Vision einer lebendigen Gemeinde
Was für eine Gemeinde?
Ich habe Verschiedenes gesagt. Wenn du mich persönlich fragst, welche Gemeinde ich gründen möchte, kann ich dir nur Folgendes sagen: Es ist immer die Sicht von dieser Gemeinde.
Eine Gemeinde, in der Jünger geschult werden, in der Älteste ausgebildet werden und miteinander die Gemeinde zum Ziel führen. Diese Ältesten haben das Ziel, dass nebenbei weitere Gemeinden gegründet werden. Die Gemeinde soll selbst entscheiden können, ob sie jemanden als Vollzeitkraft braucht oder nicht. Das ist ihre Entscheidung, nicht unsere als Missionare.
Wichtig ist, dass die Gemeinde im Wachstum weitergehen kann und selbst erkennt, welche Werkzeuge sie dafür benötigt.
Ich habe verschiedene Möglichkeiten mit Pastoren und anderen gezeigt, um klarzumachen, dass wir nicht wegen einer strukturellen Frage das Ziel verfehlen dürfen. Das Ziel, die Sicht der Gemeinde, die du vor Augen hast, sollte dich leiten. Du musst das in dir bewegen, das ist deine Orientierung und Richtung, auf die du hinarbeitest.
Zum Beispiel in Gemeinden, in denen es Missionare und Pastoren gibt, ist das Problem oft nicht der Pastor selbst, sondern die Gemeindemitglieder. Denn kulturell und aufgrund des religiösen Hintergrunds unserer Länder erwartet man oft, dass derjenige, der vorne steht, die Arbeit macht. Vielleicht wird er sogar dafür bezahlt, also sollte er doch etwas tun, oder?
Dadurch wird es schwierig, die Gemeindeglieder zu einem anderen Gemeindebild zu erziehen. Häufig sehe ich auf dem Terrain, dass nicht der Pastor das Problem ist, sondern die Gemeindeglieder, die nur mit Mühe zu erziehen sind.
Deshalb glaube ich, dass wir unsere persönliche Orientierung und das Ziel, das wir erreichen wollen, kennen müssen. Aber der aktuelle Stand einer Gemeinde auf dem Terrain ist kein Hindernis, um das Ziel zu erreichen.
Der Weg kann manchmal kurz sein, manchmal sehr lang, denn wir haben immer mit Menschen zu tun. Manchmal dauert es eine Generation, bis das Ziel erreicht werden kann.
Ich kenne Gemeinden, in denen zuerst verschiedene Brüder zum Himmel gefahren sind. Erst dann konnte man Gemeinde gründen. Ich habe nicht geholfen, dass sie wegfahren, und ich habe auch nicht geweint. Es waren alles sehr liebe Brüder, aber die Filter, die sie in sich hatten, waren für viele ein Hindernis, um im Gemeindeleben voranzukommen. Und daraus entstehen Spannungen.
Umgang mit Generationen und Spannungen in der Gemeinde
Es gibt Gemeinden, in denen wir verschiedene Gottesdienste zu unterschiedlichen Zeiten und mit verschiedenen Stilen anbieten. Das geschieht, weil wir eine neue Generation nicht kaputtmachen können, nur weil eine ältere Generation Schwierigkeiten mit bestimmten Formen hat. Das ist immer eine Herausforderung.
In der gesamten Kirchengeschichte sehen wir über alle Jahrhunderte hinweg solche Spannungen. Das Interessante ist, wenn du ein Mensch bist, der gerne in Spannungen lebt und sucht, wie man in diesen Spannungen Frieden hineintragen kann. Genau das brauchen wir im Gemeindebau. Denn es wird immer Situationen geben, die nicht ideal sind. Es gibt keine perfekte Situation, weil wir immer mit Menschen zu tun haben.
Menschen können sich verändern, Krisen durchleben, plötzlich stur oder liberal werden. Wir haben es immer mit Menschen zu tun. Wichtig ist dabei, dass du im Gemeindebau Weitsicht hast. Du darfst nicht einfach mit der Nase an der Scheibe kleben. Ich fahre selbst nicht gerne neben Chauffeuren, die nur einen Meter hinter dem Auto vor ihnen herfahren. Das ist unangenehm. Ich mag es lieber, wenn ich 200 Meter voraus die anderen Autos sehe und weiß, wie die Situation ist.
Diese Distanz musst du auch im Gemeindebau leben. Sonst wirst du als Ältester oder Missionar nur mit Blaulicht herumfahren: Hier gibt es ein Problem, dort ist jemand krank, dort stirbt jemand, da hat sich die Gemeinde gespalten. Dann machst du dies, und plötzlich gibt es eine Erweckung – dann brauchst du wieder einen Feuerwehrwagen mit Blaulicht. Das ist anstrengend.
Wir brauchen Weitsicht. Mit Weitsicht können wir den Menschen helfen, von dem Standpunkt, an dem sie gerade sind, in die richtige Richtung zu gehen. Das ist wie mit einem Schiff: Wenn du ein kleines Boot hast, kannst du auf der Stelle drehen. Wenn du aber die Titanic hast, brauchst du Hunderte von Kilometern, um eine Kurve zu nehmen.
Wenn du eine alte Gemeinde hast, ein „altes Schiff“, und du versuchst, schnell zu drehen, dann endet das wie bei der Titanic – alles geht unter. Du musst mitgehen, Geduld haben und mitgehen! Vielleicht gehst du am Anfang in eine Richtung, die nicht ganz deiner Überzeugung entspricht. Aber aus Liebe kannst du den Karren drehen. Denn aus Liebe gehst du in eine Richtung, in der du ein Ziel hast – ein Ziel, das du mit Liebe verfolgst und das im Gottesplan liegt.
Ich glaube, darüber wurde zu wenig gesprochen. Ich unterrichte deshalb sehr gerne Kirchengeschichte in den Gemeinden. Es gibt viel zu lernen aus der Kirchengeschichte. Es wurde viel kaputtgemacht durch zu strenge Kurven. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht meinen, wir müssten einfach abbrechen und eine andere Richtung einschlagen.
Meine Sicht ist nicht, dass ich keine Sicht habe. Meine Sicht ist Gemeindegründung. Gemeindegründung bedeutet, eine Gemeinde zu schaffen, in der Menschen miteinander eine Last tragen, damit andere zum Glauben kommen. Eine Gemeinde, die den Herrn lobt, in der Älteste helfen, das Ziel zu erreichen, in der Missionare ausgesandt werden und neue Gemeinden gegründet werden.
Das alles geschieht mit allen Problemen, die es gibt. Viele Probleme bleiben bestehen. Das ist meine Sicht – bis eine bessere kommt. Bis jetzt ist das die Idee.
Zusammenarbeit und Unterstützung bei Gemeindegründungen
Wenn eine Gemeindegründung nicht weit von einer anderen Gemeinde entfernt ist, scheint es mir ganz klar, dass diese andere Gemeinde die neue Gemeindegründung als eine Last ansieht, die sie mit ihrem Herzen trägt und unterstützt. Sie hilft aktiv bei der Gemeindegründung mit.
Befindet sich die Gemeindegründung in einer Gegend, in der niemand ist, dann ist es normal, dass man einen Fallschirmspringer, also einen Missionar, hinschickt. Dieser landet dort und beginnt sofort mit seiner Arbeit. Er hat eine Gemeinde, die ihn im Gebet unterstützt und ihm auch mit Gaben hilft.
Außerdem hat er ältere Brüder, denen er Rechenschaft abgeben muss. Das ist ganz wichtig, denn im Dienst gibt es Leute, die 25 Stunden am Tag arbeiten, obwohl es nur 24 Stunden gibt. Sie müssen nie Rechenschaft ablegen und wissen deshalb nicht, wann sie aufhören können. Es gibt aber auch andere, die ich dir jetzt nicht näher beschreiben möchte. Was besser wäre: Sie hätten einen Beruf und könnten normale Arbeitszeiten einhalten. Das gibt es auch, nicht wahr?
Also, was du aufbauen möchtest und welches Ziel du verfolgst, kannst du alles in den Fragenkasten schreiben. Was ich in den letzten Tagen überlegt habe – ich hoffe, du hast es bemerkt – ist nicht, dass du schon Antworten hast. Hast du das schon bemerkt? Ich versuche nur, dass wir in diesen Tagen in eine Überlegung hineingehen, die uns irgendwo aufrütteln soll oder auch nicht, je nachdem. Danach können wir mit Ideen in die Praxis gehen und schauen, wie wir es besser miteinander tun können.
Die Bedeutung des Landes und der Kultur für Gemeindegründung
Mein nächster Punkt ist, das Land anzuschauen, es kennenzulernen und Ziele zu setzen. Wie gehen wir in unseren Ländern vor? Wie kann Gemeindegründung konkret gelingen? Wie kommen wir zum Volk hinein?
Ich weiß nicht, wie du das genau lebst. Meine jungen Mitarbeiter erleben oft verschiedene Schocks. Das ist natürlich verständlich, denn die meisten von ihnen stammen aus gläubigen Familien. Das ist sehr positiv und ein Segen Gottes. Dennoch kommen einige auch aus gläubigen Familien, in denen die Eltern alles getan haben, damit sie die Welt nie kennenlernen. Jetzt sollen sie in die Welt hineingehen, ohne von der Welt zu sein. Schwierig, oder?
Sie möchten gerne in der Seelsorge evangelisieren, was eine gute Idee ist. Nur kommt niemand. Das ist dann die schlechte Seite daran. Sie haben sogar gelernt, wie man eine Predigt hält, aber niemand hat ihnen gesagt, wie man Menschen erreicht. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge.
Jetzt müssen sie lernen, in Vereinen dieser Welt mitzumachen – sozusagen in Sportclubs, Sprachvereinen, Informatikvereinen und Ähnlichem. Ich persönlich bin ziemlich gegen gläubige Vereine, aber sehr für weltliche Vereine. Denn ich bin total gegen eine Unterkultur, in der Christen alles nur für sich selbst machen und sozusagen ein neues Kloster gründen. Es hat zwar nicht dieselben Mauern, aber es ist doch ein Kloster.
Jetzt lernen sie also, mit dem Volk mitzugehen, mitzumachen und Freunde zu finden. Dann kommen sie mit mir in die Dorfbeiz, um einen Kaffee zu trinken. Dort sind andere Menschen, die halb betrunken sind, es stinkt, wird geraucht und es ist laut. Danach kommen sie nach Hause mit Kleidern, die total stinken.
Dann lernen sie, ins Gespräch mit Menschen zu kommen – mit Menschen, die Fragen haben. Interesse an dem zu zeigen, was die Menschen beschäftigt, ist nicht so einfach. Man muss es lernen.
Viele Menschen haben Fragen, und viel Evangelisation geschieht durch Seelsorge, speziell an Unbekehrten. Es gibt enorm viele Leute mit vielen Fragen und Problemen. Sie sind so dankbar, wenn sie jemanden finden, der sie ernst nimmt. Sie sind erstaunt darüber, dass du ihnen zuhörst.
Ich war wieder in einer Kneipe in einem Ort. Ich hielt unterwegs an, um meinen Kaffee zu nehmen. Dort öffnete ein Mann an der Bar nach nur zwei, drei Fragen sein Herz. Er erzählte von Problemen in seiner Ehe. Er wusste nicht, wie er es schaffen sollte, seine Frau zu behalten. Er wollte sie behalten, aber er wusste nicht, was er tun sollte. Das geschah an der Bar, mit Rauch und anderen Menschen daneben.
Menschen suchen andere Menschen, die zuhören und es ermöglichen, das Herz zu öffnen. Aber sie suchen nicht in einem Saal, sondern dort, wo sie sind. Und wir brauchen Mut, dorthin zu gehen, wo die Menschen sind.
Nachfolge Jesu durch Nähe zu den Menschen
Es macht mir immer wieder große Freude, wenn ich die Evangelien lese und sehe, wie der Herr genau dorthin ging, wo die Menschen waren. Er hätte auch sagen können: „Ich habe nur drei Jahre Dienst. Die, die mich wirklich kennenlernen wollen, können mich am besten finden, wenn ich beim Tempel bleibe.“ Denn dort suchte jede Religion, oder? Dort suchte man nicht unbedingt nach Rotwein, sondern nach Religion – beim Tempel.
Jesus saß also vor dem Tempel. Seine Jünger sollten in die Dörfer gehen und sagen: „Jesus sitzt am Tempel, ich habe seine Agenda hier. Er hat noch Zeit, ich könnte kommen, wenn er Fragen hat.“ Er war einfach bei den Leuten, mit ihnen, bei ihnen.
Das ist das Erste, was wir immer wieder neu lernen müssen, wenn wir Menschen im Evangelium erreichen und Gemeinde gründen wollen: Du musst ein Mensch sein, der nahe bei den Menschen ist – ein erreichbarer Mensch. Man muss nicht nur an einem Ort anzutreffen sein, nicht nur mit dem Auto durchflitzen, mit dem Fisch hinten drauf. Man muss sich auch als persönlicher „Fisch“ zeigen, nicht nur als Aufkleber.
Das ist etwas, das immer wieder Gebet und Mut braucht. Denn es gibt nur wenige Menschen, denen das natürlich liegt. Manche haben es von Natur aus, aber die meisten nicht. Es braucht immer wieder eine Willensentscheidung, um zu den Menschen zu gehen. Es ist eine bewusste Entscheidung.
Für mich ist das immer wieder ein Gehorsamsschritt. Wenn ich unterwegs bin, habe ich früher lieber gehabt, dass meine Frau mir einen Thermos-Kaffee ins Auto gibt. Aber seit Jahren nehme ich das nicht mehr an. Ich halte an einer Beiz an und trinke meinen Kaffee bei einem Menschen vor Ort.
Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt, als Menschen zu treffen – nichts Wichtigeres. Menschen sind Geschöpfe Gottes; es gibt nichts Kostbareres auf der Welt als Menschen. Das muss langsam in uns hineingehen: dass wir bei den Menschen sind, mit ihnen sind und verstehen, wie es bei ihnen steht und wie es ihnen geht.
Jeder Mensch hat außerdem etwas, das er uns lehren kann.
Beziehungen im neuen Umfeld aufbauen
Es war für mich sehr interessant, wieder in eine neue Gegend zu kommen, die ich gar nicht kannte, als wir nach Burgund gingen, oder? Ich wusste nur, dass es dort guten Wein gibt, sonst wusste ich nicht viel darüber.
Als wir in diese Gegend hineingekommen sind, bin ich einfach an verschiedenen Plätzen meinen Kaffee trinken gegangen und habe die Leute, die dort am Stammtisch saßen, gefragt, was es Schönes in dieser Gegend zu sehen gibt. Ich habe gefragt: Welche Spaziergänge kennst du, die sich lohnen, um als Familie zu gehen? Weißt du, wo es gute Musikkonzerte gibt? Gibt es eine Musikschule? Was gibt es für Vereine in diesem Ort? Die Leute haben viel Freude daran, wenn sie dir helfen können.
Du weißt ja, wie du dich freust, wenn du anderen helfen kannst. Du bist dann fast wie im Himmel, wenn jemand dich um etwas bittet, oder? Dann gib diese Freude auch den anderen weiter. Evangelisation beginnt immer mit Menschenkontakt, und Menschenkontakt bedeutet zuerst, dem anderen Freude zu machen.
Du weißt, wie es deiner Frau Freude macht, wenn du jemanden nach Hause bringst und sie einen Kaffee hinstellen kann oder Kuchen usw. Gib diese Freude den anderen. Aber deine Frau muss bereit sein, das zu tun und nicht alles für sich behalten wollen. Wenn du alles nur für dich beanspruchen willst, wird Gemeindegründung sehr schwierig. Dann wird die Gemeinde in deinem Haus sein, der Saal unter deiner Wohnung, alles wird bei dir sein. Die anderen lernen zu verzichten, du aber nicht.
Du sagst dann, es sei schwierig, immer viele Leute in einem Haus zu haben. Stell dir mal vor, es wäre nie jemand bei dir – wie schwierig wäre das? Wir müssen darauf achten, den anderen die Möglichkeit zu geben, Freude zu haben. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, uns etwas beizubringen.
Ich lerne immer wieder gerne Neues in verschiedenen Berufen. Ich bin jetzt in einem kleinen Dorf, wo es zwei große Bauernhöfe gibt, die viel Vieh haben, so verrückte Kühe und so weiter. Ich gehe gerne zu ihnen, um zu fragen, wie sie arbeiten, welche Zeiten sie haben, warum sie jetzt gerade das säen, wann sie ernten, welche Produkte sie herstellen, wie sie das sehen. Dann schaue ich mir die Traktoren an und manchmal helfe ich ein wenig mitzuarbeiten. Die wissen jetzt schon, dass Dani im Dorf nicht total verrückt ist, sondern sich für verschiedene Dinge interessiert.
Wir brauchen das, wir werden Freunde. Wenn sie jetzt mit ihren großen Traktoren oder Lastwagen vorbeifahren, grüßen sie mich immer mit „Salü Dani“. So wissen sie, dass es im Dorf einen Menschen gibt, der nicht von hier ist. Wir konnten bei uns zu Hause auch kleine Versammlungen anfangen, bei denen Leute aus dem Dorf kommen.
Aber zuerst muss ich das Dorf kennenlernen, mit dem Bürgermeister sprechen und ihm sagen, welche Ziele wir haben. Dem Bürgermeister habe ich gesagt, wie ich die Gemeinde am Ende sehe. Es ist noch nichts da, aber er weiß schon, wie es werden soll. Falls er mal Mitglied wird, kann er helfen.
Auch die Polizei weiß Bescheid, denn manchmal kommen abends fünf, sechs Autos vor unserem kleinen Haus zusammen. Wenn man dann mit einem blauen Polizeiauto in Frankreich herumfährt, möchte ich nicht, dass sie Fragen stellen. Deshalb habe ich gesagt, wir treffen uns mit Leuten ums Haus. Das sind die Daten, wann wir da sind: Wir singen miteinander, beten, lesen die Bibel und sprechen über unsere Probleme. Die Polizei ist herzlich eingeladen, wenn sie mal abends Zeit hat oder vorbeifährt. Sie können gerne kommen, wir haben noch einen Kaffee für sie.
Die Polizei weiß also, wenn viele Autos bei diesem Haus stehen, was dort passiert. Sie wissen, dass es kein Drogenhandel ist. Für sie ist es eine Spannung, wenn etwas geschieht, was sie nicht kennen. Unsere Beziehung zu den Obrigkeiten ist sehr wichtig. Sie müssen wissen, worum es geht.
Evangelisationslager und offener Umgang mit Behörden
Wir hatten im Sommer ein Evangelisationslager mit 70 Personen auf einem Campingplatz, um freie Evangelisationen durchzuführen. Für mich war ganz klar, dass bereits einen Monat vorher alle Bürgermeister informiert waren, dass das Lager stattfinden würde. Auch die Polizei wusste Bescheid. Die Polizei hatte meine Telefonnummer, die ich von meinem Handy gegeben hatte. Falls es Probleme geben sollte, könnten sie mich jederzeit anrufen, da ich für das Lager verantwortlich bin.
Während der 14 Tage des Lagers gab es keinen Anruf. Am Ende des Lagers bin ich zu ihnen gegangen und sagte: „Okay, wir sind fertig.“ Ich hatte keinen Anruf erhalten, offenbar gab es keine Probleme. Absolut keine. Wir hatten keinerlei Schwierigkeiten. Das war super. Wahrscheinlich werden wir nächstes Jahr wieder so ein Lager veranstalten.
Zur Beziehung zu den Obrigkeiten: In Frankreich kenne ich mich gut aus, in Deutschland nicht. In Frankreich ist der Unterschied zwischen dem, was die Obrigkeit als Sekte bezeichnet, oder nicht, folgender: Eine Sekte ist für sie etwas, von dem sie nichts wissen, das im Geheimen abläuft. Nicht als Sekte gilt für sie hingegen, was die Obrigkeiten genau kennen und über das sie informiert sind.
Sie wollen nichts über Glauben, Religion und Glaubensbekenntnisse wissen. Das ist für sie kein Thema und geht sie nichts an. Das wiederholen sie immer wieder. Aber wenn etwas in einer Gegend geschieht, wo sie nicht wissen, was genau läuft, dann beobachten sie es sehr genau.
Je nachdem, welche Menschen sie dort treffen, die hingehen, denken sie: „Uh, der ist auch auf unserer Liste.“ Aber wenn sie wissen, wer der Verantwortliche ist und dieser offen mit ihnen kommuniziert, dann sehen sie, dass jemand, der auf ihrer Liste steht, in dieses Haus geht und denken: „Ja, das tut ihm gut. Zum Glück geht er da hinein. Wir wissen, wo er hingeht. Das tut ihm bestimmt gut. Er braucht das. Wir brauchen das nicht, aber er braucht das.“
Geistliche Verantwortung für die Stadt und das Land
Das Land anschauen, wo du bist – was ist dein Blick auf deine Stadt, auf dein Land? Du bist geistlich verantwortlich für deine Stadt.
In dieser Stadt, in der du dich befindest, gibt es Obrigkeiten, die der Herr eingesetzt hat. Auch wenn sie rot oder grün, schwarz oder links oder rechts sind, sollen sie regieren, wie sie wollen. Sie tun jedoch nicht einfach, was sie wollen. Der Herr hat die Kontrolle.
Dein Herz muss überzeugt sein, dass es nichts Größeres gibt als die persönliche Beziehung mit Menschen. Durch diese Beziehungen können sich viele Türen öffnen. Das gehört zum Landanschauen und dazu, wie man in eine Stadt hineinkommt.
Ich wollte in Bonn hineinkommen. Diese Stadt hat 21 Einwohner und keine Gemeinde. Es gibt zwar katholische Gemeinden, aber für mich ist das keine Gemeinde im eigentlichen Sinn.
Wir wussten nicht, wie wir in diese Stadt hineinkommen sollten. Wir verteilten Traktate und suchten Kontakt auf der Straße. Die Obrigkeit war präsent, und wir akzeptierten das.
Nach einer Traktatverteilung machte ich noch eine Runde mit meinem Fahrrad. Wir hatten gerade eine halbe Stunde, einen halben Tag frei als Familie. Dabei stürzte ich in einen Graben. Zum Glück hatte ich einen Helm auf. Meine Schulter wurde verletzt, und ich musste ins Krankenhaus, um operiert zu werden.
Sechs Monate lang war mein Arm nicht mehr so beweglich und funktionierte nicht richtig. Das war Gottes Plan für den Gemeindebau.
Begegnungen im Krankenhaus als Chance für Zeugnis
Schau mal ins Spital, da bist du noch nicht gewesen. In diesen drei Jahren durfte ich zweimal dorthin: einmal wegen Nierensteinen und einmal wegen meines Arms. Es ist interessant, wie Gott mich zu Menschen führte – zum Chirurgen, zu den Ärzten und zu den Krankenschwestern, die immer wieder nachts mit Fragen kamen.
Ich habe nie ein Einzelzimmer verlangt, doch sie haben mich trotzdem in ein Einzelzimmer gelegt, ohne dass ich darum gebeten hätte. Während der Arbeitszeit kamen sie immer wieder vorbei. Der Arzt kam sogar außerhalb seiner Arbeitszeiten, um mit mir über seine Eheprobleme zu sprechen.
Der Chirurg war ein ganz junger Mann, noch in seiner Facharztausbildung. Der erfahrene Chirurg war im Urlaub. Als er sich meinen Arm ansah, sagte er: „Das ist natürlich sehr schwierig. Sie sollten einen Spezialisten in Paris oder Lyon aufsuchen.“ Denn die gesamte Rotatorenmanschette, ich weiß nicht genau, wie das heißt, war durchgerissen.
Da fragte ich ihn: „Haben Sie sich schon einmal angeschaut, wie das bei einem Spezialisten operiert wird?“ Er antwortete: „Ja, ich war schon bei Spezialisten dabei, aber es ist schwierig.“ Ich fragte weiter: „Könnten Sie die Operation selbst durchführen?“ Er meinte: „Ja, ich habe es noch nie selbst gemacht.“ Ich fragte: „Haben Sie genug Vertrauen, es zu versuchen?“ Er antwortete: „Jetzt, wenn Sie Vertrauen haben.“ Und ich sagte: „Ich habe Vertrauen, kein Problem.“
Mein Arm funktionierte überhaupt nicht mehr. Ich konnte ihn nicht mehr bewegen, alles war durchgerissen. Nur der Motornerv, wie der heißt, war noch intakt, der Muskel war durchtrennt, aber der Nerv war noch in Ordnung.
Der junge Chirurg begann die Operation, die vier Stunden dauerte. Ein erfahrener Arzt führte ihn dabei. Er machte seine Sache so gut, dass der Oberarzt, als er aus dem Urlaub zurückkam, erstaunt war und sagte, dass der junge Chirurg die Operation hervorragend durchgeführt hatte.
So konnte ich mit diesem jungen Arzt eine Beziehung aufbauen, in der wir auch über den Glauben sprechen konnten. Nach der Operation kam er zweimal täglich zu mir. Für ihn sprach, dass er mir sagte: „Alles gut, Sie haben Vertrauen zu mir.“ Er sagte auch: „Sie sind ein Mensch, ein Geschöpf Gottes, und über Ihnen steht Gott. Ihr Körper ist der Tempel des Heiligen Geistes.“
Um es kurz zu machen: Ich hatte dann drei Vorträge an der Krankenpflegeschule in Bonn. Aber wie können die Leute uns kennenlernen, wenn wir nicht mit ihnen leben, wenn wir nicht bei ihnen sind? Deshalb solltest du dein Land anschauen und kennen lernen. Nimm dir Zeit dafür. Es gibt immer wieder Gelegenheiten, gute Gespräche zu führen.
Praktische Tipps zum Kennenlernen des Umfelds
Meine Mitarbeiter müssen ihre Arbeit immer in der Stadtbibliothek erledigen. Sie haben alle ein Abonnement, also eine Karte für die Stadtbibliothek. Dort ist es ruhig und gut beheizt, es gibt gute Arbeitsplätze, und alle Wörterbücher, also Dictionnaires, sind kostenlos verfügbar. Die besten Wörterbücher gibt es dort. Für eine Mitgliedschaft zahlt man vielleicht 20 DM im Jahr.
Man hat ein wunderbares Büro, das günstiger ist als die Heizung zu Hause, und kann dort arbeiten. Außerdem hat man immer wieder die Möglichkeit, mit Menschen zu sprechen und Kontakte zu knüpfen.
Mir ist Folgendes aufgefallen: Nach zwei oder drei Jahren, wenn man dort regelmäßig ist, kann man alle Bücher, die man möchte, in die Bibliothek mitbringen. Zum Beispiel Bibeln oder Gemeindebücher, die erklären, was Okkultismus ist. Das macht mir immer Freude. Wenn ich sehe, dass die Stadtbibliothek alles über Okkultismus hat und dann eine ganze Reihe unserer Bücher dort steht, die zeigen, was Okkultismus ist, dann schaue ich sie immer wieder an. Da ist schon oft eine Karte herausgegangen. Super, denke ich mir, dann kann man sie wieder hineinbringen. Das ist doch ganz gut, oder? Du bringst ja deine Bücher nicht zu Hause los, also mach sie doch in die Stadtbibliothek. Dort kommen die Leute, die lesen.
Es gibt vieles, woran man teilnehmen kann, und beim Mitmachen wirst du auch dein Volk kennenlernen, also die Menschen, die du triffst.
Jetzt muss ich aufhören, denn es wird noch Zeit für die AFBG gebraucht. Entschuldigung, dass ich mitten im Satz aufhöre, aber wir machen dann später weiter. Das freut mich, denn so weiß ich, dass aufgepasst wird.
Einführung in den Philemonbrief: Vergebung und Versöhnung in der Gemeinde
Bevor ich wieder in den Kurs zum Thema Gemeindebau einsteige, möchte ich einige Gedanken aus dem Philemonbrief weitergeben. Der Grund dafür sind unsere verschiedenen Gespräche, die zwischen den Stunden stattfinden. Dabei ist mir aufgefallen, dass wir oft in ähnlichen Situationen stecken, obwohl sie unterschiedlich erscheinen, und dass dieselbe Problematik dahintersteht. Deshalb ist es mir wichtig, diesen Philemonbrief kurz zu durchschauen, insbesondere im Hinblick auf das Thema Vergebung und Hilfe zur Vergebung.
Ihr wisst ja alle, wie oft es in der Gemeinde nötig ist, dass wir als Diener diejenigen sind, die Positives hineintragen. Wir erleichtern anderen den Weg zur Vergebung, damit sie es nicht schwerer haben, die Gnade zu ergreifen, als wir es selbst haben. Deshalb brauchen wir auch als Diener in der Gemeinde – und gerade im Gemeindebau – Menschen, die im geistlichen Leben vorangehen. Wir müssen selbst den Weg bahnen, vorangehen und die Liebe Gottes mit ihnen im Wachstum ergreifen. Diese Liebe Gottes stellt sie auf den Weg, damit sie vorwärtsgehen können.
Ich kenne den Brief von Paulus an Philemon gut. Paulus war im Gefängnis in Rom, etwa im Sommer 62. Während seiner Gefangenschaft hatte er die Freude, Onesimus zu treffen. Onesimus war ein Sklave, der ebenfalls im Gefängnis war, weil er seinem Herrn Unrecht getan hatte. Im Kontakt mit Paulus bekehrte sich Onesimus. Das zeigt uns wieder einmal: Gemeindebau ist möglich, selbst wenn man im Gefängnis ist.
Paulus schreibt nun diesen Brief an Philemon. Philemon kannte er gut, denn auch er war durch Paulus zum Glauben gekommen (vgl. Philemon 19). Philemon lebte in Kolossäa und besaß dort ein Haus, vermutlich war er relativ wohlhabend, da er einen Sklaven hatte. In seinem Haus versammelte sich eine Hausgemeinde. Wahrscheinlich hieß seine Frau Apia, und sein Sohn war Archippus. Diese Personen werden im Brief erwähnt, allerdings ist das nicht entscheidend. Wichtig ist, dass Paulus eine tiefe Beziehung zu Philemon hatte.
Jetzt befindet sich Paulus in einer schwierigen Situation: Onesimus, der bekehrte Sklave, möchte sein Leben mit Jesus vorwärtsbringen und sich in der Gemeinschaft mit dem Herrn reinigen. Doch er hat Fehler gemacht und muss bei seinem Herrn Vergebung erlangen. Paulus kennt beide gut – Onesimus und Philemon – und sein Dienst wird nun besonders wichtig. Er will erreichen, dass diese beiden, trotz der Schwierigkeiten und der nötigen Vergebung, zum Frieden finden.
Wie macht Paulus das? Das möchte ich in sieben Punkten aus dem Brief darlegen. Leider habe ich nicht die Zeit, den ganzen Brief vorzulesen, was sonst eigentlich üblich wäre – das ist ein kleiner Minuspunkt dieser Predigt.
Zunächst fällt auf, dass Paulus das Gebet des Herrn kennt: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ (Matthäus 6,12). Es heißt dort auch, dass Gott uns nicht vergibt, wenn wir nicht vergeben. Das vergessen wir manchmal. Es muss uns klar sein: Es gibt keine Vergebung von Gott zu uns, wenn wir anderen nicht vergeben, die gegen uns sündigen.
Paulus wusste, was Gnade und Vergebung bedeuten. Er wusste auch, wie er in den schwersten Situationen, in denen Menschen ihm Unrecht taten, zu Freude und Frieden kommen konnte. Das sehen wir besonders in seinen Gefängnissen. Alles war ungerecht, und doch lebte er dort mit Frieden und Freude. Er konnte denen vergeben, die ihm Unrecht getan hatten. Sonst hätten wir diesen Mann nicht mit diesem Frieden im Gefängnis erlebt. Das ist der Schlüssel zum Frieden.
Ihr habt sicher bemerkt, dass in allen Briefen von Paulus immer steht: „Gnade und Friede sei mit euch.“ Die Reihenfolge ist wichtig. Gnade gibt es nur durch Vergebung, und diese Gnade bringt uns in totalen Frieden. Ohne Gnade gibt es keinen Frieden. Das war das ganze Lebenszeugnis des Apostels Paulus.
Sieben Prinzipien der Versöhnung im Philemonbrief
Was macht Paulus in diesem kurzen Brief?
Erstens: Paulus liebt beide Brüder, Philemon und Onesimus, und sagt es ihnen. Onesimus ist bei ihm, und Paulus sagt zu ihm: „Ich liebe dich“. Gleichzeitig teilt er Philemon durch den Brief mit, wie sehr er ihn schätzt, wie sehr er ihn liebt und wie er sieht, wie sein Glaube voranschreitet. Paulus sagt sogar: „Mit welch liebevoller Fürsorge du allen Christen begegnest“, obwohl die Situation noch nicht geklärt ist.
Mit Onesimus sagt er: „Ich weiß, was du für eine Liebe hast, welchen Glauben du hast und wie wahr deine Liebe zu allen Christen ist.“ Er spricht seine Liebe zu beiden aus.
Vielleicht gibt es auch in deiner Gemeinde Situationen, in denen du nicht weißt, wie du mit zwei Brüdern umgehen sollst, die ein wenig zerstritten sind. Du bist in Spannung und fragst dich: Auf welcher Seite soll ich stehen? Beide haben Recht, und beide haben nicht Recht. Wenn ich freundlich zu dem einen bin, denkt der andere, ich sei für ihn. Wenn ich gut mit dem anderen bin, denkt der erste das Gleiche. Dann ist es am besten, ich gehe einfach in den Gottesdienst, ohne jemanden zu sehen. Paulus spricht seine Liebe zu beiden aus. Das ist ganz wichtig und das Erste, was wir hier sehen.
Zweitens: Paulus redet mit beiden. Mit einem direkt, weil er mit dem anderen per Brief kommuniziert – eben mit dem Brief, den wir hier haben. Liebe ist das Erste, das Zweite ist das Gespräch. Er redet mit beiden und spricht immer positiv vom jeweils anderen.
Drittens: Paulus betet für beide (Vers 4). Sie sind beide in seinem Herzen, und beiden sagt er: „Ich bete für dich.“ Sein Beten ist kein strategisches Vorgehen, um zu sagen, dass er betet. Nein, er betet wirklich. Es ist nicht nur eine Floskel, sondern echtes Gebet.
Viertens: Paulus ist bereit, die Konsequenzen der Missetat zu tragen. Im Brief, Vers 17 oder 18, sagt er zu Philemon: „Wenn ich dein Freund und Bruder bin, dann nimm Onesimus auf, als würde ich selbst zu dir kommen. Sollte dir durch seine Flucht irgendein Schaden entstanden sein oder sollte er dir etwas schulden, dann stelle es mir in Rechnung, ich werde es bezahlen.“ Damit verbürgt er sich mit seiner Unterschrift. Er sagt: Mach es auf mein Konto.
Ich finde das so schön. Paulus nimmt eine Stellung ein, die eigentlich nur dem Heiland gehört – er hat alles auf sein Konto genommen. Aber um Frieden zu stiften, um Herzen zu erreichen und weil er beide liebt, sagt er: „Mach diese Schuld auf mein Konto.“ Die Beziehung ist so geprägt von der Liebe zwischen Philemon und Paulus, dass Paulus ihm sagt: „Du weißt ja, dass du mir viel schuldig bist, denn ich habe dir geholfen, den Glauben zu finden.“ Für Paulus ist das keine Entschuldigung, sondern eine Herzenssprache, in der er seinem Bruder sagt: „Wir sind verbunden, wir leben nur durch das, was Gott uns gegeben hat.“
Also, das Vierte ist: Das Unrecht auf sich nehmen. Wenn wir als Vorsteher oder Älteste in der Gemeinde bereit sind, werden wir merken, dass Herzen wieder zusammenkommen. Wenn die Buße kommt, die vom Herrn und vom Heiligen Geist getrieben wird, kommen diese Menschen und nehmen ihre Last selbst auf sich – ihre Sünde. Aber weil du gesagt hast, dass es auf dein Konto kommen kann, hast du ihnen die Tür zur Gnade geöffnet. Es wurde für sie leichter, zum Herrn zurückzukommen, weil sie gemerkt haben, dass du so viel Liebe hast, dass du sogar die Konsequenzen ihrer Sünden auf dich nehmen würdest.
Fünftens: Paulus gibt dem Sünder, Onesimus, einen neuen Wert. Er sagt zu Philemon: Onesimus ist mir jetzt nützlich. Ihr wisst ja, dass Onesimus „nützlich“ bedeutet, und jetzt ist er Paulus nützlich. Paulus hätte ihn gerne für sich behalten, aber er will ihn nicht in seinen Dienst hineinziehen, solange die Situation nicht geklärt ist.
So geht Paulus sauber vor: „Es ist eigentlich dein Sklave, dein Diener. Ich will ihn dir nicht wegnehmen und ihn jetzt benutzen, ohne dass du einverstanden bist.“
Stell dir vor, wie das klappt, wenn Menschen die Gemeinde wechseln und wir solche Beziehungen zwischen Pastoren haben. Paulus will ihn nicht benutzen, bevor die Sache geklärt ist. Warum ist er weggegangen? Wieso? Paulus versteht das. Onesimus war dir nützlich, und wenn er bei mir nützlich sein kann, dann nur mit deinem Einverständnis, um die Sache zu klären. Welch ein Frieden, wenn wir solche Wege gehen.
Zudem gibt Paulus dem Onesimus einen neuen Wert – den Wert der Gnade. Diesen Wert der Gnade müssen wir einander geben. Ich sage immer wieder zu jungen Mitarbeitern: Bei einem Kind Gottes musst du immer den Heiligen Geist sehen. Er lebt in ihm.
Deshalb hast du bei einem Kind Gottes auf der anderen Seite Gott in diesem Menschen. Er lebt in ihm. Darum hast du eine ganz andere Beziehung, Vertrauen und Mut zum Weitergehen. Sonst ist unser Blick oft ein Blick des Misstrauens. Aber Misstrauen wollen wir ja nicht gegenüber dem Heiligen Geist haben, oder? Er wohnt im Bruder. Darum brauchen wir Vertrauen.
Sechstens: Paulus zeigt mit so viel Liebe dem Philemon, dass Onesimus, der einst sein Sklave war, jetzt ein geliebter Bruder ist.
Das hat oft geholfen, wenn Brüder auseinandergekommen sind: Wenn sie wieder merken, dass sie denselben Vater haben, Brüder sind und die Ewigkeit miteinander verbringen werden. Hier auf Erden können sie sich einüben in Vergebung, Gnade und Liebe zueinander.
Siebtens, ganz praktisch: Paulus war immer ein praktischer Diener. Er hat organisiert, dass Onesimus begleitet wird, um zu Philemon zu gehen.
Es war schwer für diesen Sklaven, der neu bekehrt ist und Buße getan hat, diesen Weg zu gehen – zu seinem Meister zurückzukehren und um Vergebung zu bitten. Das ist nicht einfach. Paulus wusste, dass dieser Weg schwer ist. Er hat nicht gesagt, es müsse schwer sein, um zu zeigen, ob die Buße echt ist.
Im Kolosserbrief, Kapitel 4, heißt es: „Unser lieber Bruder Tychikus wird euch berichten, wie es mir geht. Ich bin dankbar, in Tychikus einen so treuen Mitarbeiter für die Sache des Herrn gefunden zu haben. Durch ihn sollt ihr nicht nur erfahren, wie es mir geht, sondern er soll euch ermutigen und weiterhelfen. Euer Landsmann Onesimus wird ihn begleiten.“
Interessant, oder? Sie gehen zurück nach Kolossäa, und Onesimus wird mit Tychikus zu Philemon kommen. Die Situation wird geklärt.
Man weiß noch nicht, ob Philemon sagen wird: „Onesimus, komm in meine Arme, alles ist gut, was du mir schuldest, lass alles fallen.“ Vielleicht hat er etwas gestohlen, oder so – es steht nicht genau drin. Aber es muss etwas geschehen sein, sonst wäre er nicht im Gefängnis gewesen.
Paulus schickt Tychikus mit, und wie er es der Gemeinde sagt, ist bemerkenswert. Er sagt nicht: „Ich habe gedacht, es wäre gut für Onesimus, Tychikus mitzuschicken, weil der arme Onesimus noch schwach im Glauben ist und es schwierig für ihn ist.“ Nein, er sagt: „Euer Landsmann Onesimus wird ihn begleiten.“
Da kommt dieses Zusammensein mit Tychikus, um zu Philemon zu gehen. Paulus wollte den Weg für Onesimus erleichtern, damit Vergebung und Gnade siegen.
Das ist es, was wir immer wieder brauchen in der Gemeindegründung. Solange es Menschen in der Gemeinde gibt – und das gibt es ja – braucht es Diener. Du und ich hoffentlich auch, Diener, die unter Brüdern und Schwestern Frieden stiften, die den Weg der Gnade und Vergebung nicht schwer machen.
Das heißt, dass wir Sünde Sünde nennen. Aber was mir oft Mühe macht, ist, dass wir meinen, wir müssten die Sünde zehnmal sagen. Wie steht es mit einem Gewissen, wenn man mir die Sünde einmal sagt? Dann weiß ich es genau. Und der Heilige Geist sagt es zwanzigmal in meinem Herzen. Da braucht keiner mehr zu kommen und noch mehr zu drücken.
Vielleicht beweist das häufige Wiederholen auch, dass wir nicht ganz glauben, dass der Heilige Geist im Herzen des Bruders wohnt und dass der Heilige Geist Sünden aufdeckt.
Es ist so schön, wenn wir als Friedenstifter in der Gemeinde helfen können, wenn wir sehen, wo es schwierig ist, wo Zank herrscht und Sünde eingetreten ist, dass wir nicht beim Milch bleiben – 1. Korinther 3 –, oder wie Paulus sagt: „Ihr seid noch fleischliche Christen, denn ihr habt Streit untereinander. Was ist denn los?“
Man meint manchmal, wir seien eine reife Gemeinde, aber eigentlich sind wir noch bei 1. Korinther 3 und müssen neu einüben, dass die Liebe Gottes so viel Kraft hat, dass wir aus Liebe den anderen helfen können, den Weg der Vergebung und Gnade zu gehen.
Das war nur eine Einleitung, keine richtige Homilie – das habt ihr gemerkt. Aber ich könnte den kleinen Brief durchlesen und diese sieben Punkte vielleicht mal durcharbeiten.
Mir scheint es so wunderbar, dass der Heilige Geist uns diesen kleinen Brief an Philemon gegeben hat. Dort sind alle Begriffe enthalten, die wir brauchen, um einen Menschen oder wenn zwei Menschen da sind, zu wissen, wie wir ihnen helfen können, dass sie in der Gnade zusammenfinden und wieder zum Frieden kommen. Die ganze Bahn wird uns dort gezeigt.