Gottes Nähe und Führung in der Wüste
In diesen Tagen war in der täglichen Bibellese die anschauliche Geschichte, der Bericht dran, wie das Volk Israel in der Wüste durch Gott gnädig herausgeführt und geleitet wurde. Bei Nacht führte Gott sie durch die Feuersäule, bei Tag durch die Wolkensäule. Gott war nahe, obwohl sie anfingen zu murren.
Sie sagten: „Wir hatten doch in Ägypten die Fische, den Knoblauch und die Zwiebeln. Warum mussten wir denn hier in die Wüste?“ Wenn jemand aufgescheuchte Seelen hatte, dann war es damals dieses Volk – aber erst recht Mose.
Mose trat vor den Herrn, heißt es, und sprach: „Warum hast du diese Last auf mich gelegt? Warum muss ich dieses Volk tragen? Ich kann es doch nicht! Lieber Gott, übernimm doch du!“
In diese Situation der aufgescheuchten Seelen, die wie verdorrt waren, ließ Gott ausrichten: „Ist denn meine Hand zu kurz geworden?“
Hier kommt das Stichwort von der Hand unseres Herrn ins Spiel, die ihre ganze Tagung bestimmt. Die Hand des Herrn ist nahe, er kann eingreifen, zupacken und helfen.
Beim Propheten Jesaja wird gesagt, die schlimmste Gottlosigkeit und Vermessenheit sei, wenn Menschen sagen: „Gott hat keine Hände.“ Ist Ihnen dieses Wort auch schon begegnet? Manchmal steht es sogar in Schaukästen von Kirchengemeinden: „Gott hat keine anderen Hände als unsere Hände.“
Oh, dann wäre es schlimm, wenn es bloß unsere Hände gäbe! Es ist ein Vorrecht, dass Gott uns manchmal mit unseren schwachen Händen beteiligt. Aber die Hand des Herrn ist stark und nicht zu kurz geworden. Er kann eingreifen.
Aufgescheuchte Seelen.
Die Last aufgescheuchter Seelen
Der Prophet Jeremia hat es erlebt: „Verflucht sei der Mann, der meiner Mutter sagte: Du hast einen Sohn geboren.“ Er verflucht den Tag seiner Geburt und fragt, warum sie überhaupt da sein muss. Es sind aufgescheuchte Seelen.
Das Stichwort stammt aus dem schönen Neujahrslied von Dietrich Bonhoeffer, in dem es heißt: „Ach Herr, gib unseren aufgescheuchten Seelen das Heil, das du für sie bereitet hast.“ Wir wissen, dass unser Herr Jesus dieses Wort aufgenommen hat. Eigentlich hat Herr Bonhoeffer es ja von Jesus übernommen: „Ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Matthäus 11,29).
Doch es geht noch weiter zurück. Der Herr Jesus hat den Ton vom Propheten Jeremia aufgenommen. Dort, in Jeremia 6, finden wir das Wort: „So spricht der Herr“ (Jeremia 6,16):
„Tretet hin an die Wege und schaut und fragt nach den Wegen der Vorzeit, welches der gute Weg sei, und wandelt darin, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.“
Dann geht es erschreckend weiter – vielleicht auch in Ihren Bibeln. Doch sie sprechen: „Wir wollen es nicht tun, wir wollen nicht nach den Wegen der Vorzeit fragen.“
Da hat also Gott das heilige Anliegen, dass seine Leute, die von der aufgescheuchten Seele nicht bewahrt bleiben, Ruhe finden für die aufgescheuchten Seelen.
Herausforderungen älter werdender Seelen
Für uns Älterwerdende, und ich bin dankbar, dass ich als Alter mitten unter Ihnen sein darf, die Sie wesentlich jünger sind, gibt es mancherlei Anlässe, bei denen unsere Seelen aufgescheucht werden.
Warum lachen Sie? Sie sehen alle so frisch aus. Vielleicht liegt das an der langen, steinernen Höhe. Für uns Älterwerdende ist es ähnlich wie mit dem, was der Apostel Paulus vom Gewissen sagt (Römer 2): Da gibt es Gedanken, die einander anklagen und verteidigen. So ist es auch mit unserer aufgescheuchten Seele.
Ach, meine Enkel! Legen sie sich auch genug ins Zeug, damit sie in unserer Welt bestehen können, damit sie durchkommen? Und dann kommt wieder der entschuldigende Gedanke: Ach, das wird schon werden, die Eltern werden schon dafür sorgen, das Leben wird sie schon zurechtbügeln. Gedanken, die sich jagen, hin und her.
Die Sorge, besonders in Nachtstunden, bringt oft schreckende Gedanken hervor. Da zermartert sich unsere Seele: Ob der Schmerz, den ich plötzlich fühle, ein Signal für eine schlimme Krankheit ist? Ob unsere Rente ausreichen wird, wenn sich die Verhältnisse noch verschlechtern? Ob ich, ähnlich wie der blitzgescheite Rhetoriker Walter Jens in Tübingen, in die Demenz hineinschlittern werde? Wer sorgt dann für mich? Wie werde ich mich dann benehmen? Was steigt dann aus den Urgründen meiner Seele auf? Bloß Sumpfblasen, die alle, die mich betreuen, in Schrecken versetzen?
Der Wille, Christ zu sein – ob ich das mit meinem Testament richtig geordnet habe, ob alle, die ich bedacht habe, zufrieden damit sind. Ob sich die Spannung mit dem Nachbarn irgendwann einmal legen wird. Ob er je lernen wird, auch den Müll richtig zu sortieren, was mir so wichtig ist. Ob ich alle nötigen Briefe, die schon längst geschrieben hätten werden sollen, an Menschen, die ich enttäuscht oder verletzt habe, auch wirklich geschrieben habe.
Aufgescheuchte Seelen – viele von Ihnen kennen das.
Die innere Unruhe der Glaubenden
Und bei Menschen, die vor Gott leben wollen – und viele von uns wollen das ja – kommen auch ganz andere Gedanken und Unruhen auf. Zum Beispiel die Frage, ob ich wirklich all das Unbereinigte meines Lebens vor ihm bereinigt habe.
Mein väterlicher Freund Konrad Schmid hat mir, als ich noch jung war, einmal ein Wort gesagt, das ich damals noch gar nicht begreifen konnte. Je älter ich als Christ werde, desto mehr wird mir bewusst, wie viel ich versäumt habe, was bei mir unbereinigt ist und wie viele Bereiche von Gott noch nicht geordnet sind.
Es ist zu laut, nämlich zu weise für die Verwirrung. Insgesamt ist es okay, aber wir fügen noch etwas hinzu – noch eine Sache, jawohl.
Ob ich dankbar genug war für all das, was Gott uns in sechs Jahrzehnten des Friedens erleben ließ? Das Heimweh nach einem geliebten Menschen kann so stark werden, dass man beinahe vergisst, wie viel man dankbar sein konnte für den gemeinsamen Weg.
Der württembergische Erweckungsprediger Ludwig Hofacker hat noch auf seinem Sterbebett erlebt, dass die Anklagen Gottes da waren für viel Versäumtes in seinem kurzen, dreißigjährigen Leben. Er konnte sagen: „Ich habe tausendmal mehr die Hölle verdient als den Himmel.“
Der Erweckungsprediger sprach davon, tausendmal mehr die Hölle verdient zu haben. Ältere Menschen, die Gott nicht einfach einen guten Mann sein lassen wollen, kommen beim Bibellesen ins Schleudern.
Erst in diesen Tagen hat mich ein Mensch wissen lassen, dass Jesus doch zweimal gesagt hat: „Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“ (Matthäus 22,14; 20,16) Bin ich denn auserwählt? Gehöre ich zu denen, die einmal heimkommen dürfen, um zu werden, wie wir es in diesen Tagen immer wieder hören, als das Größte, als das Ziel unseres Lebens?
Zweifel und Gewissheit im Glauben
Wenn der Herr Jesus seinen Jüngern sagte: „Werden nur wenige selig werden?“ antwortete er: „Ringet danach, dass ihr selig werdet.“
Manche Menschen fragen sich: „Herr Jesus, ich glaube, du hast mich von Ewigkeit her erwählt. Bin ich denn wirklich unter den Erwählten?“ Solche Fragen können die Seele sehr beschäftigen und aufwühlen.
Es ist wichtig zu wissen, dass in der Bibel nicht behauptet wird, Menschen, die mit Gott leben, hätten ständig Frieden und könnten von nichts mehr angefochten werden. Jesus sagte seinen Jüngern: „In der Welt habt ihr Angst.“ Diese Angst kann auch im ganz persönlichen Bereich des Lebens auftreten.
Martin Luther konnte sagen: „Wenn der Feind dein Leben verklagt, wenn der Teufel fragt: ‚Reicht es denn für den Himmel? Woher weißt du das? Hast du es festgemacht?‘“ Solche aufgewühlten Seelen wollte der Prophet Jeremia im Auftrag Gottes Ruhe verschaffen.
Sie sollten Ruhe für ihre Seelen finden. Das Rezept dafür ist: „Fragt nach den Wegen der Vorzeit.“
Der Aufruf zur Orientierung an Gottes früheren Wegen
Mich hat beschäftigt, warum es hier heißt: die Wege der Vorzeit. Mir wurde dabei klar, als ob der Prophet im Auftrag Gottes sagen würde: Geht jetzt nicht nur euren Gedanken nach – all der Irrlichterei eurer Gedanken, die hin und her zischen –, sondern fragt nach den Wegen.
Wege sind etwas, das unternommen wird. Die Wege unseres Lebens haben wir Schritt für Schritt zurückgelegt. Fragt danach, wie Gott Menschen schon in früheren Zeiten geführt und geleitet hat, wie er eingegriffen hat, ohne dass seine Hand zu kurz wurde.
Tretet an die Wege heran, kommt heraus aus euren Gedanken!
Der große Theologe Martin Kähler konnte seinen Studenten sagen: Hilf aus den Gedanken ins Leben hinein, ganz ohne Wanken, dein Eigen zu sein! Hilf aus den Gedanken, die sich anklagen und entschuldigen, die sich sorgen und aufgescheucht sind, ins Leben hinein!
Fragt doch einmal nach den Wegen der Vorzeit, was Gott wirklich tut, wie Gott auch mit Menschen handelt, deren Seelen aufgescheucht sind. Dann werdet ihr den guten Weg erkennen.
Beispiele aus der biblischen Geschichte
Fragt nach den Wegen der Vorzeit! Was musste der Vater Abraham, der Stammvater, empfinden, als ihm endlich durch Gottes Geschenk der Erbe geschenkt wurde – der Verheißene, durch den die Geschlechter der Welt gesegnet werden sollten? Wie aufgewühlt und wund muss seine Seele gewesen sein, als er zum Berg Gottes ging, und neben ihm sein Sohn, der Erbe, der Verheißene, der Gesegnete?
Dann fragt der Sohn auch noch den Vater: „Wir haben hier Holz, wir haben das Feuer dabei, aber wo ist das Schaf, das das Brandopfer sein wird?“ Abraham antwortet: „Der Herr wird sich schon ein Opfer ersehen.“ Und doch muss es in ihm gegärt haben – er wusste, dass sein Sohn geopfert werden sollte. Wenige Stunden später wurde es Wirklichkeit: Der Herr hat sich ein Opfer ersehen, und es war nicht der Verheißene Isaak.
Fragt nach den Wegen der Vorzeit! Längst bevor wir uns Sorgen machen, hat der lebendige Gott mit seinem Volk seinen Plan. Er weiß, wie er eingreifen wird und was er zu tun vorhat. Fragt nach den Wegen der Vorzeit, dann werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Fragt doch auch danach, wie es Hanna erging – von ihrer Nebenfrau Penina belächelt und verachtet. „Ich habe Kinder, und du hast keine, was ist dein Leben schon wert?“ Als sie weinte, kam ihr Mann Elkanah und sprach das schönste Liebeszeugnis, das in der Bibel steht: „Bin ich dir denn nichts wert? Ist meine Liebe nicht mehr wert als zehn Söhne? Hanna, ich habe dich doch lieb.“ Da ging Hanna hinein ins Heiligtum, weil sie spürte, dass nicht einmal ihr Mann sie mehr verstand.
Ein großer Ausleger unserer Tage sagte: Hanna verlangte nicht nur danach, selbst noch einmal Mutter zu werden. „Lieber Gott, in diesem gottlosen Betrieb hier von Silo brauchst du doch deinen Mann. Ich möchte doch den gebären, der dein Retter ist.“ Elkanah verstand das nicht, besser als zehn Söhne sei seine Liebe. Sie schüttete ihr Herz aus, und nicht einmal der Priester verstand sie, sondern meinte, sie sei betrunken. Doch der Herr verstand sie und hatte seinen Plan für Hanna bereit.
Fragt nach den Wegen der Vorzeit, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Gott kennt sein Volk und hat die Kraft einzugreifen. Im großen Lied von Paul Gerhardt „Gib dich zu Frieden und sei stille“ heißt es in einer Zeile: „Er kennt die Seufzer deiner Seelen.“ Die aufgewühlten Seelen – kein einziges kleines Menschlein von seinen Leuten, nicht einmal eine verachtete Hanna, ist ihm zu nebensächlich.
Fragt nach den Wegen der Vorzeit, was Gott getan hat und wie er geführt hat – fragt nach den Wegen. In allen Religionen spielen Göttersagen eine große Rolle. Ach, auf dem Gymnasium mussten wir einst die Göttersagen der Griechen und Römer lernen, wie Zeus Streit mit Hera hatte und allerlei Geschichten. In Religionen spielen Mythen und Göttersagen eine große Rolle – Märchen, Erdachtes.
Unser Gott aber sagt: Schaut doch, was ich gemacht habe! Fragt nach den Wegen, die ich mit meinem Volk gegangen bin – nach Fakten. In der Verwaltung, unser Bruder Merz, der lange Zeit in der Verwaltung war, sagt: Wenn es einen Vorgang gibt, reicht früher eine Reichsgerichtsentscheidung, heute eine Bundesgerichtshof-Entscheidung, damit der Amtsrichter sich darauf berufen kann. Wenn Gott einen Weg mit seinem Volk gegangen ist, ist das ein Vorgang, auf den man sich berufen kann, nicht eine Zufälligkeit.
Jakob versuchte, seinen eigenen Weg zu finden. Nachdem er das Erbe des Vaters und auch den Segen an sich gebracht hatte, dachte er: „Aha, ich kann mich durchschlagen, werde auch mit meinem Schwiegervater und seinen Tricks fertig.“ Am Ende versuchte er eine gute Taktik, um seinen zornigen Bruder Esau zu besänftigen. Er schickte eine Herde nach der anderen mit Kamelen, Eseln, Schafen voraus, die alle ihm gehören sollten, und hoffte, seinen Bruder zu besänftigen.
Doch plötzlich wurde ihm klar: Man muss nicht nur das Leben meistern und mit zornigen Menschen fertig werden, auch Familienzwist stiften können, sondern vor Gott bestehen, wenn Gott mir durch seinen Engel in den Weg tritt. Dann gibt es nur noch eine Bitte: „Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“
Fragt nach den Wegen der Vorzeit, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Wenn unsere Seele angefochten ist, dürfen wir schreien: „Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ auch in den Nachtstunden. Sie dürfen sich an Psalm 32 halten: „Wohl dem“, sagt König David, „dem der Herr die Sünde nicht zurechnet, in dessen Geist kein Falsch ist, wohl dem, gesegnet er!“
Denn da ich’s wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Heulen, denn deine Hand lag schwer auf mir. Da bekannte ich dir meine Sünde, und du vergabst mir die Schuld meiner Sünde. Das ist nach wie vor zentral für unsere aufgewühlten Seelen.
Herr, vergib, wenn uns das aufgedeckt wird in Träumen! Ich war oft in Synoden von Württemberg und der EKD unterwegs und habe mich in kirchenpolitische Streitigkeiten hineingewagt. Wenn meine Frau mich fragt: „Was hast du so schlecht geträumt heute Nacht?“ sage ich: „Ich war wieder auf der EKD-Synode.“ Da fällt einem auf: Habe ich zu hart geantwortet? Habe ich die Sache der Evangelikalen zu schroff dargestellt, zu unerbittlich, zu unduldsam? Da kann man nur sagen: Herr, vergib mir! Ich kann es nicht mehr bereinigen, deck du deine Hand darüber, auch über das, was ich total falsch gemacht haben sollte, das ich vielleicht noch nicht einmal weiß. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Und wie ist das mit der Erwählung, wenn wir Angst haben, ob wir überhaupt erwählt sind? Viele sind berufen, wenige sind auserwählt. Nebenbei hat der Herr Jesus denen gesagt, die meinten, sie seien dabei, und erzählte das Gleichnis von der königlichen Hochzeit. Viele waren eingeladen, aber am Schluss sagten die meisten: „Jetzt habe ich keine Zeit, später mal.“ Wir Älteren wissen, wie das ist mit „später einmal“ – wie schwer das fällt im Alter, wie schwer es sogar schon fällt, konzentriert zu beten oder zuzuhören.
Da sagt Jesus: „Viele sind berufen, wenige sind auserwählt.“ Dem Menschen, der mich danach gefragt hat: „Bin ich denn erwählt von Ewigkeit her, wie es im Epheserbrief steht?“ habe ich gesagt: Im Epheser 1 steht: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, denn in ihm sind wir erwählt von Ewigkeit her.“ Bevor die Welt geschaffen wurde, hat Gott einen Heiland bereitgestellt – den Heiland, der dich gerufen hat, dem du so viel dankst. Du bist schon im Plan Gottes drin seit Ewigkeit. Das weißt du, seit der Heiland dir begegnet ist. Den hat Gott von Ewigkeit her bereitgestellt. Es ist keine Augenblicksentscheidung Gottes.
Auch Johannes 1 erinnert daran, von einem gewissen Nathanael, der durch Philippus zu Jesus gebracht wurde. Jesus sagte: „Siehe, ein wahrer Israelit, an dem kein Falsch ist.“ Nathanael erwiderte: „Herr, Sie kennen mich doch gar nicht, wie kommen Sie darauf?“ Jesus antwortete: „Ehe dich Philippus rief, sah ich dich unter dem Feigenbaum.“ Schon ehe der Herr Jesus die heilige Stunde eingeläutet hat, in der er uns berufen hat, hat er uns gekannt – von Ewigkeit her.
Das dürfen Sie als Gewissheit nehmen: Es war nicht bloß eine Augenblicksentscheidung, nicht bloß eine Emotion, dass ich plötzlich Jesus liebte. Wir haben gestern Abend gehört, wie es ist, wenn ein Mensch Jesus gehörte und dann plötzlich auf Distanz zu ihm ging. „Wird es bei mir auch so sein?“ Ach nein, Herr Jesus, du hast mich von Ewigkeit her lieb gehabt, und dabei soll es bleiben. Ich danke dir dafür.
Hilfe für aufgewühlte Seelen – aber jetzt bin ich weit vorausgeeilt. Wir sollten Jeremia noch ernster nehmen. Jeremia hat das selbst gekannt, wie viele andere Frauen und Männer, die Gottes Zeugen waren, was es heißt, eine aufgewühlte Seele zu haben.
Wir haben heute Morgen beim Frühstück mit Bruder Straub besprochen, wie erschütternd das bei Jeremia ist. Jeremia 11: „Ich war wie ein argloses Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.“ Kennen Sie das? Man hat den Eindruck, alle sind gegen mich, dabei habe ich doch nichts Böses getan. Ich habe denen, die jetzt gegen mich sind, alles Gute zugetraut. „Ich war wie ein argloses Lamm.“ Wie kann da die Seele nicht aufgewühlt sein?
Hier in Jeremia 15,10: „Weh mir, meine Mutter, dass du mich geboren hast! Gegen jedermann hadert und streitet im ganzen Land. Ich habe doch weder Wucherzinsen verlangt noch jemandem geliehen, ich war kein Räuber, und doch flucht mir jedermann.“
Am erschütterndsten ist Jeremia 20: Ab Vers 10: „Sogar meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle, meine Freunde! Vielleicht wollen sie mich überlisten, um sich an mir zu rächen.“ Wenn sogar die Freunde gegen uns sind, auf die wir uns verlassen haben!
Doch dann kommt der Trost: „Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. Sie müssen zu Schanden werden.“
Man denkt: „Halleluja, lieber Gott, ich danke dir, dass du mir diese Gewissheit gibst!“ Und zwei Verse weiter: „Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren bin! Der Tag soll ungesegnet sein, an dem mich meine Mutter geboren hat! Verflucht sei der, der meinem Vater gute Botschaft brachte! Der Tag soll sein wie die Stätte, die der Herr vernichtet hat ohne Erbarmen!“
Verstehen Sie? Da ist jemand in der Gewissheit erhoben und stürzt sofort wieder ab. Da sind aufgewühlte Seelen, wie Jeremia es gesagt hat, der Prophet Gottes.
Psalm 42 und die Fortsetzung Psalm 43 fragen: „Was betrübst du dich, meine Seele?“ Immer wiederholt als Refrain: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“ Harre auf Gott, denn ich werde ihm doch danken, dass er meines Angesichts Hilfe ist, mein Gott.
Sogar Jesus hat das gekannt – der starke Held, der Erlöser, der Heiland Gottes, der Auserwählte, an dem Gottes Seele Wohlgefallen hatte: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“ Ich kann nicht mehr.
Im Buch Hiob heißt es in der Klage: „Ein Tagelöhner hat doch mal Recht darauf.“ Das heißt: Feierabend, jetzt ist genug. Wir haben in Korntach eine riesige Baustelle, wo unser Gemeindehaus gebaut wird. Die polnischen und russischen Arbeiter schaffen dort Unglaubliches. Ich war ein Jahr lang Bauhelfer und habe das hautnah erlebt.
Aber wenn der Kapo um sechs Uhr abends pfeift, dann ist Sense – Feierabend. Dann können sie die Arbeit weglegen. Sogar ein Tagelöhner hat das Recht auf Feierabend.
Lieber Gott, du hast doch auch mal Feierabend für mich mit meiner Plage!
Fragt nach den Wegen der Vorzeit! In den letzten Wochen durfte ich ein treues Gemeindeglied bestatten, das durch Jahrzehnte tiefster Schwermut gegangen war. Immer wieder wurde Trost gefunden in dem Psalm: „Täglich alle Morgen ist meine Plage da. Warum geht es den Gottlosen so gut, und bei mir ist meine Plage jeden Morgen da – die schweren Gedanken? Dennoch bleibe ich stets an dir.“
Sie haben es in einer der Bibelarbeiten in diesen Tagen gehört: „Du hältst mich bei meiner rechten Hand.“ Die rechte Hand – normalerweise, wenn es nicht Lichtsender sind – ist die Hand, mit der wir auch vieles Falsche angepackt haben, mit der wir beim Fernsehen oft den Ausknopf so schlecht gefunden haben. Die rechte Hand, die mir oft auch ausgerutscht ist, da packt mich mein Herr dennoch.
Das war Trost für diese Frau in Zeiten der Schwermut – Hilfe für eine aufgewühlte Seele. Also wollte ich sagen: Die Zeugen Gottes kennen das. Selbst die Bibel bezeugt es bis hin zu Jesus. Es darf uns nicht irritieren, wenn unsere Seelen aufgewühlt sind. Die Frage ist nur: Wie wird Hilfe?
Es gibt falsche Rezepte. Kurz ein paar Sätze zu den falschen Rezepten: Vers 14 – sogar Propheten und Priester – Vers 13 – gehen mit Lüge um und heilen den Schaden meines Volkes nur oberflächlich, indem sie sagen: „Friede, Friede!“ und ist doch kein Friede.
Die Stimmen, die besänftigen wollen, sind falsche Rezepte. Sie sagen: „Ach, mach dir doch keine Gedanken, das geht vorbei. Du bist jetzt gerade in einer schwierigen Zeit, und das Wetter hat gerade Tiefdruck, das drückt auch auf unsere Seele, und morgen wird es wieder besser, falls der Wetterdienst Recht hat.“ Also falsche Rezepte: Friede, Friede.
Nein, mein Herr klagt meine Seele an und fragt mich, ob ich wirklich gerettet bin. Und unser Herr will doch, dass es, wie es im Psalm 131,2 heißt, „Meine Seele in mir ruhig und still geworden ist wie ein Kind bei seiner Mutter.“
Jeremia 6, Vers 20: „Was frage ich nach dem Weihrauch aus Saba, nach dem köstlichen Gewürz, das aus fernen Landen kommt? Eure Brandopfer sind mir nicht wohlgefällig, eure Schlachtopfer gefallen mir nicht.“ Es gibt ein falsches Rezept der Religiosität.
Man kann sich sogar in Meditation und Gebet hineinsteigern. Ich denke oft bei manchen Großtreffen, in Stadien, wenn berichtet wird von großen Christentreffen, wie schön es ist, wenn der Becher mit dem Abendmahl herumgereicht wird, die Hunderte von Pfadfindern das Abendmahl austeilen, Halleluja, und die Chöre singen und die Band stimmt ein.
Nein, sagt der liebe Gott: So nicht! So werden eure Seelen nicht gestillt – nicht durch die Behauptung „Friede, Friede“ oder durch emotionalen Schub, durch Religiosität.
Fragt nach den Wegen der Vorzeit! Josef, von seinen Brüdern verstoßen, verkauft in die Sklaverei, in der Sklaverei ins Gefängnis geworfen, aber der Herr war mit Josef und gab ihm Erfolg in allem, was er tat. Er wurde ein glückseliger Mann, im Hebräischen „Ish Hamatzlir“, weil er für Gott war.
Fragt nicht so viel nach den äußeren Umständen, schreit nicht, der Herr hat mich verlassen. Jonathan ging zur Bergfeste und stärkte das Herz seines Freundes David in Gott. Diesen seelsorgerlichen Geschwisterdienst gibt es: Ein Bruder kam, betete mit ihm und sagte, der Herr ist auch noch da.
Später, in 1. Samuel 30, wird berichtet, wie die Stadt Ziklag, in der David mit seinen Leuten war, von Feinden überfallen wurde. Die Frauen und Kinder wurden weggeführt, die Stadt verbrannt, und die Männer haderten mit David. Sie weinten, bis sie nicht mehr weinen konnten.
Gestern haben wir gehört, wie ein Bruder in Wildbad im Bundesdienst weinte. Es gibt auch das, dass man nicht mehr weinen kann, dass die Tränenquellen versiegen.
David stärkte sein Herz in Gott. Vielleicht kommen dann gar keine wohlformulierten Gebete mehr über die Lippen, sondern nur noch „Mein Gott“. Und dann werden Sie merken, dass Zeilen aus Gesangbuchliedern tragen: „Du bist mein Gott, der in der Not mich wohl weiß zu erhalten, drum lasse ich dich walten. Mein Erbarmer, sprich mir du dies in allen Nöten zu“, wenn selbst kein Bibelwort mehr kommt.
So können Sie Ihr Herz in Gott stärken. Hoffentlich haben Sie schon in der Jugendzeit manche Gesangbuchlieder und Zeilen eingeprägt, die Gott wieder wie Saiten in Schwingung bringen können.
Der Herr hat seine Wege – Mose, Sie wissen das – seine Wege, die die Kinder Israels gingen. Wir können nach diesen Wegen der Vorzeit fragen.
Wie sieht es in unseren Tagen aus? Wege der Vorzeit – gestern, vorgestern, vor ein paar Monaten, als ich körperlich und seelisch ziemlich am Ende war. Wie viele Briefe ich bekam, gute Briefe, gute Gedanken, viel Fürbitte, die mich bis heute getragen hat.
Aber entscheidende Hilfe war, als mir ein Geschwister-Ehepaar bloß die Sätze schickte, schön geschrieben, aus dem Heidelberger Katechismus, erster Artikel: „Das ist mein einziger Trost im Leben und im Sterben, dass ich mit Leib und Seele nicht mir gehöre, sondern meinem treuen Heiland Jesus Christus, der mich mit seinem heiligen Blut so vollkommlich erlöst hat.“
Ich gehöre nicht mir, ich gehöre nicht den Ärzten, ich gehöre nicht den Ärztinnen, nicht meiner Lebenslust – ich gehöre doch ihm. Weil Wege der Vorzeit – möchte ich einfach weitergehen. Nicht bloß bei Mose und Jeremia, sondern Gott schenkt auch seinem Volk quer durch die Geschichte Erfahrungen, nach denen wir fragen können, damit unsere Seele still wird.
Einer unserer Kirchengemeinderäte in meiner ersten Gemeinde in Ulm, ein guter, exzellenter, von der Stadt geschätzter Arzt, wurde im Urlaub am ersten Urlaubstag schwer krank – Herzinfarkt – in großer Unruhe der Seele. Er hat mich kommen lassen, damit ich ihm Bibelworte sage. Er hat mir oft sogar vorgesagt, welche Bibelworte ich sagen soll: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, du bist mein.“
Aber dann sagte er: „Besorgen Sie mir doch ein Kruzifix, damit meine jagenden Gedanken sich festhalten können.“ Wenn einer dich versteht, dann der Mann am Kreuz. Wenn meine Sünden mich anklagen, das weiß ich, ich habe vieles falsch gemacht. Du hast meine Sünden getragen. Erbarme dich über mich, o Jesus! Es war ihm eine Hilfe.
Fragt nach den Wegen der Vorzeit! Das war nicht bloß ein Geheimkult. Ein Merkwürdiges ist das Leiden Jesu konzentriert. Fragt nach den Wegen der Vorzeit!
Ich bin in diesen Tagen immer wieder nach meiner eigenen Großmutter Johanna Busch gefragt worden. Ihr Sohn, der gesegnete Evangelist Johannes Busch, hat einmal nach dem Ersten Weltkrieg, als er noch jung war, gesehen, wie die Großmutter aus dem Kohlenkeller – so etwas gab es damals noch, den letzten Keller – Kohlen hinauftrug zum Tante Mariele.
„Was braucht die denn unsere Kohlen? Die kann doch zu uns in die warme Stube sitzen“, hat er geklagt. Die Mutter sagte: „Ich habe gebetet, Gott kann auch Kohlen schenken.“ Da sagte Johannes Busch, der spätere Evangelist und Jugendpfarrer: „Gott kann doch nicht wie Männer Kohlen regnen lassen. Liebe Mutter, das ist doch Idiotie, was du machst.“ Vielleicht hat er es nicht so scharf gesagt.
Und am Mittag stand ein Wägelchen voll Kohlen vor dem Haus, und die Mutter sagte: „Siehst du, deshalb bete ich. Sie rufen, will ich antworten.“ Die Großmutter konnte oft mit uns Enkeln, als wir noch ganz klein waren, beten, so bloß die eine Zeile: „Eine Mauer um uns bauen, das dem Feinde davor graut.“
Wir haben es dann erlebt, 1945, als die Amerikaner zwei Tage und Nächte lang das Dorf beschossen, in dem das Haus der Großmutter war. Wir waren im sicheren Keller geflüchtet, und die Großmutter blieb oben, ohne Angst, eine Mauer um uns bauend.
Als dann die Amerikaner kamen, Maschinenpistolen im Anschlag, wurden wir, die wir schon meinten, der Krieg sei zu Ende, wieder in den Keller geschickt. Aber die Großmutter war den Feinden mit einer Kanne dampfenden Malzkaffee entgegengegangen – gastfrei, wie sie immer war. Und da haben die plötzlich gesagt: „Ma’am, komm!“ Sie durfte bleiben.
Eine Mauer um uns bauen, dass dem Feinde nicht bloß davor graut, sondern dass man bewahrt bleibt durch den Herrn Jesus.
Aber die Großmutter konnte auch ganz nüchtern sein, wenn Streit aufkam unter uns Enkelscharen und manchmal auch bei unseren Eltern, wenn sie sich in die Haare bekamen über politische Fragen im Dritten Reich. Da konnte die Großmutter sagen: „Das ist Stimmung vor dem Essen, schnell etwas essen!“
Ich habe das früher gar nicht verstanden. Die haben gefressen, schwäbisch gesagt. Aber neulich stand es sogar in der Apostelgeschichte, dass Paulus sagt, kurz vor dem Schiffbruch: „Es sind 14 Tage, dass wir nichts gegessen haben, jetzt müssen wir zuerst mal essen.“
Also kann es auch ein geistliches Rezept sein, dass die aufgewühlten Seelen zur Ruhe kommen. Wenn der Heilige Geist einem eingibt: Jetzt brauchst du ein richtiges Südblätter, ein Stück Brot, damit du wieder normal wirst.
Ein junger Pfarrer, dessen Chef gestorben war in unserem schwäbischen Land, und die ganze Last einer großen Arbeit lag auf ihm. Er musste aus- und einziehen und Predigtvorbereitungen treffen. Da hat dieser schwäbische Gemeinschaftsmann, Stundenmann und Kirchengemeinderat gesagt: „Euss ums andere, eins ums andere. Euss ums And regeln.“ Das war ein biblischer Rat.
So war es schon Saul gesagt worden: „Tu, was dir vorhanden kommt“ (1. Samuel 10). Das kann sehr vielfältig sein. Frag nach den Wegen der Vorzeit!
Da seid ihr vom Apostel Paulus, der sagt, wir müssten was essen, über den Kirchengemeinderat: „Tu, was dir vorhanden kommt“, bis hin zu David: „Ich wollte verschweigen, verschmachtete meine Gebeine.“ Von wegen gezeigt werden, wie unsere aufgewühlte Seele zur Ruhe kommen kann.
Jesus wollte doch nicht noch mehr Druck auf uns machen: „Ihr solltet richtig mir gehören, ihr solltet ernsthafter bei mir sein.“ Nein, sein Joch ist sanft: „Kommt doch her zu mir, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“
Die Hand des Herrn ist nicht zu kurz geworden, dass sie nicht helfen könnte. Selbst dort, wo die Seelen so aufgewühlt sind, bei einem Gottesmann wie Mose, der nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll: „Lieber Gott, mach du es, ich kann nicht mehr!“
Doch bleib mal dabei! Gott hat einen Plan, mit seiner Hand einzugreifen. So dürfen wir ganz neu forschen in der Bibel mit ihren Berichten. Zwei Drittel der Bibel sind Berichte, nicht bloß Aussagen, Dogmen oder Gedanken.
Fragt nach den Wegen, die Gott gegangen ist. Fragt nach den Wegen! Und geht darin. Sie sind Ratschläge für euch, diese Vorgänge. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Lieber Heiland Jesus Christus, danke, dass du schon so oft in unser Leben eingegriffen hast. Danke für all diese Vorgänge, an denen wir nicht auslernen können, wie du Menschen, kleine Menschen, in der Unruhe ihrer Seele siehst und wie du dann sagen kannst: „Fürchte dich nicht!“
Wie du nicht bloß das aufgewühlte Meer im See Genezareth stillen kannst, sondern auch unsere aufgewühlten Seelen.
Ach Herr, gib unseren aufgewühlten Seelen das Heil, das du für sie bereitet hast. Amen.
Jakobs Weg und Gottes Eingreifen
Jakob versuchte, seinen eigenen Weg zu finden. Nachdem er das Erbe seines Vaters an sich gebracht hatte und auch den Segen erhalten hatte, dachte er: „Aha, ich kann mich durchschlagen.“ Er war überzeugt, dass er auch mit seinem Schwiegervater und dessen Tricks fertigwerden würde.
Am Ende versuchte er, eine gute Taktik anzuwenden, um seinen zornigen Bruder Esau zu besänftigen. Er schickte eine Herde nach der anderen voraus – Kamele, Esel, Schafe – und sagte: „Die gehören dir.“ Damit hoffte er, seinen Bruder Esau umzustimmen.
Plötzlich wurde ihm klar, dass es nicht nur darum geht, das Leben zu meistern oder mit zornigen Menschen fertigzuwerden. Es geht auch darum, Familienzwist zu überwinden und vor Gott zu bestehen. Wenn Gott ihm durch seinen Engel begegnet, gibt es nur noch eine Bitte: „Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“
Es heißt: „Fragt nach den Wegen der Vorzeit, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ So dürfen auch wir, wenn unsere Seele angefochten ist, schreien: „Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ – auch in den dunklen Stunden der Nacht.
Psalm 32 als Trostquelle
Sie dürfen sich an Psalm 32 halten.
„Wohl dem“, sagt König David, „jetzt müsste es doch eigentlich weitergehen, dem, den der Herr sein Reich schützt, dem er sein Reich ausbreitet, dessen Armeen er Sieg gibt. Nein, wohl dem, dem die Sünde bedeckt ist, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet, in dessen Geist kein Falsch ist. Wohl dem, gesegnet er.“
Denn da ich es verschweigen wollte, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Heulen, denn deine Hand lag schwer auf mir. Da bekannte ich dir meine Sünde, da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Es ist nach wie vor das Zentrale für unsere aufgewühlten Seelen: Herr, vergib, wenn uns das in Träumen aufgedeckt wird. Ich war ja viel in Synoden von Württemberg und der EKD unterwegs und habe mich in den Streit, in den kirchenpolitischen Streit hineingewagt.
Wenn meine Frau mich fragt: „Was hast du so schlecht geträumt heute Nacht?“ Dann sage ich: „Ich war wieder auf der EKD-Synode.“ Da fällt einem auch auf: Habe ich zu hart geantwortet? Habe ich die Sache der Evangelikalen zu schroff dargestellt, zu unerbittlich, zu unduldsam?
Da kann man nur sagen: Herr, vergib mir, ich kann es nicht mehr bereinigen. Decke du deine Hand darüber, auch über das, was ich total falsch gemacht haben sollte, das ich noch nicht einmal weiß.
Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Erwählung und Gottes Plan
Und wie ist das mit der Erwählung, wenn wir Angst haben, ob wir überhaupt erwählt sind? Viele sind berufen, wenige sind auserwählt. Nebenbei hat der Herr Jesus denen, die meinten, sie seien dabei, das Gleichnis erzählt, dass viele zur königlichen Hochzeit eingeladen waren. Am Schluss aber haben die meisten gesagt: „Jetzt habe ich keine Zeit, später mal.“
Wir Älteren wissen, wie das ist mit „später einmal“ und wie schwer es fällt, besonders im Alter. Wie schwer es sogar schon ist, konzentriert zu beten und zuzuhören. Und da sagt Jesus nochmals: „Viele sind berufen, wenige sind auserwählt.“
Dem Menschen, der mich danach gefragt hat – „Wie ist denn das? Bin ich denn erwählt von Ewigkeit her, wie es im Epheserbrief steht?“ – habe ich gesagt: Im Epheserbrief steht, Epheser 1, gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, denn in ihm sind wir erwählt von Ewigkeit her. Bevor die Welt geschaffen wurde, hat Gott einen Heiland bereitgestellt, den Heiland, der dich gerufen hat, dem du so viel dankst.
Du bist doch schon im Plan Gottes drin seit Ewigkeit. Das weißt du, seit der Heiland dir begegnet ist. Den hat Gott von Ewigkeit her bereitgestellt. Es ist keine Augenblicksentscheidung Gottes.
Auch daran erinnert das, was im Johannesevangelium steht. Von einem gewissen Nathanael wird berichtet, der durch Philippus zu Jesus gebracht wurde. Jesus sagte: „Schön, er ist ein richtiger Israelit, an dem kein Falsch ist.“ Da sagte Nathanael: „Entschuldigung, Herr Jesus, Sie kennen mich doch gar nicht, wie kommen Sie jetzt darauf?“ Jesus antwortete: „Ehe dich Philippus rief, da unter dem Feigenbaum, habe ich dich gut aus der Ferne gesehen und gekannt.“
Schon ehe der Herr Jesus die heilige Stunde eingeläutet hat, in der er uns berufen hat, hat er uns gekannt – von Ewigkeit her. Das dürfen Sie als Gewissheit nehmen. Es war nicht bloß eine Augenblicksentscheidung oder eine plötzliche Emotion, dass ich Jesus lieb hatte.
Jeremia und die Erfahrung aufgescheuchter Seelen
Wir haben gestern Abend gehört, wie es ist, wenn ein Mensch Jesus gehört und dann plötzlich auf Distanz zu ihm geht. Wird es bei mir auch so sein? Ach nein, Herr Jesus, du hast mich von Ewigkeit her lieb gehabt, und dabei soll es bleiben. Ich danke dir dafür.
Hilfe für aufgescheuchte Seelen
Aber jetzt bin ich weit vorausgeeilt. Wir sollten den Jeremia noch ernster nehmen. Jeremia hat das selbst gekannt, ebenso viele andere Frauen und Männer, die Gotteszeugen waren. Was ist das mit der aufgescheuchten Seele?
Wir haben es heute Morgen beim Frühstück mit Bruder Straub besprechen können, dass das bei Jeremia erschütternd ist. Jeremia 11 sagt: „Ich war wie ein argloses Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.“ Kennen Sie das? Dass man den Eindruck hat, alle sind gegen mich, obwohl ich doch gar nichts Böses getan habe? Ich habe denen, die jetzt gegen mich sind, alles Gute zugetraut. Ich war wie ein argloses Lamm. Wie kann da die Seele nicht aufgescheucht sein?
Hier in Jeremia 15,10 steht: „Weh mir, meine Mutter, dass du mich geboren hast! Gegen jedermann hadert und streitet im ganzen Land.“ Ich habe doch weder auf Wucherzinsen verliehen, noch hat mir jemand geliehen. Ich war kein Wucherer, und doch flucht mir jedermann – wem, wenn nicht meiner Mutter?
Am erschütterndsten ist Jeremia 20. Ab Vers 10 heißt es: „Meine Feinde sagen: Sogar meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle, meine Freunde! Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.“ Wenn sogar die Freunde gegen uns sind, auf die wir uns verlassen haben, wie schwer ist das!
Und dann kommt der Hoffnungsruf: „Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held. Darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. Sie müssen zu Schanden werden.“ Jetzt denkt man: Kommt das Halleluja! Lieber Gott, ich danke dir, dass du mir diese Gewissheit gibst.
Doch zwei Verse weiter heißt es wieder: „Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren bin! Der Tag soll ungesegnet sein, an dem mich meine Mutter geboren hat. Verflucht sei der, der meinem Vater gute Botschaft brachte, und verflucht sei der Tag, der wie eine Ödnis ist, die der Herr ohne Erbarmen vernichtet hat.“
Verstehen Sie? Da ist einer, der in Gewissheit erhoben wird und sofort wieder abstürzt. Da sind aufgescheuchte Seelen – der Jeremia hat es gesagt, der Prophet Gottes.
Psalm 42 und 43: Die Seele in Unruhe
Psalm 42, anschließend Psalm 43
Was betrübst du dich, meine Seele?
Diese Frage wird immer wiederholt als Refrain:
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott!
Denn ich werde ihm doch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe ist,
mein Gott.
Sogar Jesus hat das gekannt,
der starke Held, der Erlöser, der Heiland Gottes,
der Auserwählte, an dem Gottes Seele Wohlgefallen hatte.
Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.
Ich kann nicht mehr.
Im Buch Hiob heißt es in der Klage:
„Ein Tagelöhner hat doch mal Recht darauf.“
Das bedeutet: Feierabend, jetzt ist genug.
Wir haben in Korntach eine große Baustelle,
wo unser Gemeindehaus gebaut wird.
Dort arbeiten polnische und russische Arbeiter.
So etwas habe ich noch nie erlebt,
und ich war ein Jahr lang Bauhelfer – unheimlich.
Aber wenn der Kapo um sechs Uhr abends pfeift,
dann ist Schluss, gell?
Dann ist Feierabend.
Dann können sie die Arbeit weglegen.
Sogar ein Tagelöhner hat das Recht darauf,
dass Feierabend ist.
Lieber Gott,
du hast doch auch mal Feierabend für mich mit meiner Plage!
Trost in der Schwermut und Gottes Nähe
Frag nach den Wegen der Vorzeit.
In den letzten Wochen durfte ich ein treues Gemeindeglied bestatten, das durch Jahrzehnte tiefster Schwermut gegangen war. In dieser Zeit gab es immer wieder Trost. „Täglich, alle Morgen ist meine Plage da.“ Warum geht es den Gottlosen so gut? Bei mir aber ist meine Plage jeden Morgen da – die schweren Gedanken. Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.
Die rechte Hand ist normalerweise, wenn es nicht Lichtsender sind, die Hand, mit der wir auch vieles Falsche angepackt haben. Es ist die Hand, mit der wir beim Fernseher oft den Ausknopf so schlecht gefunden haben. Die rechte Hand, die mir oft auch ausgerutscht ist, da packt mich mein Herr dennoch.
Das war Trost für diese Frau in Zeiten der Schwermut, Hilfe für eine aufgescheuchte Seele.
Also wollte ich sagen: Die Zeugen Gottes kennen das. Selbst die Bibel bezeugt es bis hin zu Jesus. Es darf uns nicht irritieren, wenn unsere Seelen aufgescheucht sind. Die Frage ist bloß: Wie wird Hilfe?
Warnung vor falschen Rezepten
Es gibt falsche Rezepte. Kurz ein paar Sätze zu diesen falschen Rezepten.
In Vers 14 heißt es, dass sogar Propheten und Priester in Vers 13 mit Lüge umgehen. Sie heilen den Schaden meines Volkes nur oberflächlich, indem sie sagen: „Friede, Friede“, obwohl doch kein Friede ist.
Die Stimmen, die besänftigen wollen, sind falsche Rezepte. Sie sagen: „Ach, mach dir doch keine Gedanken, das geht vorbei. Du bist gerade in einer schwierigen Zeit, und das Wetter hat gerade so Tiefdruck. Das drückt auch auf unsere Seele, und morgen wird es wieder besser, falls der Wetterdienst Recht hat.“ Das sind falsche Rezepte, die nur „Friede, Friede“ behaupten. Doch mein Herr klagt meine Seele an und fragt mich, ob ich wirklich gerettet bin.
Unser Herr will doch, dass es so ist, wie es im Psalm 131,2 heißt: „Meine Seele in mir ist ruhig und still geworden wie ein Kind bei seiner Mutter.“
In Jeremia 6,20 steht: „Was frage ich nach dem Weihrauch aus Saba, nach dem köstlichen Gewürz, das aus fernen Land kommt? Eure Brandopfer sind mir nicht wohlgefällig, eure Schlachtopfer gefallen mir nicht.“ Hier wird ein falsches Rezept der Religiosität beschrieben.
Man kann sich sogar in Meditation und Gebet hineinsteigern. Das denke ich oft bei manchen Großveranstaltungen. In Stadien, wenn von großen Christentreffen berichtet wird, wie schön es ist, wenn der Becher mit dem Abendmahl herumgereicht wird, Hunderte von Pfadfindern das Abendmahl austeilen, die Chöre singen und die Band spielt.
Doch nein, sagt der liebe Gott: So nicht! So werden eure Seelen nicht gestillt. Nicht durch die Behauptung „Friede, Friede“ oder durch einen emotionalen Schub, durch Religiosität.
Josef und David als Beispiele für Gottes Treue
Fragt nach den Wegen der Vorzeit. Josef, von seinen Brüdern verstoßen, wurde in die Sklaverei verkauft. In der Sklaverei wurde er ins Gefängnis geworfen. Doch der Herr war mit Josef und schenkte ihm Erfolg bei allem, was er tat. Er wurde ein glückseliger Mann, im Hebräischen „Ish Hamatzlir“. Das bedeutet, dass er vor Gott stand, ohne zu sehr auf die äußeren Umstände zu achten oder zu schreien, der Herr habe ihn verlassen.
Jonathan ging zur Bergfeste und stärkte das Herz seines Freundes David in Gott. Dies ist ein Beispiel für seelsorgerlichen Geschwisterdienst: Jemand kommt, betet mit dem anderen und sagt, dass der Herr noch da ist. Später, in 1. Samuel 30, wird berichtet, wie die Stadt Ziklag, in der David mit seinen Leuten war, von Feinden überfallen wurde. Die Frauen und Kinder wurden weggeführt, die Stadt verbrannt, und die Männer hatten Streit mit David. Sie weinten, bis sie nicht mehr weinen konnten.
Gestern hörten wir, wie ein Bruder im Bundesdienst in Wildbad geweint hat. Es gibt Zeiten, in denen man nicht mehr weinen kann, wenn die Tränenquellen versiegen. David stärkte sein Herz in Gott. Vielleicht kommen dann keine wohlformulierten Gebete mehr über die Lippen, sondern nur noch „Mein Gott“.
Dann werden Sie merken, dass Zeilen aus Gesangbuchliedern wie „Du bist mein Gott, der in der Not mich wohl weiß zu erhalten, drum lasse ich dich nur walten“ oder „Mein Erbarmer, sprich mir du dies in allen Nöten zu“, auch wenn kein Bibelwort mehr einfällt, das Herz in Gott stärken können. Hoffentlich haben Sie schon in der Jugendzeit viele Gesangbuchlieder und Zeilen eingeprägt, die Gott wieder wie Saiten in Schwingung bringen können.
Der Herr hat seine Wege. Mose, Sie wissen es: Die Wege, die die Kinder Israels gehen, sind bekannt. Und wir können nach diesen Wegen der Vorzeit fragen.
Persönliche Erfahrungen und Ermutigungen
Wie sieht es in unseren Tagen aus? Wege der Vorzeit – gestern, vorgestern, vor ein paar Monaten, als ich körperlich und seelisch ziemlich am Ende war. Wie viele Briefe habe ich bekommen, gute Briefe, gute Gedanken, viel Fürbitte. All das hat mich bis heute getragen.
Aber entscheidende Hilfe war, als mir ein Geschwister-Ehepaar bloß die Sätze schickte, schön geschrieben, aus dem Heidelberger Katechismus, erster Artikel: „Das ist mein einziger Trost im Leben und im Sterben, dass ich mit Leib und Seele nicht mir selbst gehöre, sondern meinem treuen Heiland Jesus Christus, der mich mit seinem heiligen Blut so vollkommlich erlöst hat.“
Ich gehöre nicht mir, ich gehöre nicht den Ärzten, ich gehöre nicht den Arztleihen, nicht meiner Lebenslust – ich gehöre doch ihm. Weil ich die Wege der Vorzeit weitergehen möchte, nicht nur bei Mose und Jeremias. Gott schenkt auch seinem Volk quer durch die Geschichte Erfahrungen, nach denen wir fragen können, damit unsere Seele still wird.
Einer unserer Kirchengemeinderäte in meiner ersten Gemeinde in Ulm, ein guter, exzellenter, von der Stadt geschätzter Arzt, ist im Urlaub am ersten Urlaubstag schwer krank geworden – Herzinfarkt. Er war in großer Unruhe der Seele. Und er hat mich kommen lassen, damit ich ihm Bibelworte sage. Oft hat er mir sogar die Bibelworte vorgesagt, die ich sagen soll: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, du bist mein.“
Aber dann hat er gesagt: „Besorgen Sie mir doch ein Kruzifix, damit meine jagenden Gedanken sich festhalten können.“ Wenn einer dich versteht, dann der Mann am Kreuz. Wenn meine Sünden mich anklagen und ich weiß, ich habe vieles falsch gemacht, dann hast du meine Sünden getragen. „Erbarme dich über mich, o Jesus.“ Es war ihm eine große Hilfe.
Fragt nach den Wegen der Vorzeit – das war nicht einfach bloß ein Geheimkult. Was Merkwürdiges, das Leiden Jesu konzentriert. Fragt nach den Wegen der Vorzeit.
Die Geschichte der Großmutter als Zeugnis des Glaubens
Ich bin in diesen Tagen immer wieder nach meiner Großmutter Johanna Busch gefragt worden. Ihr Sohn, der gesegnete Evangelist Johannes Busch, hat einmal nach dem Ersten Weltkrieg, als er noch ein junger Busch war, beobachtet, wie die Großmutter aus dem Kohlenkeller – so etwas gab es damals noch – den letzten Kellerkohlen hinaufgetragen hat, und zwar zu Tante Mariele.
„Was braucht die denn unsere Kohlen? Die kann doch zu uns in die warme Stube sitzen“, hat er geklagt. Die Mutter antwortete: „Ich habe gebetet, Gott kann auch Kohlen schenken.“ Darauf sagte Johannes Busch, der spätere Evangelist und Jugendpfarrer: „Gott kann doch nicht wie Männer Kohlen regnen lassen. Liebe Mutter, das ist doch Idiotie, was du machst.“ Vielleicht hat er es nicht ganz so scharf gesagt.
Am Mittag stand ein Wägelchen voll mit Kohlen vor dem Haus, und die Mutter sagte: „Siehst du, deshalb bete ich. Sie rufen, will ich antworten.“ Die Großmutter konnte oft mit uns Enkeln, als wir noch ganz klein waren, beten, so bloß die eine Zeile: „Eine Mauer um uns bauen, dass dem Feinde davor grau.“
Wir haben es dann 1945 erlebt, als die Amerikaner zwei Tage lang, Nächte lang, das Dorf beschossen hatten, in dem das Haus der Großmutter stand. Wir waren in den sicheren Keller geflüchtet, und die Großmutter blieb oben, ohne Angst, mit dem Gebet: „Eine Mauer um uns bauen.“
Als dann die Amerikaner kamen, Maschinenpistolen im Anschlag, wurden wir, die wir schon meinten, der Krieg sei zu Ende, wieder in den Keller geschickt. Aber die Großmutter ging den Feinden mit einer Kanne dampfenden Malzkaffee entgegen. Gastfrei, wie sie immer war. Da sagten die plötzlich: „Ma'am, komm!“ Sie durfte bleiben.
„Eine Mauer um uns bauen“, das heißt nicht nur, dass dem Feinde davor graut, sondern dass man bewahrt bleibt durch den Herrn Jesus.
Aber die Großmutter konnte auch ganz nüchtern sein, wenn Streit aufkam unter uns Enkeln und manchmal auch bei unseren Eltern, wenn sie sich über politische Fragen im Dritten Reich stritten. Dann konnte die Großmutter sagen: „Das ist Stimmung vor dem Essen, schnell etwas essen!“
Ich habe das früher gar nie verstanden. Die haben „gesperrt“, schwäbisch gesagt. Aber neulich stand es sogar in der Apostelgeschichte, dass Paulus sagt, kurz vor dem Schiffbruch, es seien 14 Tage vergangen, in denen sie nichts gegessen hätten, und jetzt müssten sie zuerst mal essen (Apostelgeschichte 27,33-34).
Also kann es auch ein geistliches Rezept sein, um aufgescheuchte Seelen zur Ruhe zu bringen. Wenn der Heilige Geist einem eingibt: Jetzt brauchst du ein richtiges Südblättern, ein Stück Brot, damit du wieder normal wirst.
Praktische Ratschläge für den Alltag
Ein junger Pfarrer, dessen Chef in unserem schwäbischen Land gestorben war, trug die ganze Last einer großen Aufgabe. Er musste ständig aus- und eingehen und Predigten vorbereiten. In dieser Situation sagte ein schwäbischer Gemeinschaftsmann, Stundenmann und Kirchengemeinderat immer wieder: „Euss ums andere, eins ums andere. Euss ums And regeln.“ Das war ein biblischer Rat.
So wurde es bereits Saul gesagt: „Tu, was dir vorhanden kommt“ (1. Samuel 10). Das kann sehr vielfältig sein. Man kann nach den Wegen der Vorzeit fragen, wie es auch der Apostel Paulus tat, der sagte, wir müssten etwas essen. Über den Kirchengemeinderat heißt es: „Tu, was dir vorhanden kommt.“ Bis hin zu David, der bekannte: „Ich wollte verschweigen, doch meine Seele verschmachtet.“ So zeigte er, wie unsere aufgescheuchte Seele zur Ruhe kommen kann.
Jesus wollte doch nicht noch mehr Druck auf uns ausüben. „Ihr sollt richtig mir gehören, ihr solltet ernsthafter bei mir sein“, sagte er nicht, sondern: „Mein Joch ist sanft. Kommt doch her zu mir, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Die Hand des Herrn ist nicht zu kurz geworden, dass sie nicht helfen könnte.
Selbst dort, wo die Seelen so aufgescheucht sind, wie bei einem Gottesmann wie Mose, der nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll, rief er: „Lieber Gott, mach du es, ich kann nicht mehr.“ Doch es heißt: Bleib mal dabei. Gott hat einen Plan, mit seiner Hand einzugreifen. Und so dürfen wir ganz neu auch forschen.
Die Bibel als Quelle der Ruhe und Zuversicht
In der Bibel bestehen zwei Drittel aus Berichten. Es geht nicht einfach nur darum, Dogmen oder Gedanken zu äußern. Vielmehr berichten diese Texte von dem Weg, den Gott gegangen ist.
Wenn ihr nach diesen Wegen fragt und ihnen folgt, sind die darin enthaltenen Ratschläge auch für euch bestimmt. So werdet ihr Ruhe für eure Seelen finden.
Lieber Heiland Jesus Christus, danke, dass du schon so oft in unser Leben eingegriffen hast. Danke auch für all diese Vorgänge, an denen wir nicht auslernen können. Du zeigst uns, wie du Menschen siehst – kleine Menschen in der Unruhe ihrer Seele.
Du kannst dann sagen: Fürchte dich nicht. Du hast nicht nur das aufgewühlte Meer im See Genezareth stillen können, sondern auch unsere aufgescheuchten Seelen.
Ach Herr, gib unseren aufgescheuchten Seelen das Heil, das du für sie bereitet hast. Amen.