Winrich Scheffbuch

Sehnsucht nach dem göttlichen Frieden

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Mitten im Kriegselend dichtete Christian Keimann das bekannte Weihnachtslied „Freude, Freude über Freude”

Christian Keimann (1607-1662) hat uns das wichtigste und am meisten gesungene Weihnachtslied des 17. Jahrhunderts geschenkt. Überschwänglich drückt es die ganz große Freude aus: „Christus wehret allem Leide!” Die strahlende Melodie zum Lied stammt von Andreas Hammerschmidt (1612-1675). Sie hat zur weiten Verbreitung des Weihnachtslieds kräftig beigetragen. Hammerschmidt gehörte nach Heinrich Schütz (1585-1672) zu den beliebtesten Musikern seiner Zeit. Er lebte und wirkte als Kantor an der Johanneskirche in Zittau und war wie Christian Keimann aus Böhmen vertrieben worden.

Verjagt wegen Christus

Der Vater Keimanns war ein armer Dorfpfarrer im böhmischen Pankraz bei Pilsen, als Christian dort als ältester Sohn am 27. Februar 1607 geboren wurde. Später wirkte der Vater in Allendorf unweit Zittau, ebenfalls auf böhmischem Boden. Dort erreichten die Schrecken des 30-jährigen Krieges die Familie. Ein Krieg, der Christian Keimann fast sein ganzes Leben begleitete. 14 Jahre alt war er, als im November 1620 die erste große Schlacht vor den Toren Prags tobte. Die evangelischen böhmischen Landstände wurden vernichtend geschlagen - die kaiserliche Gegenreformation siegte. Grausam wüteten anschließend die mordenden Horden der Soldaten: Menschen lagen sterbend am Straßenrand, unzählige wurden am Galgen aufgehängt. Durchziehende Truppen plünderten Felder und Häuser. Sinnlos und fanatisch wurden eroberte Dörfer und Städte niedergebrannt. Überall hörte man das Seufzen der Verletzten und Sterbenden, deren sich keiner mehr annahm. Die Pest raffte viele von denen hinweg, die übrig geblieben waren. Hunger, Leid und Verzweiflung - wohin man auch sah. Kaiser Ferdinand wollte die Evangelischen mit Gewalt zum alten Glauben zurückbringen. Unerbittlich sollten alle evangelischen Spuren ausgelöscht werden. 1627 wurden die letzten lutherischen Prediger aus Böhmen verjagt. Viele evangelische Bekenner flohen ins Ausland - so auch die Eltern Keimanns mit ihren fünf Söhnen und einer Tochter. In Zittau (der Oberlausitz in Sachsen), nahe der Heimat der Mutter, fanden sie Zuflucht.

In großer Armut

Es war bezeichnend für Vater Keimann, dass er nicht klagte, sondern es als eine Ehre achtete, dass er um Christi willen solches leiden sollte. Zeitlebens schrieb er stolz, wenn er mit seinem Namen zeichnete: Exul Christi - ein Vertriebener um Christi willen. Mittellos wie er war, konnte der Vater zum Studium seines ältesten Sohnes nichts beisteuern. Das Studium in Wittenberg - einer Hochburg der Theologie im heutigen Sachsen-Anhalt - muss für Christian eine sehr entbehrungsreiche Zeit mitten im schrecklichen Krieg gewesen sein. Dankbar blieb Keimann dem Bürgermeister für den freien Mittagstisch, den er als junger Student zwei Jahre lang genießen durfte. Der Vater hatte nur ganz geringe Einkünfte und starb schon 1632 an der Pest, die in Zittau in kurzer Zeit 3.000 Bürger wegraffte. Als Christian Keimann seine Magisterprüfung 1634 mit gutem Ergebnis bestand, berief ihn kurz darauf der Magistrat von Zittau zum Leiter des dortigen Gymnasiums, das durch den Krieg völlig zerstört war. Es herrschte schlimmste Armut. Die einst reiche Stadt war von sächsischen Truppen gestürmt und brutal geplündert worden. Die Bevölkerung litt unsagbar. Es gab nichts mehr zu essen. Viele flohen. Erst als die fürchterlichen Kriegsnöte ein Ende hatten, konnte unter großen Mühen das Gymnasium langsam aufgebaut werden. Die Arbeit als Pädagoge an der Schule sollte Keimanns großes Lebenswerk werden. Neben christlichen Schulbüchern verfasste er verschiedene Rechenbücher, die mehrmals aufgelegt wurden.

Getextet für die Schule

Mit seinen Liedern und Gedichten wollte Christian Keimann junge Menschen mit dem Wort Gottes vertraut machen. Seine dichterische Gabe war schon im Studium von einem Poesieprofessor entdeckt und gefördert worden. Später wurde er dafür mit kaiserlichem Dichterlorbeer geehrt. Damals wurden an den höheren Schulen häufig Theaterstücke in lateinischer oder deutscher Sprache gespielt. Keimann hatte zu diesem Zweck geistliche Schulkomödien getextet und auch aufgeführt, um wichtige ethische oder biblische Wahrheiten den Schülern bewusst zu machen. In dieser Tradition entstand 1645 für seine Schüler auch das Weihnachtsspiel mit dem Titel „Der neugeborene Jesus, den Hirten und Weisen geoffenbart”. Darin findet sich das Lied:

Freuet euch, ihr Christen alle, freue sich, wer immer kann; Gott hat viel an uns getan. Freuet euch mit großem Schalle, dass er uns so hoch geacht’, sich mit uns befreund’t gemacht. Freude, Freude über Freude: Christus wehret allem Leide. Wonne, Wonne über Wonne: Christus ist die Gnadensonne.

Siehe, siehe, meine Seele, wie dein Heiland kommt zu dir, brennt in Liebe für und für, dass er in der Krippen Höhle harte lieget dir zugut, dich zu lösen durch sein Blut. Freude, Freude über Freude: Christus wehret allem Leide. Wonne, Wonne über Wonne: Christus ist die Gnadensonne.

Jesus, wie soll ich dir danken? Ich bekenne, dass von dir meine Seligkeit herrühr; so lass mich von dir nicht wanken; nimm mich dir zu eigen hin, so empfindet Herz und Sinn Freude, Freude über Freude: Christus wehret allem Leide. Wonne, Wonne über Wonne: Christus ist die Gnadensonne.

Sehnsucht nach Frieden

Keimann wollte seinen Schülern zeigen und wichtig machen, wie die Geburt von Jesus an Weihnachten sündigen Menschen eine neue Wertschätzung Gottes und eine ganz unverdiente Würde bringt. Das allein sei der Grund der großen, nicht endenden Freude. Drei Jahre vor dem Ende des 30-jährigen Krieges klingt hier in der vierten Strophe des Liedes die große Sehnsucht nach einem baldigen und wirklich echten Frieden im neuen Jahr auf:

Jesus, nimm dich deiner Glieder ferner noch in Gnaden an: schenke, was man bitten kann, zu erquicken deine Brüder; gib der ganzen Christenschar Frieden und ein selges Jahr. Freude, Freude über Freude: Christus wehret allem Leide. Wonne, Wonne über Wonne: Christus ist die Gnadensonne.

In Depressionen bewährt

Über dem letzten Lebensabschnitt von Christian Keimann liegt ein dunkler Schatten schwerer Anfechtungen. Was es genau war, wissen wir nicht. Es wird von Umständen berichtet, die ihm einen tödlichen Seelenkummer bereiteten. Halt und Trost fand er nur in Jesus: „Meinen Jesus lass ich nicht - Er ist meines Lebens Licht!” Dieses zuversichtliche Lied dichtete er vier Jahre vor seinem Tod, kurz nach einem verheerenden Stadtbrand. Am 13. Januar 1662 starb Christian Keimann, Vater von neun Kindern. Von Jesus hat er nicht gelassen bis in seine Todesstunde - aller Finsternis und Anfechtung zum Trotz.

Informationen zum Autor

Der Autor - Pfarrer Winrich Scheffbuch - lebt in Stuttgart und ist „Pionier der evangelikalen Entwicklungshilfe”. Der Pastor ist zusammen mit seiner Frau Beate Autor verschiedener Bücher über Komponisten, Liedtexter und Dichter von christlichen Liedern. Das neueste Buch von den Scheffbuchs „ Weil mich festhält deine starke Hand” erzählt von Frauen, die von Jesus Lieder singen. Das Autorenehepaar stellt 32 Frauen vor und wie ihre bekannten Lieder entstanden sind.

Winrich und Beate Scheffbuch: “Weil mich festhält deine starke Hand - Frauen singen von Jesus” Hänssler Verlag (Holzgerlingen) 144 S., 9,95 € Erschienen am: 2009/8 (idea spektrum spezial Weihnachten & Jahreswechsel)