Sex vor der Ehe – fünf Blickwinkel auf ein heikles Thema
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt. Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um die Weisheit des Wartens.
Verschiedene Perspektiven auf das Thema Sex vor der Ehe
Wie immer kann man sich einem Thema aus ganz verschiedenen Richtungen nähern. Gestern hatte ich das Thema Verantwortung herausgestellt. Den Tag davor ging es mir um das Verbot, und zuvor um die Gefahr, die für ein Leben aus einem zu laxen Umgang mit Porneia erwächst.
Ich denke, dass bei sorgfältiger Betrachtung der Bibel schnell klar wird, dass Sex vor der Ehe meinen Glauben gefährdet, eine Sünde ist und in den Augen Gottes die Heiligkeit der Ehe beschmutzt.
Wenn mich jedoch jemand fragen würde: „Jürgen, warum soll ich mit dem Sex bis zur Ehe warten?“, dann würde ich nicht darüber reden, dass Unzucht den Heiligen Geist dämpft, dass vorehelicher Verkehr wie Prostitution ist oder dass Gott für ein Maximum an Intimität auch ein Maximum an Verbindlichkeit vorgesehen hat.
Ich würde in der Seelsorge einen ganz anderen Weg einschlagen.
Das Hohelied als Schlüssel zum Verständnis von Liebe und Sexualität
Und ich kann diesen Weg gehen, weil ich vor einigen Jahren das Hohelied studiert habe. Das Hohelied ist ein Buch aus dem Alten Testament, eigentlich ein Liebeslied. Salomo und Sulamit singen darin über ihre Liebe.
So sehr dieses Buch, was die Bilder angeht, auch Teil seiner Zeit ist – ich würde meine Frau nicht mit einer Stute am Prachtwagen des Pharao vergleichen, und ich möchte selbst auch nicht hören, dass meine Locken wie Dattelrispen sind. Die Bilder sind exotisch und fremd, aber die Begeisterung der beiden Liebenden füreinander, der Tiefgang ihrer Liebesbeziehung, der weder durch Missverständnisse noch durchs Altwerden ins Wanken gerät, das ist einfach großartig.
Im Hohelied werden Romantik und Verlangen zelebriert, ebenso Bewunderung und Leidenschaft. Das Hohelied ist ein Lied. Während Salomo eine reale Person ist, kann man davon ausgehen, dass Sulamit als Charakter erfunden ist.
Die Frage ist: Warum schreibt uns der Heilige Geist ein Liebeslied in die Bibel? Noch dazu eines, das in Bildern ganz unverhohlen alles beschreibt – von den ersten flüchtigen Blicken über eine stürmische Hochzeitsnacht bis hin zur erfahrenen Sinnlichkeit des Alters.
Die Antwort ist ganz einfach: Weil es genau das ist, was Gott sich für Liebende wünscht. Gott ist ein Gott, der Sexualität erfunden hat und sie feiert. Weit entfernt von einer Dienstgemeinschaft oder einer Zweckehe wünscht sich der Gott, der sich die Ehe ausgedacht hat, für Eheleute eine Genussgemeinschaft, die bis ins hohe Alter lustvoll einander genießt.
Die Bedeutung der Geduld und des richtigen Zeitpunkts in der Liebe
Und indem das Hohelied uns dieses Ziel vorstellt, konfrontiert es uns natürlich mit der Frage: Wie haben die beiden das denn gemacht? Wie sind sie in eine Ehe gekommen, in der es auch nach der Silberhochzeit noch knistert und prickelt? Was ist das Geheimnis einer solchen Ehe?
Die Antwort darauf finden wir dreimal im Hohelied. Dort lesen wir diese Ermahnung aus dem Mund der Sulamit: Hohelied 2,7, aber auch 3,5 und 8,4.
Dort heißt es: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hirschkühen des Feldes: Weckt nicht, stört nicht die Liebe, bevor es ihr selbst gefällt.“
Obwohl Sulamit bei den Gazellen und Hirschkühen schwört, handelt es sich hier nicht um einen echten Schwur. Sie benutzt lediglich die Stilistik eines Schwurs, um die Ernsthaftigkeit ihres Anliegens zu unterstreichen. Dieses Anliegen ist eng mit der bildhaften Bedeutung von Gazellen und Hirschkühen verbunden.
Beide Tiere stehen für den Genuss der ehelichen Liebe. Die Kitze der Gazelle werden im Hohelied verwendet, um die weiblichen Brüste zu beschreiben. Sprüche 5,19 nennt die Frau der Jugend eine liebliche Hirschkuh, an deren Brüsten der Ehemann Rausch und Taumel finden soll.
Warnung vor verfrühter körperlicher Liebe
Wichtig! Sulamit warnt die Töchter Jerusalems hier nicht davor, sich zu verlieben. Das Verlieben gehört zum Leben dazu.
Sie spricht vielmehr eine Warnung in Bezug auf die sexuelle Liebe aus. Mit meinen Worten: Pass auf, dass du die Freuden der körperlichen Liebe und die damit verbundenen Emotionen nicht unterschätzt. Spiele nicht mit dem Feuer, sonst wird es dich verbrennen. Wecke körperliche Liebe nicht zu früh auf. Der richtige Zeitpunkt dafür ist im Hohelied in der Hochzeitsnacht gekommen. Dann betrachtet er sie zum ersten Mal nackt und feiert ihre Enthaltsamkeit, ihre Jungfräulichkeit mit den Worten:
Hohelied 4,12: Ein verschlossener Garten ist meine Schwester, meine Braut, ein verschlossener Born, eine versiegelte Quelle.
Versteht ihr die Bilder? Sie ist kein Garten, in dem schon viele spazieren waren, keine Quelle, aus der schon viele getrunken haben. Sie hat sich aufgehoben.
Jetzt, in der Hochzeitsnacht, feiern die beiden ihre Intimität. Aber sie feiern diese Intimität als Höhepunkt einer Entwicklung. Wenn man das Hohelied studiert, stellt man fest, dass es in Teilen auch die Chronologie einer Beziehung widerspiegelt. Kapitel zwei beschreibt dabei die Zeit vor der Hochzeit, die Kennenlernphase.
Die Bedeutung eines festen Fundaments vor der körperlichen Liebe
Und wenn junge Leute mich fragen, warum sie mit dem Sex warten sollen, dann antworte ich: Warte mit dem Sex. Sex funktioniert zwar als schönes Sahnehäubchen einer Beziehung, aber nicht als Fundament.
Gott wünscht dir eine leidenschaftlich erotische Beziehung mit deinem Partner, die bis ins hohe Alter hält. Doch eine solche Beziehung braucht eine solide Grundlage. Schaffe zuerst diese Grundlage, halte dich an Gottes Fahrplan und dann kannst du dich dein ganzes Leben lang an deinem Ehepartner berauschen.
Ganz konkret werden im Hohelied verschiedene Lernfelder beschrieben, die als Grundlage für eine jahrelang leidenschaftliche Beziehung erlernt werden müssen. Diese Lernfelder gilt es zu meistern, bevor die körperliche Liebe geweckt wird.
Versteht ihr: Erst brauche ich ein Fundament, und dann kann ich das Tier freilassen. Um es ganz klar zu sagen: Wenn Gott sagt, warte mit dem Sex, dann will er uns unter dem Strich nichts wegnehmen. Vielmehr zeigt er uns den Weg, wie man guten Sex und Sinnlichkeit optimiert, indem man vorher die Grundlage legt, die allein eine jahrzehntelang leidenschaftliche Beziehung hervorbringen kann.
Wesentliche Lektionen für eine dauerhafte Liebesbeziehung
Welche Lektionen sollte ich in der Kennenlernphase lernen?
Zu diesem Thema gibt es auf Frogwords zwei Vorträge, die ich im Skript verlinke. Hier nur eine kurze Übersicht als Teaser:
Lerne vor dem ersten Mal, wie dein Charakter in einer Beziehung zur Gefahr werden kann. Erfahre, wie man auf poetisch-sinnliche Weise Worte für die eigenen Gefühle findet. Lerne, bereits kleine Probleme zu erkennen und zu lösen. Entdecke, wie man sich in der Beziehung öffnet und sich verschenkt. Außerdem ist wichtig, Verantwortung für das Gelingen der Beziehung im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu übernehmen.
Auf diesem Fundament aus Rücksichtnahme, Romantik, Realismus, Transparenz und Verantwortungsbewusstsein kann sich eine Ehe entfalten, die Wolllust bis ins hohe Alter zelebriert. Dies gelingt, weil sie sich an den Fahrplan Gottes gehalten hat.
Zu diesem Fahrplan gehört kein Sex vor der Ehe, da dieser es den Liebenden unmöglich macht, sich auf die Lektionen zu konzentrieren, die es vor der Hochzeitsnacht zu lernen gilt.
Praktische Empfehlung und Abschluss
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir die Auslegung zu Hohelied 2,8 bis 3,5 aus dem Hohelied-Kommentar auf Frogwords durchlesen. Der Link dazu ist im Skript.
Das war's für heute.
Bete für junge Christen, dass sie den Mut haben, in Bezug auf Sex vor der Ehe gegen den Strom zu schwimmen. Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und schenke dir seinen Frieden. Amen.
