Einführung in die Frage nach Gottes Existenz
Ja, das Thema dieses Abends ist Gott. Die Frage, ob Gott existiert oder nicht, beschäftigt die Menschheit eigentlich seit Anbeginn der Zeit. Immer wieder haben sich Menschen darüber Gedanken gemacht.
Heutzutage gibt es drei große Gruppen von Menschen in Bezug auf diese Frage. Die einen sagen, es gibt Gott. Die anderen behaupten, es gibt keinen Gott. Diese werden meist als Atheisten bezeichnet oder nennen sich selbst so. Der Begriff stammt aus dem Griechischen: „Theos“ bedeutet Gott, und das „A“ ist eine Verneinung, also „Nicht-Gott“.
Dann gibt es noch diejenigen, die sich Agnostiker nennen. Sie sagen, dass man das gar nicht genau beantworten kann. Es ist unsicher, und sie wissen es nicht genau. „Gnosis“ bedeutet Wissen, und „Agnosis“ heißt somit Nichtwissen. Agnostiker meinen also, dass man es nicht genau weiß und die Frage unbeantwortbar ist.
Das sind die drei großen Gruppen. Heute Abend möchte ich Sie herzlich einladen, einige Argumente dieser Gruppen anzuschauen, um sich selbst ein besseres Bild machen zu können.
Historische Entwicklung und erste Argumente des Atheismus
Zuerst möchte ich auf die Argumente eingehen, die heute häufig genannt werden, wenn es um den Atheismus geht. Es gibt große Vereinigungen in Deutschland, beispielsweise die sogenannte Giordano-Bruno-Stiftung, die sich aktiv für die Verbreitung des Atheismus einsetzt. Diese Organisation veranstaltet Events, bei denen Menschen eingeladen werden, um sie davon zu überzeugen, dass es keinen Gott gibt. Auch in der Vergangenheit gab es Menschen, die sich so verhalten haben.
Zunächst möchte ich einige dieser Argumente betrachten. Der Atheismus, wie wir ihn heute kennen, ist eigentlich eine relativ junge Erscheinung. Richtige Atheisten, wie wir sie heute verstehen, sind etwa vor zweihundert Jahren entstanden. Man führt das beispielsweise auf die Französische Revolution zurück. Damals wollte man bewusst Gott abschaffen. Das war das Ziel. Deshalb wurden Kirchen zerstört, Geistliche umgebracht und die Kirche enteignet. Es war ein großes Blutbad, doch eines der Hauptziele war, Gott abzuschaffen. In dieser Zeit entstanden auch die ersten wirklichen atheistischen Argumente.
Es gab aber auch schon vorher Menschen, die man als Atheisten bezeichnet hat, zum Beispiel zur Zeit des Alten Testaments. In einem Psalm lesen wir: „Der Narr spricht in seinem Herzen, es gibt keinen Gott.“ Diese Atheisten waren jedoch eher praktizierende Atheisten, so möchte ich das nennen. Sie waren keine Atheisten aus intellektuellen Gründen, sondern sie sagten, Gott störe ihren Lebensplan, und deshalb verneinten sie ihn. Wir haben also keine wirklichen Argumente aus dieser Zeit.
Woher wissen wir das? Beispielsweise von Sokrates. Sokrates gilt als einer der bekanntesten und wichtigsten griechischen Philosophen der Antike. Er wurde in Athen zum Tode verurteilt, unter anderem mit dem Vorwurf des Atheismus. Man warf ihm also vor, Atheist zu sein. Wer aber Sokrates genauer liest, stellt fest, dass er kein Atheist im heutigen Sinne war. Er leugnete lediglich, dass die Götterstatuen, die es in Griechenland gab, wirkliche Götter seien. Er sagte, das könnten keine wahren Götter sein. Wenn Gott existiert, so nahm er an, dann ist er unsichtbar.
Sokrates schrieb zum Beispiel, dass er die Stimme Gottes in seinem Inneren höre und wahrnehme. Er war also durchaus überzeugt, dass es einen Gott gibt, nur eben nicht den Gott der griechischen Antike, also nicht den, der in den Tempeln angebetet wurde.
Vielleicht klingt es auch für manche etwas absurd, dass viele Christen in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, also nach Jesus Christus, angeklagt, verfolgt und umgebracht wurden wegen des Vorwurfs des Atheismus. Das klingt zunächst widersprüchlich.
In den ersten 300 Jahren nach dem Tod Jesu, also von etwa 33 nach Christus bis 312, als Konstantin der Große im Römischen Reich die Macht an sich riss und das Christentum legalisierte, wurden Christen im Römischen Reich verfolgt. Einer der Vorwürfe gegen sie war, dass sie Atheisten seien.
Woher kam dieser Vorwurf? Die Christen lehnten den Götterkult der Römer ab. Sie sagten: „Nein, an diese Götter glauben wir nicht.“ Sie verweigerten auch die Anbetung und Verehrung des Kaisers als Gott. Daraufhin wurde ihnen vorgeworfen, sie seien Atheisten.
Die Christen erwiderten, dass sie an einen Gott glauben. Daraufhin wurde gefragt: „Welcher Gott ist das denn? Wo ist er? Wo kann man ihn anbeten?“ Die Christen antworteten, dieser Gott sei nicht sichtbar. Er sei nicht abbildbar, nicht in Stein meißelbar, sondern ein Geist.
Für die meisten Römer war das gleichbedeutend mit Atheismus. Sie sagten: „Die glauben an gar keinen Gott, also sind sie Atheisten.“ Und deshalb wurden die Christen verfolgt und getötet.
Damit möchte ich sagen, dass es den Begriff Atheismus damals schon gab. Doch Menschen wie die Christen oder Sokrates würden wir heute nicht als Atheisten bezeichnen. Vielmehr würden wir sagen, sie haben eine bestimmte Religionsform abgelehnt. Der Atheismus, der generell sagt, es gibt gar keinen Gott, ist eine Erscheinung der letzten zweihundert Jahre.
Dieser Atheismus hat sich von Frankreich ausgebreitet, dann teilweise in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Heute gibt es ihn weltweit, besonders weit verbreitet in Deutschland.
Besonders intensiv hat sich der Atheismus verbreitet, indem er eine Koalition mit dem Sozialismus einging. Das war im 19. Jahrhundert. Der Sozialismus machte den Atheismus zu seiner Weltanschauung. Überall, wo der Sozialismus Einfluss gewann, wurde auch für den Atheismus missioniert. Man versuchte den Menschen zu vermitteln, sie müssten der Überzeugung sein, es gibt keinen Gott.
Das ist nun eine historische Skizze. Ich möchte nun den Argumenten nachgehen, die genannt werden, und diese historisch einordnen. Wenn Sie noch andere Argumente kennen, können Sie diese gerne später mit mir besprechen.
Seit Jahren lese ich Bücher von Atheisten, um deren Argumente kennenzulernen und zu prüfen, ob sie für mich überzeugend sind oder nicht. Deshalb habe ich keine Bedenken oder Angst, sondern finde es spannend, dem nachzugehen. Neben der Theologie habe ich an der Universität auch Philosophie studiert und mich intensiv mit Philosophen auseinandergesetzt. Und...
Feuerbachs Projektionstheorie und ihre Grenzen
Eine der ersten größeren Argumentationen gegen die Existenz Gottes stammt von Ludwig Feuerbach. Feuerbach war ein Schüler von Hegel. Hegel war im 19. Jahrhundert der bekannteste Philosoph in Deutschland. Seine Schüler teilten sich in zwei verschiedene Gruppen auf. Eine dieser Gruppen nannte man die Linkshegelianer. Zu ihnen gehörte Ludwig Feuerbach.
Feuerbach schrieb ein ganzes Buch, auf das sich später auch Karl Marx und Lenin stützten. Darin behauptete er, der Glaube an Gott sei eine Projektion menschlicher Wünsche. Er sagte schlichtweg: Die Vorstellung von Gott ist nur eine Projektion dessen, was sich der Mensch wünscht. Der Mensch malt sich Gott sozusagen inhaltlich aus und projiziert dieses Bild an den Himmel.
Heute würden wir das vielleicht anders ausdrücken: Man nimmt eine PowerPoint-Folie, entwirft ein Bild von Gott, und mit einem Beamer wird dieses Bild an die Decke projiziert. Dann sieht man: „Ah, da ist Gott.“ In Wirklichkeit hat man dieses Bild aber selbst geschaffen. Die Kritik, die dahintersteht, ist, dass viele Menschen sich Gottesbilder machen und diese dann verehren.
Ich glaube, diese Beobachtung von Feuerbach stimmt. Es gibt viele Menschen, die sich einen Gott so gestalten, wie sie ihn gerne hätten. Zweifellos ist das so. Viele Menschen haben eine Ahnung von Gott und möchten diese Ahnung besser fassen. Deshalb versuchen sie, sich ein eigenes Gottesbild zu machen. Zum Beispiel ein Gott, der immer Ja sagt zu dem, was ich gerne will oder mir wünsche, oder ein Gott, der mir immer hilft, wenn ich in Schwierigkeiten bin.
Diese Beobachtung ist durchaus plausibel. Der entscheidende Punkt an Feuerbachs Argumentation ist jedoch, dass es kein Argument gegen die Existenz Gottes ist. Es ist lediglich eine Erklärung für manche Gottesbilder. Man kann sagen: „Ah, dieses oder jenes Gottesbild wurde entworfen, weil die Menschen sich das so wünschen.“ Aber das sagt nichts über die Existenz Gottes aus.
Ich kann mir auch in anderen Bereichen der Realität ein Traumbild machen. Zum Beispiel kann ich mir einen Traumpartner ausdenken und diesen auf eine ganz besondere Weise gestalten. Das schließt aber nicht aus, dass ich auch einen realen Partner haben kann.
Das heißt: Die Existenz Gottes wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich Menschen falsche Gottesbilder machen. Das kann einfach passieren. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das eine ist eine Beobachtung darüber, wie Menschen mit dem Gedanken an Gott umgehen. Das andere ist die Frage, ob Gott existiert.
Wenn Menschen sich Bilder von Gott machen, heißt das nicht, dass Gott nicht existiert. Ein Vergleich aus dem Mittelalter zeigt das gut: Damals gab es in Europa viele seltsame Vorstellungen über das Leben der Menschen in anderen Ländern. Man glaubte zum Beispiel, dass es in Asien sogenannte Monopoden gab – Menschen mit nur einem großen Fuß.
Es gab sogar Abbildungen davon in mittelalterlichen Büchern. Man sagte, wenn die Sonne stark scheint, legen sich diese Wesen auf den Rücken und benutzen ihren großen Fuß wie einen Sonnenschirm. Nun könnte man sagen: Das ist ein Phantasiegebilde aus dem Mittelalter über Asien. Und daraus folgern, dass es Asien nicht gibt. Das wäre natürlich unsinnig.
Genauso ist es, wenn Menschen falsche Vorstellungen von Gott haben. Das heißt nicht, dass es Gott nicht gibt. Es sind zwei unterschiedliche Dinge. Es geht nur um den Umgang mit dem Gedanken an Gott.
Marx, Lenin und die Funktion von Religion
Dann haben wir eine nächste Stufe des Atheismus, die bei Karl Marx erreicht ist. Karl Marx stützt sich auf Feuerbach, nimmt aber noch neue Argumente auf. Zum Beispiel das Argument, das er nennt: Er sagt nämlich, „Religion oder auch Gott sei das Opium des Volkes.“ Manche Christen, die das hören, oder auch Anhänger anderer Religionen, fühlen sich schnell provoziert. Sie sagen: „Das kann doch gar nicht sein, ich bin doch nicht drogensüchtig, wenn ich an Gott glaube.“
Wenn wir dieses Argument jedoch prüfen, dann war es aus der Beobachtung von Karl Marx durchaus richtig. Er lebte in der Zeit der Industriellen Revolution in Deutschland und erlebte, dass viele Menschen mit dem Druck dieser Zeit besser umgehen konnten, wenn sie an Gott glaubten. Er sagt, das sei wie ein Opium. Opium wurde ja früher nicht nur wegen der Sucht genommen, sondern auch zur Schmerzbetäubung. Bis heute werden Opiate verwendet, wenn Menschen starke Schmerzen haben. Wenn man starke Schmerzen hat, betäubt Opium diese Schmerzen.
Karl Marx meinte, das sei so ähnlich. Das passte natürlich nicht zu seiner Vorstellung, denn er wollte eine Weltrevolution. Solange ein Mensch noch Hoffnung hat in seinem Leben, solange revoltiert er nicht. Deshalb sagte er, wir müssen den Menschen diese Hoffnung nehmen. Wenn die Menschen keine Hoffnung mehr haben, sind sie bereit für eine Revolution – selbst wenn es ihr Leben kostet.
Die Idee dahinter war, dass die Menschen sich Gott erfinden, um die Schmerzen und Schwierigkeiten der Gesellschaft besser ertragen zu können. Ich glaube, dass Karl Marx hier zu Recht beobachtet hat, dass das stimmt. Menschen, die an Gott glauben, können besser mit Schwierigkeiten in ihrem Leben umgehen. Sie verzweifeln nicht so schnell, weil sie davon überzeugt sind, dass es einen Gott gibt, an den sie sich wenden können – selbst wenn sie keine Möglichkeiten haben, etwas zu verändern.
Diese Beobachtung ist richtig, sagt aber nichts über die Existenz Gottes aus. Im Gegenteil: Ich würde sagen, die Beobachtung ist eher ein Argument für die Existenz Gottes. Denn wenn mir in einer schweren Lebenssituation der Gedanke an Gott hilft, dann ist das doch eher ein Hinweis darauf, dass es ihn gibt und er mir hilft, als dass es ihn nicht gibt.
Das ist kein Beweis, das will ich nicht sagen. Aber wenn mir der Glaube hilft, warum sollte ich ihn dann wegnehmen? Warum wäre ich besser dran, wenn ich den Glauben an Gott aufgäbe? Wie gesagt: Was mir hilft, spricht eher dafür, dass es Gott gibt, als dass es ihn nicht gibt.
Also entweder sagen wir, es ist gar kein Argument über die Existenz Gottes, oder es ist immerhin ein Hinweis, der plausibel macht, dass es einen Gott geben könnte.
Lenin hat dieses Argument etwas variiert. Er sagte, der Glaube an Gott oder die Religion sei Opium für das Volk. Das ist eine andere Sichtweise. Er meinte, das Volk erfindet sich den Glauben nicht selbst. Die Menschen nehmen den Glauben nicht, weil er ihnen hilft. Stattdessen sagen die Regierungen, sie nutzen den Glauben, um die Menschen besser unterdrücken zu können.
Mit „Opium für das Volk“ meinte er, die Regierenden verwenden Religion, um die Menschen besser manipulieren zu können. Ich glaube, Lenin hat auch hier richtig beobachtet. Religion wurde immer wieder in der Geschichte benutzt, um Menschen zu unterdrücken und zu manipulieren.
Aber auch das ist kein Argument gegen die Existenz Gottes. Hier wird nur beschrieben, wie man mit dem Gedanken an Gott umgeht. Ich könnte zum Beispiel sagen: „Ja, mit einem Messer wurden immer wieder Leute erstochen, also gibt es keine Messer.“ Das ist Unsinn. Das eine hat nichts damit zu tun, ob es einen Gegenstand gibt oder nicht. Es hat nichts damit zu tun, wie man diesen Gegenstand benutzt.
Dass Staaten, Religionsführer und Politiker Religion missbrauchen, sagt nichts darüber aus, ob es Gott gibt oder nicht. Ich würde auch hier sagen, eigentlich ist es eher ein Argument dafür, dass es ihn gibt. Denn man kann immer etwas besser missbrauchen, was es überhaupt gibt. Etwas ganz Erfundenes zu benutzen, um jemanden zu unterdrücken, funktioniert meistens nicht, weil die Leute sofort merken, dass es nicht stimmt – weil ja gar keiner daran glaubt.
Etwas frei zu erfinden halte ich für eher problematisch. Wie gesagt: Es ist kein Beweis für die Existenz Gottes. Aber zumindest ist es, dass Staaten Religion missbrauchen, in keinem Fall ein Beweis dafür, dass es Gott nicht gibt – das schon ganz und gar nicht.
Nietzsche und die Herausforderung der Gottesfrage
Nun bei Lenin beginnt ein ganz neuer Zweig, der ebenfalls von Atheisten ausgeht. Besonders gerne wird Nietzsche zitiert, weil er in seiner Parabel von den tollen Menschen triumphierend sagt: „Gott ist tot, wir haben Gott getötet.“
Ich muss sagen, Nietzsche lese ich immer wieder gern, weil er sehr wortgewaltig schreiben kann. Es macht Spaß, seine Texte zu lesen, auch wenn ich seinen Gedanken nicht immer folge. Manchmal erscheinen sie mir nicht plausibel. Das hängt wahrscheinlich mit der Zerrissenheit seines Lebens zusammen. Nietzsche wuchs in einem frommen Elternhaus auf und war als Jugendlicher gläubiger Christ. Doch er sagte, er habe so wenige überzeugende Christen gefunden, dass ihn das in eine Krise stürzte.
Er las viele Autoren, und daraus entstand dieser Überschwang in seinen Schriften. In der Geschichte vom tollen Menschen müsste man eigentlich sagen: Wenn er sagt, „wir haben Gott getötet“, dann setzt das ja voraus, dass es Gott gibt. Töten kann man nur jemanden, der existiert. Das bedeutet, es gibt Gott oder gab ihn zumindest.
Am Ende der Parabel vom tollen Menschen sagt Nietzsche noch: „Diese Tat ist für uns zu groß.“ Er war jemand, der genau spüren konnte, dass das Leben nicht einfach normal weitergeht, wenn es Gott nicht mehr gibt. Nietzsche erklärte ausführlich, dass, wenn Gott nicht mehr existiert, sich alles verändert. Es gibt keine Maßstäbe im Leben mehr, keinen Sinn, kein Ziel.
Am Ende seiner Parabel sagt er: „Diese Tat ist für uns zu groß.“ Danach folgt seine Aussage: „Nach mir wird der Übermensch kommen.“ Der Übermensch ist in der Lage, Gott zu beseitigen und sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen.
Manchmal wird Nietzsche im Atheismus so zitiert, als sei er froh über die Beseitigung Gottes. Aber eigentlich sagt er am Ende seiner Parabel vom tollen Menschen, dass wir Gott noch gar nicht töten können. Dafür braucht es den Übermenschen, der sich selbst an Gottes Stelle setzen kann.
Das wollten dann die Nationalsozialisten sein. Sie betrachteten sich als die Übermenschen, die sich an die Stelle Gottes setzen könnten. Das haben sie versucht, aber wie wir wissen, ist das gründlich schiefgelaufen. Heute gibt es nur noch wenige Menschen, die diese Ideologie teilen.
Darwin und die Evolution – keine Aussage über Gott
Dann gab es auch noch einen weiteren Ansatz, und dieser stammt von Charles Darwin. Wir kennen ihn heute als denjenigen, der die Evolutionstheorie formuliert hat. Historisch betrachtet ist das jedoch nicht ganz richtig, denn die Evolutionstheorie ist viel älter. Schon griechische Philosophen hatten diese Theorie formuliert. Bei Charles Darwin wurde sie jedoch in der annähernd heutigen Form dargestellt.
Charles Darwin erklärte, dass sich das gesamte irdische Leben Stück für Stück auseinanderentwickelt habe. Nun könnten wir lange darüber diskutieren, ob das stimmt oder nicht. Das ist jedoch nicht das Thema des heutigen Abends. Nehmen wir also einmal an, Charles Darwin hat Recht. Wenn das Leben sich tatsächlich nach und nach entwickelt hat, dann stellt sich die Frage: Was sagt das über die Existenz Gottes aus?
Hier müssen wir sagen: Gar nichts. Denn es könnte sein, dass Gott diese Evolution gesteuert oder gewollt hat. Ebenso wäre es möglich, dass Gott ihr einfach zugeschaut hat, sozusagen: „Mal sehen, wie sich das über Jahrtausende hinweg entwickelt.“ Auch das wäre denkbar. Dass es eine Evolution gibt, sagt also nichts über die Existenz Gottes aus. Es sagt höchstens etwas darüber aus, wie oder ob Gott bei der Entstehung der Welt seine Finger im Spiel gehabt hat. Das wäre eine Frage, aber die Existenz Gottes selbst wird dadurch nicht berührt.
Selbst wenn die Evolution genauso abgelaufen sein sollte, wie Charles Darwin sie beschrieben hat – ich sage das im Konjunktiv, weil die meisten Biologen heute ein anderes Modell vertreten –, dann sagt das nichts über die Existenz Gottes aus. Das heutige Modell der Evolution unterscheidet sich erheblich von dem von Darwin. Aber das ist ein anderes Thema.
Deshalb gilt: Selbst wenn es so gewesen sein sollte, dann betrifft das nur die Art und Weise seiner Beteiligung an der Entstehung oder Entwicklung der Welt, nicht aber die Existenz Gottes. Mehr nicht.
Freud und die These der kollektiven Neurose
Dann haben wir als Nächstes Sigmund Freud. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse und ein wichtiger Wegbereiter in der Entwicklung der Psychologie, hat gesagt, der Glaube an Gott sei eine kollektive Neurose. Er hat mehrere Bücher über Religion geschrieben, in denen er diese Ansicht vertritt.
Ich habe damit jedoch meine Probleme, denn ob das wirklich ein Argument gegen die Existenz Gottes ist, bleibt fraglich. Argumente müssen nachvollziehbar sein und Kriterien nennen, anhand derer sie überprüft werden können. Hier liegt jedoch nur eine Behauptung vor. Im Grunde sagt Freud damit, Religion oder der Glaube an Gott sei eine Krankheit – eine Neurose, also eine psychische Erkrankung.
Wenn das wirklich so wäre, stellt sich die Frage: Gibt es dafür einen Nachweis oder Beweis? Normalerweise bezeichnet man eine Krankheit als etwas, das von der Norm abweicht. Doch hier ist genau das Gegenteil der Fall. Weltweit, auch heute noch, glauben etwa vier Fünftel der Bevölkerung an die Existenz Gottes. Sowohl Buddhisten, Hindus, Muslime und andere Religionen glauben an Gott.
Nach dieser Theorie müsste man also eher sagen, dass der Atheismus eine Neurose ist. Denn wir können nicht annehmen, dass das Verhalten der Mehrheit der Menschen krankhaft ist, während nur eine kleine Gruppe gesund ist. Diese Interpretation ist ungewöhnlich und entspricht nicht dem üblichen Verständnis.
Nach demselben Muster könnte man behaupten, dass Blinde normal sind und alle Sehenden krank. Das ist jedoch nicht sinnvoll, denn das Normale ist das Sehen, und das Blindsein ist die Ausnahme, verursacht durch verschiedene Ereignisse.
Auch diese Argumentation Freuds ist mehr eine Behauptung als ein Beweis. Man könnte genauso gut die Gegenthese vertreten und sagen, der Atheismus sei eine kollektive Neurose. Das soll keine Provokation sein, sondern zeigt, dass diese These nur eine Behauptung ist.
Eine Behauptung muss belegt oder bewiesen werden. Hier liegt jedoch kein Beweis vor, sondern lediglich eine unbelegte Aussage.
Seit Freud und Nietzsche hat sich an den Argumenten des Atheismus wenig geändert. Wenn man aktuelle Bücher liest, beispielsweise den Bestseller von Richard Dawkins über den Atheismus, "The God Delusion" (auf Deutsch: "Der Gotteswahn"), findet man genau die Argumente, die ich gerade genannt habe. Es gibt keine neuen Argumente.
Dawkins und das Argument der Meme
Bei Richard Dawkins findet sich ein weiteres Argument, das er formuliert hat, das aber nicht von vielen übernommen wurde: das Argument der Meme. Er sagt, der Gedanke an Gott sei durch die Evolution entstanden. In seinem Buch beschreibt er, dass dies ein Überlebensvorteil gewesen sei.
Er erklärt, dass es bei den Urmenschen Eltern gab, die einen Gott projizierten. Diese Eltern verboten ihren Kindern beispielsweise, draußen vor die Höhle zu gehen, und drohten ihnen stark. Weil diese Drohung mit dem Gedanken an Gott stärker war, liefen die Kinder nicht so schnell nach draußen. Dadurch wurden sie seltener gefressen oder getötet und konnten besser überleben. So hätte sich der Gedanke an Gott als Überlebensvorteil in der Stammesgeschichte durchgesetzt.
Dieses Argument sagt allerdings nur etwas über die Funktion Gottes aus. Man muss jedoch sagen, dass diese Idee wissenschaftlich nicht beweisbar ist. Es handelt sich um reine Philosophie, denn es gibt keine archäologischen Beweise, die so etwas bestätigen könnten.
An dieser Stelle müsste ich sogar sagen, dass ich Richard Dawkins nicht ganz verstehe. Wenn der Glaube an Gott ein Überlebensvorteil war, müsste er doch eigentlich für den Glauben sein. Denn wenn ich den Überlebensvorteil wegnehme, können die Menschen schlechter überleben. Warum kämpft er dann gegen den Glauben, wenn er selbst sagt, dass er ein Überlebensvorteil der Evolution war? Das wäre so, als würde ich eine Eigenschaft des Menschen, die ihm hilft, entfernen und behaupten, es gehe ihm dann besser. Das Gegenteil wäre der Fall.
Sonst findet man bei Richard Dawkins auch nicht wirklich Neues. In landläufigen Diskussionen über den Atheismus höre ich oft einfachere Argumente, die aber nicht viel weiterführen. Ein Beispiel ist das Argument, das Sie wahrscheinlich kennen: Es gibt so viel Leid in der Welt, daher kann es keinen Gott geben. Dieses Thema wird uns auch in den kommenden Abenden beschäftigen.
Die Frage, wie das Leid mit Gott zusammenhängt, ist sehr kompliziert. Deshalb möchte ich sie hier nicht verkürzt darstellen. Nur eines möchte ich heute Abend sagen: Das Leid sagt nichts über die Existenz Gottes aus. Es könnte ja ein Gott sein, der aus bestimmten Gründen das Leid zulässt.
Einen Gott, der um jeden Preis jedes Leid verhindert, gibt es nicht. Das stimmt. Aber an einen solchen Gott glaubt auch kein Mensch. Keine Religion vertritt die Auffassung, dass Gott um jeden Preis jedes Leid verhindert. Das sagen weder die Buddhisten, noch die Muslime, Christen oder Juden.
Vielmehr sagen sie, dass Gott unter bestimmten Umständen Leid zulässt. Manchmal initiiert er sogar Leid, weil er bestimmte Absichten damit verfolgt. Die Idee oder der Vorwurf, ein Gott könne nicht existieren, weil er nicht jedes Leid verhindert, stimmt also. Aber an diesen Gott glaubt niemand, und keinen solchen Gott behauptet jemand.
Wenn wir sagen, es gibt einen Gott, der unter bestimmten Umständen Leid zulässt, dann sagt das Leid der Welt nichts über die Existenz Gottes aus. Darüber können wir natürlich streiten und nachdenken, und das wollen wir auch in den nächsten Abenden tun.
Ist das nun legitim? Oder ist Gott vielleicht ungerecht? Das sind andere Fragen, denn dann gehen wir bereits davon aus, dass es einen Gott gibt. Ein Gott, den es nicht gibt, kann natürlich auch nicht ungerecht sein, das ist klar. Wenn es keinen Gott gibt, dann ist das Leid trotzdem da.
Das heißt: Das Leid sagt nichts über die Existenz Gottes aus.
Die Unsichtbarkeit Gottes und die Grenzen des Beweises
Es gibt auch einige, die sagen: „Na ja, ich habe Gott noch nicht gesehen“ oder „Man kann Gott nicht sehen.“ Und das stimmt natürlich – man kann Gott nicht sehen. Aber nur weil wir etwas nicht sehen, wahrnehmen, erforschen oder beweisen können, heißt das nicht, dass es nicht existiert. Das sollte hoffentlich logisch einsichtig sein.
Ein Beispiel dafür ist die Radioaktivität. Heute wissen wir, dass Radioaktivität gefährlich ist. Sie wurde entdeckt und beschrieben durch Madame Curie, eine französische Forscherin. Wenn wir nun dreihundert Jahre zurückgehen, hätte jemand gesagt: „Es gibt Radioaktivität.“ Damals hätten die Menschen wahrscheinlich geantwortet: „Das kann ich nicht sehen, ich kann es nicht erforschen und nicht beweisen.“ Also hätte man damals gesagt, Radioaktivität gibt es nicht.
Doch ganz ehrlich: Natürlich gab es sie auch vor dreihundert Jahren, nur konnte man sie damals nicht nachweisen. Daraus folgt: Nur weil man etwas noch nicht beweisen kann, können wir nicht gerichtlich oder logisch sagen, dass es nicht existiert. Die Idee „Ich kann es nicht beweisen und nicht sehen“ bedeutet nicht automatisch, dass etwas nicht existiert.
Man könnte vielleicht sagen: „Mir ist das unsicher, deshalb lasse ich es offen.“ Das wäre eine logische Haltung. Aber zu behaupten, etwas existiere nicht, nur weil ich es nicht bewiesen habe oder nicht mit eigenen Augen gesehen habe, ist nicht sinnvoll.
Außerdem könnten wir fragen: Will Gott überhaupt vor uns gesehen werden? Es könnte sein, dass Gott gar keine Lust hat, sich uns zu zeigen. Das ist eine Möglichkeit.
Oft nehmen wir uns zu sehr als Maßstab und sagen: „Gut, wenn Gott sich mir zeigt, dann glaube ich an ihn.“ Doch die Frage ist: Welches Interesse sollte Gott überhaupt daran haben, dass wir an ihn glauben? Wenn wir den christlichen oder einen anderen Glauben vertreten, dann ist es in erster Linie unser Interesse, an Gott zu glauben – nicht Gottes Interesse.
Gott hat keinen Nutzen oder Nachteil davon, ob wir an ihn glauben oder nicht. Gott existiert unabhängig von unserem Glauben. Ob wir heute sterben oder leben, ändert an Gottes Existenz nichts.
Dieses Argument ist also eher unser Interesse. Und irdisch würde kein Mensch so argumentieren. Stellen Sie sich vor, Sie würden so mit Angela Merkel argumentieren: „Dich gibt es nicht, denn ich habe dich persönlich noch nie getroffen. Ich bin erst überzeugt, dass es dich gibt, wenn du morgen Nachmittag zum Kaffeetrinken zu mir kommst.“ Dann schreiben Sie ihr einen Brief per Einschreiben und fragen, ob sie kommt. Wahrscheinlich würde sie nicht kommen. Und dann sagen Sie: „Ab morgen bin ich sicher, Angela Merkel gibt es nicht. Ich habe ihr eine Chance gegeben, sie hat sie nicht genutzt, also gibt es sie nicht.“
Das ist natürlich humorvoll gemeint, aber ich möchte mit diesem irdischen Beispiel deutlich machen, dass diese Argumentationsweise auch in Bezug auf Gott nicht stimmig ist. Ich kann nicht sagen: „Gott, weil du mir nicht erschienen bist, gibt es dich nicht.“ Es gibt ja auch andere Gründe, warum er vielleicht gerade nicht auf meine Bedingungen eingegangen ist – genauso wie Angela Merkel Gründe hat, warum sie nicht auf meine Bedingungen eingegangen ist.
Deshalb ist das kein wirklich gutes Argument für die Nichtexistenz Gottes.
Wissenschaftliche Methoden und die Grenzen der Naturwissenschaften
Nun können wir noch weiter suchen. Das, was ich Ihnen genannt habe, sind allerdings die Hauptargumente. Was am Ende der Diskussion meistens kommt, ist dann: „Na ja, aber du musst mir beweisen, dass es Gott gibt, denn sonst glaube ich nicht daran.“
Dann müssen wir aber sagen, dass wir in dem Moment schon Agnostizisten sind, nicht mehr Atheisten. Der Atheist tritt auf und sagt: „Ich weiß, es gibt keinen Gott.“ Mit dieser Selbstgewissheit wird dann argumentiert. Und da müssen wir sagen, dass ich bisher kein wirklich stimmiges, logisches Argument gefunden habe, das beweist, dass es keinen Gott gibt.
Ich glaube, es ist verständlich und berechtigt, Zweifel an Gott und seiner Existenz zu haben. Das ist schon in Ordnung. Aber das ist etwas ganz anderes, als mit fester Gewissheit aufzutreten und manchmal sogar alle auszulachen, die glauben, dass es einen Gott gibt, weil man sagt: „Es gibt keinen.“ Da muss man wirklich gute Argumente haben, denke ich. Sonst ist das auch nur Ideologie, bei der versucht wird, andere lächerlich zu machen oder zu unterdrücken, weil sie eben nicht die eigene Ideologie teilen. Die wirklich stimmigen Argumente fehlen aus meiner Sicht.
Dass ich jetzt sagen und fragen kann, es muss Argumente für Gott geben, ist berechtigt. Allerdings sollten wir, wie bei jeder Wissenschaft, zuerst die Frage stellen, auf welchem Weg wir überhaupt Aussagen über Gott machen können, wenn es ihn gibt. Hier müssen wir von vornherein akzeptieren, dass es gewisse Grenzen gibt.
Wir müssen beispielsweise die Grenze akzeptieren, dass keine der uns bekannten Wissenschaften einen Beweis für Gott formulieren kann. Manche Menschen erwarten, dass man einen mathematischen, physikalischen oder chemischen Beweis für die Existenz Gottes vorlegt. Sie vergessen dabei, dass eine Wissenschaft immer nur das untersuchen kann, was in ihrem Untersuchungsbereich liegt, also wofür sie eine Methode hat, es zu untersuchen.
Ein einfaches Beispiel: Wenn Sie die Gedichte Goethes interpretieren wollen und das als Chemiker tun, würde ich Sie fragen, mit welchen Werkzeugen der Chemie Sie die Gedichte Goethes untersuchen möchten. Ein Chemiker wird nie Aussagen über die Qualität der Gedichte Goethes treffen können. Er könnte vielleicht das Papier oder die Druckerschwärze analysieren, aber keine Aussage über den Inhalt oder die Qualität der Gedichte machen. Dafür brauchen wir ein anderes Instrumentarium, nämlich das der Germanisten. Die haben ganz andere Methoden.
Umgekehrt kann ein Germanist nichts über die chemische Zusammensetzung eines Kunststoffes aussagen. Er kann wissen, wie es aussieht, wie es wirkt oder welche Gefühle es bei ihm hervorruft, aber keine chemische Analyse durchführen. Deshalb gibt es viele Wissenschaften.
Ich habe in verschiedenen Wissenschaftsbereichen studiert und immer wieder festgestellt, dass Wissenschaftler dazu neigen, ihre Wissenschaft als das alleinige Erklärungsmuster der Welt zu verstehen. Zum Beispiel Philosophen, die meinten, sie könnten über alles etwas sagen. Als Philosoph kann man vieles beurteilen, klar. Aber man sieht nicht alles, sondern nur das, was mit den eigenen Methoden erfassbar ist.
Genauso kenne ich Leute aus den Naturwissenschaften, die meinen, das System der Naturwissenschaft umfasse alles. Das ist natürlich ein Irrtum. Deshalb gibt es so viele Wissenschaften an der Universität, die sich immer mehr aufsplittern. Für jeden Gegenstand, den wir untersuchen, brauchen wir eine spezielle Methode, die angemessen ist.
Jetzt die Frage: Welche Methoden kann uns die Chemie anbieten, um Gott zu untersuchen? Manche sagen: „Die Naturwissenschaften haben nicht bewiesen, dass es einen Gott gibt, also gibt es ihn nicht.“ Aber können sie überhaupt darüber eine Aussage machen? Deshalb habe ich das Beispiel mit den Gedichten Goethes gebracht. Meine Behauptung ist: Die Naturwissenschaften haben gar keine Methode, um Gott zu untersuchen.
Nehmen wir einmal an, rein hypothetisch, Gott wäre chemisch nachweisbar, zum Beispiel mit einem Indikator. Wo sollte man ihn denn finden? Ich nehme ein leeres Glas, sage: „Wenn Gott drin ist, schütte ich etwas hinein, und es verfärbt sich rot.“ Das gibt es eben nicht. Warum? Weil Gott kein Gegenstand dieser innerweltlichen Materie ist, definitionsgemäß.
Alle großen Religionen sagen, dass Gott nicht Materie ist. Buddhisten, Hindus, Christen, Juden sagen: Gott ist Geist, Gott ist immateriell. Manche Leute sagen: „Was immateriell ist, das gibt es gar nicht.“ Aber das ist eine ideologische Aussage, kein Beweis.
Ich sage nur: Weil sich Chemie und Physik nur mit innerweltlichen Dingen beschäftigen können, gibt es nur das Innerweltliche. Das ist aber sehr eingeschränkt und nicht ausreichend.
Darüber hinaus wissen wir alle, dass es Dinge gibt, die immateriell sind, zum Beispiel Gedanken. Hirnforscher sagen: „Nein, Gedanken sind Impulse bei den Synapsen.“ Nein, das sind nicht die Gedanken, das ist nur die Trägersubstanz, in der sich Gedanken manifestieren. Die Gedanken selbst sind etwas anderes.
Das ist ähnlich, als wenn Sie sagen würden, Ihre Computerprogramme seien die Festplatte. Natürlich nicht! Die Festplatte ändert sich physikalisch kaum; höchstens ein paar Impulse. Das, was gedacht wird, also die Informatik, ist immateriell. Gedanken brauchen eine Trägersubstanz, nämlich die Festplatte, aber die Festplatte ist nicht die Software.
Die Software ist etwas, das aufgespielt wird, aber materiell ändert sich nichts. Die Festplatte wiegt genauso viel, es ist nur die Ordnung, die sich ändert. Das ist ein großer Unterschied.
Hier merken wir: Es gibt immaterielle Dinge. Wir merken auch manchmal, dass unsere Gefühle etwas sind. Da sagt uns jemand, der materialistisch denkt: „Gefühle sind ja nur Hormone.“ Nein, hier verwechselt man wieder das, was etwas auslöst oder trägt, mit dem, was etwas ist. Das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge.
Deshalb habe ich auch das Beispiel eines Kunstwerks genannt. Wenn Sie ein Kunstwerk von Rondin haben, der Bildhauer war, können Sie sagen: „Das ist nur ein Haufen Steine.“ Für Materialisten ist es ein Haufen Steine. Aber wer genau hinschaut, ist beeindruckt davon, wie dieser Haufen Steine geformt ist. Das ist das Besondere.
Man kann nicht sagen: „Das sind zwei Kilo Steine.“ Nein, das ist ein Kunstwerk. Und das Kunstwerk ist immateriell. Es ist nicht das Gewicht oder die Qualität des Steins, sondern die Form, und die ist immateriell.
Hier merken wir, dass es Dinge gibt, die nicht materiell messbar sind. Das wissen wir alle. Und alle Religionen sagen, dass Gott auch nicht Materie ist. Er soll nach allen Religionen schon existiert haben, als die Materie noch nicht da war. Das heißt, die Materie ist aus Gott herausgekommen.
Die moderne Physik legt das sogar nahe. Vielleicht wissen Sie, dass die moderne Physik sagt, Materie existiert eigentlich nicht. Das klingt seltsam, aber man sagt, Materie besteht letztlich aus schwingenden Energiefäden, den sogenannten Superstrings. Diese sind noch kleiner als Quanten und noch weiter unten.
Das wissen Sie auch von der Atomkraft: Wenn man einen Atom spaltet, wird ein kleines bisschen Materie in Energie umgewandelt. Letztlich sagt die Physik heute, dass alle Materie nur eine Form von Energie ist.
Das ist genau das, was wir in der Konzeption von Gott haben, wenn wir sagen: Gott ist Geist, Gott ist Energie. Energie ist Kraft, nur unendliche Kraft. Aus ihm heraus ist die Welt entstanden, wie sie ist.
Hier merken wir, dass es ganz enge Beziehungen gibt zwischen den naturwissenschaftlichen Vorstellungen vom Aufbau der Welt und dem, wie wir zum Beispiel in der Bibel die Entstehung und den Aufbau der Welt verstehen. Das ist nicht völlig unterschiedlich, sondern es gibt Berührungspunkte.
Erkenntnis über Gott durch Offenbarung und Spuren
Wenn ich sage, dass die Naturwissenschaft uns kein Instrumentarium bereitstellt, um Gott überprüfen zu können, stellt sich die Frage: Wie können wir dann etwas über Gott wissen?
Die Antwort lautet: Wir können nur dann etwas über Gott wissen, wenn Gott selbst etwas von sich preisgibt. Wenn Gott keine Lust auf uns hätte und einfach zum Alpha Centauri fliegen würde – einem Stern, der mehrere tausend Lichtjahre entfernt ist –, könnten wir ihn niemals finden. Wir haben bisher keine Rakete entwickelt, die so weit fliegen könnte, und wenn doch, würde die Reise tausende Jahre dauern.
Das heißt: Wenn Gott sagt, er wolle die Erde nicht mehr, weil sie ihn nervt, und einfach woanders hingeht, könnten wir über ihn nichts wissen, sofern er sich nicht von sich aus zeigt, in Erscheinung tritt oder Spuren hinterlässt. Deshalb sind wir, wenn wir etwas über Gott wissen wollen, auf die Spuren angewiesen, die Gott hinterlassen hat. Diese können wir erkennen, deuten und interpretieren. Sie geben uns Hinweise auf die Existenz Gottes.
Einen Beweis für die Existenz Gottes können wir nicht formulieren, weil wir keine Methode haben, mit der wir Gott untersuchen können. Ohne eine passende Methode ist auch kein Beweis möglich – das ist klar. Aber wir können Hinweise auf Gott finden. Wie der weltbekannte Mathematiker Blaise Pascal in seinem Pensee formulierte, können wir die Wahrscheinlichkeit für die Existenz Gottes erhöhen.
Das bedeutet: Es gibt Indizien, die dafür sprechen, nicht aber Beweise. Ein Beweis wäre etwas Eindeutiges, Unwiderlegbares und Wiederholbares. Aber Gott können wir nicht wiederholen oder ihm diktieren: „Komm und erscheine vor mir!“ Wenn Gott ein freies Wesen ist, wie alle Religionen behaupten, kann er selbst entscheiden, ob er kommt oder nicht, oder was er tut oder nicht tut – viel mehr als wir Menschen.
Es gibt solche Spuren. Eine davon, die eher auf Gott hindeutet, ist der Zustand der Natur, in dem wir uns befinden. Für viele Menschen ist das bis heute ein Rätsel oder unverständlich. Nehmen wir zum Beispiel den Menschen: Manchmal mag man den Eindruck haben, der Mensch sei ganz einfach, wenn man nur ein bisschen in Schulbüchern gelesen hat. Doch wenn man mit einem Mediziner spricht, merkt man, wie hochkomplex der Mensch ist. Alles muss fein aufeinander abgestimmt sein. Kommen nur ein paar Chemikalien durcheinander, sind zu wenig oder zu viel vorhanden, stirbt der Mensch.
Jeder einzelne Teilbereich des Körpers erfordert eine große Ingenieurleistung, zum Beispiel das Herz. Biologisch gesehen ist das Herz eine relativ einfache Pumpe. Aber bis heute ist es nicht möglich, eine solche Pumpe künstlich zu bauen, die so funktioniert wie das menschliche Herz – nur ein Organ. Es gibt künstliche Herzen, die für kurze Zeit die Funktion übernehmen können, aber keine, die 80 oder 90 Jahre hält wie das menschliche Herz.
Und das ist nur eine einfache Sache. Viel komplizierter sind die Leber, die Bauchspeicheldrüse oder das Auge. Auch wenn es künstliche Kameras gibt, haben diese nie die Funktion, die das Auge besitzt. Man müsste im Detail darauf eingehen.
Was will ich damit sagen? Wenn wir einen komplexen Apparat sehen, wie zum Beispiel einen Beamer, und ich würde Ihnen sagen, dieser Beamer hat keinen Konstrukteur, würden Sie mich wahrscheinlich für verrückt halten. Sie würden denken, ich mache einen Witz. Es kann nicht sein, dass so etwas einfach zufällig entstanden ist. Wenn ich sagen würde, ich war draußen vor der Tür, und der Beamer war einfach da, ohne dass ihn jemand gebaut hat, würden Sie das für Unsinn halten.
Warum? Weil die Herstellung eines solchen Geräts jahrelange, teils jahrzehntelange Forschung erfordert. In einem Beamer sind viele Komponenten enthalten, von der einfachen Linse über die Optik bis hin zur Birne. Die Birne ist sehr komplex, denn sie muss sehr stark sein – das ist keine normale Glühbirne. Sie würden mir nicht glauben und sagen: Da muss jemand sein, der das gebaut und entworfen hat.
Ich übertrage das auf die viel komplizierteren Organismen des Menschen. Es ist viel plausibler anzunehmen, dass jemand sie geschaffen hat. Diesen jemanden nennen wir im Allgemeinen Gott. Es gibt einen Konstrukteur, der das gemacht hat, denn hier auf der Erde gibt es niemanden, der das selbst geschaffen hat. Wir sind nicht in der Lage, den Menschen richtig zu verstehen, geschweige denn zu erschaffen.
Die wahrscheinlichere Deutung ist also, dass es einen Konstrukteur gibt, einen Hinweis auf einen Schöpfer. Das ist übrigens auch das, was weltbekannte Philosophen wie der deutsche Philosoph Immanuel Kant formuliert haben. Kant war fest von der Existenz Gottes überzeugt und schrieb das in seiner Kritik der praktischen Vernunft. Zwei Argumente stehen bei ihm im Zentrum.
Er formulierte, dass der „gestirnte Himmel über mir“ und das „Gesetz Gottes in mir“ Hinweise sind. Mit dem gestirnten Himmel meinte er den gesamten Kosmos – die Natur, die einzelnen Lebewesen, die Weite der Sterne und die Naturgesetze, die sehr fein aufeinander abgestimmt sind. Das spricht eher dafür, dass es jemanden geben muss, der das gemacht hat.
Wenn nur einige Konstanten anders wären – Sie können im Internet einmal die „Goldilok-Zone“ eingeben –, wäre Leben hier nicht möglich. Die Goldilok-Zone ist ein Begriff eines Astronomen, der erforscht hat, dass die Erde nur in einem sehr engen Bereich um die Sonne liegen darf, damit Leben möglich ist. Wenn es kein Wasser gäbe, wenn die Erde ein paar tausend Kilometer näher oder weiter von der Sonne entfernt wäre, wenn die Gravitation anders wäre oder keine Atmosphäre vorhanden wäre – schon kleine Abweichungen würden Leben unmöglich machen.
Das Faszinierende ist: Bisher haben wir bei allen entdeckten Sternen und Planeten keinen einzigen Planeten gefunden, auf dem Leben existiert, wie auf der Erde. Obwohl Millionen von Planeten entdeckt wurden, gibt es bisher keinen einzigen positiven Beweis für intelligentes Leben irgendwo im Weltall.
Manche Leute sagen, es gebe Leben auf anderen Planeten. Wenn Sie daran Interesse haben, können Sie morgen Nachmittag in die Schokoladerie kommen, wo darüber gesprochen wird. Deshalb möchte ich das hier nicht weiter vertiefen. Aber sagen wir so: Es gibt bisher keinen einzigen Hinweis auf intelligentes Leben im Weltall.
Vielleicht kennen Sie Filme wie „Contact“ aus den 90er Jahren. Dort wird gezeigt, dass Teleskope das Weltall mit Radiowellen abhören. Man fand auch solche Signale. Vor wenigen Monaten wurde entdeckt, woher sie kommen. In einem Observatorium rätselte man, weil die Wellen meist um zwölf Uhr mittags empfangen wurden.
Das Ergebnis: Die Signale kamen von einer undichten Mikrowelle. Ja, das klingt wie ein Witz, ist aber Realität. Die Mikrowelle gab um die Mittagszeit Signale ab, als die Leute ihr Mittagessen warm machten. Manchmal sind die Antworten viel einfacher, als man denkt.
Es gibt also bisher keinen einzigen Hinweis auf intelligentes Leben im Weltall. Ich will nicht sagen, das sei ein Beweis für Gott. Nein, nur dass es seltsam klingt, dass so viele Faktoren – etwa hundert – auf der Erde zusammenkommen, damit Leben entstehen kann. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, oder die Alternativerklärung ist, dass ein Gott, ein übernatürliches Wesen, das bewusst so geschaffen hat.
Ich sage: Es ist kein Beweis, dass Sie nicht sagen, es sei ein Beweis. Nein, es ist ein Indiz, ein Argument, das zeigt, dass es wahrscheinlicher ist, dass eine Intelligenz dahintersteht, als dass alles nur Zufall ist.
Das sind einige Argumente aus der Beobachtung der Natur. Kant formulierte auch das „Gesetz Gottes in mir“, das wir alle beobachten: das Gewissen. Woher kommt das?
Tiere haben kein Gewissen. Sie handeln instinktiv und haben kein Empfinden von Gut und Böse. Menschen hingegen werden überall auf der Welt mit einem Gewissen geboren. In der Bibel finden wir im Römerbrief genau dieselbe Aussage: Die Menschen wissen in ihrem tiefsten Inneren, dass es einen Gott gibt – einmal durch die Anschauung der Natur und andererseits durch das Gewissen.
Ich rede nicht davon, dass alle Menschen dasselbe Gewissen haben, sondern dass es diese Instanz gibt, die uns ein Empfinden von richtig und falsch gibt. Das ist ein Hinweis darauf, dass es einen Gesetzgeber geben muss, der dahintersteht. Es muss ethische Maßstäbe geben, die uns prägen. Das ist ein weiterer Hinweis, nicht die einzelnen Aussagen wie „Lügen ist schlecht oder gut“, sondern die Existenz des Gewissens an sich.
Biblische Berichte, Wunder und persönliche Erfahrungen
Wenn wir uns das Ganze im engeren biblischen Rahmen anschauen – man könnte das natürlich auch im Koran oder in anderen Schriften verschiedener Religionen tun – dann würden wir feststellen, dass es dort noch mehr Hinweise auf die Existenz Gottes gibt. Zum Beispiel finden sich Berichte darüber, wie Menschen in der Vergangenheit das direkte Eingreifen Gottes erlebt haben, etwa indem sie eine Stimme Gottes hörten.
Als aufgeklärte Menschen könnten wir heute natürlich sagen: Das war Schizophrenie, multiple Persönlichkeiten oder Halluzinationen. Das wäre theoretisch möglich. Doch der Hinweis, der darauf hindeutet, dass es mehr ist, liegt darin, dass Propheten – also Menschen, die etwas von Gott gehört haben – etwa dreihundert Jahre vor Jesus Christus Einzelheiten über sein Leben, seine Geburt, sein Sterben und Ähnliches aufgeschrieben haben. Diese Angaben haben sich ziemlich genau erfüllt.
Wenn es nur eine psychische Erkrankung gewesen wäre, dann ist das äußerst unwahrscheinlich. Es handelt sich hier nicht nur um eine einzelne Aussage, sondern um viele zahlreiche Detailaussagen, die sich genau so erfüllt haben. Hier würde ich sagen, es spricht eher dafür, dass diese Menschen wirklich, wie sie behaupten, eine übernatürliche Information von einem Wesen erhalten haben, das wir Gott nennen. Dieses Wesen wusste bereits genau, was in der Zukunft passieren würde – etwas, das für uns Menschen unmöglich ist. Manche dieser Dinge sind wirklich überraschend und kaum vorstellbar.
Dann finden wir Phänomene, die Menschen heute erleben und die auch Menschen zu biblischen Zeiten erlebt haben: Wir nennen das Wunder. Ein Wunder bedeutet, dass etwas passiert, das unserer Erwartung widerspricht, das entgegen dem geschieht, was normalerweise passieren müsste. Sowohl heute als auch zu biblischen Zeiten sind zahlreiche Wunder geschehen. Ich spreche hier nicht nur von solchen, die als Wunder interpretiert werden, sondern von solchen, die relativ eindeutig nicht nur unerklärlich sind, sondern auch in engem Zusammenhang mit einer Offenbarung oder Mitteilung Gottes stehen.
Wenn wir im Neuen Testament lesen, finden wir zahlreiche solcher Berichte. Ein überzeugter Atheist wird natürlich immer sagen: Alles erfunden, alles gelogen. Aber hier müsste auch ein Atheist den Beweis dafür erbringen, dass es gelogen ist. Man kann ja nicht einfach behaupten, jedes Argument für Gott sei generell gelogen, denn dann gäbe es überhaupt keine Argumente mehr. Stattdessen müsste man Argumente dafür nennen, warum diese Wunder nicht stattgefunden haben.
Manche sagen, die Jünger, die das aufgeschrieben haben, hätten gelogen. Doch warum sollten sie das tun? Sie hatten praktisch gar keinen Vorteil davon. Im Gegenteil: Sie wurden von ihren Familien ausgestoßen und später umgebracht. Das klingt nicht nach einem Vorteil. Warum sollten sie so etwas erfinden? Außerdem lebten damals noch viele Menschen, die Jesus persönlich kannten. Ein Jünger hätte also behaupten müssen, Jesus habe zahlreiche Wunder getan, obwohl Tausende das Gegenteil gewusst hätten. Wie überzeugend wäre das gewesen? Wahrscheinlich wenig.
Ein Apostel wie Paulus konnte sogar eine der wichtigsten Wunder im Neuen Testament zitieren: die Auferstehung Jesu. Jesus wurde am Kreuz hingerichtet und ist nach drei Tagen wieder auferstanden – daran erinnern sich Christen zu Ostern. Diese Auferstehung war spektakulär, weshalb es zahlreiche Alternativerklärungen gibt. Zum Beispiel wird gesagt, Jesus sei nur scheintot gewesen. Das ist jedoch relativ unwahrscheinlich, denn die Römer waren Spezialisten im Hinrichten von Menschen. Wenn ein Römer jemanden vom Kreuz herunterließ, ohne dass er tot war, hätte er seinen eigenen Hals riskiert. Die Römer gingen ganz sicher davon aus, dass die Person tot war, bevor sie vom Kreuz genommen wurde. Scheintod gab es normalerweise nicht.
Angenommen, sie hätten das übersehen. Dann lesen wir, dass es jüdische Sitte war, jemanden nach dem Tod in Binden einzuwickeln – von Kopf bis Fuß. Wäre jemand scheintot gewesen, wäre er spätestens nach dieser Prozedur gestorben. Denn ein Scheintoter könnte sich erstens nicht aus den Binden befreien und würde ersticken, da er ganz zugewickelt war. Auch das klingt eher unwahrscheinlich.
Manche sagen, die Jünger hätten den Leichnam gestohlen. Auch das klingt wenig plausibel. Erstens waren die Jünger keine militärisch ausgebildeten Personen. Wie sollten sie den Leichnam von römischen Soldaten stehlen, die das Grab bewachten? Das klingt merkwürdig. Noch merkwürdiger ist die Vorstellung, dass die Jünger den Leichnam gestohlen hätten und dann für die Lüge, von der sie selbst wussten, dass sie falsch war, sogar den Tod in Kauf nahmen. Was hätte das für einen Sinn? Wenn sie Geld oder Macht daraus gezogen hätten, wäre das verständlicher. Doch das war nicht der Fall.
Paulus schreibt außerdem, dass mehr als 500 Menschen Jesus nach seiner Auferstehung gesehen haben. Das widerlegt auch das Argument der Halluzination. Man könnte sich vorstellen, dass zwei oder drei Personen sich etwas einbilden. Aber 500 Menschen, die unabhängig voneinander Jesus sehen und mit ihm sprechen – das gab es in der Weltgeschichte bisher so nicht. Diese Menschen erwarteten nicht einmal die Auferstehung, sondern gingen davon aus, dass Jesus tot war. Dass sie ihn dann tatsächlich sahen, ist ein Ereignis, das man als absolutes Wunder bezeichnen müsste.
Das spricht eher dafür, dass diese Wunder wirklich stattgefunden haben. Manche Wunder liegen lange zurück, beispielsweise in der Zeit Jesu, als niemand dabei war, der das gefilmt hat. Aber auch heute gibt es zahlreiche Berichte von Wundern, bei denen Gott auf übernatürliche Weise eingreift. Diese sind dokumentierbar.
Ich könnte nur von Wundern erzählen, die ich selbst erlebt habe – wirklich sehr eindeutige Wunder. Ich weiß nicht, inwiefern Sie sich medizinisch auskennen. In der Gemeinde, die ich besuche, gibt es ein Ehepaar, das einen Sohn bekommen hat, der von Geburt an Diabetes hatte. Diese Form von Diabetes ist bekannt, und normalerweise kann man nichts dagegen tun. Das Kind muss ins Krankenhaus, wird eingestellt und bekommt eine Therapie.
Zwei Ärzte haben das Kind unabhängig voneinander untersucht. Beide bestätigten die Diagnose Diabetes. Die Wahrscheinlichkeit war sogar relativ groß, weil die ältere Schwester des Kindes ebenfalls von Geburt an Diabetes hatte. Viele Christen haben intensiv gebetet. Einige Wochen später ging das Ehepaar zum Diabeteszentrum in der Nähe, um das Kind einstellen zu lassen. Die Ärzte konnten keine Diabetes mehr feststellen.
Man könnte sagen, die Ärzte hätten sich geirrt. Das ist aber relativ unwahrscheinlich, denn Diabetes ist einfach festzustellen – keine hochkomplexe Sache. Dass zwei Ärzte denselben Fehler machen, ist ebenfalls sehr unwahrscheinlich. Für mich ist die Deutung viel naheliegender: Hier ist ein Wunder geschehen.
Manche Ärzte sprechen sogar von Wundern, verwenden aber eine andere Sprachregelung. Wenn man bei Ärzten von Spontanheilungen liest, meint man eigentlich Wunder. Das heißt, es ist etwas passiert, das gegen alle Erwartungen geschieht, für das es keine Erklärung gibt. Ich würde sagen, man sollte das auch so benennen: Es gibt Wunder.
Es gibt Dinge, die entgegen aller Erwartungen geschehen, und hier sogar in direktem Zusammenhang mit Gebet. Vielleicht sagen Sie jetzt: „Ich habe schon mal gebetet, und es ist nichts passiert.“ Das ist kein Beweis gegen Gott. Es ist vergleichbar mit meinem Sohn, der mich bittet, ihm ein Taschenmesser zu geben. Wenn ich es ihm gebe, sagt er: „Siehst du, mein Vater existiert.“ Wenn er mich aber um mehr Taschengeld bittet und ich sage „Nein“, dann sagt er: „Mein Vater hat mir kein Geld gegeben, also existiert er nicht.“ Das ist natürlich kein Beweis.
Wenn Gott also ablehnt, auf unseren Wunsch einzugehen, ist das kein Beweis, dass er nicht existiert. Es zeigt vielmehr seine Freiheit. Wenn er aber eingreift und etwas tut, ist das ein Beweis für seine Existenz. Er hat jemandem geholfen und eingegriffen.
Gott ist kein Naturgesetz, bei dem man sagen könnte: Immer wenn wir so beten, passiert dies oder das. Gott ist eine Person, souverän und frei in seinen Entscheidungen. So sind diese Wunder, die bis in die Gegenwart dokumentierbar sind. Ich spreche nicht von Gerüchten, sondern von eindeutig dokumentierten Wundern, die auch im Zusammenhang mit Gebet stehen.
Diese sind ein deutlicher Hinweis – nicht ein Beweis – auf die Existenz Gottes. Man muss unterscheiden: Es handelt sich nicht um naturwissenschaftliche Gesetze, die man auf diese Weise beweisen könnte.
Lebenswenden als Hinweis auf Gott
Was für mich ebenfalls ein sehr starker Hinweis ist, sind die vielen Beispiele bis heute, bei denen Menschen, die sich Gott anvertraut haben, in ihrem Leben eine völlige Lebenswende erleben. Diese Veränderungen sind nach irdischen Vorstellungen oft nicht erklärbar.
Zum Beispiel hatten wir an unserer Ausbildungsstätte mehrere Personen, von denen jeder gesagt hätte, dass ihr Leben kaputt und zerschlagen sei, dass alles vorbei ist und sie niemals etwas mit Glauben zu tun haben würden. Doch durch besondere Erfahrungen und Erlebnisse hat Gott das Leben dieser Menschen vollkommen umgekrempelt.
Ich hoffe, ich erinnere mich richtig daran – sonst müssen mich die Schüler, die das besser wissen, korrigieren. Vor ein paar Jahren hatten wir jemanden an unserer Bibelschule, der etwa zehn Jahre obdachlos war. Er schlief auf Parkbänken und trank Rotwein. Wenn Sie ihn heute kennenlernen würden, würden Sie sagen, das ist ein völlig anderer Mensch, der so gar nicht mehr zu seinem früheren Leben passt.
Was hat ihn verändert? Seine Begegnung mit Gott. Solche Erfahrungen sind für mich ein deutliches Indiz und ein Hinweis auf Gott. Denn dass sich das Leben eines Menschen grundlegend verändert, ist etwas, das auch Sie in Ihrem eigenen Leben bemerken werden: Es ist sehr, sehr schwierig.
Wenn Sie sich neue Vorsätze setzen, merken Sie, wie schwer es ist, selbst nur kleine Details zu verändern. Wenn Sie aber erleben, dass das gesamte Leben revolutioniert und verändert wird, ist das für mich ein Hinweis darauf, dass wirklich Gott dahintersteht und diese Veränderung bewirkt.
Auch das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Hinweis auf Gott.
Die Wette des Pascal und die Entscheidung für Gott
Letztendlich werden wir, so wie ich es jetzt versucht habe, nur viele Indizien sammeln können. Viele einzelne Gründe, um zu sagen: Okay, dieser spricht eher dafür, dass es Gott gibt, und jener auch, und ein weiterer ebenfalls.
Hier möchte ich am Ende zu Blaise Pascal zurückkommen, den ich schon einmal erwähnt habe. Er sagte nämlich, und da hat er meiner Meinung nach Recht, dass wir eine Gewissheit erst bekommen können, wenn wir uns auf Gott einlassen.
Das ist bei manchen anderen Dingen auch so. Ich möchte das Beispiel einer Beziehung nehmen. Diejenigen, die noch nicht verheiratet sind – die anderen haben das ja bereits hinter sich –, wenn sie sich nach einem Partner umschauen, überlegen sie wahrscheinlich: Ich nehme nicht irgendjemanden, sondern ich beobachte die Person erst einmal. Dann frage ich mich: Passt der denn zu mir?
Jetzt könnte man die Frage stellen: Wann werde ich denn erst sicher sein, dass der Partner zu mir passt, also zumindest einigermaßen sicher? Ich glaube, die Antwort ist ziemlich einfach: Nicht solange ich ihn nur aus der Entfernung beobachte, sondern erst wenn ich mit ihm zusammenlebe.
Dann weiß ich erst, wie es wirklich läuft. Und genauso ist es auch mit Gott. Das heißt, ich kann Indizien dafür sammeln, dass er passt – wie beim Partner, da merke ich zum Beispiel: gleiche Sprache, ähnliche Interessen, ähnliche Lebensweise und so weiter. Aber ob das wirklich klappt, merke ich erst, wenn ich mit ihm zusammenlebe.
Dann bestätigt sich diese Überlegung oder wird widerlegt. Genauso ist es auch bei Gott: Wenn ich Argumente für seine Existenz gesammelt habe, werde ich eine größere Gewissheit erst bekommen, wenn ich mich auf Gott einlasse, wenn ich einmal mit ihm rechne, wenn ich so lebe, als ob es ihn gibt.
Und plötzlich merke ich: Oh, das bestätigt sich ja. Plötzlich lösen sich manche meiner Fragen. Plötzlich erlebe ich in meinem Leben – wie vorhin gesagt wurde – Gebetserhörungen, wo Gott in mein Leben eingreift. Dann wirkt das natürlich viel intensiver als die bloßen Worte von anderen Menschen.
Wenn ich nur höre, dass jemand das und das gesagt hat, kann ich immer noch sagen: Ach, das stimmt nicht, oder dem glaube ich nicht. Wenn ich es selbst erlebt und erfahren habe, ist das auf einer existenziellen, persönlichen Ebene und geht viel, viel tiefer.
Ich glaube, das ist genau die Herausforderung, vor der jeder steht, der Argumente für und gegen Gott gesammelt hat: Am Ende muss man eine Entscheidung treffen. Bei dieser Entscheidung erlebt man entweder eine Bestätigung oder eben nicht.
Man nennt das manchmal auch die Wette des Pascal. So hat er es in seinem Buch formuliert, das ich schon genannt habe – die „Gedanken“ oder „Pensées“. Und das ist die Herausforderung, vor der jeder von uns steht: Argumente zu prüfen.
Ich habe Ihnen die Argumente genannt, die heute meistens vorkommen, die gegen Gott sprechen. Atheisten sagen oft: Nein, es kann Gott nicht geben. Ich habe Ihnen die häufigsten Argumente genannt und auch erklärt, warum mich diese Gründe nicht überzeugen.
Nicht, weil die Menschen, die sie formulieren, böse sind, sondern weil es fast nie Argumente gegen die Existenz Gottes sind. Vielmehr sind es immer nur Argumente für den Umgang mit Gott und den Gedanken an Gott.
Dann habe ich Ihnen gesagt, dass wir keine Beweise für Gott durch die Naturwissenschaften finden können. Ich habe auch begründet, warum das so ist: Nicht, weil die Naturwissenschaften schlecht sind, sondern weil sie kein Instrumentarium haben, um Gott zu untersuchen.
Wenn wir etwas über Gott sagen wollen, sind wir darauf angewiesen, dass Gott sich selbst mitteilt und dass wir seine Spuren sehen – also dort, wo er eingegriffen hat.
Dann habe ich Ihnen verschiedene Beispiele genannt, die aus meiner Sicht eher dafür sprechen, dass es einen Gott gibt, als dass es keinen gibt. Kein Beweis, wie gesagt. Einen Beweis können wir in dieser Frage nicht antreten.
Aber ich habe Ihnen auch gesagt, dass wir bei vielen Dingen unseres Alltagslebens keine Beweise haben. Ich habe das Beispiel des Ehepartners genannt: Auch da werden Sie nie einen Beweis haben, dass dieser Partner zu Ihnen passt. Sie haben nur Indizien.
Sie sagen: Das passt hier, dort haben wir etwas erlebt, da haben wir gesprochen. Aber das ist kein naturwissenschaftlicher Beweis. Sie werden auch keinen Indikator haben, bei dem Sie Ihrem Partner etwas auf die Zunge träufeln und dann sehen, ob es rot oder blau wird, um zu erkennen, ob er der Richtige ist.
Das geht nicht. Es besteht immer Unwissenheit und Unsicherheit. Unser ganzes Leben besteht aus Unsicherheiten, und trotzdem leben wir damit, weil wir immer mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit leben.
Genau dasselbe gilt für Gott. Wer absolute Sicherheit sucht, wird im Leben viele Entscheidungen nie treffen – auch nicht in der Partnerschaft. Er wird immer unsicher bleiben.
Ich habe manche Paare erlebt und zur Trauung begleitet. Kurz vor der Trauung haben viele noch eine Krise: „Nein, ich will mich nicht festlegen, ich will nicht heiraten.“ Warum? Weil die innere Unsicherheit da ist. Vielleicht ist es doch nicht der Richtige. Dann will man sich lieber freihalten.
Ähnlich ist es bei der Berufswahl. Viele Schüler am Ende der Schulzeit sagen: „Ich will mich nicht festlegen, denn wenn ich mich einmal festgelegt habe, ist es vielleicht doch der falsche Beruf.“
Aber wie gesagt: Wenn wir uns nie festlegen, werden wir auch nie eine Antwort bekommen. Irgendwann müssen wir etwas probieren und uns darauf einlassen. Nur dann bekommen wir eine Sicherheit.
Bei der Berufswahl kann man hundert Berufsberatungen haben. Ob der Beruf wirklich der richtige ist, merken wir erst, wenn wir ihn ausprobiert haben und tatsächlich drin sind.
Alles andere sind nur Indizien und Wahrscheinlichkeiten. Eine Sicherheit oder zumindest eine einigermaßen sichere Gewissheit bekommen wir erst, wenn wir damit zu tun haben.
So ist es auch bei der Suche nach Gott. Es ist ähnlich wie in vielen anderen Lebensbereichen: Wir können Gründe sammeln, dafür und dagegen, sie abwägen und uns dann versuchen, darauf einzulassen, um eine stärkere Gewissheit zu bekommen.
Mehr kann ich Ihnen heute Abend nicht anbieten. Falls Sie jemanden finden, der mehr kann, gehen Sie zu dem und hören Sie sich das an.
Ich habe, wie gesagt, schon viel gelesen und mit vielen Leuten diskutiert. Aber ich habe Ihnen auch gesagt, dass ich skeptisch bin, weder dass man die Nichtexistenz Gottes beweisen kann, noch dass man im naturwissenschaftlichen Sinn die Existenz Gottes beweisen kann.
Ich glaube jedoch, dass sehr viel für die Existenz Gottes spricht. Für mich persönlich genügt das, mich überzeugt das.
Ich habe mich auf diese Sache eingelassen und habe in meinem Leben immer wieder Bestätigungen dafür gefunden. Und das, obwohl ich dem Ganzen eher skeptisch gegenüberstehe und zögerlich bin, Dinge zu schnell auf Gott zu schieben, wenn es auch andere gute Erklärungen gibt.
Trotzdem hat mich das mehr überzeugt als die Auffassung, dass es keinen Gott gibt.
Da mache ich hier mal einen Punkt.
Wo noch Gesprächsbedarf ist – und das hoffe ich ja, dass er da ist –, können wir dem gerne gleich im Anschluss an die Veranstaltung nachgehen. Dann können wir manche Sachen vertiefen, auf Einwände eingehen oder, wenn Sie noch gute Argumente gegen die Existenz Gottes haben, nehme ich die auch gerne auf und notiere sie mir, um sie zukünftig berücksichtigen zu können.