Einführung in die Jahreslosung und ihre Bedeutung
Wir predigen heute über die Jahreslosung. Sie steht im Timotheusbrief, in den Bibeln, die auf den Plätzen liegen, auf Seite 219, im ersten Timotheusbrief, Kapitel 2, Vers 4.
Die Jahreslosung ist auch im Hinblick auf das missionarische Jahr gewählt worden: Gott will, dass allen Menschen geholfen wird. Es wird mit Recht auch anders übersetzt: Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. Das griechische Wort bedeutet nämlich noch viel mehr als nur Hilfe; es steht für das Retten durch Gott.
Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Dieses Wort soll für dieses Jahr ganz wichtig für uns sein! Amen!
Dann möchte ich Sie alle hinausversetzen auf eine von Winterstürmen aufgewühlte See, draußen auf der Nordsee. Dort tobt einer dieser wilden Stürme, und die Schiffe kämpfen gegen die hohen Wellen, die über ihnen zusammenbrechen.
Man hört am Funkgerät, dass bereits einige Schiffe in Seenot geraten sind. Der Kapitän steht mit seinen Offizieren auf der Kommandobrücke und schaut besorgt hinaus. Er prüft, ob der Kurs noch stimmt und ob der Frachter noch richtig in der Linie liegt.
Plötzlich sieht man von der Brücke aus Lichter durch die Wolkenfetzen und den Regen leuchten. Es sind die Positionslampen, die Eingangslichter des Hafens.
Das Leuchtfeuer Gottes als Orientierung in der Dunkelheit
Was bedeutet das für eine Mannschaft, die plötzlich mitten in einem Wintersturm, im Regen und auf aufgewühlten Wellen den Hafen sieht und die Rettungslichter dort leuchten?
Jetzt ist der Weg gewiesen. Man kann in den Hafen fahren, denn es ist klar, wohin die Reise geht. Man atmet erleichtert auf: Das hätten wir doch wieder geschafft. Man kann Kurs nehmen und hat mit eigenen Augen bestätigt bekommen, wohin es geht.
Mir kommt es so vor, als ob diese Jahreslosung uns solche Lichter in der dunklen Nacht gibt. Deshalb möchte ich meine Predigt überschreiben mit: Leuchtfeuer Gottes in einer dunklen Nacht.
Ich habe dazu nur zwei Teile, die ich ableiten möchte. Der erste lautet: Gott will retten.
Die Bedeutung der Hafenlichter für den Glauben
Ich bin und bleibe eine Landratte, aber ich interessiere mich immer wieder für Häfen. Wenn ich an einer Hafenbesichtigung teilgenommen habe, hat mich das stets begeistert – die Größe solcher Häfen, ob man nun in Rotterdam oder in Hamburg die großen Hafenanlagen besichtigt.
Ich habe die genauen Zahlen nicht mehr im Kopf, wie viele Tausend Kräne dort aufgebaut sind und wie groß die Schuppen und gesamten Lagereinrichtungen sind. Auch die vielen Kilometer Eisenbahnlinien, die zu solch einem großen Hafen gehören, beeindrucken mich.
Wenn man all das mit den Markierungsleuchten vergleicht, die am Eingang des Hafens stehen, muss man sagen: Die Lichter sind eigentlich die kleinsten Einrichtungen im Hafen. Diese großen Scheinwerfer, die hinausleuchten in die Nacht, wirken sehr, sehr klein im Vergleich zu den großen Schuppen, den Hafenanlagen und den Kränen, die dort stehen.
Doch diese Lichter sind die Voraussetzung dafür, dass all die Kräne überhaupt benutzt werden können, dass die Schuppen gefüllt werden und die Eisenbahnwaggons geladen werden können.
Ich frage mich immer wieder, ob wir das nicht auch versäumen, wenn wir unseren Zeitgenossen gegenüber über unseren Glauben reden. Was nützt es, wenn wir den modernen Menschen viel über den christlichen Glauben erklären, über Gerechtigkeit und Liebe, über den Dienst an der neuen Welt und die Verantwortung, die man für die Welt trägt? Das sind alles wichtige Dinge. Aber wenn wir ihnen nicht sagen, wie sie überhaupt in den Hafen kommen, wo sie diese großen Güter erst beladen können, fehlt etwas Wesentliches.
Denn die Menschen von heute müssen zuerst das Licht sehen, damit sie wissen: Dort ist der Weg, dort geht der Kurs lang, dort ist die Richtung zum Hafen gewiesen.
Das ist mir jetzt am Anfang eines missionarischen Jahres wichtig: Durch die Jahreslosung sollen wir erkennen, dass wir den Menschen den Weg weisen müssen. Damit sie überhaupt erst dorthin gelangen, wo sie all die Gaben und Güter finden, die ihr Leben reich machen.
In unseren Tagen fehlt es so sehr an diesen Positionslichtern, die in die Nacht hineinleuchten, damit Menschen, die ohne Ziel und Kurs auf sturmbewegter See kreuzen, wieder wissen: Dort ist der Kurs, dort ist der Weg.
Für mich ist das erste Licht, das leuchtet: Gott will, dass allen Menschen geholfen wird. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. Das ist der Wille Gottes. Die vielen Menschen, die ohne Sinn und Ziel leben, sollen klar erkennen können, wohin ihr Leben führt.
Die Verantwortung im missionarischen Dienst
Wenn wir uns immer wieder für diesen evangelistischen Dienst senden lassen, ist uns oft nicht bewusst, dass es dabei nicht in erster Linie um Mitgliederwerbung für die Kirchen geht. Das mag zwar nebenbei geschehen, aber das Erste und Wichtigste ist: Gott will es. Er will den Menschen draußen, denen wir in den nächsten Tagen begegnen, helfend begegnen. Gott will sie retten!
Ihr Leben verläuft oft in einem Zickzack-Kurs, ohne einen rettenden Hafen, ohne Zielbestimmung – ja, ohne Sinn. Gott will es! Wenn Sie den Mund aufmachen oder einen Besuch unternehmen, müssen Sie wissen, dass dies unter einer ausdrücklichen Bestätigung Gottes steht. Das ist keine Erfindung einiger weniger Christen, die das als eine Marotte im Kopf haben, sondern es steht unter dem Ja Gottes: Gott will es.
Grundsätzlich wird jeder Mensch von Gottes Liebe gesucht. Gott will, dass Menschen mitten in der Nacht das Licht leuchten sehen und erkennen: Das ist der Weg, den ich gehen soll. Dort ist der rettende Hafen, dort wird mir der Weg gewiesen. Und darüber muss ich sprechen – über das Licht, das alle sehen können.
Man fragt sich: Warum sind es dann eigentlich nur so wenige? Warum sind es heute Morgen nur einige, wenn doch Gott alle retten will? Einige Bibelausleger haben gemeint, dieses „alle“ müsse anders verstanden werden. Sie sagen, es sei natürlich mit der Einschränkung gemeint, dass mit dem Wort „alle“ nur alle Auserwählten gemeint seien. Ich kann hier offen sagen, dass ich von solchen spitzfindlichen Bibelauslegungen nicht viel halte. Ich glaube, das Wort Gottes ist klar und verständlich: Gott will, dass allen Menschen geholfen werde.
Warum kommen dann nicht alle Menschen zum Glauben? Man kann es nicht anders erklären als mit dem Bild vom Leuchtturm: Wenn dort am Leuchtturm das Licht aufleuchtet und den Weg in den Hafen weist, dann ist dieses Licht nicht nur das Licht, das heimführt – dorthin an die ruhigen Ankerplätze –, sondern gleichzeitig ein Licht, das darauf aufmerksam macht, dass man, wenn man die Hafeneinfahrt verpasst, auf Klippen auflaufen kann.
Das macht mir das missionarische Jahr so unheimlich. Für mich ist die Verantwortung so groß und so klar: Dieses Licht leuchtet in die Nacht hinein. So gefährlich wird es für viele Menschen werden. Sie werden sich gerade am Licht ihren Tod holen. Was dem einen zur Rettung dient, dient dem anderen zum Untergang.
Evangelisationsdienst ist nicht nur ein Dienst, der Menschen hereinholt, sondern auch ein Dienst, der Menschen dazu bringt, sich an den Klippen ihren Schiffsuntergang zu holen und zu stranden. Derselbe Lichtschein, der zum Leben dient, kann auch zum Verhängnis werden.
Nun muss ich näher erklären, wie diese Rettungsaktion Gottes geschieht. Warum können Menschen dort zum Verhängnis kommen? Es wird wahrscheinlich, wenn ich Recht sehe, in dieser Jahreslosung oft nicht ausgelegt, was dort steht: Gott will, dass alle Menschen gerettet werden.
Wie rettet er die Menschen? Doch nicht wie Feuerwehrleute, die jemanden einfach packen und wegtragen. Die sind so stark, da verzichtet Gott auf die Anwendung jeder Gewalt. Gott will Menschen retten, indem er sie zur Erkenntnis der Wahrheit führt.
Mir ist es in der Freude über die heutige Predigt zur Jahreslosung ganz wichtig geworden, dass im Mittelpunkt dieser Jahreslosung die Erkenntnis der Wahrheit steht. Wie wir evangelisieren, ist wichtig. Wir sollen den Menschen die Wahrheit bringen.
Es ist ein Kennzeichen unserer Zeit und unseres Jahrhunderts, eingeleitet schon seit der Zeit der Aufklärung, dass wir kein Verhältnis mehr zur Wahrheit bekommen. Die Frage „Was ist denn Wahrheit?“ ist eine Frage, die durch die Jahrtausende geht, aber in unserer neuen Geistesgeschichte ganz neu lebendig wurde.
Gibt es überhaupt noch Wahrheit? Wer hat denn Wahrheit? Keiner hat Wahrheit. Jeder hat nur ein Stück Wahrheit. Ist es nicht so im Pluralismus, dass erst die vielen Gruppen zusammen die Wahrheit ergeben? Jeder für sich hat einen kleinen Ausschnitt, ein Tortenstück aus dem großen Kuchen der Wahrheit – so ist doch das Verständnis.
Und einer mag fragen: Fühlst du dich denn so sicher, dass du ausgerechnet meinst, du hättest die Wahrheit allein und die anderen hätten sie nicht? Gehen wir noch einmal zurück: Woher kommt diese Wahrheitskrise in unseren Tagen?
Man sagt, man könne nicht mehr so wie früher, einst im griechischen Denken, die Wahrheit mit den Gedanken erfassen. Man sagt das in der philosophischen Fachsprache „ontisch“, als wenn die Wahrheit gleichsam wie ein Block da liegen würde, den man nur mit seinen Gedanken aufspüren müsse. Wenn man ihn einmal ausgegraben hat, könne man ihn den Kindern lehren, dann könne man ihn in Büchern beschreiben – diesen Block der Wahrheit.
Das haben Christen noch nie gemeint, dass die Wahrheit so wie eine mathematische Formel da liegen würde. Aber es ist gerade bei uns Christen häufig vergessen worden, dass Jesus Christus sich selbst als die Wahrheit bezeichnet hat.
Im Johannesevangelium wird über fünfzig Mal von der Wahrheit gesprochen, im Neuen Testament über zweihundertfünfzig Mal, in dieser ganz wichtigen Bedeutung, dass Gott Menschen durch die Erkenntnis der Wahrheit rettet.
Wenn man dann fragt, warum heute so wenig Menschen zum Glauben kommen, dann muss man sagen: Weil kein Bezug zur Wahrheit mehr möglich ist. Weil der moderne Mensch das Wissen um Wahrheit verloren hat.
Noch der große Erweckungsprediger Charles Haddon Spurgeon an der Wende dieses Jahrhunderts hat gesagt, dass die großen Erweckungen, die großen Aufbrüche des Glaubens immer zusammenfielen mit klarer evangelischer Unterweisung in den Kardinalfragen der Wahrheit.
Geht das in unseren Tagen überhaupt noch, wo wir gar keinen Mut mehr haben, die Wahrheit so auszusprechen oder zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen? Dann ist uns der Zugang zum Glauben verbaut.
Schon im Alten Testament, im Psalm, heißt es in der Bitte: „Sende dein Licht und deine Wahrheit!“ Auch wenn wir die Wahrheit nie wie eine mathematische Formel in Lehrbüchern dozieren können, wissen wir, dass Gott Menschen zur ganzen Wahrheit führt. Es ist nicht wahr, als ob dies nur ein Tortenstück wäre, als ob dies nur ein Ausschnitt der Wahrheit wäre, den jeder erkennen würde, und der nur in der Vielfalt mit vielen anderen zusammen die Wahrheit ergeben würde.
„Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten zu deiner Wohnung!“ Diese Wahrheit ist immer ein Enthüllen, ein Offenbarwerden.
Darum hat Jesus vor Pilatus sagen können: „Ich bin dazu gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll.“ Wenn Jesus, der Zeuge der Wahrheit, zu uns durch sein Wort spricht, dann erkennen wir auf einmal Wahrheit.
Diese Wahrheit schließt das Fürwahrhalten natürlich mit ein, ist aber doch viel mehr. Es ist ein ganz neues Lebensverständnis.
Große Not in unseren Tagen ist, dass man das Fürwahrhalten immer wieder abwertet. Es gibt keinen Glauben ohne Fürwahrhalten. Das Fürwahrhalten allein ist ganz bestimmt noch kein christlicher Glaube, aber es gehört dazu.
Was soll ich denn glauben können, wenn ich es nicht für wahr halte? Wer von Ihnen Latein kann, weiß, dass das Wort „putare“ das Fürwahrhalten bedeutet, aber das Wort „credere“ die persönliche Glaubensbeziehung mit einschließt.
Es ist für jeden Lateiner klar gewesen, dass das Wort „credere“ das Wort „putare“ mit einschließt. Das persönliche Glauben schließt das Fürwahrhalten mit ein, und es gibt keinen Glaubensbezug mehr, kein „credere“ ohne „putare“, ohne Fürwahrhalten.
Lassen Sie mich es viel einfacher sagen: Wenn das alles nicht verlässlich ist, was mir Gottes Wort sagt, kann ich auch nicht existenziell glauben.
Darum ist die große Krise des missionarischen Jahres, die große Krise der Mission und die Krise der Evangelisation auch in unserer Christenheit heute eine Anfrage, wie wir selbst zur Wahrheit stehen, die uns Jesus Christus zeigen will.
Er hat vom Geist der Wahrheit gesprochen, der uns in alle Wahrheit leiten will. Das kann man nicht anders verstehen, als dass Jesus Christus Menschen die Wahrheit enthüllt – die Wahrheit über sich selbst.
Man sieht auf einmal seine Lieblosigkeit, seine Versäumnisse am Nächsten, sein verfehltes Leben, die Sinnlosigkeit unseres Daseins. Man versteht die Nichtigkeit der Dinge, man begreift die Not des Sterbens, man erkennt Schuld, die man vorher geleugnet hat.
Das ist die Wahrheit über uns. Da wurde der Geist Gottes uns erleuchten. Anders geschieht keine Evangelisation als durch Wahrheit über uns und gleichzeitig Wahrheit über ihn.
Wir wissen auf einmal: Ja, Jesus Christus ist der Sohn Gottes, er ist für mich gestorben, er kann mir voll gültig Schuld vergeben, und ich weiß, dass nichts mich aus seiner Hand reißen kann. Wenn er mich freispricht, kann mich nichts mehr verdammen.
Auf einmal ist in diesem Glauben das Fürwahrhalten mit drin, und die Wahrheit wird erkannt.
Dann hat Jesus im hohen priesterlichen Gebet noch für uns gebetet: „Heilige sie, Vater, in der Wahrheit! Dein Wort ist die Wahrheit.“
Das ist der größte Betrug unserer Zeit, wenn wir das Wort Gottes relativ verstehen, jeder nur auf seine ganz subjektive Verengung hin.
Jesus bekennt im hohenpriesterlichen Gebet noch einmal: „Dein Wort ist die Wahrheit.“
Es ist nie eine Wahrheit wie eine mathematische Formel – das hat noch nie jemand gemeint. Aber es ist eine Wahrheit, die uns im Gewissen trifft. Und in dem Augenblick, wo sie uns im Gewissen trifft, ist es auch eine Wahrheit, die uns zum Tun führt.
Im Johannesbrief steht dann viel von dem „In-der-Wahrheit-sein“. Wenn Jesus gesagt hat: „Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme“, so kann Johannes später hinzufügen: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“
Er sagt, die Wahrheit ist nicht bloß ein Denkakt. Das sagt er gegen unsere neue Zeit, gegen die damalige Gnosis und gegen unser heutiges Denken, das immer meint, mit dem Verstand allein die Glaubensfragen bewältigen zu können.
Er sagt: „Du bist nicht mehr in der Wahrheit, wenn du deinen Bruder nicht lieben kannst.“ Die erkannte Wahrheit wird eben sichtbar und real im Verhältnis zu meinem Bruder, im gelebten Glauben.
Dann kann die Bibel so weit gehen, dass sie von der Gemeinde spricht – von dieser notvollen Gemeinde Jesu, wie wir sie auch hier darstellen – als einem Pfeiler und einer Grundfeste der Wahrheit.
Wenn wir in das missionarische Jahr hineingehen und fragen, was in diesem missionarischen Jahr geschehen soll, dann meine ich, es sollen gar nicht viele neue Veranstaltungen geschehen. Aber unsere Verantwortung wollen wir neu erkennen.
Gott will Menschen retten. Keiner ist ausgeschlossen – weder in ihrer Familie noch unter ihren Freunden und Bekannten. Gott will, Gott will wirklich alle. Meint er. Lassen Sie sich das nicht einschränken auf ein paar Auserwählte.
Gott will. Aber das Licht, das da leuchtet an der Hafeneinfahrt, deutet auch auf die Klippen hin. Und die Klippen liegen im Verständnis der Wahrheit.
Glaube kann nicht nach seiner Fassung zurechtgeschneidert werden, sondern es gibt nur einen Glauben, der selig macht: Jesus Christus ist die Wahrheit. Wer das Wort der Wahrheit hört, der wird vom Geist Gottes in alle Wahrheit geleitet.
Wir wissen, dass das, was Johannes so oft sagt, bei uns auch geschehen kann: dass man in der Lüge bleibt und so in der Lüge bleibt, dass man die Wahrheit gar nicht mehr erkennen kann.
Man hat sich festgelegt auf das Neinsagen und sperrt sich gegen die Wahrheit.
Die Klippen und der Heimfahr des Hafens: Gott will, dass alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Es gibt eine furchtbare Verhärtung im Nein zum Aufdecken, zum Enthüllen Gottes, zum Hineinführen in die Wahrheit.
Das ist unsere Verantwortung im missionarischen Jahr: dass wir auch wissen, dass in unserem schlichten Dienst, den wir tun, in unserem kleinen Zeugendienst, dies ein Dienst an der Wahrheit ist.
Das ist keine überhebliche Anmaßung, was wir tun, sondern nur der Dank dafür, dass uns der Herr selbst aus der Lüge in die Wahrheit geführt hat.
Seitdem können wir nichts mehr beschönigen. Wir wissen um unsere Versäumnisse, um unsere Schuld, um die Hinfälligkeit des Menschen, um die Ohnmacht. Aber wir wissen auch um die große Kraft Jesu.
Das macht uns mutig, im neuen Jahr fröhlich von ihm zu reden und zu sagen: Ja, das ist die Wahrheit.
Wir wollen Glieder dieser Gemeinde sein, die ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit ist.
Es geht auch heute für eine moderne Christenheit nicht anders als durch die Wahrheit.
Und in unserer Zeit, wo niemand mehr die Wahrheit kennt, wollen wir als Zeugen Jesu unerschrocken davon sprechen, dass er der Weg und die Wahrheit ist.
Amen.
Die Art der Rettung durch Erkenntnis der Wahrheit
Und an dieser Stelle muss ich nun näher erläutern, wie diese Rettungsaktion Gottes geschieht. Warum können Menschen dabei zum Verhängnis kommen?
Wahrscheinlich wird in dieser Jahreslosung oft nicht genau ausgelegt, was dort steht. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. Doch wie rettet er den Menschen? Nicht so, wie Feuerwehrleute Menschen retten, indem sie sie einfach packen und wegtragen. Diese sind stark, aber Gott verzichtet auf jede Anwendung von Gewalt.
Gott will Menschen retten, indem er sie zur Erkenntnis der Wahrheit führt. Für mich ist es in der Freude über die heutige Predigt zur Jahreslosung ganz wichtig geworden, dass im Mittelpunkt dieser Jahreslosung die Erkenntnis der Wahrheit steht.
Wie wir evangelisieren, ist dabei von großer Bedeutung. Wir sollen den Menschen die Wahrheit bringen. Ein Kennzeichen unserer Zeit und unseres Jahrhunderts, das bereits mit der Aufklärung begann, ist, dass wir kein Verhältnis mehr zur Wahrheit finden.
Die Frage „Was ist denn Wahrheit?“ begleitet die Menschheit durch die Jahrtausende. Doch in unserer neuen Geistesgeschichte ist sie wieder ganz lebendig geworden. Gibt es überhaupt noch Wahrheit? Wer besitzt die Wahrheit? Keiner hat die Wahrheit vollständig. Jeder besitzt nur ein Stück Wahrheit.
Ist es nicht so, dass im Pluralismus erst die vielen Gruppen zusammen die Wahrheit ergeben? Jeder für sich hat nur einen kleinen Ausschnitt, ein Stück vom großen Kuchen der Wahrheit. So ist doch das Verständnis.
Und nun mag jemand fragen: Fühlst du dich denn so sicher, dass du ausgerechnet meinst, du hättest die Wahrheit allein und die anderen nicht?
Die Wahrheitskrise und die biblische Antwort
Gehen wir noch einmal zurück: Woher kommt diese Wahrheitskrise in unseren Tagen? Man sagt, man könne die Wahrheit nicht mehr so erfassen wie früher durch das griechische Denken. Dieses dachte, die Wahrheit lasse sich mit den Gedanken erfassen. In der philosophischen Fachsprache nennt man das ontisch. Dabei wird die Wahrheit gleichsam wie ein Block betrachtet, der nur mit den Gedanken aufgespürt werden muss. Wenn man ihn einmal ausgegraben hat, kann man ihn den Kindern lehren und in Büchern beschreiben. Diesen Block der Wahrheit – so haben Christen es nie gemeint – ließe sich nicht einfach wie eine mathematische Formel darstellen.
Gerade bei uns Christen ist jedoch häufig vergessen worden, dass Jesus Christus sich selbst als die Wahrheit bezeichnet hat. Im Johannesevangelium wird über fünfzig Mal von der Wahrheit gesprochen, im Neuen Testament insgesamt über zweihundertfünfzig Mal. Dabei hat die Wahrheit eine ganz wichtige Bedeutung: Gott rettet Menschen durch die Erkenntnis der Wahrheit.
Wenn man dann fragt, warum heute so wenige Menschen zum Glauben kommen, muss man sagen: Weil kein Bezug zur Wahrheit mehr möglich ist. Der moderne Mensch hat das Wissen um Wahrheit verloren. Noch der große Erweckungsprediger Charles Haddon Spurgeon an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert sagte, dass die großen Erweckungen und Aufbrüche des Glaubens immer zusammenfielen mit klarer evangelischer Unterweisung in den Kardinalfragen der Wahrheit.
Geht das in unseren Tagen überhaupt noch? Wo wir gar keinen Mut mehr haben, die Wahrheit so auszusprechen oder Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen, ist uns der Zugang zum Glauben verbaut.
Schon im Alten Testament heißt es im Psalm: „Sende dein Licht und deine Wahrheit!“ Auch wenn wir die Wahrheit nie wie eine mathematische Formel in Lehrbüchern dozieren können, wissen wir, dass Gott Menschen zur ganzen Wahrheit führt. Es ist nicht wahr, als ob dies nur ein Tortenstück wäre oder nur ein Ausschnitt der Wahrheit, den jeder erkennen würde. Es ist auch nicht so, dass nur die Vielfalt mit vielen anderen zusammen die Wahrheit ergeben würde.
„Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten zu deiner Wohnung!“ Diese Wahrheit ist immer ein Enthüllen, ein Offenbarwerden. Darum konnte Jesus vor Pilatus sagen: „Ich bin dazu gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll.“ Wenn Jesus, der Zeuge der Wahrheit, zu uns spricht durch sein Wort, dann erkennen wir auf einmal die Wahrheit.
Die Bedeutung von Wahrheit für Glauben und Leben
Diese Wahrheit schließt das Fürwahrhalten natürlich mit ein und ist doch viel mehr: Es ist ein ganz neues Lebensverständnis.
In unseren Tagen herrscht große Not, weil das Fürwahrhalten immer wieder abgewertet wird. Es gibt keinen Glauben ohne Fürwahrhalten. Das Fürwahrhalten allein ist ganz bestimmt noch kein christlicher Glaube, aber es gehört dazu.
Was soll ich denn glauben können, wenn ich es nicht für wahr halte? Wer von Ihnen Lateinisch kann, weiß, dass das Wort putare das Fürwahrhalten bedeutet, während das Wort credere die persönliche Glaubensbeziehung mit einschließt. Für jeden lateinischsprachigen Menschen war klar, dass das Wort credere das Wort putare mit einschließt. Das persönliche Glauben schließt das Fürwahrhalten mit ein. Es gibt keinen Glaubensbezug mehr, kein credere ohne putare, ohne Fürwahrhalten.
Lassen Sie mich das viel einfacher sagen: Wenn das alles nicht verlässlich ist, was mir Gottes Wort sagt, kann ich auch nicht existenziell glauben.
Darum ist die große Krise des missionarischen Jahres, die große Krise der Mission und die Krise der Evangelisation auch in unserer Christenheit heute eine Anfrage, wie wir selbst zur Wahrheit stehen, die uns Jesus Christus zeigen will.
Er hat vom Geist der Wahrheit gesprochen, der uns in alle Wahrheit leiten will. Das kann man nicht anders verstehen, als dass Jesus Christus den Menschen die Wahrheit enthüllt – die Wahrheit über sich selbst. Plötzlich sieht man seine Lieblosigkeit, seine Versäumnisse am Nächsten, sein verfehltes Leben, die Sinnlosigkeit unseres Daseins. Man versteht die Nichtigkeit der Dinge, man begreift die Not des Sterbens, man erkennt Schuld, die man vorher geleugnet hat. Das ist die Wahrheit über uns.
Da wurde der Geist Gottes uns erleuchten. Anders geschieht keine Evangelisation als durch Wahrheit über uns und gleichzeitig Wahrheit über ihn.
Wir wissen auf einmal: Ja, Jesus Christus ist der Sohn Gottes, er ist für mich gestorben, er kann mir vollgültig Schuld vergeben, und ich weiß, dass nichts mich aus seiner Hand reißen kann. Wenn er mich freispricht, kann mich nichts mehr verdammen.
Auf einmal ist in diesem Glauben das Fürwahrhalten mit drin, und die Wahrheit wird erkannt.
Die Wahrheit als Grundlage der Heiligung und des Glaubens
Dann hat Jesus im hohenpriesterlichen Gebet noch für uns gebetet: „Heilige sie, Vater, in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit.“
Das ist der größte Betrug unserer Zeit, wenn wir das Wort Gottes relativ verstehen, jeder nur aus seiner ganz subjektiven Verengung heraus. Jesus bekennt im hohenpriesterlichen Gebet noch einmal: „Dein Wort ist die Wahrheit.“
Diese Wahrheit ist niemals eine Wahrheit wie eine mathematische Formel – das hat noch nie jemand gemeint. Aber es ist eine Wahrheit, die uns im Gewissen trifft. In dem Augenblick, in dem sie uns im Gewissen trifft, wird sie auch zu einer Wahrheit, die uns zum Handeln führt.
Im Johannesbrief wird oft vom „in der Wahrheit sein“ gesprochen. Wenn Jesus sagt: „Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme“, kann Johannes später hinzufügen: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“
Er betont, dass die Wahrheit nicht bloß ein Denkakt ist. Das sagt er im Gegensatz zur damaligen Gnosis und unserem heutigen Denken, das immer meint, Glaubensfragen allein mit dem Verstand bewältigen zu können. Johannes sagt: „Du bist nicht mehr in der Wahrheit, wenn du deinen Bruder nicht lieben kannst.“
Die erkannte Wahrheit wird sichtbar und real im Verhältnis zu meinem Bruder, im gelebten Glauben.
Die Bibel geht sogar so weit, von der Gemeinde zu sprechen – von dieser notvollen Gemeinde Jesu, wie wir sie auch hier darstellen. Sie ist ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit.
Die Verantwortung der Gemeinde im missionarischen Jahr
Wenn wir das missionarische Ja annehmen und uns fragen, was in diesem missionarischen Ja geschehen soll, dann geht es nicht darum, viele neue Veranstaltungen zu organisieren. Vielmehr wollen wir unsere Verantwortung neu erkennen.
Gott will Menschen retten. Niemand ist ausgeschlossen – weder in der Familie noch unter Freunden und Bekannten. Gott will wirklich alle retten. Lassen Sie sich nicht darauf beschränken, dass nur einige Auserwählte gemeint sind. Gott meint alle.
Doch das Licht, das an der Hafeneinfahrt leuchtet, weist auf die Klippen hin. Diese Klippen symbolisieren das Verständnis der Wahrheit. Glaube kann nicht beliebig zurechtgeschnitten werden. Es gibt nur einen Glauben, der selig macht: Jesus Christus ist die Wahrheit.
Wer das Wort der Wahrheit hört, wird vom Geist Gottes in alle Wahrheit geleitet. Wir wissen, dass das, was Johannes so oft sagt, auch bei uns geschehen kann: Man bleibt in der Lüge. Und zwar so sehr, dass man die Wahrheit gar nicht mehr erkennen kann.
Man hat sich festgelegt auf das Neinsagen und sperrt sich gegen die Wahrheit.
Die Gefahr der Verhärtung und die Aufgabe der Evangelisation
Die Klippen und die Heimfahrt des Hafens
Gott will, dass alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Doch es gibt eine furchtbare Verhärtung im Nein zum Aufdecken und Enthüllen Gottes, zum Hineinführen in die Wahrheit.
Das ist unsere Verantwortung im missionarischen Jahr: Wir müssen wissen, dass in unserem schlichten Dienst, in unserem kleinen Zeugendienst, ein Dienst an der Wahrheit geschieht. Das ist keine überhebliche Anmaßung, sondern lediglich Dankbarkeit dafür, dass uns der Herr selbst aus der Lüge in die Wahrheit geführt hat.
Seitdem können wir nichts mehr beschönigen. Wir wissen um unsere Versäumnisse, um unsere Schuld, um die Hinfälligkeit des Menschen und um seine Ohnmacht. Doch wir wissen auch um die große Kraft Jesu.
Das macht uns mutig, im neuen Jahr fröhlich von ihm zu reden und zu sagen: Ja, das ist die Wahrheit. Wir wollen Glieder dieser Gemeinde sein, die Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit ist.
Auch heute geht es für eine moderne Christenheit nicht anders als durch die Wahrheit. In unserer Zeit, in der niemand mehr die Wahrheit kennt, wollen wir als Zeugen Jesu unerschrocken davon sprechen, dass er der Weg und die Wahrheit ist. Amen.