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In jeder Lage sich Gott zuwenden

27.09.19971. Johannes 3,19-24

I. Trost bei innerer Bedrängnis (19-20)

Überreden des Herzens

Unserem Abschnitt gehen deutliche Worte zur Bruderliebe voran: Meine Kinder, laßt uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit. 1.Joh.3,18. Aber was soll der zutiefst Angefochtene damit anfangen, wenn er damit gestärkt werden soll, dass er ja an seiner Liebe zu den Brüdern erkennen könne, dass er aus der Wahrheit sei? Er aber eben diese Liebe in seinem Herzen offenbar nicht findet; so dass dem angefochtenen Herzen diese Gewissheit fehlt.
Das ist der Ausgangspunkt der hier besprochenen Not.
Es geht um die Frage, wie der so angefochtene auch mitten in der Anfechtung zu der Gewissheit kommen könne, dass er dennoch "aus der Wahrheit ist". (1) Wer kennt diese Zeiten in seinem Leben nicht? Man kommt sich vor als einer, der der Sache Gottes nicht wert ist. Die Liebe die man leben sollte, ist gedämpft. Irgendwie scheint die Gewissheit der Gotteskindschaft verschwunden zu sein. Nach meinem Gefühl zu schliessen, bin ich kein Gotteskind. Am liebsten würde man davonlaufen, weil man der Sache nicht mehr gewachsen scheint. Ich schaffe es nicht Christ zu sein, mag dann mach einer denken. Darauf geht Johannes nun ein: Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und vor ihm unser Herz zum Schweigen bringen, / daß, wenn uns unser Herz verurteilt, Gott größer ist als unser Herz und erkennt alle Dinge. 1.Joh.3,19-20. Wie kommen wir aus einem solchen Dilemma heraus? Zwei Punkte möchte ich herausheben:

Vor Ihm!

Der erste und wichtigste Schritt, den wir in einer solchen Situation machen müssen ist: Zu Ihm zu gehen. Vor ihm bewegen wir unsere innere Not, hier ist der einzig richtige Ort. Wer zu Gott eilt, wer vor ihn tritt, der erweist sich als einer, der in der Wahrheit steht. Obwohl die Gefühle etwas ganz anderes sagen, obwohl das Herz uns verurteilt, eilen wir zu Gott, denn wer in der Wahrheit ist, der weiss um die Gnade und Barmherzigkeit Gottes, der weiss, dass er beim himmlischen Vater Zuflucht findet. Wir suchen Zuflucht bei Gott, wie wir im Hebräerbrief lesen: Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben. Hebr.4,16. Vor diesem Thron können wir uns aussprechen. Alle, die länger im Glauben stehen, kenne Zeiten der Anfechtung. Zeiten wo wir verunsichert sind. Dann sollten wir nicht zögern und bei Gott Zuflucht suchen und vor ihm unsere Herzen öffnen. Das geschieht, wenn wir uns in die Stille zurückziehen, auf einen Spaziergang oder in einen ruhigen Raum, wo wir einmal ganz still werden können. Ganz offen können wir zu Gott kommen und mit David sagen: Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich's meine. / Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege. Ps.139,23-24. Der Glaubende soll wissen, dass Gott ihn viel besser kennt, als er sich selbst. Denn Gott ist grösser als unser Herz. Verglichen wird hier unser Herz und Gott. Es ist nicht allgemein von der Grösse Gottes an sich die Rede, sondern von der Kleinheit des Herzens in der Liebe und der Grösse Gottes in seiner Liebestat.
Das Herz in seiner Enge sieht nur die Tat, die es bedrückt, die es entmutigt, die ihm das Urteil spricht.
Gott aber sieht auf die Liebestat in seinem Sohne, die er nicht zurücknimmt.
Seine Liebe, die nicht nur einmalige Tat, sondern bleibende Annahme und bleibendes Sich-Verschenken ist, ist unermesslich grösser als das verzagte Herz. (2) Wer also in der Wahrheit steht, der wendet sich an Gott in Zeiten innerer Bedrängnis.

Überreden

Vor Gott bringen wir unsere Herzen zum Schweigen, oder man kann auch übersetzen: wir überreden unsere Herzen. Nun heisst es, dass wir unsere Herzen überzeugen, oder überreden. Dieses Wort, das in der Lutherübersetzung an dieser Stelle mit "zum Schweigen bringen" übersetzt wird, finden wir auch in der Apostelgeschichte, dort lesen wir in der Lutherübersetzung: und ihr seht und hört, daß nicht allein in Ephesus, sondern auch fast in der ganzen Provinz Asien dieser Paulus viel Volk abspenstig macht, (und) überredet und spricht: Was mit Händen gemacht ist, das sind keine Götter. Apg.19,26. Oder im Korinterbrief: Weil wir nun wissen, daß der Herr zu fürchten ist, suchen wir Menschen zu gewinnen (überreden!); aber vor Gott sind wir offenbar. ich hoffe aber, daß wir auch vor eurem Gewissen offenbar sind. 2.Kor.5,11. Die Bedeutung dieses Wortes ist überzeugen oder überreden. Wir sollen demnach unser Herz überreden oder überzeugen. Entgegen unseren Gefühlen, die uns verklagen, halten wir an der Wahrheit Gottes fest. Wir stellen unserer Subjektivität die objektiven Tatsachen Gottes entgegen. Denn unser Glaube basiert nicht auf unseren Gefühlen, sondern auf dem Handeln Gottes. So halte ich meinem Herzen die Tatsachen Gottes entgegen, indem ich es überzeuge oder übererrede. Die Bibel teilt uns viele dieser Tatsachen mit. So kann ich beispielsweise das Johannesevangelium aufschlagen und Kp.1,12-13 lesen: Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, / die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. Joh.1,12-13. Ja, Herr Jesus ich habe dich aufgenommen, und glaube an deinen Namen, danke das ich dein Kind bin. Danke das ich aus dir geboren bin. Weiter könnte man den Kolosserbrief aufschlagen und lesen: Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. / Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. / Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus. Kol.2,13-15. Danke Herr, dass Du meine Schuld ans Kreuz genommen hast. Du hast mir alles weggenommen, was mich verklagen könnte, Du hast mich lebendig gemacht. Danke! Beliebig könnte dieses Überreden des Herzens weitergehen. Dem verklagenden Herzen halten wir die Wahrheit Gottes entgegen.

II. Unbelastete Beziehung zu Gott (21-22)

Glücklicherweise ist es nicht ein Dauerzustand, dass uns unser Herz verklagt. Dann haben wir eine innere, feste Gewissheit der Rettung und dadurch einen freudigen Zugang zu Gott. Wir haben Zuversicht, denn nichts steht uns im Weg. Dann können wir mit unseren Bitten vor Gott treten, denn wenn uns unser Herz verklagt, haben wir diese Freiheit nicht, dann wagen wir uns nicht von Gott etwas zu erbeten, dann müssen wir erst aus unserem Loch herauskommen, un die Beziehung zu ihm klären. Aber wenn uns unser Herz nicht verklagt, dann haben wir die Freiheit Gott zu bitten. Und Johannes macht sogar deutlich, dass diese Gebete erhört werden, er schreibt hier: und was wir bitten, werden wir von ihm empfangen; denn wir halten seine Gebote und tun, was vor ihm wohlgefällig ist. 1.Joh.3,22. Wunderbar - was wir bitten werden wir von ihm empfangen. Das ist ja der Grund, weshalb wir uns immer wieder an Gott wenden. Wir beten, weil wir wissen, dass Gott uns hört und auf unsere Anliegen eingeht. Johannes stellt die Erhörung der Gebete in einen bestimmten Rahmen: denn wir halten seine Gebote und tun was ihm gefällt. Das Gebet steht nicht in eigener Kraft vor uns: Bete nur, dann wird Gott die Gebete erhören. Je mehr du betest, desto schneller trifft das Erbetene ein. Ob Gebete erhört und erfüllt werden, hängt also nicht von der Dauer, der Häufigkeit oder der Technik ab, sondern von meinem Glauben. Und zwar nicht vom Glauben, dass die Gebete erhört werden, sondern vom praktizierten Glauben. Johannes begründet die Erfüllung der Gebete nämlich damit, dass wir seine Gebote halten und tun was Gott gefällt.

Anwendung

Wenn wir das so hören, dann entstehen tausend Fragen. Wieviel habe ich von Gott erbeten, das auch durchaus in seinem Sinn war und nicht gegen seine Gebote verstiess, aber ich habe es nicht erlangt. Wir leben alle in dieser Spannung, dass wir wissen, Gott erhört unsere Gebete, wir haben dazu sogar deutliche Zusagen aus der Bibel. Andererseits müssen wir damit leben, dass Gebete, so scheint es uns, nicht erfüllt werden. Der Johannesbrief wird uns nochmals an diese Frage führen, deshalb möchte ich hier nur kurz darauf eingehen. Jeder Beter, der sich an Gott wendet, sollte von der Bitte, die wir aus dem "Unser Vater" kennen: Dein Wille geschehe, geprägt sein. Wir können ernstlich, von ganzem Herzen um etwas bitten und wir können genauso ernstlich hinzufügen, aber Dein Wille soll geschehen. Das ist kein Verhalten des Unglaubens, und es hat auch nichts damit zu tun, dass ich vorsorglich die Enttäuschung von mir abwenden will, falls meine Bitte nicht erhört wird. Wer so betet respektiert Gott in seiner Grösse und Allmacht, und setzt sich und seine Gedanken in eine gesunde Beziehung zum Schöpfer. Abgesehen davon, muss auch gesagt sein, dass Gott wirklich sehr viele Gebete erhört, oft liegt es daran, dass wir vergessen haben worum wir gebetet haben. Wenn uns unser Herz nicht verklagt, so haben wir also den freien Zugang zu Gott, und was wir bitten, werden wir erhalten. Wichtig dabei ist, dass wir seine Gebote beachten und das tun was ihm gefällt. Wenn wir das nicht tun, dann haben wir sowieso keinen Grund zu erwarten, dass unsere Gebete erhört werden.

III. Treu bleiben (23-24)

Die Konkretisierung, was es heisst seine Gebote zu beachten und zu tun was ihm wohlgefällt, erfahren wir in den nächsten Versen. Und das ist sein Gebot, daß wir glauben an den Namen seines Sohnes Jesus Christus und lieben uns untereinander, wie er uns das Gebot gegeben hat. / Und wer seine Gebote hält, der bleibt in Gott und Gott in ihm. 1.Joh.3,23-24a.

Gebot Halten

Das Gebot halten, heisst zum einen, an den Namen seines Sohnes Jesus Christus zu glauben. Glauben meint aber nicht ein für wahr halten. Ich glaube, ich halte für wahr, dass Jesus gelebt hat und er Gottes Sohn ist. Glauben wird hier umfassender verstanden. Ich vertraue auf Jesus. Dies beinhaltet, dass wir auf Jesus hören. Das wir nicht nur glauben, dass er war, sondern dass wir glauben wer er ist. Wir vertrauen auf das, was er gesagt hat. Darum ist die Verbindung mit Gebote sehr einleuchtend. So lasen wir im 2. Kapitel: Und daran merken wir, daß wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. 1.Joh.2,3. Man erkennt also am Halten der Gebote, ob jemand an Jesus glaubt. Dieses Halten der Gebote ist aber nicht ein gesetzmässiges Halten, sondern ein freiwilliges, von der Liebe geprägtes Verhalten. So sagt Jesus: Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Joh.14,15. Ohne Liebe können Gottes Gebote nicht gehalten werden, weil sie dann immer in gesetzlicher Weise erfüllt werden. Wer seine Gebote hält, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Wir sollen also auf das hören, was Gottes Wort uns lehrt, wie Jesus zu seinen Jüngern sagt: Ihr seid meine Freude, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Joh.15,14. Vielleicht klingt dies in unseren Ohren etwas fremd, weil wir stark davon ausgehen, dass uns Gott alles schenkt und wir letztlich unserer Verantwortung enthoben sind. Was richtig ist, ist, dass Gott uns alles schenkt. In seinem Sohn hat er uns alles gegeben, was wir brauchen. Zu unserer Rettung können wir nichts beitragen, Jesus hat am Kreuz alles für uns getan. Durch den Glauben an Jesus, bekommen wir Frieden mit Gott, wie Paulus schreibt: Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; Rö.5,1. Dieser Friede mit Gott, der allein Gott uns schenken kann, ermöglicht uns erst, die Gebote Gottes im richtigen Sinn zu tun.

Evangelisation

Wer diese grundlegende Veränderung, die durch den Glauben an Jesus Christus in uns Menschen vollzogen wird, nicht kennt, der kann sich abmühen wie er will. Ja, es wird sogar gelingen einige oder vielleicht sogar viele Gebote äusserlich einzuhalten. Aber dies wird getrieben von der Angst geschehen, in panischer Werktätigkeit. Gott möchte uns aber nicht über die Welt hetzen, er möchte uns Frieden schenken. Er möchte uns aus unserer Verlorenheit retten, uns ewiges Leben geben. Hast Du dieses ewige Leben? Ewiges Leben bekommen wir nicht durch unsere eigenen Leistungen, indem wir uns bei Gott in ein gutes Bild setzen. Die Liebe Gottes zeigt sich gerade dadurch, dass er uns liebt, weil wir so hilflos und verloren sind. Er zeigt uns seine grosse Liebe und Barmherzigkeit, bevor wir überhaupt etwas gemacht haben, denn im Römerbrief heisst es: Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Rö.5,8. Gott hat seine Liebe bewiesen. Sie gilt für uns alle. Wir müssen uns nur Jesus zuwenden, ihm nachfolgen, glauben, was er uns gesagt hat. Gott kann seine Liebe den Menschen nicht aufzwingen, weil dies der Liebe grundsätzlich widersprechen würde. Liebe kann sich nur anbieten. Sie kann sich offerieren. Sie kann bereit sein. Aber sie kann sich nie und nimmer aufzwingen, weil dann die Liebe nicht mehr Liebe wäre. Wenn ein Mann in eine Frau verliebt ist, wird diese Frau nicht im vollen Masse diese Liebe auskosten können, wenn sie sich dieser Liebe verschliesst. Leider verschliessen sich viele Menschen der Liebe Gottes. Ich möchte Sie aber trotzdem einladen, die Liebe Gottes anzunehmen, indem sie beginnen an Jesus zu glauben, ihm zu vertrauen. Gerne helfe ich ihnen auf diesem Weg.

Bruderliebe

Ein wichtiges Gebot, das Johannes hier nochmals hervorhebt, ist die Bruderliebe. Die welche an Jesus glauben, sollen sich untereinander lieben, eben so wie es Jesus geboten hat. z.B. wenn er sagt: Das gebiete ich euch, daß ihr euch untereinander liebt. Joh.15,17. Diese Liebe schien in den Gemeinden nicht mehr so selbstverständlich zu sein. Ansonsten hätte Johannes nicht immer wieder darauf hinweisen müssen. Wir können es uns auch nicht genug sagen lassen, dass wir uns untereinander lieben sollen. Paulus sagt den Galatern: Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. Gal.5,6.

Der Geist

Nun schliesst dieser Abschnitt mit der Aussage: Und daran erkennen wir, daß er in uns bleibt: an dem Geist, den er uns gegeben hat. 1.Joh.3,24b. Damit wird klar, dass das Halten der Gebote, eben nicht in der menschlichen Leistung begründet ist, sondern im Heiligen Geist, den er denen gibt, die an ihn Glauben. Dieser Geist führt die, welche an Jesus glauben, wie es heisst: Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Rö.8,14. Wer so leben kann, wie Johannes dies hier beschreibt, der erweist sich als einer der den Geist Gottes hat. Denn nur so kann man in dieser Weise leben. Was aber auch noch gesagt werden muss, ist, dass wir den Heiligen Geist in seiner Wirkungsweise einschränken können, durch unseren Ungehorsam. Dann wird auch unser Glaubensleben nicht besonders erfreulich sein.

Schluss

Ob es uns nun gut geht oder schlecht.
Ob unsere Gefühle uns hinunterreissen oder aufstellen. In jeder Situation dürfen und sollen wir uns an Gott wenden. Dadurch erweisen wir uns als in der Wahrheit stehend. Er hilft und handelt in jedem Fall so, wie es für uns richtig ist. Wir sollen einzig ihm treu bleiben und dies tun wir, wenn wir bei ihm Zuflucht suchen. Ist das nicht ein wunderbarer Gott, der für uns in jeder Situation ein offenes Herz hat? Der uns nicht verurteilt, sondern in die Arme nimmt und aufrichtet? Nur müssen wir zu ihm kommen und unser Herz aufrichtig öffnen – das ist unser Teil!

(1) Ernst Gaugler: Die Johannesbriefe (Zürich, EVZ, 1964), S. 186. (2) Ebd., S. 189.