Einführung und Seminarablauf
Für diejenigen, die jetzt an diesem Seminar teilnehmen: Wir wollen jetzt beginnen. Wer möchte, kann sich gerne nach vorn setzen, damit ich nicht so weit entfernt bin. Wenn du lieber hinten sitzen bleiben möchtest, ist das völlig in Ordnung. Du darfst gern hinten sitzen bleiben.
Im Vorhinein habe ich einige Informationsblätter über die Arbeit am Dauernhof ausgelegt. Es liegen hier vorne ein paar aus, und auch hinten beim Ausgang findest du welche, falls du Interesse hast.
Wir haben jetzt Zeit bis drei Uhr. Mein Plan ist, ungefähr bis halb drei oder zwanzig vor drei, also etwa eine Stunde, vorzutragen. Danach bleiben noch etwa 30 Minuten für Fragen und Ähnliches.
Es geht um christuszentrierte Erlebnispädagogik. Das ist das, was wir am Dauernhof vor allem im Sommer sehr viel machen. Ich habe auch ein Buch darüber geschrieben, in dem die grundlegenden Prinzipien beschrieben werden und wie wir sie am Dauernhof anwenden.
Ende Juli biete ich einen zweiwöchigen Kurs an, die sogenannte erlebnispädagogische Schulungswoche. Dort versuchen wir, gerade Leuten wie euch, Pädagogen, zu helfen, die Brücke zwischen Erlebnis und Christus zu schlagen. Wir zeigen, wie man mit Erlebnissen Christus schulen kann.
Der Unterschied zwischen dem, was wir machen, und dem, was viele christliche Freizeiten anbieten, ist vielleicht folgender: Auf einer christlichen Aktivfreizeit macht man eine Aktivität – Skifahren, Klettern, Raften, Schwimmen, das ist egal – und nach der Aktivität trifft man sich zur Andacht. Das ist super und hat seinen Platz, das brauchen wir auch.
Wir jedoch verwenden die Aktivität, um Christus zu schulen. Das heißt, wir haben nicht zuerst eine Aktivität und danach ein geistliches Programm, sondern alles, was wir tun, ist geistlich. Das ist vielleicht der grundlegende Unterschied. Nur damit ihr ungefähr versteht, worum es geht.
Für diese Stunde möchte ich zunächst kurz beten, dann ein Bibelwort lesen, auf das ich viel gründen werde. Danach schauen wir uns das ein bisschen genauer an.
Lieber Vater, ich danke dir für die Zeit, für das gemeinsame Beisammensein. Danke, Herr, für die Menschen, die wir heute zusammen sein dürfen, um von dir zu lernen. Herr, aus deinem Wort, dass wir lernen, dich leben zu lassen und deiner Liebe Raum zu geben für die Menschen, die du uns anvertraut hast. Amen.
Die Herausforderung des Verstehens und die Rolle der Erlebnispädagogik
Paulus schreibt im letzten Kapitel der Apostelgeschichte. Dort zitiert er den Propheten Jesaja. Im Apostelgeschichte 28,25 lesen wir: „Als sie aber unter sich uneins waren, gingen sie weg, als Paulus ein Wort sprach. Trefflich hat der Heilige Geist durch Jesaja, den Propheten, zu euren Vätern geredet und gesagt...“
Dann folgt das Zitat: „Geh hin zu diesem Volk und sprich: Hörend werdet ihr hören und nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und nicht wahrnehmen. Hörend werdet ihr hören, aber nicht verstehen. Sehend werdet ihr sehen, aber nicht wahrnehmen.“
Es ist eine Sache, etwas zu hören – das wisst ihr von euren Schülern und von euch selbst. Eine völlig andere Sache ist es, etwas verstanden zu haben. Ebenso ist es eine Sache, etwas zu sehen, und eine ganz andere, etwas wahrzunehmen.
Hier kann die Erlebnispädagogik helfen. Ein viereckiger Raum wie dieser ist nicht das beste Umfeld, um Dinge wirklich zu verstehen. Man muss Dinge hören, aber um sie zu verstehen, braucht man Lebenserfahrung. Und das kann man gerade so verbinden, wie wir es auch machen.
Das Erlebnis, auf das ich mich immer freue, ist, wenn jemand sagt: „Ah, das hat Jesus damit gemeint!“ Dann weiß ich, dass er es verstanden hat. Versteht ihr? Es geht um dieses „Aha, so ist es.“ Wenn wir das verstehen, dann haben wir wahrgenommen.
Erlebnisse sind wichtig, weil man durch sie falsches Denken auch korrigieren kann.
Die Balance zwischen Bibel und Erlebnis in der Theologie
Einen Satz habt ihr, wenn ihr einen evangelikalen Hintergrund habt, sicher alle schon gehört, besonders Bibeltreue: Baue deine Theologie niemals auf deine Erlebnisse oder Erfahrungen. Das Wort Gottes ist die Grundlage, darauf baust du deine Theologie. Erfahrungen sind gefährlich, man muss bei Gefühlen vorsichtig sein. Nur die Bibel ist die Basis, darauf bauen wir die Theologie.
Das stimmt zwar zum Teil, aber nur zum Teil. Denn manchmal kannst du sogar durch ein Erlebnis eine falsche Theologie ändern. Ich gebe euch später ein paar Beispiele dazu.
Die Bibel ist objektiv, das gebe ich zu. Aber unsere Erkenntnis der Bibel ist nie objektiv. Deshalb ist es gut, ein bisschen demütig zu sein, wenn wir über Wahrheit im Sinne des Lebens sprechen, also über unsere Auslegung der Schrift.
Ich bin auch dankbar, dass ich mehr und mehr verstehe: Es geht nicht in erster Linie um die Bibel, sondern um Jesus Christus. Natürlich ist die Bibel das Wort, das uns Jesus Christus erklärt, aber die Bibel ist nicht Christus.
Manche Christen tun sich schwer, das auseinanderzuhalten, aber es ist wichtig. Zum Beispiel Johannes 3,16. Manche würden den Vers so auslegen: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er uns ein Buch gegeben hat, auf das alle, die es richtig interpretieren, gerettet werden.“ So kommt es mir in vielen christlichen Gemeinschaften vor.
Aber da steht etwas anderes: Er hat uns nicht ein Buch gegeben, sondern seinen Sohn. Auf alle, die an ihn glauben, werden gerettet.
Die Bibel ist wahr, aber sie ist nicht die Wahrheit. Jesus Christus ist die Wahrheit. Alles, was die Bibel über die Wahrheit sagt, stimmt, aber nicht die Bibel ist die Wahrheit – das ist Christus.
Das ist wie beim Fahrplan: Wenn du mit dem Zug nach Schladming fahren möchtest, holst du dir einen Fahrplan. Der Fahrplan ist in den meisten Fällen wahr, aber der Fahrplan bringt dich nicht nach Schladming, der Zug bringt dich dorthin.
Alles, was die Bibel sagt, ist wahr, aber die Bibel bringt dich nicht nach Hause. Nur Christus bringt dich nach Hause.
Und seht ihr, deshalb leben wir ja, und deshalb sind Erlebnisse wichtig. Wir haben die Zeit, und deshalb erlaube ich mir das zu sagen, weil ich glaube, dass das pädagogisch sehr wesentlich ist.
Die Bedeutung der Hermeneutik und die drei Schachteln der Bibelauslegung
Habt ihr schon einmal das Wort Hermeneutik gehört? Falls nicht, Gott segne dich – es ist völlig egal. Hermeneutik ist das Verfahren der Auslegung und Erklärung der Heiligen Schrift, der Bibel.
Auch wenn du das Wort noch nie gehört hast, betreibst du Hermeneutik fast jeden Tag. Du beschäftigst dich fast täglich damit. Jedes Mal, wenn du morgens die Losungen liest, einen Kalender durchblätterst, die Bibel liest, eine stille Zeit hast, eine Predigt vorbereitest oder Kindergottesdienst leitest, betreibst du Hermeneutik.
Ein lieber Freund von mir, Rob Whittaker, sagt das immer so: Wann immer du die Bibel liest, hast du drei Boxen, drei Schachteln. Das, was du liest, legst du in eine dieser drei Schachteln hinein. Ich erkläre euch kurz die drei Schachteln – das ist nur ein kleiner Einschub, aber er passt gut dazu, ihr werdet sehen, warum.
In Schachtel Nummer eins lege ich alles hinein, was ich für alle Menschen zu jeder Zeit gültig halte. Das gilt für den Menschen, der um das Jahr 1000 nach Christus in Konstantinopel lebte, für uns heute hier in Stuttgart und Österreich und auch in zwanzig Jahren, falls es uns dann noch gibt, zum Beispiel in Amerika.
Ein Beispiel: Johannes 3,16 – „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben.“ Das gilt immer, für alle Zeiten und jede Kultur. Oder das größte Gebot: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das gilt überall, immer, für jeden und zu jeder Zeit. Das ist Schachtel Nummer eins.
Beim Bibellesen gibt es aber auch noch eine zweite Schachtel. Schachtel Nummer zwei besagt: Dieser Text oder diese Passage der Bibel, die ich gerade gelesen habe, ist heute für niemanden mehr gültig. Das machst du ständig. In diese Schachtel legst du ziemlich viel hinein.
Zum Beispiel, damit ihr versteht, was ich meine – ihr könnt euch hundert Beispiele geben –, im Lukas 5 steht im Vers 4: „Als er aber aufhörte zu reden, sprach er zu Simon: Fahr hinaus auf die Tiefe und lass die Netze zum Fang hinab.“ Das ist ein Gebot von Jesus. Die Frage ist: Warum fischst du nicht am See von Nazareth? Wenn du das nicht tust, bist du ein unbiblischer, ungehorsamer Christ, steht in der Bibel. Aber du tust es nicht, weil du diesen Text automatisch in Schachtel Nummer zwei legst. Das gilt heute für niemanden mehr – vielleicht für ein paar Fische dort, aber sonst niemand.
Oder wenn Jesus zu Philippus gesagt hat: „Geh in die Wüste hinab.“ Warum gehst du nicht in die Wüste? Das steht ja in der Bibel. Ich dachte, du bist ein biblischer Christ. Aber auch das legst du automatisch in Schachtel Nummer zwei. Das macht jeder Christ, das machen wir alle. Wir können gar nicht anders.
Es wäre super, wenn es nur diese zwei Schachteln gäbe. Aber es gibt noch eine dritte, die schwierige Schachtel Nummer drei. Sie besagt: Dieser Text oder diese Passage der Bibel enthält ein Prinzip, das für alle Menschen zu jeder Zeit gilt, aber die Art der Anwendung unterscheidet sich je nach Kultur und Menschen.
Das heißt: Die Prinzipien stehen fest und gelten für alle, aber die Umsetzung hängt von der Kultur und der Zeit ab, in der du lebst.
Ein Beispiel, damit ihr versteht, was ich meine: Schaut mal nach, 1. Thessalonicher 5,26. Wir sind ja hier auf einer christlichen Lehrerkonferenz, so wie ich das sehe. Dort steht ein Gebot: Paulus sagt, grüßt alle Brüder mit einem heiligen Kuss. Das war übrigens ein Kuss auf den Mund.
Interessant ist, dass ich heute Morgen gesehen habe, wie ihr hereingekommen seid. Viele von euch haben sich begrüßt, manche sogar umarmt, aber ich habe keinen einzigen Mann gesehen, der einen anderen Mann geküsst hat. Ich muss ehrlich sagen, ihr seid ganz schön unbiblisch. Das ist ein Gebot von Paulus: „Grüßt alle Brüder mit dem heiligen Kuss.“ Keiner von euch hat das getan, und die meisten von euch würden sagen, sie seien biblische Christen, Baptisten oder was auch immer. Aber ihr seid unbiblisch, denn es steht hier, und ihr tut es nicht.
Jesus hat den Jüngern die Füße gewaschen und gesagt: „Das, was ich an euch getan habe, sollt ihr auch tun.“ Wann hast du zum letzten Mal einem Bruder die Füße gewaschen? Du bist ganz schön unbiblisch unterwegs, denn die Bibel gibt das als klares Gebot.
Aber wisst ihr, was wir hier tun? Wir legen das in Schachtel Nummer drei. Wir sagen: Der Gruß gilt noch, wir müssten uns grüßen, aber der Kuss ist kulturell bedingt. Deshalb Schachtel Nummer drei.
Das Füße waschen brauchen wir nicht mehr so, weil wir heute hygienischer sind und es hier nicht so staubig ist. Aber einander dienen gilt noch. Das Prinzip steht, aber die Art und Weise, wie man es tut, ist heute völlig anders als zur Zeit der Bibel. Versteht ihr, was ich meine?
John Stott hat das auch so gesagt: Wir müssen unterscheiden wie bei einer Nuss zwischen dem Kern und der Schale. Der Kern, das Essbare, gilt für alle und immer – das ist das Prinzip. Die Schale, also wie sich eine Wahrheit nach außen präsentiert, hängt von der Zeit und der Kultur ab, in der du lebst.
Praktische Beispiele zur Auslegung der Bibel und kulturelle Prägungen
Und jetzt komme ich zu dem Punkt, der mir so wichtig ist. Ich möchte euch zeigen, wie bedeutend dieses Prinzip ist, anhand von drei Beispielen.
Ich habe das große Vorrecht, in vielen verschiedenen Gemeinschaften zu predigen – von ganz konservativen bis zu charismatischen Gemeinden und so weiter. Nur ein Beispiel: Ich bin in einer Stadt, irgendwo in Deutschland, und predige morgens in einer russlanddeutschen Gemeinde. Dort sind ganz liebe Leute, die Kinder sind extrem diszipliniert. Die ersten drei Reihen bestehen aus hundert Kindern, die sich die ganze Stunde nicht rühren.
Ich habe nur eine Vorgabe: Meine Predigt darf nicht kürzer als sechzig Minuten sein. Ich komme hinein und stelle fest, dass vorne nur Männer stehen. Keine einzige Frau ist dort oben. Derjenige, der betet, ist ein Mann, derjenige, der vorne singt, ist ein Mann, der Kirchenvorstand besteht ausschließlich aus Männern. Außerdem tragen die Frauen Kopftücher, die meisten Röcke und so weiter.
Ich frage den Gemeindeleiter: Warum macht ihr das so? Warum macht ihr das so? Und wisst ihr, was er mir sagt? Er sagt: „Hans-Peter, kennst du nicht die Bibel?“ Ich weiß es auch nicht genau, aber dann sagt er: „Schlag mal auf 1. Korinther 11,4-5 auf! Da steht: Jeder Mann, der betet oder weissagt – weissagen bedeutet übrigens predigen – und dabei etwas auf dem Haupt hat, der entehrt sein Haupt. Jede Frau aber, die mit unverhülltem Haupt betet oder weissagt, also predigt, die entehrt ihr Haupt.“
Er sagt: „Schau, hier steht, dass die Frau ein Kopftuch haben soll.“ Nun habe ich gesagt: „Ja, aber hier steht auch, dass die Frau predigt.“ Er antwortet: „Das ist nicht mehr für heute, weil im 1. Timotheusbrief steht, die Frau soll schweigen.“ Na gut, passt.
Am selben Tag habe ich abends auch einen Gottesdienst in einer ganz jungen, freien, etwas charismatischen Gemeinde. Du kommst hin, hörst schon von einem Kilometer Entfernung, dass dort etwas los ist. Dann gehst du hinein und da ist natürlich viel los, bunt und lebendig. Frauen beten, singen, predigen. Der Kirchenvorstand besteht aus halb Frauen, halb Männern. Und Kopftuch trägt natürlich keine einzige.
Dann gehe ich zum Gemeindeversteher und frage: Warum macht ihr das so? Und weißt du, was er mir sagt? Er sagt: „Erkennst du nicht die Bibel?“ Ich antworte: „Ich weiß auch nicht genau.“ Er sagt: „Schlag mal auf 1. Korinther 11,4-5 auf! Da steht: Jede Frau, die mit unverhülltem Haupt betet und weissagt.“ Ich sage: „Ja, aber hier steht auch, dass die Frau ein Kopftuch hat.“ Er sagt: „Ja, das ist nicht mehr für heute.“
Siehst du, jetzt haben wir ein Problem. Das heißt, weißt du, wie du die Bibel auslegst? Niemals objektiv, sondern immer so, wie du aufgewachsen bist.
Wahrnehmung und Interpretation: Beispiele aus der Wahrnehmungspsychologie
Wir haben jetzt ein paar Overheads. Können wir die kurz auflegen?
Das erste Bild kennt ja jeder, das alte Bild. Gibt es jemanden, der das Bild nicht kennt? Kennt jeder von euch, oder? Man sieht die alte und die junge Frau. Ich gebe es noch einmal kurz zurück, damit ihr wisst, worauf ich hinauswill.
Das zweite Bild ist vielleicht weniger bekannt. Was seht ihr da? Kann das jemand erkennen? Kugel oder Kuh – was habe ich da gehört? Es ist eigentlich ganz klar erkennbar, es ist eine Kuh. Unten die schwarze Schnauze, genau oben die Ohren und die Augen, das Auge darunter, genau.
Ich zeige euch nur, dass man das Offensichtliche nicht immer sofort sieht.
Und das Dritte bitte. Nun sind wir bei der Erlebnispädagogik. Was seht ihr hier? Das ist ganz klar ersichtlich. Was seht ihr? Ich nehme den Kopf eines Mannes, oder? Kennt das jemand? Zieh es mal rüber, man sieht immer den Kopf eines Mannes. Und jetzt kannst du unten auch rüberziehen in die gleiche Richtung.
Und was anderes tut sich jetzt langsam auf. Ja, du kannst weitermachen. Man sieht mehr und mehr eine nackte, kniende Frau, richtig? Und jetzt beginnst du mal andersherum. Mach mal nur den – na anders, ja genau. Die Frau ist frei, und jetzt sieht man nur eine nackte, kniende Frau.
Es braucht ganz schön lange, wenn man das rüberzieht, bis man das Gesicht des Mannes erkennt. Das genügt schon, danke.
Wisst ihr, was ich euch damit zeigen möchte? So wie du geprägt bist, so liest du die Bibel nie objektiv. Und ich auch nicht. Kannst ausdrehen, danke.
Und wisst ihr, was interessant ist? Ein Erlebnis kann helfen, eine falsche Theologie zu korrigieren.
Jetzt gebe ich euch Beispiele, zuerst eins aus der Bibel und dann kommen wir in die Praxis.
Erlebnisse als Korrektur falscher Theologie: Beispiele aus dem Neuen Testament
Paulus zum Beispiel kannte das Alte Testament wie seine Westentasche. Er war ein Pharisäer und zudem ein Rabbiner. Kennt ihr Arnold Fruchtenbaum? Sein Vater war jüdischer Rabbiner. Wisst ihr, was die Abschlussprüfung war? Sie bestand darin, durch die fünf Bücher der Tora einen Nagel zu treiben. Dabei musste man sagen, welcher Buchstabe auf jeder Seite durchbohrt war. So genau kannten sie das Gesetz.
Das war Paulus. Er kannte das Alte Testament in- und auswendig. Aber wisst ihr, was er nie gesehen hatte? Er konnte nicht erkennen, dass der Messias leiden muss. Das stand nirgends für ihn klar. Nun stellt sich die Frage: Wie konnte Gott Paulus helfen, diese Wahrheit zu sehen?
Man könnte sagen, Gott hätte ihm einen Theologen oder Propheten schicken sollen. Hat er gemacht: Er schickte Stephanus. Doch Paulus ließ ihn steinigen. Wisst ihr, was Paulus gebraucht hat? Ein Erlebnis. Er wurde für einige Tage blind, fiel zu Boden, und dann lesen wir, wie Paulus plötzlich den leidenden Messias predigte. Jetzt hatte er ihn gesehen. Es brauchte ein Erlebnis, um seine Theologie zu korrigieren.
Beim Petrus ist es interessant. Er predigte an Pfingsten, erfüllt mit dem Heiligen Geist, und zitierte den Propheten Joel. Er sagte, der Heilige Geist komme auf alle Nationen. Das predigte er. Aber Freunde, das war das Letzte, was er geglaubt hätte. Petrus wäre nie zu den Heiden gegangen. Er predigte zwar, und Janich glaubt, dass ein Prediger alles glaubt, was er predigt. Leider ist das nicht immer so.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie konnte Gott Petrus helfen, die Realität zu sehen, dass der Messias für alle gekommen ist? Auch hier geschah es durch ein Erlebnis. Petrus hatte eine Vision, er war auf dem Dach, griechische Tiere kamen herunter und so weiter. Erst danach ging er ins Haus des Cornelius.
Darum sind Erlebnisse wichtig. Man kann durch Erlebnisse Wahrheiten entdecken und erkennen. Wisst ihr, manchmal sind Erlebnisse wichtige Informationen, weil wir mit unserem Herzen denken. Zum Beispiel: Jetzt haben wir, sagen wir, hundert Leute hier. Ihr bekommt alle dieselbe Information. Doch wenn ihr in einer Stunde hinausgeht, hat jeder die Information anders verarbeitet.
Wisst ihr warum? Wir denken mit unserem Herzen. Wir denken nicht nur mit unserem Intellekt, sondern auch mit unserem Herzen. Das, was wir erleben und fühlen, hat einen großen Einfluss darauf, wie wir eine Wahrheit erfassen.
Grundprinzipien der Erlebnispädagogik: Wahrnehmung von Gott, Menschen und Natur
Jetzt kommen wir zur Erlebnispädagogik und wie wir sie gestalten. Es geht dabei darum, Gott wahrzunehmen, Menschen wahrzunehmen, sich selbst wahrzunehmen und auch die Natur bewusst zu erleben.
Auf diese Aspekte möchte ich jetzt kurz eingehen. Es ist einfach so – das wisst ihr als Pädagogen wahrscheinlich am besten – dass der beste Erzieher oft ein Schockerlebnis ist.
Wisst ihr, wann ein Alkoholiker aufhört zu trinken? Wenn er nach Hause kommt, die Haustür zugesperrt ist und er erkennt: „Ich habe kein Geheimnis mehr.“ Dieses Zeugnis höre ich immer wieder.
Oder wisst ihr, wann ein Mann zu seiner Frau zurückkehrt? Wenn sie sagt: „Ich habe genug von deinem Fremdgehen, ich bin weg“ – und sie ist nicht mehr da, wenn er nach Hause kommt. Auch solche Erlebnisse höre ich immer wieder in Zeugnissen.
In solchen Momenten realisieren die Menschen, wo sie wirklich stehen. Schockerlebnisse sind oft die besten Pädagogen. Und das kann man auch teilweise geplant einsetzen – so wie wir es zum Beispiel am Tauernhof machen.
Ich möchte euch dazu ein paar praktische Hinweise weitergeben.
Praktisches Beispiel: Abhängigkeit am Kletterseil als Lebensmetapher
Nächste Woche habe ich wieder eine Gruppe bei mir, alles Alkoholiker. Sie sind alle trockene Alkoholiker, die früher stark in der Sucht gefangen waren. Inzwischen sind sie frei geworden und kommen jetzt zu uns. Sie kennen Christus nicht unbedingt und haben es eigentlich gut, dass sie kommen. Zum Teil wird ihnen das sogar bezahlt. Trotzdem kommen sie und das Christliche werden sie schon irgendwie überstehen. Manche überstehen es allerdings nicht.
Das war vor Jahren. Ich habe das auch in meinem Buch beschrieben, aber das Beispiel ist schnell erzählt und leicht zu verstehen. An einem ersten Abend habe ich davon gesprochen, dass Christsein bedeutet, von Jesus Christus abhängig zu leben. Das war im Prinzip die Essenz dessen, was ich sagte.
Danach kam einer aus der Gruppe auf mich zu. Er sagte: „Weißt du, Hans-Peter, du bist vielleicht ein netter Kerl, aber du hast keine Ahnung, wovon du redest.“ Ich antwortete, das könne schon sein, und fragte, was er damit meint.
Er sagte: „Du hast gesagt, Christsein bedeutet, sich abhängig zu machen von Christus. Ich war zehn Jahre lang total abhängig vom Alkohol. Das hat mein Leben zerstört. Ich habe meine Frau verloren, meine Arbeit verloren – ich habe alles verloren. Jetzt, nach zehn Jahren, habe ich durch gewisse Umstände einen Weg hinausgefunden. Ich bin frei, habe schon drei Jahre nicht mehr getrunken. Ich habe wieder eine Arbeit gefunden, eine Frau gefunden und kann wieder leben, weil ich nicht mehr abhängig bin. Und jetzt kommst du zu mir und sagst, ich solle mich wieder abhängig machen? Du hast keine Ahnung, wovon du redest!“
Ich habe nicht viel gesagt, denn am nächsten Tag sind wir Klettern gegangen. Das war in einem viereckigen Raum, was schwer zu erklären ist. Aber beim Klettern bekommt jeder so einen Klettergurt, Karabiner, Seil und so weiter. Es erklärt sich nicht einfach, wie das funktioniert. Wir haben auch Abseilen gemacht. Wer hat schon mal abgeseilt? Ah ja, mehr als die Hälfte, dann wisst ihr genau, wovon ich rede.
Man steht oben, macht sich fest, und der Bergführer lässt einen ab. Es ist dann egal, wie steil oder hoch es ist. Man muss nur darauf achten, dass das Seil länger ist als der Felsen hoch, sonst gibt es ein Problem.
Der Mann kam hoch und hatte, wie die meisten, ein bisschen Angst, sich zurückzulehnen. Das ist immer so ein Überwinden. Aber er hatte überhaupt kein Problem, er kam hoch, hat sich reingehauen, ist runter und hatte so viel Spaß am Abseilen, dass er sofort wieder hochkam.
Beim zweiten Mal habe ich ihn dann halb wieder runtergelassen, ihn fixiert und wir standen an einem Überhang. Ich schaute nach unten und fragte: „Machst du dir Spaß?“ Er sagte: „Ja, total.“ Ich fragte ihn dann: „Ist dir eigentlich bewusst, dass du im Moment völlig abhängig von mir und von diesem Seil bist?“ Er antwortete: „Ja, ich gebe dir Recht, ich bin völlig abhängig von dir.“
Daraufhin fragte ich: „Ist es bedrohlich, so abhängig zu sein von mir und von diesem Seil?“ Er sagte: „Nein, eigentlich nicht.“ Ich fragte: „Warum nicht?“ Er antwortete: „Weil du ja ein netter Kerl bist und das Seil hält.“
Dann nahm ich mein Messer heraus, legte es an das Seil und er wusste schon, dass das Spaß war. Ich sagte: „Du hast mir gestern gesagt, du willst dich nie mehr und von niemandem mehr abhängig machen, weil Abhängigkeit dein Leben zerstört. Ich will jetzt nicht schuld daran sein, dass du diesen Tag als Abhängiger beenden musst. Ich gebe dir die Freiheit. Du bist ein freier Mensch, von niemandem abhängig, dann bist du du selbst. Ich schneide das Seil durch und du bist frei.“
Wisst ihr, was interessant war? Was der Mann an diesem Tag erkannte, ist eine ganz wichtige Erkenntnis: Ob dich eine Abhängigkeit zerstört oder ob dir eine Abhängigkeit Leben ermöglicht, hängt davon ab, von wem du abhängig bist. Abhängigkeit zu einem liebenden Vater ist nicht bedrohlich, sondern ermöglicht dir erst zu leben.
Seht ihr, wir Menschen sind ja sowieso total abhängig. Ich muss fast lachen, wenn im Englischen jemand sagt: „I’m a self-made man“ – ich bin ein selbstgemachter Mann. Weißt du was? Wenn du so unabhängig und selbstständig bist, hör einfach mal auf zu atmen. Normal, du bist ja von der Luft abhängig. Das würde ich nicht tolerieren.
Bist du unabhängig oder abhängig? Du bist sowieso abhängig. Hör auf zu atmen, dann bist du nur noch tot. Du bist abhängig von der Luft. Und wenn Gott den Sauerstoffgehalt nur um ein paar Prozent ändert, bist du sowieso tot.
Oder wenn Leute sagen: „Ich bin ein unabhängiger Mensch.“ Dann sage ich: „Okay, dann verzichte mal ein halbes Jahr auf Essen und Trinken.“ Schon bist du wieder abhängig. Du musst essen, trinken, atmen – ja, Katastrophe, wie abhängig du bist.
Freunde, wir sind total abhängig. Dieses Denken, ich bin ein unabhängiger Mensch, ist eine Illusion. Und wie viel mehr sind wir von Gott abhängig? Das ist aber nicht bedrohlich, sondern ermöglicht uns erst ein Leben – für hier und für ewig.
Abhängigkeit und Vertrauen beim Klettern als pädagogisches Mittel
Beim Klettern gibt es immer Beispiele, die ich mir aufgeschrieben habe, weil sie beim Klettern sehr gut funktionieren. Ich nehme an, einige von euch haben das schon in der Kletterhalle gemacht – es ist ja egal, wo. Ich habe festgestellt, dass man dort etwas schulen kann, was man im Klassenzimmer nie schulen kann: das gegenseitige Abhängigsein.
Beim Klettern gibt es immer zwei Rollen: einen, der klettert, und einen, der sichert. Der Sichernde und der Kletternde. Beide wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind. Der Kletternde weiß: Ich bin völlig vom anderen abhängig. Und der Sichernde weiß: Der kletternde vertraut mir sein Leben an. Wenn ich einen Fehler mache, kann das tödlich sein. Es ist tatsächlich so. Klettern ist übrigens ein extrem sicherer Sport. Aber wenn du einen Fehler machst, ist er meistens tödlich. Das ist das Problem dabei.
Bei den Alkoholikern war zum Beispiel interessant, dass sie wenig Probleme hatten, sich beim Klettern völlig abhängig zu machen von dem anderen. Das konnten sie gut. Aber wisst ihr, wo sie gezittert haben? Beim Sichern. Denn zum ersten Mal im Leben hat ihnen jemand sein Leben anvertraut. Bis jetzt waren sie immer nur die unbrauchbaren Alkoholiker, die sowieso nur an unserer Schulter hingen – das konnten sie. Aber jetzt, wo sie verantwortlich waren für jemand anderen, war das hochinteressant. Das ist das, was von der Woche für viele übrigbleibt.
Das sind Dinge, die man nicht im Klassenzimmer schulen kann, aber draußen sehr gut. Abhängigkeit.
Oder wir hatten als Teenagergruppe mal einen wilden Jungen dabei. Er hat die anderen beklaut, und alle haben ihn gehasst. Sie wollten ihn sogar aufhängen – bei uns im Garten. Sie hatten sich ein Seil geholt und wollten ihn aufhängen. Ich habe das zufällig gesehen, bin rausgegangen und habe gefragt, was sie da tun. Sie sagten, sie wollten ihn aufhängen. Ich habe gesagt: Nein, der geht jetzt nach Hause, nicht hier ins Zentrum. Das sah blöd aus.
Mit dem wollte keiner reden, keiner schlief mit ihm. Aber wisst ihr, wie interessant es war? Im Klettergarten, als er sicherte – ich hatte die Gruppen eingeteilt – gab es den ganzen Tag kein einziges böses Wort. Das war ganz interessant. Es hat sich viel verändert. Blöderweise hat er fünf Tage später wieder gestohlen, und dann war alles wieder vorbei. Aber wenn man die Zeit gehabt hätte, hätte man gedacht, da passiert etwas.
Der Junge kam aus einem Waisenheim, die Mutter war Alkoholikerin, der Vater gestorben. Nach zwei Wochen ist er mir nachgelaufen wie ein Dackel. Es tut fast leid, wenn man ihn dann wieder zurückschicken muss, aber so ist es halt.
Absolutheitsanspruch und Grenzen in der Erlebnispädagogik
Etwas anderes, das man in der Erlebnispädagogik sehr gut schulen kann, ist die Erkenntnis, dass es Absolutes gibt – ein Entweder-oder. Das habe ich ja bereits am Vormittag angesprochen. Im Lehrsaal stößt man bei Studenten oft auf Widerstand, wenn man das sagt. Dann heißt es schnell: „Das ist Fundamentalismus, diese absoluten Aussagen, das ist Hitler und so weiter.“ Solche Assoziationen entstehen.
Im Lehrsaal bekommt man also Widerstand, wenn man sagt, es gibt eine absolute Wahrheit, ein Entweder-oder. Aber ich sage Ihnen: Am Berg hatte ich damit noch nicht einmal Widerstand. Beim Klettern sehen alle, wie hoch die Wand ist. Man erklärt, wie man es macht, und dann sage ich: Damit ihr sicher seid, müsst ihr den Knoten so und so machen. Das sind unlösbare Knoten. Segler verwenden lösbare Knoten, Bergsteiger keine lösbaren Knoten.
Ich hatte von allen Altersgruppen Tausende von Teilnehmern, ohne Übertreibung, denn ich habe das mein Leben lang gemacht. Noch nie hat jemand gesagt: „Hans-Peter, du bist aber schon intolerant, so kleinkariert, warum kann man den Knoten nicht anders machen? Der sieht doch viel schöner aus.“ Niemand hat das gesagt. Jeder akzeptiert das Absolute, das ich gelehrt habe. Entweder du machst den Knoten so, oder wenn du ihn anders machst, wirst du es wahrscheinlich nicht überleben, falls du ausrutschst. Jeder erkennt: Absolutes ist nicht bedrohlich, sondern lebensrettend.
Im Lehrsaal ist das nicht so einfach, draußen hingegen sehr wohl. Solche Dinge arbeite ich dann auf und erkläre sie, und sie verstehen es. Zum Beispiel können auch Grenzen hilfreich sein. Oft wollen Kinder ja keine Grenzen. Wenn man Grenzen setzt, ist man schnell der „ungute Mensch“. In der Schule ist das oft schwierig. Manchmal tut ihr Lehrern ein bisschen leid, weil sie immer wieder Grenzen setzen, und die Kinder zuhause dann sagen: „Das ist so eine blöde, dumme Lehrerin, da durfte ich das schon wieder nicht.“
Am Berg habe ich damit nie Probleme. Da sage ich: „Jetzt gehen wir über den Grat rauf, und ihr dürft nur bis zu einem Meter an die Grenze gehen, keinen einzigen Schritt näher. Denn wenn du dann auf losem Gestein ausrutschst, bist du weg. Dort ist eine tausend Meter hohe Wand, du bist tot.“ Noch nie hat jemand gesagt: „Die Grenze ist diesmal wieder zu eng, seid nicht so intolerant.“ Nein, sie akzeptieren das. Und ich erkläre ihnen, wie hilfreich Grenzen sind.
Das sind alles Dinge, die ich nur kurz anspreche, die aber helfen. Zum Beispiel auch: Ungehorsam hat Konsequenzen. Gerade gestern hatten wir Bibelschule, die dauert acht Wochen, also nur zwei Monate. Wir haben 70 Schüler aus zehn verschiedenen Ländern. Die Schule ist international und findet auf Englisch statt.
Letzte Woche kam ein junger Mann zu mir. Sie hatten sich angemeldet und gesagt, Gott habe sie hierher geschickt. Aber sie bekamen ein bisschen Heimweh. Er war noch nie von zu Hause weg, aus Kanada. Sie hatte sich schon einmal von zu Hause entfernt, tut sich aber schwer mit den anderen Studenten. Ich glaube, die beiden hatten ein paar Pläne.
Sie sagten, sie wollten jetzt gehen, nach vier Wochen, weil es ihnen nicht gefällt. Ich sagte: „Ja, ihr könnt gehen, das ist okay.“ Dann fragten sie: „Bekommen wir das Geld zurück? Denn damit hätten wir reisen können.“ Ich sagte: „Nein, das Geld bekommt ihr nicht zurück. Das steht klar in den Unterlagen, die ihr selbst unterschrieben habt. Bei einem Notfall oder einem triftigen Grund ist das eine andere Sache, aber nur weil es einem nicht gefällt, nicht.“
Übrigens sind ganz wenige abgereist. Ich bin jetzt schon 18 Jahre dabei. Von Tausenden Studenten sind vielleicht fünf nach Hause gefahren. Außerdem ist es gut, solche Dinge zu lernen. Ihr könnt euch zwar entscheiden, aber Entscheidungen haben immer Konsequenzen. Diese Lektion möchte ich euch nicht nehmen.
Im Leben erlebt man immer Dinge, die man nicht gerne hat. Gibst du dann einfach auf, etwa deine Frau, die dir nicht mehr passt, und lässt dich scheiden – ist das die Lösung? Es hat sich bei mir gut gelegt. Ich habe mit den Eltern gesprochen, und sie bleiben jetzt. Aber es ist wichtig zu erkennen: Meine Entscheidungen haben Konsequenzen.
Vor Jahren hatte ich ein Beispiel: Wir haben bei uns Kreuzottern, das sind ganz liebe Tiere. Ich mag sie sogar. Aber ich sage: Berührt sie nicht, fangt sie nicht, denn sie sind giftig. Du stirbst zwar nicht, aber du siehst danach nicht mehr gut aus.
Ein Kanadier und ein Jahr später sogar unser Bibelschulleiter haben so eine kleine Kreuzotter gefangen. Sie sieht ja ganz nett aus. Beide wurden gebissen, als sie die Schlange losließen. Man muss sie nämlich wegwerfen. Beim Fallenlassen haben sie gebissen. Innerhalb einer halben Stunde bekommt man einen dicken Arm. Du siehst nicht mehr gut aus. Man kann den Hubschrauber rufen und ausgeflogen werden.
Diese Dinge sind wichtig. Wir können etwas tun, aber die Konsequenzen tragen wir oft selbst. Oder wir sagen: Bitte pflückt keine Edelweiß. Nicht weil es unter Naturschutz steht – das ist mir ziemlich egal –, sondern weil sie immer auf Felswänden wachsen, wo man schwer rankommt.
An einem Punkt verlassen wir unsere Gruppenleiter. Meistens sind acht Personen in einer Gruppe. Bei einer Tour am Berggipfel hauen die Gruppenleiter einfach ab. Ich bleibe dort, wo ein Bergführer bleibt, und schaue mit dem Fernglas, was die anderen tun. Sie müssen dann selbst zurechtkommen. Ich habe keine Ahnung, was sie machen. Das ist interessant, gruppendynamisch gesehen.
Ich sage den Teilnehmern auch vorher: Falls ihr mal alleine seid, pflückt keine Edelweiß. Einmal bin ich hinten nachgegangen und hörte schon von weitem Hilfeschreie. Ich lief hin und sah drei Jungs, die in der Felswand hingen, weil sie Edelweiß pflückten. Einer war oben, konnte aber nicht mehr runter. Runterzuklettern ist viel schwieriger als raufzuklettern.
Wäre ich eine halbe Stunde später gekommen, wären alle drei tot gewesen. Dann bekommst du die Nähmaschine, ziehst sie hoch und fällst runter. Unser Ungehorsam hat Konsequenzen. Das sind natürlich extreme Beispiele, das mit dem Edelweiß war eine Ausnahme. Aber auch kleinere Dinge.
Zum Beispiel mache ich ab und zu einen kleinen Spaß, nur für euch, vielleicht könnt ihr etwas davon gebrauchen. Die Gruppen müssen oft alleine ihren Weg durch den Berg finden. Sie haben eine Landkarte, eine AV-Karte, auf der die Berge genau eingezeichnet sind. Ich erkläre ihnen, wie man Karten liest, der Weg ist genau eingezeichnet.
Sie gehen los, treffen sich im Team, müssen selbst einen Leiter bestimmen. Sie sind schon fünf Stunden unterwegs, schwitzen. Dann komme ich zufällig vorbei und frage: „Seid ihr sicher, dass ihr richtig seid?“ Dann reißt sich alles zusammen, die Landkarte wird rausgeholt. „Nein, wenn Hans-Peter sagt, das stimmt nicht, dann sind wir falsch.“ Manche drehen sogar um, obwohl sie auf dem richtigen Weg sind.
Ich sage: „Schaut mal auf die Karte, wo seid ihr?“ Sie schauen und sagen: „Ja, hier.“ Ich frage: „Warum seid ihr dann nicht auf dem richtigen Weg?“ Sie antworten: „Du hast doch gefragt, ob wir auf dem richtigen Weg sind.“ Ich sage: „Ja, und?“
Oft ist es so: Wir haben einen Kompass, der stimmt. Dann kommt irgendein Guru und sagt: „Glaubst du, das stimmt?“ Und schon wackelt unser Glaube. Warum bleibt man nicht beim Original? Geht zur Karte, zum Kompass.
Ich habe ja gesagt: Ich bin die Wahrheit. Du brauchst dich nicht verwirren lassen durch ein paar halbwilde Bergführer, die glauben, sie wissen es besser. So etwas erlebt man, und diese Dinge merkt man sich.
Das ist auch Prinzipienwahrnehmung. Geistliche Prinzipien schulen geht relativ einfach in der Erlebnispädagogik – ganz kurz nur die Natur wahrnehmen zum Beispiel.
Natur wahrnehmen als geistliche Übung
Ist hier jemand, der Kunst studiert? Ein Kunststudent, irgendein Künstler? Ich bin ein Kunstbanause. Ich mache und liebe schöne Bilder, aber ich kenne mich nicht wirklich aus.
Mir hat mal jemand erklärt, dass ein Künstler, der zum Beispiel einen Baum auf einem Gemälde malen will, den Baum nicht nur sehen darf. Er muss den Baum wahrnehmen. Wenn ein Künstler die Gabe hat, einen Baum wahrzunehmen und es dann auch schafft, das auf das Bild zu übertragen, dann verkauft sich das Bild, weil es lebt. Es ist eine Sache, einen Baum zu sehen, und eine ganz andere, ihn wahrzunehmen und diese Wahrnehmung dann auch umzusetzen. Das ist Kunst – gute Kunst.
Es gibt aber auch Kunst, die mir nicht so liegt. Vor ein paar Jahren in Österreich habe ich etwas mitbekommen, da war ein Künstler, dessen Namen ich vergessen habe. Er hat seinen Code systematisch auf dem Gehsteig verteilt, und das war Kunst. Und er hat Anhänger gefunden.
„Wo leben wir überhaupt?“, fragst du dich da schon, oder? Es ist übrigens interessant: Wenn es keinen Unterschied mehr zwischen hässlich und schön gibt, dann wird es schwierig. Nenn es nicht hässlich, das ist meine Kunst. Doch es gibt einen absoluten Maßstab dafür, was hässlich ist und was nicht.
Wenn man beginnt, Schönheit wegzuerklären, verliert man die Ethik. Dann gibt es keine Scham mehr. Man verliert die Scham, und das ist eine Katastrophe.
Die Natur wahrzunehmen – das fällt mir oft auf. Du bist auf einem Berggipfel und sagst zu deinen Freunden: „Schaut euch die hundert Berge an, wie schön!“ Und du bist total begeistert. Aber sie sagen nur: „Ja, gar nicht schlecht. Wo gibt es hier die Hütte mit Bier?“ Sie sehen genau dasselbe wie du, aber sie nehmen es nicht wahr.
Versteht ihr, was ich meine? Zwischen Sehen und Wahrnehmen gibt es einen riesigen Unterschied. Es ist etwas Wunderbares, in der Natur herumzugehen und den Leuten zu helfen, schöne Dinge wahrzunehmen, nicht nur zu sehen.
Oft studiere ich so ein bisschen die Blumen, zum Beispiel das Edelweiß. Sonst merken sich die Leute ja keine, sie bleiben bei einer einzigen. Vielleicht noch beim Enzian. Wie der wächst! Es ist ja ein Wunder, wie der wächst, wie die feinen Haare den Pullover-Effekt haben, wie die Sonne widerstrahlt und gleichzeitig Wärme gibt.
Ich muss immer wieder daran erinnern. Ich habe hier eine Notiz: Ein lieber Freund, der inzwischen verstorben ist, Billy Strackon, war Schotte. Er hatte ein wildes Leben hinter sich, war Alkoholiker und wurde Christ. Erst ungefähr mit dreißig Jahren fuhr er mit dem Auto mit Major Thomas nach London.
Plötzlich schrie er: „Major, bleib sofort stehen!“ Der Major dachte, Billy sei ein bisschen verrückt, vielleicht sogar sehr. Dann stieg Billy aus dem Auto, kniete sich auf die Wiese und rief immer wieder: „Das Gras ist grün! Das Gras ist grün!“
Man hätte schon gedacht: „Ja, ja, typisch, der dreht wieder durch.“ Aber weißt du was? Billy hat zum ersten Mal in seinem Leben gesehen, dass das Gras eine schöne grüne Farbe hat. Er hatte das nie vorher gesehen. Das ist dieses Wahrnehmen.
Und ich glaube, es hat auch mit dem Alter zu tun. Ich bin mir nicht sicher, aber je älter ich werde, desto mehr schätze ich es und nehme ich schöne kleine Dinge wahr. Ob es die Rose ist, die am Wegesrand riecht. Früher bist du einfach vorbeigelaufen, bist drübergelaufen.
Das ist eine wichtige Sache: die Natur wahrzunehmen.
Selbstwahrnehmung und die Realität des sündigen Menschen
Dann geht es auch darum, sich selbst wahrzunehmen. Oft haben wir ein falsches Bild von uns selbst. Freunde, von uns selbst dürfen wir nicht viel erwarten, weil wir Sünder sind. Punkt.
Oft liest man jetzt zum Beispiel, dass eine Bischöfin sich scheiden lassen hat, und so weiter, in Deutschland. Ja, Freunde, überrascht uns das? Wir sind doch Sünder. Es kann mir genauso passieren wie dir. Es gibt keine Garantie.
Wenn junge Leute heiraten, besonders wenn sie dreißig, vierzig Jahre alt werden, wird es schwierig. Dann wollen sie genau wissen, ob es auch gut geht. Aber das können sie gleich vergessen. Du weißt nicht, ob es gut geht. Es ist ein Risiko, ein Abenteuer. Du kannst nicht mehr raus.
Von uns selbst dürfen und brauchen wir nicht viel erwarten, sondern von Christus in uns. Christus in dir, die Hoffnung der Herrlichkeit. Du hast keine Hoffnung, aber blöderweise ist es unter Christen oft so, dass sie unbewusst, gar nicht bewusst, glauben, sie müssten sich als Christen zusammenreißen. Weil sie ja Repräsentanten von Christus sind, muss ihr Leben einen Unterschied machen.
So fallen wir in eine Gesetzlichkeit und setzen uns selbst unter Druck. Wisst ihr, was mir bei der Lebenspädagogik so gefällt? Beim Klettern bleiben wir dabei. Zum Beispiel sind Frauen oft ein bisschen geschickter, sie sind wendiger, haben zwar nicht so viel Kraft, aber sie sind wendiger.
Da merkt man es bei einigen Männern: Jetzt sind drei Frauen raufgekommen, und er noch nie. Er ist nicht unsportlich, aber er kommt da nicht rauf. Beim dritten Mal Ausrutschen sagt er Dinge, die gar nicht in der Bibel stehen. Dann frage ich immer nach dem Bibelvers, und dann kommt er wieder vom Seil runter, weil er nicht draufkommt.
Manchmal gehe ich hin, schüttle ihm die Hand und sage: Willkommen im Club, jetzt bist du endlich einer von uns. Weißt du, wer wir sind? Jetzt hat sich das offenbart. Und übrigens, du brauchst gar nichts anderes zu sein. Jetzt weißt du, warum du Jesus brauchst.
Aber viele Christen sind so gut, dass sie Jesus gar nicht mehr brauchen. Es funktioniert aber nicht. Viele brennen aus, weil sie es nicht mehr schaffen, so gut zu sein. Dabei ist Christsein so entspannend. Ich kann ehrlich der sein, der ich bin, und ich kann mich jederzeit an Christus wenden. Er kann es, ich nicht.
Ich bin jetzt zwanzig Jahre verheiratet, und es wird jedes Jahr erfüllter, muss ich ehrlich sagen. Ich bin total gerne verheiratet, mehr als vor zehn Jahren. Aber es hat wenig mit mir zu tun. Natürlich musste ich Jesus nachgeben. Es hat alles mit Christus zu tun.
Wenn es an mir und meiner Frau liegen würde, wären wir schon zehnmal geschieden. Das meine ich wirklich. Meine Frau weiß das auch. Und das ist das Ermutigende.
In der Erlebnispädagogik, so am Berg, kannst du nicht mehr Christ spielen. Zu einer Bibelstunde kann man so kommen, das wissen wir. Aber wenn du acht Stunden im Regen und Schnee gehst, und die Person vor dir geht nicht weiter, dir ist kalt, es ist windig, und du hast Blasen, dann ist dir ziemlich egal, was da drinnen steht. Da bist du ehrlich.
Das ist das Schöne an dieser Erlebnispädagogik. Aber natürlich geht es auch darum, den anderen wahrzunehmen, etwas, was wir vielleicht zuletzt tun. Dann los!
Methoden zur Förderung der Wahrnehmung in Gruppen
Gute Zeit! Was wir immer am ersten Tag machen, das könntest du vielleicht auch in der Schule machen. Du brauchst keine Berge dazu. Dort gehen wir mit den Teilnehmern spazieren, nur am ersten Tag. Dabei kannst du ein bisschen die Bergschuhe einlaufen, das ist auch nicht schlecht. Vielleicht zwei Stunden oder so irgendwo ein bisschen rauf, aber ohne Gepäck.
Jeder hat einen Zettel und einen Schreiber dabei. Wir nennen das immer "goals and fears" – also die Bedenken, die ich habe, sowie die Erwartungen oder Ziele und Ängste. Wir bitten jeden, für sich selbst drei Ziele und drei Ängste niederzuschreiben. Das hat sich wirklich gut bewährt.
Die Teilnehmer setzen sich hin und überlegen: Was sind ihre Ziele für die kommenden zwei Wochen? Und was sind ihre Ängste für diese Zeit? Das könnte man auch mal in einer Schulklasse machen. Die Ziele und Ängste werden aufgeschrieben. Dann bitte ich sie, sich zu zweit zusammenzusetzen. Sie sollen sich gegenseitig ihre Ziele und Ängste mitteilen – zehn Minuten lang.
Zum Beispiel teilt Sieglinde Franz ihre Ziele und Ängste mit. Sie haben sich vorher noch nie getroffen. Dabei achten wir darauf, dass nicht Leute zusammensitzen, die sich schon kennen. So teilen sie oft die tiefsten Nöte und Ängste miteinander.
Anschließend kommen alle im Kreis zusammen. Dann frage ich zum Beispiel Sieglinde: „Was waren die drei Ziele und Ängste von Franz?“ Und weißt du was? Sie weiß kein einziges mehr. Das kann gut sein, weil das Gedächtnis schlecht ist. Aber weißt du, warum wir es nicht mehr wissen? Weil es uns nicht interessiert. Wir interessieren uns nur für unsere eigenen Ziele und Ängste.
Höflich sein ist eine Sache, das haben wir ja gelernt. Wenn jemand zu dir kommt und spricht, schaust du ihm in die Augen. Das können wir alle. Aber den anderen wirklich wahrzunehmen, das ist etwas anderes.
Ich muss ehrlich sagen: Im Winter haben wir Skifreizeiten – 15 Skifreizeiten hintereinander. Wir haben ungefähr zwölf Skilehrer, die vormittags mit den Gästen Ski fahren und Skiunterricht geben. Oft fahre ich mit jemandem den Berg hoch, habe aber fünf Gedanken im Kopf: Ein Kind hat ein Problem, mit einem Mitarbeiter gibt es Schwierigkeiten, ich muss zwanzig E-Mails beantworten und denke gerade darüber nach.
Dann fährt mir jemand entgegen und ich denke mir: „Das ist ja eine Zahl in der Gästegruppe.“ Jetzt muss ich schon fragen, wie es ihm geht. Dann frage ich, wie es Horst geht, wo er herkommt, ob er Christus kennt und ob er schon mal mit Gott zu tun hatte. Er erzählt mir davon.
Weißt du was? Oben steige ich aus dem Lift aus. Wenn du mich fünf Minuten später fragst, was er gesagt hat, weiß ich nicht einmal mehr seinen Namen. Denn mit meinen Gedanken war ich komplett woanders. Ihr habt mich wahrgenommen. Verstehst du, was ich meine?
Natürlich sind wir ja nicht Gott, und das müssen wir auch nicht sein. Aber wir können uns ein bisschen sagen: Wenn ich jetzt mit jemandem rede, rede ich mal nur mit ihm und versuche, den anderen wahrzunehmen.
Dazu brauchst du Jesus. Was ich jede Woche bete, ist: Herr Jesus, ich habe für die Leute kein Anliegen. Aber du hast es. Ich kenne die Probleme der Leute nicht und kann sie auch nicht lösen. Aber du kennst sie und kannst sie lösen.
Herr Jesus Christus, ich brauche dich. Gib mir deine Liebe, dein Anliegen für diese Menschen. Dieses Gebet spreche ich sehr oft und ermutige auch meine Mitarbeiter, so zu beten. Dann geschieht das Wunder: Man kann sich wieder um die Menschen kümmern.
Ich frage mich oft selbst – meine Frau sagt oft: „Nein, was du redest, du redest ja die ganze Zeit.“ Ich sage dann: „Ja, stimmt, ein paar Vorträge, persönliche Seelsorge und so weiter.“ Und immer denkt man sich: „Nein, ich kann ja mal.“ Aber dann sagt mir Jesus: „Doch, du kannst.“
Interessanterweise steht mir ein Mensch gegenüber, und ich empfinde Liebe für ihn – ehrliche Liebe. Aber es ist nicht, weil ich so ein toller Mensch bin. Bin ich nicht. Das ist die Gegenwart Christi. Darum bin ich so gerne Christ.
Diese Dinge kann man relativ gut schulen, zum Beispiel am Berg. Natürlich ist das beschränkt, aber das ist das, was ich vorbereitet hatte.
Fragen und Antworten: Praktische Anregungen für Schule und Erlebnispädagogik
Gibt es dazu Fragen? Ihr könnt gerne alles fragen, was euch einfällt. Ich weiß nicht, ob er das Mikrofon hat – ja, bitte!
Du hast dieses Beispiel mit den Zielen und den Ängsten gebracht, das man vielleicht auch in der Schule umsetzen kann. Hättest du noch weitere Anregungen für die Schule? Also, was man in einem Projekttag oder in einer Unterrichtsstunde oder an einem ganzen Unterrichtstag angehen könnte, was gruppendynamisch wirklich sehr gut wäre und auch geistliche Prinzipien den Schülern näherbringt?
Nicht jeder hat Berge – das muss man auch nicht haben. Du kannst genau dasselbe mit Wasser machen. Es kommt nicht auf die Umgebung an, sondern auf die Prinzipien. Aber was jeder machen kann, sind die sogenannten Initiatives, diese gruppendynamischen Spiele, wie sie genannt werden. Die kann ich überall und jederzeit durchführen.
Ich nehme an, ihr kennt das, wenn ihr Pädagogik studiert habt, zumindest zum Teil. Den Vertrauensfall kennt ihr zum Beispiel? Der ist so leicht zu praktizieren, da brauchst du gar nichts. Machen wir gleich einen, komm mal raus! Vierte Reihe, noch eine Person, komm bitte auch. Ja, genau.
Ihr braucht nur die Hände nach vorne zu halten, so, dass immer eine Hand von dir die vom anderen berührt wie ein Reißverschluss. Nein, nicht festhalten, nur so, ja genau, so wie ein Reißverschluss. Richtig, sehr gut, das braucht gar nicht viel.
Und Schüler, weißt du was? Die lieben das. Manche fürchten sich wahnsinnig, andere nicht. Wie heißt du nochmal? Christoph? So, stell dich hin, rückwärts, mit den Fersen ganz zurück.
Ja, das Kabel, das reißt – das macht nichts, es ist nur ein Computer. Nein, wir können es auch hier rüberstellen. Schau, du kannst über das Kabel steigen, ja, nochmal drüber, genau so.
Wichtig ist, hier die Hände an die Hose zu nehmen, da nimmst du die Hose, und da lässt du nicht los. Das zweite Wichtige ist, du bleibst ganz steif, ganz steif. Und auf geht’s, lass dich zurückfallen, ganz steif. Ja, genau.
Super! Das ist überhaupt nicht gefährlich. Es ist total einfach, aber es braucht ganz schön Überwindung. Und das merkst du. Weißt du, was das Schwierigste ist? Du stehst da oben und fragst dich: Können mich die halten? Das ist ja die größte Angst, oder?
Und dann redest du über Vertrauen. Jetzt redest du über Vertrauen, jetzt wissen sie, wovon du sprichst. Du redest vom Vertrauen, und sie wissen genau, was du meinst. Sonst ist Vertrauen nur ein Konzept, mit dem die Schüler nichts anfangen können.
Oder was ich gerne mache: in die Höhle gehen. Die Höhle ist eine meiner Lieblingssachen. Ich gehe sehr oft in die Höhle, wir schlafen dann sogar drin. In der Höhle ist es total finster, und dann mache ich drinnen Unterricht über Dunkelheit.
Christus hat gesagt: Ich bin das Licht der Welt und so weiter. Und wenn du da drinnen über Dunkelheit redest, wissen die alle genau, wovon du sprichst. Du musst nicht sagen: Stellt euch vor, es ist dunkel, macht die Augen zu. Aber das ist nicht dunkel. Es ist heraus nie dunkel, um Mitternacht ist es nicht dunkel, du siehst immer etwas.
In der Höhle ist es total dunkel. Und da bleibe ich dann. Es ist kalt, es ist nass, es ist unangenehm. Nach zwölf Stunden da will jeder nur noch raus. Und dann redest du über dies.
Weißt du, was erlebnispädagogisch auch bedeutet? Zum Beispiel diese Höhle. Wir haben sie bei uns. Es gibt aber auch Bunker. Es ist ja egal, ob es eine Schlammhöhle ist oder sonst irgendetwas, irgendwo, wo es heute finster ist.
Das vergessen die ihr Leben nicht mehr. Jeder, der bei uns in der Höhle war – Doro, du warst schon öfter, ich kann jemanden fragen: Vor zwanzig Jahren kann sich noch jemand an die Höhle erinnern. Ja, sowieso!
Die Predigt heute, die habt ihr bald vergessen, die kitzelt die wenigsten. Wenn du mit mir in die Höhle gehst, vergisst du das nie mehr. Und wisst ihr was? Die Botschaft, die du in diesem Moment gegeben hast, vergisst du auch nicht mehr.
Sieh dir das an – das ist Erlebnispädagogik: dieses unvergessliche Erlebnis auszunutzen und dann mit Inhalt zu füllen. Und das braucht wiederum die Abhängigkeit vom Heiligen Geist.
Lass dir vom Heiligen Geist die Gedanken schenken. Darum musst du abhängig leben. Leb nicht nach Prinzipien, sondern lebe mit dem Heiligen Geist jeden Tag. Er schenkt dir Gelegenheiten, und er schenkt dir auch die Worte.
Das ist es.
Sonst nur eine Frage? Es gibt noch ein grünes … Nein, es passt. Hallo, Aja.
Und zwar hast du vorhin gesagt, wir lesen die Bibel subjektiv, obwohl sie eine objektive Wahrheit ist. Deshalb meine Frage an dich: Wenn wir alle subjektiv die Bibel lesen, jeder mit seiner Prägung, woher wissen wir dann, was objektiv die Bibel sagt?
Genau, das ist eine gute Frage.
Das Schöne am Wort Gottes ist, dass – was wesentlich ist, so glaube ich – wenn es nicht stimmt, korrigiere mich gerne – was wesentlich am Evangelium ist: Das Evangelium ist 1. Korinther 15, dass Jesus Christus für meine Sünden gestorben ist, dass er begraben wurde, dass er am dritten Tag auferstanden ist und heute lebt.
Das ist das Evangelium. Und das kann ich von der ersten bis zur letzten Seite relativ klar lesen, dass Gott Liebe ist, dass der Mensch sich von Gott abgewandt hat, dass Christus gekommen ist, um diese Beziehung zwischen Gott und Menschen wiederherzustellen.
Das lese ich glasklar durch die Bibel, soweit ich das sagen darf.
Aber weißt du was? Viele nebensächliche Themen sind nicht klar erkennbar. Und darum, was ich heute gesagt habe: Du musst das nicht alles wissen.
Aber wisst ihr, was wir sein sollen? Wenn es um nebensächliche Themen geht, lass uns immer barmherzig sein. Zu sagen: Schau, ja, der tut es halt so, der redet in Zungen und der redet nicht in Zungen.
Ist Zungenreden das Thema der Bibel? Nein, das ist ein absolutes Nebenthema. Dann lasst doch den und den, wie er es will. Darüber werde ich mich keine einzige Minute streiten.
Ob Kopftuch oder nicht – Freunde, das interessiert Gott so wenig. Da war mal in Afrika ein Missionar, auch Beatist wahrscheinlich, weiß ich nicht, der darauf bestanden hat. Die Frauen sind gläubig geworden, haben nur sein Kopftuch getragen, aber die hatten nur ein Tuch hier, jetzt haben sie es halt hier abgenommen und oben aufgesetzt. War auch ganz nett.
Aber seht ihr, wie hirnrissig sowas ist? So etwas kann man nicht als Wahrheit hinstellen.
Wo es um Nebensächlichkeiten geht, seid einfach barmherzig und lasst den anderen. Redet einfach darüber.
Ich glaube, die Botschaft des Evangeliums ist glasklar im Zentrum durch die ganze Schrift hindurch.
Unterschied zur Sozialpädagogik und Zielsetzung der Erlebnispädagogik
Zwischendurch habe ich mich gefragt, worin sich deine Erlebnispädagogik von der unterscheidet, die der Sozialpädagoge an der Schule ohnehin schon praktiziert. Sicherlich unterscheiden sie sich nicht stark, denn die Erlebnisse sind wahrscheinlich die gleichen. Es wird auch an die Kletterwand gegangen oder durch das Spinnennetz getragen.
Im Nachhinein wurde mir jedoch klarer, worin der Unterschied vielleicht doch liegt. Vielleicht kannst du dazu ein oder zwei Sätze sagen.
Zum Beispiel schätze ich sehr, dass der Vater der Erlebnispädagogik Kurt Hahn ist, wie er genannt wird. Er hat das sogenannte Outward Bound ins Leben gerufen. Dabei ist er mit einem Segelschiff mit jungen Leuten hinausgefahren. Das Schiff hieß Outward Bound, daher stammt auch der Name der Outward Bound Schulen. Unsere Schule heißt jedoch Upward Bound, nicht Outward Bound.
Outward Bound ist an die Natur gebunden, während wir nicht an die Natur gebunden sind, sondern zu Gott hin gebunden. Wir sind upward bound. Der Unterschied liegt also nicht in der Methodik, sondern im Ziel. Deshalb frage ich jeden Pädagogen, der mit Jugendlichen arbeitet – egal ob straffällige Jugendliche oder nicht, ob mit Behinderten oder nicht – was sein Ziel ist. Wo willst du mit diesen Menschen hin?
Das ist interessant: Viele Pädagogen haben kein Ziel oder können es zumindest nicht definieren. Wenn man sie fragt, was das Endprodukt ihrer Pädagogik ist, also was sie am Ende sehen möchten, können viele keine klare Antwort geben. Ich frage das jeden. Und ich kann dir erklären, was ich will: Ich möchte, dass jeder Mensch, der zu mir kommt, erkennt, dass Gott ihn so liebt, wie er ist.
Aus dieser empfangenen Liebe soll er lernen, diese Liebe zurückzugeben und ein erfülltes Leben in einer Welt zu finden, wie sie wirklich ist. Das ist mein Ziel. Unsere Pädagogik ist auf dieses Ziel ausgerichtet. Der Unterschied liegt also nicht in der Methodik. Ich finde die Methodik von Kurt Hahn wunderbar, und wir verwenden sie. Aber man muss sagen, wohin wollte er?
Er wollte Jugendliche erreichen, sein Ziel war klar definiert: Er wollte Jugendliche, die moralisch gut leben, in dieser Welt zurechtkommen und eine Arbeit finden. Das ist gut, denn er wollte ihnen Hoffnung für dieses Leben geben. Aber ich möchte eines sagen: Wenn man über Hoffnung redet, die nicht über dieses Leben hinausgeht, dann muss man vorsichtig sein mit dem Wort Hoffnung.
Denn du kannst der erfolgreichste Schüler sein und dennoch mit dreißig oder fünfzig Jahren sterben. Dann sind es nur ein paar Jahre Unterschied. Eine Hoffnung, die nicht über den Tod hinausgeht, ist keine wirkliche Hoffnung. Ich bin im Bergrettungsdienst und auch im Höhlenrettungsdienst tätig. Wir retten kein einziges Leben, das Beste, was wir tun können, ist, Leben zu verlängern.
Darum heißt es bei Jesus: Zu Weihnachten lesen wir die Geschichte, als die Engel zu den Hirten kamen und sagten: „Freut euch, heute ist der Retter geboren.“ Christus ist der Retter. Zu diesem Christus, dem Liebhaber aller Menschen, möchte ich Menschen führen – auch wenn es nur das ist. Und wenn nicht, ist es auch ganz gut.
Ich habe nur eine praktische Frage zur Folie: Wie kommt man an sie heran? Du kannst sie kopieren. Warte, soll ich die Kopie hierlassen? Wer kann sie verteilen? Keine Ahnung. Also einfach mal auf der Webseite letbw.de nachschauen. Paul Gerhardt, soll ich dir dann so etwas Eingescanntes schicken? Kein Problem. Du müsstest mir aber bitte eine E-Mail schreiben, sonst vergesse ich es sicher. Dann mache ich das gerne, das ist kein Problem.
Wenn jemand noch eine persönliche Frage hat oder etwas vom Tauernhof wissen möchte, kommt einfach zu mir. Danke für die Aufmerksamkeit. Bis später!
Hast du noch Ansagen? Frau Gerhard, hast du noch eine Ansage? Nein, Ansagen hat sie keine mehr.
Um 15:15 Uhr gibt es Kaffee, vielleicht auch ein paar Minuten früher, damit die, die aus den anderen Lokalen kommen, auch ihren Kaffee bekommen.