Sehnsucht nach Freiheit und Selbstverwirklichung
Ich sage, ich möchte mich mal entfalten, ich möchte frei sein, ich möchte selbstständig sein, ich möchte mich selbst verwirklichen. Und dazu brauche ich natürlich ein paar Mäuse. Deshalb schlage ich dir vor, du zahlst mir jetzt mal das Erbe aus. Erstens steht mir das sowieso rechtmäßig zu, und zweitens ist es doch im Prinzip egal, ob ich das Geld nun kriege, wenn du über Jordan bist oder jetzt gleich. Also sei kein Frosch und reich mal ein paar Päckchen von den großen blauen Scheinen rüber.
Jeder andere Vater hätte in diesem Moment entweder eine Tobsucht bekommen oder einen Schlaganfall. Jeder andere hätte dem Sohn den Briefbeschwerer an den Nacken geschmissen oder den Kerl überhaupt rausgeworfen. Mindestens hätte jeder andere Vater jetzt eine Diskussion angefangen und gesagt: „Aber Junge, warum spielst du nur verrückt? Was ist denn los? Du musst doch nicht gleich solche Konsequenzen ziehen.“
Ich meine, wenn dir das bei mir nicht gefällt, ich zahle dir noch eine Reise nach Teneriffa, das ist kein Problem. Oder so die ironisch drohende Tour: „Dann heißt es, du bist selbstständig – nur dass ich nicht lache, du bist doch noch grün, noch nicht ganz trocken hinter den Ohren. Dann kann ich dir jetzt schon sagen, dass das schiefgeht.“
Aber bitte, wenn du unbedingt ohne mich weiterleben willst, bitte, du kannst mein Haus verlassen. Aber ich sage dir, wir sind dann getrennte Leute, und dann brauchst du dich bei mir nie wieder blicken zu lassen. Oder so die beleidigte Leberwurst.
Das heißt, das hat man nun davon. Man schuftet ein Leben lang, man steckt es den Kindern vorne und hinten rein, man lebt nur für die Kinder, und was ist der Dank? Es passt dem Herrn Sohn nicht.
Gottes geduldige Liebe und das Erbe des Lebens
Womit habe ich das verdient? Der Vater in unserer Geschichte reagiert ganz anders. Wortlos steht er auf, geht zum Kassenschrank, holt die Geldbündel heraus, zählt das Erbe ab und blättert die Scheine schweigend auf den Tisch. Er sagt kein einziges Wort – keine Bitte, keine Frage, kein Vorwurf, keine Drohung, keine Szene, nichts.
Der Vater gibt, er gibt nach. „Nur so einen Vater möchte ich auch mal haben“, wird mancher von euch denken. Ja, kannst du doch, hast du doch. Mit dem Vater, von dem ich euch hier erzähle – das wisst ihr ja von heute Vormittag – ist Gott gemeint. Und Gott ist auch dein Vater.
Hast du dir überhaupt schon überlegt, was du von ihm alles geerbt hast? Er hat dir doch alles gegeben, was du zum Leben brauchst: dein Leben, deine Gesundheit, deine Kräfte, deine Schönheit, deine Begabung – überhaupt alles. Es gibt nicht ein einziges Haar auf deinem Kopf, das du selbst gemacht hast. Nicht eine einzige Gehirnwindung in deinem Schädel hast du selbst geschaffen.
Die Frage ist bloß: Was machst du mit all den Dingen, die Gott dir gegeben hat? Machst du es so wie der junge Mann in der Geschichte, der von seinem Vater Geld anfordert und annimmt, als ob das eine Selbstverständlichkeit wäre – und sich nicht einmal dafür bedankt? Der sieht nur bei seinem alten Herrn ab, stopft sich die Geldscheine in die Taschen, brennt sich mit einem neuen Zehnmarkschein eine bittere Stäubesand an und dampft dann ab in die große weite Welt.
Nach seinem Vater sieht er sich kein einziges Mal um. Der hat sich für ihn erledigt, den hat er im wahrsten Sinn des Wortes hinter sich – so wie viele von euch sagen: „Gott, also das habe ich hinter mir. Ich bin erwachsen, ich bin gebildet, ich bin wissenschaftlich ausgebildet, ich bin ein mündiger Mensch. Diese primitive, kindliche Vorstellung von einem Vatergott hat sich für mich schon längst erledigt.“
Gottes Liebe trotz Ablehnung und Freiheit des Menschen
Es mag sein, dass du so argumentierst, aber deswegen bist du für Gott noch lange nicht erledigt. Er liebt dich immer noch – so wie der Vater in unserer Geschichte seinen Sohn immer noch liebt, auch wenn der Sohn ihm die kalte Schulter zeigt und ihm den Rücken zudreht. Jetzt erst recht.
Ich stelle mir vor, wie der Vater in der Haustür steht und seinem Sohn nachblickt, der davongeht. Vielleicht hat der Vater die Hand so über die Augen gelegt, damit die anderen nicht sehen, wie ihm die Tränen herunterrollen. Doch er schweigt.
Wenn der Vater Gott ist, stellt sich die Frage: Warum schweigt der Vater? Warum versucht er nicht wenigstens, den Jungen zurückzuhalten? Der Vater, also Gott, ist doch allwissend. Er weiß genau, dass der Junge gerade voller Kraft in sein Unglück rennt. Wie kann Gott das zulassen? Kann er das? Muss er das nicht verhindern?
Gott ist allmächtig – warum wendet er keinen Zwang an? Weil Gott die Freiheit genauso liebt wie du. Weil er dich liebt und möchte, dass du ihn auch liebst. Liebe lässt sich nun mal nicht erzwingen. Wenn jemand nicht mit Gott leben will, kann Gott ihn nur laufen lassen.
Deshalb begegnet Gott dir nicht als Diktator. Er kann nur warten, bis du freiwillig zu ihm kommst – ohne jeden Zwang. Zwang entwürdigt den Menschen. Gott respektiert deine Menschenwürde, indem er dir deine Freiheit lässt, auch dann, wenn du ihm den Rücken drehst und seine Liebe verschmähst.
Gottes Schmerz über unsere Ablehnung
Kannst du dich erinnern, wie das gewesen ist? Vielleicht sind manche gerade jetzt in genau diesem Zustand: verliebt in jemand anderen, so richtig hemmungslos verknallt, und der andere beachtet dich nicht.
Manchen von euch geht es vielleicht so: Da sieht man diese niedlichen Schiffchen über die Wiese laufen, und sie beachten einen überhaupt nicht. Du bist hemmungslos verknallt und hoffst auf wenigstens einen Blick oder ein Wort. Doch stattdessen wirst du kalt abgewiesen. Das schneidet dir das Herz durch.
So ungefähr weißt du, wie Gott sich fühlt, wenn er dich sieht, wie du ohne ihn durchs Leben gehst. Du gehst einfach an ihm vorbei, als ob er für dich gar nicht existieren würde. Gott dreht sich das Herz im Leibe herum, wenn er sieht, wie du ohne ihn lebst.
Und dazu brauchst du gar nichts besonders Schlechtes zu tun. Du kannst ein ganz anständiger Mensch sein. Du musst keine Reden gegen Gott halten oder irgendetwas Gottloses tun. Es genügt, wenn du ohne Gott lebst – und damit tust du Gott schon weh.
Gott ist doch kein Stein oder ein Prinzip. Er ist ein Vater, der ein liebendes Vaterherz hat. Wenn ein Mensch sagt: „Ich brauche Gott nicht“, oder „Ich will ihn nicht“, oder „Er interessiert mich gar nicht“, dann ist das Sünde.
Manche Menschen denken, Sünde sei wie einmal irgendwo in der Kaufhalle ein Stück Seife zu klauen. Ja, das ist auch Sünde. Aber verstehst du, das ist Ausdruck einer Haltung.
Die Haltung eines Menschen, der sagt: „Ich brauche Gott nicht.“ Das ist Sünde. Das ist wie ein Spruch gegen Gott, und das tut Gott am allerwichtigsten weh.
Du kannst ein moralisch hochstehender Mensch sein. Vielleicht hast du noch nie das sechste Gebot gebrochen. Du hast weder die Ehe gebrochen noch das Finanzamt betrogen. Du bist ein moralisch hochstehender Mensch.
Aber wenn du sagst: „Ich brauche Gott nicht“, dann bist du ein Sünder. Nichts anderes als ein Sünder, der Gott wehtut.
Gottes Sorge um seine Kinder trotz Konflikten
Ich war einmal unterwegs mit einem anderen Sänger. Wir waren irgendwo in Schwerin an der Küste, und eines Tages musste er zu einer angeblich wichtigen Sitzung nach Berlin zurück.
Abends kam er dann endlich an. Als wir im Quartier waren, erzählte er mir kein Wort von der wichtigen Sitzung. Stattdessen sagte er, er sei kurz zu Hause vorbeigegangen. Dort hatte er eine Auseinandersetzung mit seinem kleinen Jungen und hat ihm eine geklebt.
Als Jörg mir das abends im Quartier erzählte, lag sein kleiner Sohn in Berlin längst in seinem Bett und schlief. Für den Jungen war die Sache längst erledigt. Aber das Herz des Vaters, verstehst du, war noch um elf Uhr nachts unruhig. Es gab Schwierigkeiten und Zoff mit dem Kind.
Das genügt schon, damit du selbstverständlich lebst und dich nicht einmal bei Gott für dein Leben und deine Gesundheit bedankst. Damit tust du ihm schon weh. Undankbarkeit ist eine Sünde.
Wann hast du dich das letzte Mal bei deinem Vater dafür bedankt, dass du gesund bist?
Die Wurzel der Sünde: Undankbarkeit und Selbstverständlichkeit
Die Sünde des jungen Mannes in unserer Geschichte beginnt nicht erst, als er anfängt, das Geld zum Fenster hinauszuschmeißen. Sie beginnt schon viel früher, nämlich als er das Geld vom Vater verlangt, als ob er ein Recht darauf hätte und als ob er damit tun könnte, was er will.
Der junge Mann hat nämlich vergessen, dass alles, was er besitzt, er von seinem Vater erhalten hat. Sein Leben, sein Körper, die schicken Klamotten und das kultivierte Essen – all das stammt vom Vater.
Dabei handelt es sich um durchaus gute Dinge. Schöne Kleidung, gutes Essen und ein gesunder Körper sind an sich nichts Negatives. Doch genau diese an sich guten Dinge werden ihm nach der Trennung vom Vater zum Verderben. Er nutzt sie nur noch für sich selbst und übernimmt keine Verantwortung mehr gegenüber dem Vater.
Die Verantwortung für Gottes Gaben
Der Geschlechtstrieb zum Beispiel, den Gott in dein junges Leben gelegt hat, ist an sich etwas Gutes.
Aber wenn du deine Sexualität nur dazu benutzt, dich selbst zu bereichern und dich nicht an die Gebrauchsanweisung Gottes hältst, dann zerstörst du dein eigenes Glück und das Glück anderer.
Die Sexualität ist eine gute Gabe in deinem Leben, für die du dich bei Gott auch mal bedanken könntest.
Bei Gott ist es so: Für jede Gabe, die er uns gibt, gibt er auch einen Aufgabenbereich. Zum Beispiel ist die Nase zum Riechen da und die Füße zum Laufen – und nicht umgekehrt.
So ist es auch mit der Sexualität. Gott hat einen bestimmten Bereich dafür vorgesehen, und das ist die Ehe.
Alles, was sich außerhalb der Ehe an Sexualität abspielt, entspricht nicht dem Sinn des Erfinders.
Die Bedeutung von Regeln und Grenzen
Ich möchte das mit einem Beispiel verdeutlichen: Vielleicht spielst du gerne Fußball. Du kannst natürlich im Hinterhof mit einer alten Coladosen herumspielen. Das ist aber kein richtiges Spiel, sondern eher ein Geholze. Du denkst dabei ständig, du triffst den Ball, und die Nachbarn regen sich auf.
Ein richtiges Spiel findet auf einem Platz statt, zum Beispiel in einem Stadion. Dort kannst du nicht einfach herumrennen und machen, was du willst. Es gibt ganz bestimmte Regeln. Wenn du dich an diese Regeln hältst, kann das Spiel gut laufen und macht Spaß.
So ist es auch mit der Sexualität. Du kannst Sex haben auf dem Heimweg vom Kino, schnell im Gebüsch – das ist eine Maikäferhaltung. Das hat nichts mit dem zu tun, was Gott sich für dich ausgedacht hat. Ein bisschen Angst beim Geschlechtsverkehr nimmt dir schon den Spaß an der ganzen Freude. Angst, erwischt zu werden, oder dass ein Kind entsteht, kann die Freude trüben.
Ich möchte sagen: Wenn Gott so genial war, etwas so Herrliches wie den Sex zu erschaffen, dann kann man davon ausgehen, dass die Gebrauchsanweisung von ihm genauso genial ist. Davon gehen wir doch sonst auch aus. Wenn du dir eine Waschmaschine kaufst, schaust du dir normalerweise die Gebrauchsanweisung an, bevor du sie benutzt.
Du musst das nicht tun. Du kannst deinen neuen Mohair-Pullover, den du für 278 Mark gekauft hast, bei 90 Grad waschen. Das Ergebnis ist dann ungefähr so, als könntest du deinem Tamagotchi noch eine Nachtmütze daraus machen. Wenn du aber länger Freude an deinem Pullover haben willst, schaust du vorher in die Gebrauchsanweisung. Du wäschst den Pullover so, wie es der Erfinder der Waschmaschine vorschlägt, und dann klappt das.
So machen wir es doch mit allen anderen Dingen genauso. Wenn du dir Schlittschuhe kaufst – im Frühling –, und in der Gebrauchsanweisung steht, du sollst bis zum Winter warten, bis das Eis fest ist, dann komm bitte nicht und sag, das sei grausam oder eine Vergewaltigung deiner Eislaufgefühle. Jetzt musst du dich bis zum Winter beherrschen lernen.
Im Frühling macht es keinen Sinn, auf dem Eis herumzufahren, denn du brichst ein. Genauso ist es mit den Frühlingsgefühlen und dem schnellen Sex. Wenn du mit jemandem ins Bett gehst, bevor die Beziehung tragfähig ist, brichst du ein. Das wird nichts. Warte, bis die Beziehung zwischen dir und deinem Partner fest geworden ist – zum Beispiel dadurch, dass Gott euch seinen Segen gegeben hat.
Dann geht es los. Gott hat die Ehe geschaffen, und da gehört der Sex hinein.
Der Körper als Tempel und Verantwortung für das Leben
Der Körper, den Gott dir gegeben hat, ist an sich etwas Schönes. Wenn du denkst, du kannst mit deinem Körper machen, was du willst, liegst du jedoch schwer im Irrtum.
Man sieht das schon im Fernsehen: Die Frauen laufen dort herum mit Sprüchen wie „Mein Bauch gehört mir“. Wer sagt das eigentlich? In der Bibel steht das genaue Gegenteil. Dort heißt es: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel, nicht ein Tümpel, ein Tempel des Heiligen Geistes ist und ihr gehört nicht euch selbst?“
Bilde dir nicht ein, dass du über das Kind, das vielleicht in deinem Leib wächst, selbst entscheiden könntest. Das ist nicht wahr. Dein Leib ist für neun Monate nichts anderes als eine Hülle und Behausung für das Kind, das in dir heranwächst.
Dieses Kind aber ist ein Geschöpf, ein einzigartiger Gedanke Gottes, für den du nur eine Beherbergung bist. Du hast nicht das Recht, mit diesem Kind umzugehen, wie du willst.
Die richtige Nutzung von Gaben und Besitz
Die Begabung, die Gott dir gegeben hat, ist an sich etwas Gutes. Vielleicht kannst du gut Gitarre spielen. Doch wenn du diese Gabe nur dazu benutzt, um dir Namen und Geld zu machen, wirst du am Ende ein alter Angeber sein.
Das Geld, das du hast, ist an sich ebenfalls etwas Gutes. Wenn du es jedoch nur dafür verwendest, dir selbst ein schönes Leben zu machen, wirst du am Ende ein geiziger Hund.
Das Haus, das du dir baust, ist an sich etwas Gutes. Wenn du dein Haus aber nicht für die Gemeinde, für Freunde oder für andere Menschen öffnest, wirst du mit deiner alten Prunkbude verschimmeln.
Die Schönheit, die Gott dir gegeben hat, ist an sich etwas Gutes. Wenn du sie jedoch nur dazu benutzt, möglichst viele Männer zu verführen, führt dich deine Schönheit zum Größenwahn. Deine Selbstbewunderung wird zum Selbstbetrug.
Und was machst du, wenn deine Schönheit verblüht und du alt wirst? Dann siehst du alt aus. Wenn die Frauen verblühen, verduften die Männer. Dann hat es keinen Sinn mehr, in den Schönheitssalon zu gehen.
Treffen sich zwei Frauen auf der Straße. Die eine sagt: „Hallo, hallo, wie geht es dir?“ Die andere antwortet: „Mir geht es gut, ich komme gerade aus dem Schönheitssalon.“ Darauf fragt die erste: „Na und, warum bist du nicht dran gekommen?“
Ein Mädchen, das an jedem Finger zehn Kerle hat, hat meistens am Schluss keinen, der um ihre Hand anhält.
Die Folgen der Trennung vom Vater
Und so erging es dem jungen Mann aus unserer Geschichte. Am Ende hatte er keinen einzigen, der zu ihm hielt, nachdem er alles genossen und ausgekostet hatte.
Er hatte sich nur in der Gesellschaft von lockeren Vögeln und leichten Betthäsinnen aufgehalten, alles versoffen und vertan. Schließlich befand er sich nur noch in der Gesellschaft von Schweinen. Die Trennung vom Vater brachte ihm kein Glück.
Diese bittere Erfahrung hätte er sich sicher ersparen können, wenn er zu Hause geblieben wäre. Zu mir hat einmal jemand gesagt, es sei eigentlich ganz richtig gewesen, dass er von zu Hause abgehauen ist. Man müsse doch schließlich auch seine Erfahrungen im Leben machen. Und um mitreden zu können, müsse man doch alles mitgemacht haben.
Was heißt hier, man müsse alles mitgemacht haben? Muss man erst den Krieg mitgemacht haben, um herauszufinden, dass das das Schlimmste ist, was es auf dieser Welt gibt? Hat irgendeiner von euch schon einmal eine Flasche Rizinusöl ausgesoffen, nur um hinterher persönlich bestätigen zu können, dass man davon einen flotten Durchfall bekommt?
Das ist doch Blödsinn!
Die Erkenntnis der Sünde und Rückkehr zum Vater
Ein junger Mann hat mich einmal besucht. Er war ebenfalls von zu Hause weggelaufen und hatte alles mitgenommen, was der Westen so zu bieten hatte. Dabei vertrat er die Ansicht, man müsse Lebenserfahrung sammeln. Stolz erzählte er mir, was er alles erlebt hatte. Er berichtete sogar, dass er im Bordell gewesen sei.
Was er als „Lebenserfahrung sammeln“ vornehm bezeichnete, nennt die Bibel ganz einfach Sünde.
In der Geschichte, als der junge Mann sein Geld in Kneipen und Bordellen verschwendete und schließlich als Schweinehirt endete, sagt er nicht etwa: „Jetzt habe ich alles erlebt, was man im Leben erfahren kann. Jetzt bin ich ein erfahrener, gereifter und kluger Mensch.“ Stattdessen sagt er: „Ich war ein Idiot, dass ich von zu Hause weggegangen bin. Ich bin ein Sünder, blöd, dass ich mein Leben kaputtgemacht habe.“
Er kehrt zu seinem Vater zurück – nicht mit stolzen Worten wie: „Sieh mal, Vater, jetzt hast du einen welterfahrenen, klugen Sohn, der ohne dich Lebenserfahrung gesammelt hat.“ Sondern er sagt: „Vater, ich habe gegen dich gesündigt, und ich bin es gar nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.“
Die Annahme durch den Vater trotz Verlorenheit
Nun stellt euch diesen jungen Mann vor, wie er wieder nach Hause kommt, auf den Hof seines Vaters. Zerlumpt und zerludert, ausgepumpt – ein menschliches Wrack. Das Gesicht von Gier und Sorgen zerfurcht. Der ganze Kerl stinkend und verdreckt, einfach nicht wiederzuerkennen. So kommt er in sein Heimatdorf.
Und keiner sieht diesem Landstreicher an, dass er der Sohn des reichen Vaters ist. So sehr hat die Sünde ihn entstellt.
Sieht man dir eigentlich an, dass du ein Kind Gottes bist? Du bist doch geschaffen als Gottes Ebenbild. Das heißt, du sollst so sein wie ein Spiegel, der die Eigenschaften Gottes in die Welt widerspiegelt. Also Güte, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Treue, Reinheit und Freundlichkeit – sind das die Kennzeichen deines Lebens? Sind das die Signale, die von dir ausgehen?
Oder bist du gekennzeichnet durch Unehrlichkeit, Egoismus, Sturheit und Streitsucht? Vielleicht ist es bei dir noch schlimmer. Vielleicht sagen die Leute von dir: „Der ist ein widerlicher Kerl“, „die ist ein Flittchen“, „der ist ein Solfer“, „das ist ein unzuverlässiger Kollege“, „ein Rumtreiber“. Vielleicht sagen deine eigenen Eltern von dir, dass du ein Versager und eine Schande für die Familie bist.
Und selbst wenn sie damit Recht haben – ich sage dir: Gott sieht in dir sein Kind hinter dem von der Sünde gekennzeichneten Gesicht.
Von manchen Mädchen, die ihr schon durch viele Hände gegangen seid, da sieht Gott, dass ihr mal rein wart und dass ihr euch nach Reinheit sehnt. Und hinter der lässigen Haltung von manchen von euch Jungs, die hier hereingeschwankt kommen wie Bud Spencer und so tun, als ob euch nichts umhauen könnte, da sieht Gott, dass ihr ein Herz habt, das sich nach Liebe sehnt und das verwundbar ist.
Hinter dem Gesicht mancher Alten, die das Leben mit seinen Schwierigkeiten hart gemacht hat, da sieht Gott, dass ihr euch nach Geborgenheit sehnt.
Leute, ihr braucht vor Gott keinen Theater zu machen. Zu Gott könnt ihr so kommen, wie ihr seid – mit eurer Schuld. Und Gott wird euch nicht rauswerfen.
Als der junge Mann auf den Hof des Vaters zurückkommt, erkennt ihn keiner. Aber der Vater erkennt ihn schon von ferne. Hinter dem ausgebrannten Gesicht dieses Bettlers entdeckt der Vater das Gesicht seines geliebten Sohnes.
Jetzt stellt sich der Vater nicht händereibend an die Tür und sagt: „So, jetzt kommt der Lumpenmund, aber jetzt werde ich dem mal eine Strafpredigt halten.“ Er stellt auch kein peinliches Verhör an und fragt: „Wo warst du so lange? Wo kommst du her? Wie siehst du aus? Wie riechst du denn? Das ganze Geld und so?“ Kein Wort.
Der Vater unterzieht ihn keiner Gehirnwäsche, lässt keine höhnischen Bemerkungen ab, keine Fragen, keine Nachfragen, keine Szene, kein Wort. Der Vater schweigt.
Die Vergebung und Liebe Gottes
Und das ist es, was mich an der Geschichte vom verliebten Vater, über die ich hier jetzt schon zweimal gepredigt habe, am meisten beeindruckt. In der langen Erzählung spricht der Vater kein einziges Wort. Erst ganz am Schluss, nachdem er dem Sohn entgegengelaufen ist und die Arme geöffnet hat, öffnet der Vater zum ersten Mal den Mund.
Er sagt: „Dieser junge Mann hier, das ist mein Sohn. Er war verloren, aber jetzt ist er wiedergefunden. Er war tot, doch jetzt lebt er wieder.“ Dann fügt er hinzu: „Junge, komm rein, wir feiern.“
Siehst du, das ist Vergebung. So ist Gott. Er nörgelt nicht und meckert nicht. Er macht dir keine Vorwürfe, wenn du mit deiner Schuld vor ihm stehst. Er verurteilt dich nicht, wenn du zugibst, was du falsch gemacht hast.
Gott wartet nur darauf, dass du endlich kommst, alles auspackst und eingestehst, was du falsch gemacht hast. Er wartet darauf, dir eine neue Chance zu geben, dir ein neues Leben zu schenken und deine Sünden zu vergeben.
Geh du mal irgendwo anders hin. Wir haben ja vorhin ein Beispiel gehört, wie schwer es Menschen fällt, Schuld zu bekennen. Schon bei einer kleinen Delle im Kochtopf ist es schwierig, zuzugeben, dass man etwas falsch gemacht hat. Und es gibt noch viel schwierigere Probleme.
Du weißt genau, was in den meisten Fällen passiert: Man wird bestraft. Bei Gott ist das nicht so. Er ekelt sich nicht vor dir, verspottet dich nicht und macht dich nicht fertig. Stattdessen macht er dich neu. Er macht dich zu einem neuen Menschen, wenn du deine Schuld eingestehst.
Einladung zur Versöhnung mit Gott
Ich bitte euch, anstelle von Christus, der damals mit ausgebreiteten Armen am Kreuz hing – ich bitte euch, lasst euch mit Gott versöhnen. So sehr, sagt die Bibel, hat Gott diese Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das Leben haben.
Hast du dir schon einmal klargemacht, was das bedeutet? Wir haben ja gestern Abend einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie es war mit dem Kreuz und was es bedeutet, dass Gott seinen Sohn gegeben hat. Jesus hing von früh um neun bis nachmittags um drei bei großer Hitze an einem Holz. Fliegen krabbelten ihm ins Gesicht, die Wunden schmerzten, und die Leute machten ihre Witze.
So hat Jesus Stunde um Stunde dort gehangen, bis der letzte Blutstropfen aus ihm gewichen war. Vor ein paar Jahren gab es das Musical „Jesus Christ Superstar“. Der damals die Hauptrolle spielte, Rainer Schöne, hat manchmal mit mir über die Rolle gesprochen. Er sagte: „Was denkst du, was das schon für eine körperliche Anstrengung ist, wenn du zehn Minuten lang auf der Bühne so dastehen musst?“
Der Rainer Schöne konnte hinterher seine Arme wieder herunterklappen. Er ging in die Garderobe, duschte sich, trank zwei Bier und bekam sogar noch dafür bezahlt. Das war bei Jesus nicht so. Ihm gaben sie keinen Wein, sondern Essig. Für ihn gab es keine Bezahlung, das war live, was Jesus getan hat.
Er hat dort bezahlt – mit seinem Blut – für deine Schuld. Kennst du jemanden, der das für dich getan hat? Kennst du jemanden, der sein Leben für dich eingesetzt hat? Welchen Beweis von Gottes Liebe erwartest du noch? Mehr als dass Gott seinen Sohn an deiner Stelle opfert, kann man doch gar nicht geben.
Das hat er getan, damit du deine Sünde und Schuld loswerden kannst. Wie viel Schutt und wie viel Sünde hat sich bis heute auf dem Bauplatz deines jungen Lebens angesammelt? Gottes Vergebung ist wie eine Planierraupe, die all das beiseiteschiebt.