwortet: „Lass mich in Ruhe mit Gott, den brauche ich nicht. Ich bin so glücklich oder unglücklich“, je nach Person. Wenn Sie dann etwas weiter bohren, stellen Sie fest, dass da gar nicht viel dahintersteckt.
Woher hat Ihr Nachbar oder Ihr Arbeitskollege das? Ja, das pfeifen die Spatzen doch von den Dächern. Es ist überall zu hören, dass es Gott nicht gibt oder dass man besser ohne ihn lebt. Das fing langsam in den Sechzigerjahren an, als immer mehr ethische Dinge infrage gestellt wurden: Muss man denn verheiratet sein, um zusammenzuziehen? Nein, muss man nicht. Wenn man keine Kinder haben will, was macht man dann? Dann treibt man sie ab. Homosexualität ist normal. Das war früher nicht so, und das war ein erster Schritt, christlichen Einfluss in der Gesellschaft zurückzudrängen.
Das ging dann weiter mit der religiösen Erziehung. In vielen deutschen Schulen ist es heute so, dass im Religionsunterricht nicht mehr der christliche Glaube vermittelt wird. In manchen Bundesländern lernt man dort auch nicht Religionspädagogik, sondern manchmal Problembewältigung. Dann gibt es endlos lange Themen über Außenseiter – das ist ja auch nett, hat aber nichts mit dem Kern des christlichen Glaubens zu tun. Oder man lernt über alle Weltreligionen. Das ist auch schön, aber hilft nicht unbedingt zur eigenen Orientierung.
Und da habe ich schon die seltsamsten Sachen gehört. Ich habe selbst einige Jahre nach meinem Studium als Religionslehrer gearbeitet und von einigen Kollegen sowie von Schülern Dinge mitbekommen, die einfach erstaunlich oder schlimm sind. Das müssen wir sagen, was heute im Religionsunterricht oft vermittelt wird, weil viele Religionslehrer selbst keinen Bezug zum Glauben haben.
Dann kommt jemand und sagt: „Das brauche ich alles nicht, ich lebe ohne.“ Aber das ist niemand, der tiefe Gründe nennen könnte, warum er Gott ablehnt. Er lehnt Gott einfach ab, weil es einfacher ist, ohne Gott zu leben. Ich muss mich nicht danach richten, welche Regeln Gott aufstellt. Ich muss keine Angst haben, dass nach dem Tod irgendetwas kommt. Ich kann mich ganz darauf konzentrieren, das Leben zu genießen, den Konsum zu genießen, Spaß zu haben. Und da sieht man Gott als Hindernis an. Deshalb verdrängt man ihn.
Dann gibt es Leute, die sagen: „Na ja, ich weiß es halt nicht genau. Vielleicht gibt es Gott, vielleicht nicht. Ich weiß es nicht.“ Diese Menschen sind eigentlich keine Atheisten, sondern müssten korrekterweise als Agnostiker bezeichnet werden. Agnostizismus meint genau das: „Ich weiß es nicht, vielleicht ja, vielleicht nein.“ Ein Atheist tritt dagegen mit der Auffassung auf: „Nein, es gibt keinen Gott.“
Wenn wir einen Gesprächspartner haben, der sagt: „Ja, ich weiß es nicht genau“, dann haben wir eine ganz andere Gesprächsgrundlage. Denn dann könnten wir fragen: „Welche Gründe sprechen denn dafür und welche dagegen?“ Der überzeugte Atheist ist ja fest davon überzeugt, dass es keinen Gott gibt.
Es gibt die Bequemen, die einfach so leben, als ob es keinen Gott gäbe. Dann gibt es diejenigen, die eigentlich Agnostiker sind. Dann gibt es diejenigen, die zum Atheismus erzogen wurden. Wir können sagen, das sind nicht die Traditionschristen, sondern die Traditionsatheisten. Die findet man häufig heute in Ostdeutschland, in ostdeutschen Bundesländern.
Wenn Sie dort auf der Straße mit Leuten sprechen – ich habe das häufiger getan – dann treffen Sie irgendeinen Jugendlichen, der weder überzeugter Atheist noch sonst etwas ist. Er ist nie mit Gott konfrontiert worden. „Ja, Gott? Was ist denn das? Bibel? Nie gehört.“ Das gibt es heute in Deutschland.
Da gibt es die verrücktesten Sachen, die ich Ihnen erzählen könnte. Ich war in Ostberlin und sprach mit einem Jugendlichen. Auf die Frage, wer Jesus sei, antwortete er: „Ja, er hätte Jesus mal im Fernsehen gesehen – als Show-Moderator.“ Ich habe ihn aufgeklärt: „Nein, das war wohl nicht der Jesus, von dem ich spreche.“ Dann sagte ich ihm, dieser Jesus sei ermordet worden. Er meinte: „Oh ja, das wüsste er genau, er sei erschossen worden.“ Das zeigt ungefähr, wie der Wissensstand über Bibel und Zusammenhänge ist.
Oder eine andere Frau in Leipzig, die ich traf. Ich fragte sie, ob sie die Bibel kenne und ob sie mal darin lesen würde. Sie sagte: „Ja, die Bibel kenne ich auswendig.“ Da hatte ich erst mal Hochachtung und dachte, das ist ja gut, dann weiß sie auch, wie es mit altem und neuem Testament ist. Sie antwortete: „Ja, ich weiß auch Bescheid. Das alte Testament ist die alte Version der Bibel und das neue Testament die überarbeitete Version.“ Da wusste ich, dass mit „auswendig“ nicht viel gemeint war.
Was ich damit sagen will: Es gibt Menschen, die traditionsmäßig Atheisten sind, aber nicht aus Überzeugung. Sie sind darin erzogen worden. Und gerne werfen sie den Christen vor: „Du bist ja nur Christ, weil du darin erzogen wurdest.“ Dabei merken sie selbst nicht, dass sie Atheisten sind, weil sie im Atheismus erzogen wurden, eben in der Gottlosigkeit. Das ist schade.
Dann gibt es die überzeugten Atheisten, wie Richard Dawkins, die fest davon überzeugt sind, es gibt keinen Gott und es darf keinen Gott geben. Diese würde ich als kämpferische Atheisten bezeichnen, also diejenigen, die das wirklich wollen und sich intensiv damit auseinandergesetzt haben.
Und dann gibt es noch eine letzte Gruppe, die ich nennen möchte: die zweifelnden Atheisten. Das sind eigentlich keine Atheisten, sondern Menschen, die innerlich Zweifel haben, ob es Gott gibt. Das kann jeden Menschen betreffen. Selbst denjenigen, der in einer Gemeinde oder Kirche ist, kann sich zwischendurch die Frage stellen: „Was ist, wenn das alles gar nicht stimmt? Was ist, wenn es eigentlich keinen Gott gibt?“
Das kann innerlich zerfressen und mürbe machen. Einige Christen berichten, wie sie sich damit auseinandergesetzt haben und ins Zweifeln geraten sind. Das muss dann auch durchkämpft werden. Es genügt oft nicht zu sagen: „Denk nicht daran, dann geht es schon weg.“ Jemand, der solche Fragen hat, wird sie nicht von selbst los.
Manche werden auch durch ihre Umgebung damit konfrontiert. Ein Jugendlicher oder Teenager hat Freunde, die nicht gläubig sind, und hört die Frage: „Wieso glaubst du daran?“ Der Jugendliche aus christlichem Elternhaus hat sich nie tief damit beschäftigt und gerät plötzlich selbst ins Fragen: „Stimmt das denn überhaupt?“
Oder ein junger Mensch geht zum Studium an die Universität und trifft dort vor allem Menschen, die mit Gott nichts zu tun haben. Die meisten Professoren haben mit Gott nichts zu tun. Egal in welchem Fach, es kommt mal die Diskussion: „Du glaubst an Gott? Wieso denn? Du bist doch sonst ganz intelligent. Warum machst du das?“ Solche Fragen gibt es tatsächlich.
Dann fühlt sich der Christ schon ein bisschen verunsichert: „Was sage ich jetzt? Warum gibt es Gott?“ Natürlich sagen wir innerhalb der Gemeinde: „Das steht doch in der Bibel.“ Aber dann kommt schnell der Zweifel: „Und wenn die Bibel nicht Recht hat? Wenn die Bibel nur erfunden ist, wie uns heute gesagt wird? Da gibt es doch diese vielen apokryphen Evangelien. Da steht doch alles Mögliche drin. Dan Brown hat das in seinen Bestsellern geschrieben, das sei die Wahrheit.“ Dann sind Zweifel und Fragen da.
Je nachdem, mit welcher Personengruppe ich es zu tun habe – ich gehe davon aus, Sie, die hierher gekommen sind, gehören wahrscheinlich zu ganz verschiedenen Gruppen: Der eine sagt, „Ich weiß es nicht genau“, der andere sagt, „Es gibt keinen Gott“, oder „Es gibt Gott“, oder jemand hat Zweifel, oder jemand lebt einfach so, als ob es keinen Gott gäbe.
Mit jedem müsste ich eigentlich heute Abend ein Einzelgespräch führen, nicht um Sie unter Druck zu setzen, sondern um auf Ihre Argumentation und Ihre Fragen direkt eingehen zu können. Denn die sind ja ganz unterschiedlich.
Historische Entwicklung des Atheismus: Von der Antike bis zum Mittelalter
Ehe ich einige Beispiele nennen möchte, also was jemandem weiterhilft, der zur einen, zur anderen oder zur nächsten Gruppe gehört, möchte ich zunächst einen kurzen Abriss über den Atheismus geben. So erhalten wir einen Überblick darüber, was im Atheismus in der Vergangenheit geschehen ist.
Atheisten gibt es eigentlich schon sehr lange. Ich möchte nicht sagen, seit es die Erde gibt, aber wir finden bei den alten griechischen Philosophen Ansätze des Atheismus. Pythagoras zum Beispiel wollte alles mit Zahlen erklären und meinte, die Zahlenharmonie durchwallte das ganze Universum. Daraus schloss er indirekt, dass es keinen Gott gibt.
Dann gab es auch andere, denen man Atheismus vorwarf, wie etwa Sokrates. Sokrates wurde unter anderem vor dem athenischen Gericht wegen Atheismus verurteilt. Man warf ihm vor, die Leute zum Atheismus zu verführen. Dabei war Sokrates eigentlich kein Atheist im modernen Sinne. Er leugnete lediglich die Existenz der griechischen Götter in den Tempeln, wie sie von Homer beschrieben wurden. Und das würden wir ja auch tun. Ich weiß nicht, ob Sie daran glauben – ich zumindest glaube nicht, dass es wirklich eine Athene, einen Zeus, Hermes, Jupiter oder sonst etwas als Gott gibt. Das meinte Sokrates auch nicht.
In seinen Werken schrieb er jedoch davon, dass es einen Gott gebe. Dieser Gott würde sich im Gewissen des Menschen melden, schreibt Sokrates. Und da müssen wir sagen: Er hat Recht. Das ist genau das, was wir als Christen im Römerbrief lesen, wo steht, dass eigentlich jeder Mensch von Natur aus weiß, dass es einen Gott gibt, weil die Natur und das Gewissen jedem Menschen zeigen, dass es Gott gibt. Übrigens sind das genau dieselben Argumente, die in der Neuzeit in der Aufklärung von Immanuel Kant, dem bekanntesten deutschen Philosophen dieser Zeit, genannt werden. Auch Kant schreibt in seiner Kritik der praktischen Vernunft davon, dass es einen Gott geben müsse, aus diesen Argumentationsgründen. Der gestirnte Himmel über mir und das Gesetz Gottes in mir zeigen, dass es einen Gott geben muss.
Aber jetzt habe ich einen großen Sprung gemacht. Bleiben wir bei Sokrates. Wenn wir in die Zeit des Alten Testaments gehen, etwa zeitgleich, lesen wir beispielsweise in den Psalmen vom Toren, der in seinem Herzen spricht: „Es gibt keinen Gott“. Das finden wir mehrfach in den Sprüchen und Psalmen. Nur der Verständlichkeit halber für diejenigen, die mit dem Bibelausdruck nicht vertraut sind: Tor ist hier nicht die Eingangstür gemeint, sondern der Törichte, also der Tor im Gegensatz zum Weisen, zum Klugen. Wir könnten heute sagen: der Dumme. Der Dumme spricht in seinem Herzen: „Es gibt keinen Gott“. Und das gab es also auch schon im Alten Testament – Atheisten.
Und da wird das biblische Urteil gesprochen: Der ist doch eigentlich dumm, weil er einen Teil der Realität nicht wahrnehmen will, ihn ausgrenzt. Dieser Atheist im Alten Testament ist allerdings kein kämpferischer oder überzeugter Atheist. Das ist eher ein Atheist, wie wir ihn heute häufig antreffen, der einfach besser ohne Gott leben kann. Gott stört ihn. Es sind die Gebote, die sagen: Sei ehrlich bei der Arbeit. Wie mühsam ist das, da kann ich ja kein richtiges Geld verdienen. Oder: Sei treu deiner Frau. Oder: Lüge nicht. Das ist so mühsam im Leben. Und das ist eher dieser alttestamentliche Atheist: „Es gibt keinen Gott, weil Gott mich in meinem täglichen Leben stört, er schränkt mich ein.“ Das steckt dahinter.
Nun, dann werden Sie vielleicht staunen, wenn ich Ihnen sage, dass auch die ersten Christen als Atheisten verschimpft wurden. Sie wurden unter anderem vor römischen Gerichten wegen Atheismus angeklagt. Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Wie kann das sein, Christen verfolgt wegen Atheismus? Das war ähnlich wie bei Sokrates. Die Christen sagten: Eure ganzen römischen und griechischen Götter gibt es nicht. Dann wurde sie gefragt, an welchen Glaubensgott sie denn glauben. Sie antworteten: „Unseren Gott, den kann man nicht sehen.“ „Wo ist der denn?“ – „Er ist überall.“ „Wo?“ Für die Römer und Griechen war das nicht vorstellbar. Deshalb meinten sie, die Christen seien eigentlich Atheisten, weil man ihren Gott nicht sehen kann. Aus diesem Grund wurden sie zum Teil verfolgt und getötet.
In der Zeit des anbrechenden Mittelalters gab es so etwas wie Atheismus kaum. Das lag daran, dass all die Gebiete, in denen wir heute leben, im Laufe des Mittelalters mit dem christlichen Glauben erreicht wurden. Ein Großteil der Bevölkerung hielt sich, manchmal gezwungen, manchmal freiwillig, am christlichen Glauben fest. So gab es keine große Auseinandersetzung mehr um die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht. Auch die Frage, welcher Gott der richtige sei, stellte sich nicht mehr, weil es im Hochmittelalter in Europa keine nichtchristlichen Religionen mehr gab.
Deshalb beschäftigte man sich im Hochmittelalter, also um das Jahr 1100, mehr damit, wie man die Existenz Gottes intellektuell und theologisch beweisen kann. Bekannt wurde in diesem Zusammenhang Thomas von Aquin. Er stellte die fünf klassischen Gottesbeweise auf. Er sagte, es gebe fünf Gründe, die intellektuell für die Existenz Gottes sprechen.
Diese Gottesbeweise sind sozusagen die andere Seite des Atheismus. Der Atheismus leugnet, es gibt keinen Gott, und die Gottesbeweise wollen für Christen oder Gottgläubige sprechen und sagen, es gibt gute, vernünftige Gründe für Gott. Sie waren nicht so gemeint, wie sie heute manchmal missverstanden werden, als wissenschaftliche, naturwissenschaftliche Beweise. Erstmal gab es ja Naturwissenschaft im modernen Sinne noch gar nicht zu diesem Zeitpunkt. Es gab noch keine Physik und Chemie, wie wir sie heute kennen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage: Wie wollte ein Physiker eine Aussage über die Existenz Gottes machen? Wenn Sie jemanden treffen, der sagt, die Wissenschaft habe gezeigt, es gibt keinen Gott, dann fragen Sie doch mal ganz harmlos, vielleicht ahnungslos, vielleicht auch mit Ahnung: „Wie hat die Wissenschaft das denn gemacht?“ Darauf gibt es nämlich keine Antwort.
Viele Leute sagen, die Wissenschaft hätte bewiesen, es gibt keinen Gott. Aber wie soll sie das tun? Sie kennen wahrscheinlich alle noch Physik aus der Schulzeit. Kennen Sie eine einzige physikalische Methode, mit der man beweisen kann, ob es Gott gibt oder nicht? Wie soll das gehen? Die Physik kann Materie wiegen, sie kann subatomare Teilchen aufeinander schießen lassen und beobachten, was passiert. Aber wie soll sie Gott untersuchen? Kann man Gott unter dem Mikroskop sehen? Natürlich nicht. Kann man ihn unter das Elektronenrastermikroskop legen? Geht auch nicht. Kann man ihn auf die Balkenwaage legen und feststellen, ob etwas draufliegt? Geht ebenfalls nicht.
Wie soll die Physik also eine Aussage darüber machen, ob es Gott gibt oder nicht? Fragen Sie das mal die Leute, mit denen Sie reden. Oder wie soll das die Chemie tun? Gibt es einen Katalysator, den man auf Gott schütten kann, und dann verfärbt sich eine Flüssigkeit? Natürlich nicht.
Man kann Gott nicht mit den Mitteln der Physik, Biologie oder Chemie nachweisen. Und dann sagen manche Leute: „Dann gibt es Gott ja nicht, wenn man ihn nicht nachweisen kann.“ Aber warum? Es gibt viele Dinge, die man physikalisch nicht nachweisen kann. Nehmen wir nur ganz einfach: Viele von Ihnen sind verheiratet. Können Sie die Liebe zu Ihrer Frau oder Ihrem Mann physikalisch beweisen? Wenn ich Sie auf die Waage setze, sind Sie schwerer, wenn Sie verliebt sind, und leichter, wenn nicht? Wie soll das bitte möglich sein? Also sagt man, weil Liebe physikalisch nicht beweisbar ist, gibt es keine Liebe? So einfach ist das nicht, sondern so unsinnig.
Die Physik kann sich nur mit physikalischen Phänomenen beschäftigen. Gott ist kein physikalisches Phänomen, also kann die Physik über Gott nichts aussagen. Die Chemie beschäftigt sich nur mit chemischen Phänomenen, und weil Gott kein chemisches Phänomen ist, kann die Chemie über Gott nichts sagen.
So weit nur zur Frage, warum es keinen naturwissenschaftlichen Beweis für oder gegen Gott gibt. Schlicht und einfach deshalb, weil die Naturwissenschaft dafür nicht das Instrumentarium besitzt. Deshalb kann sie darüber nichts aussagen, weder positiv noch negativ.
Deshalb sollten wir als Christen auch nicht nach naturwissenschaftlichen Beweisen für die Existenz Gottes suchen. Denn damit würden wir Gott zu einem Gegenstand unserer Welt machen, den man nach Belieben ins Labor stellen kann, um ihn zu untersuchen. An solch einen Gott glauben wir doch hoffentlich nicht. Christen bekennen im Glaubensbekenntnis, dass sie an einen Gott glauben, der Schöpfer des Himmels und der Erde ist. Die Bibel schreibt, dass er Geist ist. Wie soll der denn untersuchbar sein?
Er scheitert allein schon daran, dass er es uns nicht zur Verfügung stellen will. Selbst wenn Gott einen Körper aus Fleisch und Blut oder sonstwie hätte: Wenn er nicht auf die Erde käme zu den Naturwissenschaftlern und sagte: „Hallo, hier bin ich, untersucht mich“, wie sollten die das dann untersuchen?
Stellen Sie sich vor, Gott schaut uns zu, wie wir uns darüber Gedanken machen, und beobachtet uns irgendwo aus dem Weltraum mit einem Fernglas. Wie sollte der Naturwissenschaftler Gott erreichen?
Es gab wirklich beängstigend naive Leute wie Juri Gagarin, den großen Helden der Sowjetunion und ersten Menschen im Weltall. Als er zurückkam, schrieb die Pravda, die große Zeitung der Sowjetunion, dass es keinen Gott gebe, weil er im Weltall keinen gesehen habe. Das ist doch beängstigend naiv. So etwas würde ich höchstens von einem Kindergartenkind erwarten. Kennen Sie nicht Kindergartenkinder, die sich die Hände vor die Augen halten und sagen: „Ich bin weg.“ So ähnlich wirkt das hier auch.
Ich stelle die einfache Frage: Was wäre, wenn Gott bei Juri Gagarin gesagt hätte: „Ätsch, ich gehe mal gerade hinter den Mond und verstecke mich, bis Juri Gagarin wieder weg ist.“ Ist er dann da oder nicht? Das ist nur ein primitives Beispiel, um zu zeigen, wie dumm diese Argumentation eigentlich im Kern ist.
Was wäre, wenn Gott durchsichtig wäre? Dann stünde er vielleicht gerade vor ihm, sagt „Hallo, hier bin ich“, und Juri Gagarin schaut durch ihn hindurch und sagt: „Dich gibt es nicht.“ Da merken wir, wie naiv das ist. Nur weil ich etwas nicht sehe, davon auszugehen, dass es nicht existiert, ist nicht schlüssig.
Gerade die moderne Naturwissenschaft zeigt uns, dass es massenhaft Dinge gibt, die wir gar nicht sehen können, die aber trotzdem existieren. Vor Kurzem hatte ich ein intensives Gespräch mit einer unserer Töchter. Unsere zweitälteste Tochter ist zwölf. Wir sprachen darüber, wie es mit Atomen so ist. Nebenbei erklärte ich ihr, dass zwischen der Atomhülle und dem Atomkern – Sie wissen das vielleicht noch: Neutron, Proton in der Mitte, Elektron ringsherum – dazwischen nichts ist.
Wenn man dieses „Nichts“ zusammendrücken würde, dann sind ungefähr 95 bis 98 Prozent Materie eigentlich nichts. Sie war ganz erstaunt und meinte: „Das geht doch gar nicht, hier ist doch etwas, man sieht doch das Buch, das ist doch etwas, das ist doch nicht nichts.“ Aber unsere moderne Physik sagt genau das. Sie sagt, dass das Meiste um uns herum und wir selbst nichts sind. Und zwar nicht im philosophischen oder biblischen Sinne „Du bist nichts“, sondern physikalisch. Und das glauben wir, obwohl wir es nicht sehen können.
Oder glauben Sie nicht, dass es Atome gibt? Haben Sie schon mal ein Atom gesehen? Falls ja, kommen Sie nachher zu mir, Herr Ketze, ich möchte das Erlebnis sehen. Denn bisher ist das vollkommen unmöglich. Kein Mensch kann Atome sehen. Sie können einen verklumpten Atomhaufen sehen, da sind auch massenhaft Atome drin. Aber ein einzelnes Atom können Sie nicht sehen. Sie können mit einem Mikroskop die Oberfläche betrachten, aber Atome sehen Sie so nicht. Das liegt daran, dass unsere Augen dafür nicht geeignet sind. Indirekt können wir durch Elektronenrastermikroskope etwas erkennen, aber das ist nur indirekt vermittelt. Direkt sehen können wir sie nicht.
Also, die Argumente für die Existenz Gottes wurden in der Scholastik formuliert, aber keine im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern als denkerische Argumente. Zum Beispiel das Argument, das wir auch schon aus der Bibel kennen: Schau die Natur an! So kompliziert, wie die Natur aufgebaut ist, da muss ein Schöpfer dahinterstecken. Das ist ein Argument, das bis heute jeden Menschen zum Nachdenken bringen sollte, und auf das es keine wirklich befriedigende Antwort gibt.
Aufklärung, Humanismus und die Entwicklung des modernen Atheismus
Nach der Zeit der Argumente für die Existenz Gottes kam im 15. Jahrhundert, zur Zeit des Humanismus und der Aufklärung, wieder neue Bewegung in die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht. Die Menschen wollten sich von der Bevormundung des Glaubens lösen – so verstanden sie es – und strebten nach vollständiger Selbstständigkeit in ihrer Wahrnehmung und Bewältigung der Welt.
Dabei tauchten immer mehr Fragen auf. Zunächst: Ist die Bibel wahr? Dies markiert die Anfänge der Bibelkritik. Außerdem wurde gefragt: Ist die christliche Religion wahr? Vielleicht kennen Sie das Stück „Nathan der Weise“, das vielfach in der Schule gelesen wird. Es behandelt die Idee, dass alle Religionen gleich seien. Heute glaubt das fast jeder, obwohl die Gründe dafür eher dünn sind.
In dieser Zeit wurden grundlegende Fragen gestellt: Gibt es einen Gott? Ist die Bibel wahr? Ist der christliche Glaube wahr? Diese Fragen wurden zunehmend infrage gestellt. Am Höhepunkt der Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts kam man zu dem Ergebnis, dass man keinen Gott mehr brauche. Der moderne Atheismus begann eigentlich erst Ende des 18. Jahrhunderts. Vorher gab es nur wenige, die ernsthaft Gott leugneten; davor war das kaum der Fall.
Ein Höhepunkt des Atheismus war die Französische Revolution. Sie war vor allem eine Revolution gegen den Glauben. Gott wurde abgeschafft, alle Wochentage umbenannt, die Zeitrechnung umgestellt – seit dem Beginn der Revolution wurde in Frankreich nicht mehr ab der Geburt Jesu gerechnet. Man wollte alles verändern.
Priester wurden getötet oder vertrieben, Klöster enteignet, Kirchen entweiht. In der großen Kirche Notre Dame in Paris wurde ein Altar aufgestellt: der Altar der Vernunft. Man wollte der Vernunft Opfer bringen. Eine Schauspielerin sollte sich auf den Thron setzen und als Göttin der Vernunft verehrt werden. Doch das war nur ein kurzes Schauspiel. Bald merkten die Menschen, dass diese vollkommen atheistischen Gläubigen noch schlimmer waren als die vorherige Kirche.
Die Französische Revolution ist besonders für ihre Blutigkeit bekannt. Wenn es keinen Gott mehr gibt, dann kann man die Menschen auch einfach töten. Es gibt kein Gericht, keine Ordnung, niemanden, der Rechenschaft fordert. So lief die Guillotine als moderne Hinrichtungsmethode am laufenden Band. Das war der moderne Atheismus.
Im 19. Jahrhundert wurde der Atheismus angegriffen. Zum einen durch die Entwicklung der Evolutionstheorie. Charles Darwin wandte sie in seinen späteren Büchern auch auf den Menschen an und meinte, dass wahrscheinlich kein Gott bei der Entstehung des Menschen eine Rolle gespielt habe. Bis heute ist die Evolutionstheorie für Atheisten eines der beliebtesten Argumente: Wir brauchen keinen Gott mehr, weil die Evolution erklärt, wie die Welt entstanden ist.
Mein Thema heute Abend ist nicht die Evolutionstheorie, aber ich möchte Sie zumindest zum Nachdenken anregen. Selbst wenn die Evolutionstheorie stimmt – ich spreche hier im Konjunktiv –, was sagt die Evolution über die Existenz Gottes aus? Es könnte doch sein, dass sich auf der Erde etwas entwickelt hat und es trotzdem einen Gott gibt. Entweder einen, der das Ganze ein wenig anschiebt, oder einen, der nur abwartend zuschaut.
Selbst wenn die Evolution stimmt oder stimmen sollte – was ich nicht unbedingt glaube – ist sie kein tragfähiges Argument gegen die Existenz Gottes.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam dann der Sozialismus auf. Besonders Marx und später Lenin machten auf sich aufmerksam und erklärten den Atheismus zur Grundlage ihrer Weltanschauung. Warum? Weil sie meinten, dass der Mensch erst dann mit voller Kraft die Welt selbst verändern und zu einem Himmel umgestalten könne, wenn er nicht mehr darauf warte, dass irgendein Gott ihm dabei helfe. Wenn man sieht, dass es keinen Gott gibt, muss man die Sache selbst in die Hand nehmen. Dann könne man die Welt zu einem Paradies umgestalten.
Was aus diesem Paradies geworden ist, wissen wir durch den real existierenden Sozialismus. Es war keineswegs paradiesisch, aber das war der Traum, der dahintersteckte: eine Welt ohne Gott sei glücklich.
Dieses Argument greift übrigens Richard Dawkins wieder auf. Sein Buch ist über sechshundert Seiten dick, hier haben Sie die Kurzfassung und gleich die Gegenargumentation. Er erwähnt zum Beispiel, dass es ohne Religion und Glauben an Gott keinen Grund gäbe, warum Menschen noch Krieg führen würden.
Dazu habe ich mir gedacht: So etwas kann wirklich nur jemand schreiben, der im intellektuellen Elfenbeinturm lebt. Im realen Leben schlagen sich die Menschen nicht wegen Gott den Kopf ein, sondern wegen des Bösen in ihnen – wegen Habgier, Neid, Wut und Ähnlichem. Menschen töten sich nicht wegen Gott.
Schauen Sie sich die großen Kriege des 20. Jahrhunderts an: Welcher wurde denn wegen Gott geführt? Der Erste Weltkrieg hatte nichts mit Gott zu tun. Es ging um Kolonialmächte und Imperialismus.
Im Zweiten Weltkrieg waren es vor allem atheistische Staaten, die ihn führten. Deutschland war damals vom Nationalsozialismus geprägt, der gegen Christen und Gott kämpfte. Man wollte das Christentum abschaffen, hat Christen ins Gefängnis gesteckt, in Konzentrationslager gebracht, christliche Zeitschriften verboten und christliche Jugendarbeit unterbunden. Das war kein christlicher Staat, der den Krieg führte.
Auch die Sowjetunion war kein christlicher Staat. Während der Entkulakisierung wurden Bauern umgebracht, es gab große Hungersnöte. Im „Schwarzbuch des Kommunismus“ sind solche Ereignisse dokumentiert. Stalin wird für 60 bis 70 Millionen Tote verantwortlich gemacht – im Namen des Atheismus, nicht im Namen des Glaubens an Gott.
Auch Pol Pot in Kambodscha tötete innerhalb von zwei bis drei Jahren etwa eine Million Menschen im Namen des Atheismus. Wo sind die großen Kriege im Namen Gottes im 20. Jahrhundert?
Selbst wenn wir weiter zurückblicken, gibt es kaum Kriege, die wirklich im Namen Gottes geführt wurden. Man verweist oft auf die Kreuzzüge, aber auch die kann man diskutieren. Eigentlich hatten sie mit Gott nur eine untergeordnete Rolle. Der byzantinische Kaiser bemerkte, dass verschiedene islamische Sultane sein Reich angriffen, und wollte es verteidigen. Das hatte zunächst nichts mit Glauben zu tun.
Im Königreich Jerusalem waren die meisten Menschen Muslime, die ihren Glauben frei ausleben konnten. Es war nicht so, dass alle Muslime gezwungen wurden, Christen zu werden. Selbst dieser oft genannte Krieg war also kein Religionskrieg im eigentlichen Sinne, sondern ein Machtkampf.
Das galt im gesamten Mittelalter: Kriege wegen Gott und Glauben gab es kaum. Vielmehr spielten Machtgier, Ansehen, Einfluss, Wut, Ärger und Verletzungen eine Rolle.
Wenn Richard Dawkins schreibt, dass Menschen ohne Glauben an Gott friedlich seien und es keinen Krieg mehr gäbe, ist das Unsinn.
Das war die Idee des Sozialismus. Danach wurde insbesondere Friedrich Nietzsche bekannt, der den Begriff „Tod Gottes“ prägte. In seiner Parabel „Vom tollen Menschen“ schreibt er: „Wir haben Gott getötet.“ Viele zitieren heute gerne diesen Ausdruck „Tod Gottes“.
Dabei ist das irreführend, denn wenn Gott tot ist und getötet wurde, muss er ja einmal gelebt haben. Das bedeutet, dass es ihn gegeben haben muss, nur eben jetzt nicht mehr. Man müsste also fragen: Wer hat das getan?
Nietzsche selbst schreibt in seinem Buch, die Tat sei für uns zu groß. Er meint, dass der Mensch, so wie er heute ist, ohne Gott gar nicht leben kann. Nietzsche wuchs in einem frommen Elternhaus auf, schrieb in seiner Jugend Gedichte an seinen Heiland Jesus Christus. Später, enttäuscht von den Christen, die er kennenlernte, gab er den Glauben auf, kämpfte gegen Gott und das Christentum und veröffentlichte Bücher über den Tod Gottes.
Doch in seiner Parabel „Vom tollen Menschen“ heißt es auch: „Ist es nicht kälter geworden? Tut sich für uns nicht der Abgrund auf? Fallen wir nicht endlos ins Nichts hinein?“ Damit zeigt Nietzsche, dass er wirklich verstanden hat, was eine Welt ohne Gott bedeutet.
Eine Welt ohne Gott ist eine Welt, in der nichts mehr hält, in der es keine Orientierung mehr für den Menschen gibt. Sie ist sinnlos, kalt, herzlos und lieblos – Tugenden, die Gott uns gegeben hat.
In seinem Vergleich von dionysischem und apollinischem Prinzip schreibt Nietzsche, dass das Christentum den Menschen zur Nächstenliebe zwinge. Wenn es keinen Gott mehr gäbe, bräuchte es keine Nächstenliebe mehr, und der Starke würde triumphieren.
Daraus entstand die Idee des Übermenschen, der über Leichen geht und sich nicht um die Schwachen kümmert. Diese Idee nutzten später die Nationalsozialisten für ihre Argumentation: „Wir sind die Übermenschen, deshalb ist es gerechtfertigt, andere zu töten.“ Das zeigt, was die Leugnung Gottes bewirken kann.
Dann kam die Entwicklung der Psychoanalyse durch Sigmund Freud Anfang des 20. Jahrhunderts. Er behauptete, dass der Glaube an Gott nur psychische Phänomene im Inneren des Menschen seien.
Diese Argumente prägen bis heute die Debatte. Zu den wesentlichen Vertretern im 20. Jahrhundert gehören Nietzsche, Feuerbach, Karl Marx, Lenin, Darwin und Freud. Die Argumente haben sich im Prinzip kaum verändert, nur neu formuliert.
Es gibt auch andere Argumente, die nicht ernst zu nehmen sind. Richard Dawkins schreibt in seinem Buch zum Beispiel seitenlang darüber, dass es keinen Gott gebe, weil die meisten Wissenschaftler und Intellektuellen nicht an Gott glaubten. Er versucht, Autoritäten zu zitieren, und behauptet, es gebe keinen Naturwissenschaftler von Rang, der an Gott glaube.
Hier muss man sagen: Richard Dawkins sollte sich genauer umschauen. Er weiß auch, dass fast alle Begründer der modernen Naturwissenschaften überzeugte Gläubige waren. Zum Beispiel Gregor Mendel, den Sie vielleicht aus der Schule kennen. Er war Mönch und fest davon überzeugt, dass es einen Gott gibt. War er nicht klug? Natürlich war er klug.
Richard Dawkins behauptet dann, Mendel habe nur gesagt, dass es Gott gibt, um seinen Job zu behalten. Solche billigen Erklärungen sind Unsinn.
Man könnte auch umgekehrt sagen, dass viele Naturwissenschaftler heute Gott leugnen, um ihren Job zu behalten, weil sie sonst rausgeschmissen würden. Das ist genau so unsinnig.
Oder nehmen Sie Isaac Newton, den bekanntesten Physiker überhaupt. Er legte die Grundlagen der modernen Physik und war ein überzeugter Christ. Wenn Sie seine Biografie lesen, stellen Sie fest, dass er mehr Schriften über Theologie und Glauben verfasste als über Physik. Das wird oft ausgeklammert.
Auch Michael Faraday, ein wichtiger Wissenschaftler in der Elektrodynamik, war überzeugter Christ.
Es gibt viele Naturwissenschaftler von Weltruhm, die Christen waren. Deshalb kann man es nicht einfach so abtun und behaupten, sie hätten das nur gemacht, um Karriere zu machen. Das ist Unsinn. Es gab auch viele, die Gott leugneten und Karriere machten, sie waren nur nicht so klug.
Natürlich lehnen nicht alle, die nachdenken und forschen, Gott ab.
Richard Dawkins ist gut darin, billige Argumente von Christen zu entlarven, denn solche gibt es auch. So erwähnt er zum Beispiel ein naives Gebetsexperiment in den USA: In einem Krankenhaus wurde für die eine Hälfte der Kranken gebetet, für die andere nicht. Man wollte sehen, wer schneller gesund wird.
Das Ergebnis war, dass diejenigen, für die nicht gebetet wurde, schneller gesund wurden. Dawkins führt das als Beweis an, dass es keinen Gott gibt.
Das ist falsch. Das Experiment zeigt nur, dass Gott sich nicht auf Experimente einlässt. Er antwortet auf ernst gemeinte Gebete, aber nicht auf solche Experimente. Wenn man nur aus Neugier oder Versuch betet, dann lässt Gott das unbeantwortet.
Manche Menschen beten zum Beispiel: „Soll ich diese Frau heiraten? Wenn das dritte Auto, das vorbeifährt, ein weißer Mercedes ist, dann ja.“ So etwas funktioniert nicht. Gott lässt sich auf solche Gebetsexperimente nicht ein.
Das Experiment zeigt also nur, dass es keinen Gott gibt, der sich auf Gebetsexperimente einlässt. An so einen Gott glauben wir aber nicht. Deshalb zeigt es nichts.
Es gibt auch andere, zu einfache Argumentationen. Dawkins zitiert zum Beispiel von einer amerikanischen Internetseite jemanden, der sagt: „Ja, es gibt Gott, denn ich war in einem Flugzeug und habe einen Absturz überlebt.“ Das ist problematisch: Was sagen die Angehörigen derjenigen, die gestorben sind? Die sagen dann: „Meine Angehörigen haben nicht überlebt, also gibt es keinen Gott.“
So einfach kann man es nicht machen. Natürlich glauben wir, dass Gott in unserem Leben eingreift, aber das kann kein naturwissenschaftlicher Beweis sein.
Es ist genauso wie bei der Liebe zu einem Ehepartner. Die kann man nicht durch äußere Dinge beweisen, etwa daran, wie oft der Partner Blumen schenkt. Wenn es weiße Rosen sind, liebt er nicht, rote schon? Oder wenn es zweimal im Jahr ist, nein, dreimal im Jahr ja? Oder wenn der Partner Sie nicht regelmäßig zum Essen einlädt oder nicht jeden Morgen küsst, bedeutet das dann nein oder ja?
Das zeigt alles nichts. Auch Gott lässt sich nicht auf diese Weise beweisen. Unsere Beziehung zu Gott ist nicht die zu einem Gegenstand, den wir untersuchen können. Sie ist die Beziehung zu einer Person. Und eine Beziehung zu einer Person kann man nur im existenziellen Vollzug, also im Leben, erfahren – nicht durch äußere Experimente.
Es gibt natürlich Gründe von unserer Seite aus, die für die Existenz Gottes sprechen. Das glaube ich schon. Aber das sind nicht mehr als gute Gründe. Es können keine naturwissenschaftlichen Beweise sein.
Umgang mit verschiedenen Atheismus-Typen und Ermutigung zum Glauben
Ich möchte jetzt, so gegen Ende der Zeit, die ich hier habe, noch einmal darauf eingehen, dass ich Ihnen gesagt habe, es gibt unterschiedliche Typen von Menschen, die Gott leugnen. Dazu möchte ich Ihnen nun ein paar Worte sagen.
Wie reagieren wir darauf? Was hätte ich Ihnen zu sagen, wenn Sie zu einer dieser Gruppen aus der Bevölkerung gehören, die Gott leugnen?
Zuerst einmal: Wenn Sie zu denjenigen gehören, die sagen, sie seien einfach im Atheismus erzogen worden und ihre Eltern hätten ihnen nie etwas vom Glauben erzählt, dann würde ich Ihnen sagen: Das ist halt so, das ist Schicksal. Jeder wird anders erzogen, aber das heißt ja nicht, dass man dabei stehen bleiben muss.
Wenn Ihre Eltern Ihnen nie gezeigt haben, dass es gut ist, Gemüse zu essen, heißt das ja nicht, dass Sie Ihr Leben lang kein Gemüse essen müssen. Man kann sich im Leben immer wieder mit neuen Dingen auseinandersetzen. Und die Frage nach Gott ist immerhin eine sehr, sehr wichtige. Wenn Sie bisher nicht darüber nachgedacht haben, dann darf ich Ihnen vor Augen führen, dass der Großteil der Weltbevölkerung – weit über 80 Prozent – überzeugt davon ist, dass es einen Gott gibt. Das ist doch ein Grund, sich damit auseinanderzusetzen, mal danach zu fragen und zu überlegen: Gibt es ihn wirklich?
Also nicht nur dabei stehen zu bleiben und zu sagen: Ich habe damit nichts zu tun gehabt, weil meine Eltern mir nichts gesagt haben, also bleibt es dabei. Sondern zu sagen: Das ist ein wichtiges Thema, und ich sollte mich intensiver damit beschäftigen.
Das würde ich demjenigen sagen, der sagt: Ich bin halt nicht so erzogen worden.
Demjenigen, der sagt: Ich bin praktizierender Atheist und lebe einfach viel bequemer ohne Gott, dem würde ich sagen: Das geht ja schon, aber nur vorläufig. Denn wenn es einen Gott gibt, dann werden Sie am Ende von ihm zur Rechenschaft gezogen. Das bequeme Leben ist schön und nett, aber es wäre dumm, nicht darauf zu achten, was die letzte Konsequenz ist.
Das klingt für mich ähnlich wie der Teenager, der sagt: Es ist doch so nett zu trinken und sich zu betrinken, da hat man ein tolles Gefühl. Dann kommen die Eltern und sagen: Pass auf, du machst dir deine Gehirnzellen kaputt, du bekommst später keinen Job mehr, wirst abhängig, vielleicht gewalttätig. Der Teenie sagt: Nein, ich fühle mich so wohl. Aber die Eltern wissen, dass bei den meisten Alkoholabhängigen später solche Probleme auftauchen.
Das heißt, es kann sein, dass ich mich im Moment wohlfühle ohne Gott. Aber die Maßstäbe, die Gott gibt, sind ja nicht nur da, um mir etwas wegzunehmen. Gott, der uns als Menschen geschaffen hat – und das glauben wir Christen – gibt uns Maßstäbe, weil er uns davor schützen will, unser Leben kaputtzumachen, wenn wir es nicht nach seinen Ordnungen führen.
Für mich klingt das so ähnlich wie jemand, der an der Tankstelle ist. Momentan sind die Preise ja ein bisschen niedriger. Wenn er sagt: Das ist mir alles zu teuer, fährt nach Hause, schließt seinen Gartenschlauch an und sagt: Wasser ist viel billiger, das ist mir viel bequemer, ich habe mein Portemonnaie voll, ich kann nicht noch zu McDonald's gehen, usw. Er tankt dann voll Wasser und eine Zeit lang fährt das Auto sogar noch, vielleicht noch bis zu McDonald's. Aber dann will er weiterfahren, es geht nicht mehr, und er sagt: Oh, Pech gehabt.
So ähnlich scheint es mir zu sein, wenn jemand sagt: Ach, ich bin zu bequem, ich setze mich nicht mit Gott auseinander, ich lebe einfach ohne Gott, mache mir aber keine Gedanken über die Auswirkungen – nicht nur im Moment, sondern auf Dauer. Und die können, wenn es Gott gibt, nur negativ sein.
Und wenn es Gott nicht gibt, dann würde ich selbst dann sagen, ist es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen. Denn jeder, der ohne Gott lebt, muss sich irgendwann die Frage stellen: Wie begründe ich meine ethischen Normen, meine Werte, meine Überzeugungen? Warum erwarte ich, dass mein Nachbar mich nicht überfällt? Wenn es keinen Gott gibt, warum sollte er es dann nicht tun? Warum sollte nicht, wie im Tierreich, das Recht des Stärkeren gelten?
Ob ein Mensch mehr oder weniger wert ist – was spielt das dann noch für eine Rolle, wenn es keinen Gott gibt? Schließlich werden tagtäglich Tausende von Schweinen getötet, im wörtlichen Sinne Schweine oder Rinder. Warum sollte man dann keinen Menschen töten, wenn er doch nur ein höher entwickeltes Tier ist?
Oder wie Peter Singer, ein Ethiker aus Australien, heute in den USA, der sagt: Warum soll man nicht kleine behinderte Kinder töten? Sie sind doch auch nur höher entwickelte Tiere.
Ich will nicht sagen, dass das richtig ist, nicht dass Sie mich falsch verstehen. Ich will nur sagen, dass derjenige, der Gott aus Bequemlichkeit leugnet, weil er sagt, es ist einfacher so zu leben, sich irgendwann die Frage stellen muss: Warum sage ich überhaupt noch bei einer Sache, das ist gut und das ist falsch? Woher kommen dann die Maßstäbe, woher kommen die Werte, wenn es keinen Gott gibt?
Da würde ich versuchen, jemanden herauszufordern, der möglicherweise unter Ihnen ist und sagt: Ich lebe einfach ganz bequem ohne Gott. Die Frage ist: Denken Sie daran, was auf Dauer kommt, was am Ende passiert, was ist, wenn es wirklich einen Gott gibt? Und selbst wenn Sie die Frage nicht stellen, was wirklich ist, wenn es einen Gott gibt – wie wollen Sie dann überhaupt Ihre Werte für Ihr tägliches Leben und für die Gesellschaft begründen ohne Gott?
Das ist ein großes Problem. In einem Artikel, den ich mal geschrieben habe, zitiere ich Joshka Fischer, ehemaliger grüner Spitzenpolitiker. Er sagt, dass eines der Hauptprobleme für die Grünen ist, Werte aufstellen und vermitteln zu können, die allgemein akzeptiert sind.
Er sagt: Die Kirchen haben es gut, sie haben Gott als Autorität dahinter. Aber wir als Grüne, so sagte er damals, haben so eine Autorität nicht. Wir können nur sagen: Macht das. Aber wenn die Leute sagen: Nein, wir wollen nicht, was dann? Dann kann man nichts mehr sagen. Dann halt nicht. Man kann auch sagen: Ja, wir retten die Welt. Dann sage ich: Ich möchte die Welt nicht retten. Warum? Mir doch egal. Es ist mir egal, wenn die Leute irgendwo in der Sahara mehr schwitzen. Wir können sagen: Klimaerwärmung ist gut für uns in Deutschland. Wir müssen nicht mehr nach Italien fahren, dann haben wir es in Deutschland so warm. Es ist halt an der Nordsee so warm wie sonst an der Adria. Nett, wir haben keine großen Probleme. Wenn Spanien versteppt, warum sollen mich die Spanier kümmern? So argumentiert Joschka Fischer und sagt, er hätte gerne göttliche Autorität, um so etwas zu belegen. Aber wenn er die nicht hat, warum sollen die Leute das tun? Einfach aus Menschenfreundlichkeit? Aber warum sollten sie menschenfreundlich sein?
Das würde ich demjenigen sagen, der Agnostizist ist und sagt: Ich weiß es nicht genau, vielleicht ja, vielleicht nein. Das ist schon eine gute Stellungnahme. Man hat zumindest anerkannt, dass die Frage nicht so einfach und prompt zu beantworten ist. Aber man sollte nicht dabei stehen bleiben. Nur zu sagen: Ich weiß es nicht, die einen sagen ja, die anderen nein, ist noch nicht das Ende der Diskussion.
Jetzt ist die Frage: Gibt es gute Wege und Gründe, zu überprüfen, ob es Gott gibt oder nicht?
Ich könnte das so machen wie Blaise Pascal, bekannter Naturwissenschaftler und Philosoph, der versucht hat, das mit einer Wette zu lösen. Er sagte, wir können die Existenz Gottes nur mit einer Wahrscheinlichkeitsrechnung berechnen. Es gibt auch modernere Autoren wie Richard Swinburne, einen englischsprachigen Philosophen, der das ähnlich macht. Er sagt: Das spricht für die Existenz Gottes, das spricht dagegen, und am Ende spricht mehr für die Existenz Gottes als dagegen. Also ist es vernünftig anzunehmen, dass es ihn gibt.
Das kann man so machen. Aber dann muss man sich Zeit nehmen. Das geht nicht einfach mal so bei einem Stammtischgespräch oder beim Kaffeetisch. Man muss sich intensiv damit auseinandersetzen, zuhören, intensiv darüber nachdenken und sich damit beschäftigen.
Denn auch hier gilt: Das ist eine der wichtigsten Fragen für unser Leben. Wenn es Gott gibt, verändert das ganz viel. Plötzlich sehen wir, dass vieles in unserem Leben Führung ist, dass ein Gott dahintersteht. Wir merken, dass er uns in die Welt gestellt hat, uns eine Richtschnur gibt, wie wir uns verhalten sollen, und am Ende bewerten wird, was wir gemacht haben. Das spielt alles eine Rolle für unser Leben, also eine unheimlich wichtige Sache.
Deshalb sollten wir Zeit dafür investieren. Agnostisch zu sein und zu sagen: Wir wissen nicht ganz genau, ist okay. Aber dann überprüfen Sie die Argumente. Und überprüfen Sie auch die Argumente von Richard Dawkins. Kommen Sie morgen früh wieder, ich werde noch einige Argumente intensiver diskutieren. Dann werden Sie merken, es gibt eigentlich keinen guten Beweis gegen die Existenz Gottes. Es gibt keinen. Aber ich meine, dass es gute Hinweise dafür gibt, dass es einen Gott gibt.
Wenn Sie jetzt ein kämpferischer Atheist sind, dann kann ich Ihnen nicht sehr viel sagen, denn dann haben Sie sich lange entschieden. Sie sind ein Gläubiger des Atheismus. Aber ein Gläubiger an den Atheismus steht nicht besser da als ein Gläubiger an den christlichen Glauben, zumindest was den Glauben angeht. Denn beweisen kann ein kämpferischer Atheist seine Position nicht.
Sie können die Bücher der bekannten Atheisten unserer Zeit lesen. Ich habe die meisten dieser bekannten Atheisten gelesen, auch in ihrem Original, habe mich literarisch mit ihnen auseinandergesetzt. Mich überzeugen deren Argumente nicht.
Lesen Sie sie durch, dafür muss man keine Angst haben, wenn man diese Fragen hat. Aber lesen Sie nicht nur Literatur, die sich auf billige Art und Weise über Christen lustig macht. Das kann man tun, aber das hilft ja niemandem weiter. Lesen Sie auch Bücher, die gute Argumente für die Existenz Gottes bringen.
Hier muss ich auch sagen: Wenn es um die Frage nach der Existenz Gottes geht, wird man das letztendlich nur beantworten können, wenn man sich auf Gott einlässt. Allein Nachdenken kann höchstens dazu führen, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass es Gott gibt. Aber erfahren, ob es Gott gibt, wird man erst, wenn man sich darauf einlässt – und zwar so, wie Gott es selbst anbietet.
Denn in der Bibel lesen wir solche Aussagen: Jesus sagt, die, die wissen wollen, ob ich die Wahrheit sage, sollen den Willen meines Vaters tun, und dann werden sie merken, ob ich die Wahrheit sage oder nicht. Er sagt auch an anderer Stelle: Niemand erkennt den Vater außer dem Sohn und wem der Sohn es offenbart.
Das sind die Wege, die Gott vorgibt. Er sagt: Wenn du Gott erkennen willst, dann geht das nicht nur nach deiner Vorstellung, sondern es kommt darauf an, wie Gott bereit ist, sich zu zeigen.
Wenn Gott nicht so bereit ist, sich zu zeigen, wie du es willst, dann kannst du immer davon ausgehen, dass es ihn nicht gibt.
Manche sagen zum Beispiel: Gott, wenn jetzt in fünf Minuten ein roter Ferrari vor der Tür steht und jemand gibt mir den Schlüssel, dann glaube ich, dass es dich gibt. Wir können fünf Minuten warten, dann ist die Veranstaltung hier vorbei, und wahrscheinlich werden Sie feststellen, dass kein roter Ferrari draußen steht. Heißt das nun, dass es keinen Gott gibt?
Ich könnte das auch ganz anders anwenden: Sie wissen gerade, Bundestagswahl in Deutschland. Ich schreibe Frau Merkel einen Brief und sage: Liebe Frau Bundeskanzlerin, ich glaube nicht, dass es Sie gibt, es sei denn, Sie sind übermorgen um zwölf Uhr mit einem roten Ferrari vor meiner Haustür. Ich weiß nicht, ob sie dann kommt oder nicht, aber ich nehme mal an, sie würde nicht kommen.
Dann kann ich hinterher jedem von Ihnen sagen: Ich habe ihr eine Chance gegeben, zu beweisen, ob es sie gibt oder nicht. Es gibt keine Angela Merkel. Jetzt sagen Sie: Ich habe Sie doch im Fernsehen gesehen. Da sagen Sie: Hey, Schauspieler! Alles nur Schauspieler im Fernsehen. Oder ist jemand von Ihnen Angela Merkel schon mal persönlich begegnet, so richtig persönlich, nicht aus der Entfernung? Ich kann ja immer noch ein Schauspieler-Double sein. Richtig persönlich – haben Sie schon mal die Unterlagen gesehen? Hat sie schon mal einen Pass geprüft? Nein? Woher wissen Sie, ob es sie überhaupt gibt?
Nicht, dass Sie jetzt denken, ich bin vollkommen abgehoben. Aber so ähnlich argumentieren einige für Gott. Sie stellen Gott Bedingungen nach ihrer Vorstellung und sagen: Wenn Gott nicht auf diese Bedingungen eingeht, gibt es ihn nicht.
Da sage ich Ihnen: Das ist unsinnig. Wenn Sie wissen wollen, ob es Gott gibt oder nicht, dann müssen Sie sich auf seine Bedingungen einstellen. Seine Bedingungen sagen: Lass dich darauf ein. Fang erst mal an zu beten, gestehe ein, dass du schuldig bist, lies in der Bibel, fang an mit mir zu sprechen, und dann wirst du – wie Luther es ausdrückte, heute heißt das: Du wirst gewiss werden. Dann wird dir klar, dass es Gott gibt.
Plötzlich ist das unmittelbar klar, weil Gott es klar macht. Er schreibt davon, dass derjenige, der eine Beziehung zu ihm aufbaut, den Heiligen Geist bekommt. Und dieser Heilige Geist, so schreibt Luther, gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.
Das heißt, dieser Heilige Geist ist in uns. Diese Instanz Gottes kommt in uns und macht uns innerlich auf allen Ebenen klar: Ja, Gott ist da.
Plötzlich machen wir die Augen auf und erkennen überall, wo Gott auch ist. Wir erkennen Führung in unserem Leben und merken: Ach, da war doch Gott dahinter. Wir beten und haben plötzlich Gebetserhörungen, wo Gott darauf antwortet. Ja, da passiert das tatsächlich. Wir lesen in der Bibel, schlagen etwas auf und merken, das spricht direkt in mein Leben hinein – und viele andere Dinge mehr.
Da merken wir im Nachhinein: Gott ist da. So ähnlich ist das auch, wenn ich es wieder mal als Vergleich bemühen darf, mit der Liebe. Es wird nie einen hundertprozentigen Beweis für die Liebe eines anderen Menschen geben – wie denn auch? Und trotzdem sind sich wahrscheinlich viele Ehepaare darüber im Klaren und würden sagen: Ja, mein Partner liebt mich – hoffe ich zumindest für viele, die das sagen. Wenn nicht, dann müssen sie daran arbeiten, aber das sollte das Ziel sein.
Trotzdem: Das ist etwas, bei dem ich mich auf die Beziehung einlasse und dann merke ich das. Ich kann nicht sagen: Da gibt es Lieschen Müller in Hamburg, und die liebt mich. Ich habe sie noch nie gesehen, noch nie etwas von ihr gehört, aber sie liebt mich. Woher soll ich das wissen? Und woher soll sie mich lieben? Das kann doch erst entstehen, wenn ich in eine Beziehung eingetreten bin.
Und genauso ähnlich ist es hier bei Gott: Eine Gewissheit über Gott können wir erst gewinnen, wenn wir in diese Beziehung eintreten. Wir können vorher viele Gründe sammeln, Argumente sammeln und logisch überprüfen, und es spricht schon sehr viel für Gott. Aber eine innere Sicherheit werden wir erst bekommen, wenn wir bereit sind, uns auf die Existenz Gottes einzulassen.
Ein letztes Wort hier für all diejenigen, die versuchen, beides miteinander zu verbinden: Es gibt Menschen, die sagen: Na ja, ich will ja auch bei Gott sein. Im Jenseits verurteilt zu werden will ich nicht. Ich will bei Gott sein, aber ich will trotzdem ein gottloses Leben führen.
Das geht natürlich nicht. Da muss man sagen: Das geht nicht. Wenn es wirklich Gott gibt und du davon überzeugt bist und Gottes Vergebung für dein Leben in Anspruch nehmen willst, dann kannst du doch nicht allen Ernstes sagen: Ich führe meinen Alltag, aber trotzdem nach meiner Fasson. Ich mache das so, wie es mir gerade passt, weil das Leben in erster Linie Genuss ist und Gott mein Leben einschränkt.
Das ist Quatsch. An was für einen Gott glaubst du denn? Der Gott, den die Bibel nennt, will durch alles, was er dir sagt, dein Gutes. Wenn er dir sagt: Tu das nicht, dann ist das nicht, um dir etwas wegzunehmen, sondern um dich zu schützen.
Das ist ähnlich wie bei meinem Sohn. Ich weiß nicht, ob er fünf oder sechs Jahre alt war, da wollte er unbedingt eine Pistole. Jungs haben das ja manchmal so. Er hat mich gebeten, ob ich ihm nicht eine geben könnte. Ich habe keine, deshalb konnte ich ihm keine geben. Aber selbst wenn ich eine gehabt hätte, hätte ich sie ihm natürlich nicht gegeben. Ich denke, das wäre auch nicht gut gewesen.
Mein Sohn dachte damals, ich sei ein böser Vater, weil ich ihm das nicht erlaube. Bin ich ein böser Vater, wenn ich einem Fünfjährigen keine richtige Pistole zum Spielen gebe? Er denkt das zwar, aber das ist ja nicht so.
So sind manche Christen, die meinen: Gott hat mich zwar gerettet, aber jetzt macht er mir das Leben schwer, er verbietet mir so viele Sachen, die eigentlich toll und gut sind.
Nein, tut er nicht. Gott verbietet uns nichts, was wirklich gut und toll ist. Wenn er uns etwas verbietet, dann nur, weil er weiß: Ich sehe zwanzig Jahre weiter als du und weiß, dass es hinterher schlecht rauskommt. Deshalb mach es lieber nicht.
Das gilt natürlich für die Regeln, die die Bibel aufstellt, nicht für diejenigen, die Menschen aufstellen.
Es gibt viele Regeln in der Bibel, an die sollten wir uns richten.
Also: Errettet werden und an Gott glauben in der Gemeinde, aber im Alltag gottlos leben – das passt nicht zusammen, das geht nicht. Wenn du wirklich denkst, dass Gott es gut mit dir meint, dass er dir Schuld vergibt und dir ein neues Leben geben will, dann wäre es total unsinnig anzunehmen, dass er nicht für dein tägliches Leben genauso Hilfestellung bietet und dir zeigt, was richtig, gut und wichtig ist.
Da sollte man der Prägung der Gesellschaft nicht nachlaufen, die im öffentlichen Leben Gott vollkommen rausdrängen will. Ich habe gesagt: Säkularisierung, alles, was das tägliche Leben angeht, da hat Gott nichts zu sagen, das ist nur meine Sache, nur im Gottesdienst vielleicht hat Gott etwas zu sagen.
So einen Gott gibt es nicht. Wenn Gott wirklich da ist, dann hat er in jedem Lebensbereich etwas zu sagen, weil er in jedem Lebensbereich einen viel besseren Überblick hat als wir.
Deshalb: Für diejenigen, die beides machen wollen, ist das eine schlechte Lösung. Da sollte man sich entscheiden.