Das ist schön, das neue Jahr gemeinsam im Namen Jesu zu beginnen. Ich möchte Sie ganz herzlich an diesem Morgen mit dem Wort begrüßen: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen.“ Wir wissen nicht, was in diesem neuen Jahr auf uns zukommt. Aber: „Meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Wir wollen mit einem Lob- und Danklied beginnen. Womit soll ich dich wohl loben? (Lied 606) Wir singen die Verse eins sowie fünf und sechs. Also Lied 606, Verse 1, 5 und 6.
Dann wollen wir beten: Unser lieber Herr Jesus Christus, du stehst am Anfang dieses neuen Jahres. Mit dir dürfen wir auch das zurückliegende Jahr abschließen. Wir können dir nur danken für so viele Erfahrungen deiner Güte. Wir danken dir für deine absolut verlässlichen Zusagen, auch für jeden Tag und jede Stunde dieses neuen Jahres.
Wir wissen, wie wankelmütig wir selbst sind, aber wir vertrauen dir und deiner Liebe. Wir wollen dich als Herrn und König ausrufen über dieses neue Jahr. Dass du auch dein Reich und deine Königsherrschaft bei uns ausbreiten kannst – in unserem Leben, in unserer Gemeinde, in unserer Stadt und in unserem Land.
Jetzt wollen wir dir auch alle unsere Sorgen sagen, die uns bedrücken, in der Stille.
Danke, Herr, dass du bei uns bist alle Tage bis an der Weltende! Amen.
Wir singen vom Lied 62: „Jesus soll die Losung sein“, Verse 1 bis 3.
Wenn Sie in Ihren Bibeln aufschlagen, finden Sie 1. Korinther 13 auf Seite 207. Ich bin immer für einen Wechsel im Ablauf unserer Gottesdienste. Es wäre schön, wenn wir das Kapitel miteinander lesen. Ich finde, so bleibt das hohe Lied der Liebe besser im Gedächtnis.
Also lesen wir gemeinsam 1. Korinther 13, Seite 207 im Neuen Testament in Ihren Bibeln.
Die Bedeutung der Liebe in 1. Korinther 13
Wenn ich mit Menschen- und Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir das nicht nützlich.
Die Liebe ist langmütig und freundlich. Die Liebe eifert nicht, sie treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf und verhält sich nicht ungehörig. Sie sucht nicht das Ihre, lässt sich nicht erbittern und rechnet das Böse nicht zu.
Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles und duldet alles.
Die Liebe hört niemals auf. Das prophetische Reden wird aufhören, das Zungenreden wird aufhören und die Erkenntnis wird aufhören. Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
Wenn aber das Vollkommene kommt, wird das Stückwerk aufhören.
Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind. Als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Die Jahreslosung als Leitmotiv für das neue Jahr
Und jetzt singen wir von Gerhard Terstegen das schöne Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“ (Nr. 641). Zuerst die beiden ersten Verse, dann die Verse fünf und sechs, also die beiden letzten.
Am Neujahrsmorgen nehmen wir gerne die Jahreslosung, die im Epheserbrief steht. Es ist gut, bei einem kurzen Wort immer auch den Zusammenhang zu lesen. In den Bibeln, die Sie haben, finden Sie Epheser 5 auf Seite 231. Dort heißt es in Vers 2: „Lebt in der Liebe.“
Das war der Grund, warum wir das Hohelied der Liebe gelesen und auch dieses Lied vom Meer der Liebe gesungen haben: „Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat.“ So lautet die Jahreslosung. Wir lesen noch weiter: „… und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer.“
Das neue Jahr ist ja ein Kalendereinschnitt, ein denkwürdiger Tag. Es animiert viele Menschen, an diesem Tag über die Zukunft nachzudenken. Sie bekommen es ja mit, wenn die großen Politiker ihre Vorschläge verbreiten, dass ein runder Tisch gemacht werden müsste, um aus der gegenwärtigen Krise zu helfen. Auch die Kirchenvertreter sprechen vom Gemeinsinn. Jeder hat Ideen, wie alles neu gestaltet werden kann.
Auch jeder Privatmann macht gern zum Neujahr seine Vorschläge für das neue Jahr und sagt: „In diesem Jahr möchte ich einiges neu anpacken.“ Es ist gut, wenn man solche Vorsätze fasst. Das neue Jahr provoziert gerade dazu. Man sagt: „Im neuen Jahr wird also manches bei mir geändert, und jetzt fasse ich einen Entschluss. Ab morgen wird es anders bei mir.“
Sie wissen, dass das auch seine Tücken hat, denn das neue Jahr ist eigentlich nur ein Buchungstrick. Es ist nur ein Kalendertag, sonst ist alles geblieben. Der Winter ist noch so warm wie gestern, wir haben noch dasselbe Herz und sind dieselben Menschen. Die Probleme und Schwierigkeiten, die Sie im alten Jahr hatten, treffen Sie im neuen Jahr genauso wieder an. Auch wenn Sie wieder ins Geschäft gehen, ist eigentlich alles so geblieben, wie es war.
Aber es gehört zu Neujahr dazu, dass man solche großen programmatischen Worte gern sagt. Das ist eine Gefahr für uns, dass wir es eigentlich nur nachahmen. Sie wissen, wie die Jahreslosungen auch gern dazu verführen, über die Liebe zu reden. „Oh ja, wir leben in einer kalten und lieblosen Welt.“ Dann klagen wir über die Missstände unserer Zeit und nennen die Nöte. Doch es klingt immer ein wenig unecht.
Was steckt eigentlich hinter diesen großen Ermahnungen? „Lebt in der Liebe!“ Also Leute, aufgepasst! „Guckt mal, ich bin so lieb, jetzt werdet ihr Bösen auch bitte noch lieb.“ Es klingt ein bisschen so, als gäbe man den anderen ein paar Ratschläge zum Fenster hinaus.
Wenn Sie die Worte des Paulus hören, von seinem hohen Lied der Liebe, fragen Sie sich: Leben Sie diese Liebe überhaupt? Können Sie das? Meine Liebe ist nicht langmütig, meine eifert auch. Meine Liebe sucht das, was mich betrifft – eine ichbezogene Liebe.
Beim Lesen habe ich gedacht: Das sind ja alles eigentlich Anklagen, das sind Pfeile, die mich treffen. Ich habe diese Liebe gar nicht. Es ist immer wieder gut, wenn wir auch am Neujahrsgottesdienst sagen, wenn von der Liebe die Rede ist: Ja, die fehlt mir. Wie kann ich denn Liebe geben in diesem neuen Jahr?
Wie sieht es bei Ihnen in der Familie, in der Ehe aus? Wie sieht es bei Ihnen mit den Leuten aus, mit denen Sie umgehen? Was ist da bei Ihnen sichtbar an Liebe? Es ist immer so gut, wenn das Gotteswort an uns ergeht und genau den Nerv trifft.
Da heißt es beim Propheten Hosea: „Gott, eure Liebe ist wie eine Wolke, wie der Nebel am Morgen. Kaum steht die Sonne am Himmel, ist sie verdampft, ist weg.“ Keine beständige Liebe.
Die Liebe Gottes als das grösste Wunder
Mein erster Punkt: Das größte Wunder in diesem neuen Jahr ist die Liebe Gottes. Es tut uns immer wieder gut, wenn jemand zu uns sagt: „Du bist der Beste.“ Hoffentlich haben Sie jemanden, der Ihnen das sagt. Das brauchen wir einfach. Wenn jemand sagt: „Ich mag dich, ich habe dich gern.“ Wenn jemand sagt: „Du machst deine Sachen gut.“ Wir brauchen jemanden, der uns lieb hat.
Sind Sie sich bewusst geworden, dass der ewige Gott und Herr Ihnen heute am Neujahrstag genau das zuruft: „Ich mag dich, ich hab dich gern, ich lieb dich.“ Streichen Sie es in Ihrer Bibel einfach an, wo diese Worte stehen. Zum Beispiel: „Du bist wertgeachtet in meinen Augen“ (Jesaja 43,4). Dort heißt es: „Du bist wertgeachtet in meinen Augen und ich habe dich lieb. Mit ewiger Gnade will ich mich dein erbarmen.“
So sehr hat Gott die Welt geliebt, sagt Jesus, dass er seinen einzigen Sohn dahingab. Die Liebe Gottes ist so groß, so wunderbar, so gewaltig. Schade, dass es bei uns oft nur theoretisch abläuft. Ich weiß, dass heute viele das positive Denken schätzen. Doch es ist schwierig, wenn man die Realitäten nicht mehr ernst nehmen kann und überall sagen muss: „Das ist gut.“ Nein, das ist Unsinn, wenn Sie zum Bösen sagen müssen: „Ich will es positiv nehmen.“
Aber was können Sie? Sie können sich an dem Wunder der Liebe Gottes freuen. Denken Sie darüber nach, dann haben Sie etwas Positives in diesem neuen Jahr. Und Sie können in jedem Augenblick der Nacht, wenn Sie aufwachen und nicht schlafen können, sich an die große, wunderbare Liebe Gottes erinnern.
Luther hat das mit eindrücklichen Worten beschrieben: Wenn man Gott malen wollte, dann ist nichts da als ein flammendes Herz, eine feurige Glutliebe. Luther gebraucht dafür ein fast anstößiges Wort: Er redet von der Brunst der Liebe Gottes, auch im Pfingstlied. So feurig ist sie, so mächtig.
Nun wissen Sie, bei unserem Temperament gibt es natürlich auch noch andere Dinge, die brennen. Wir haben brennende und lodernde Leidenschaft, glühenden Zorn, Eifersucht und Hass, der ebenfalls sehr glühen kann. Aber bei all diesen Dingen bleibt am Ende nur Asche übrig, die verbrannt ist. Bei der Liebe Gottes verbrennt nichts, da bleibt keine Asche zurück. Diese Liebe entflammt andere und macht sie lebendig.
Wenn Paulus davon redet: „Lebt in der Liebe“, dann meint er doch, dass wir zuerst in unserem Leben sehen sollen, was Gott an Liebe an uns tut. Ich fürchte, viele missverstehen das, wenn sie die Jahreslosung zur Hand nehmen und sagen: „Gut, das wollen wir machen. Aber wir können es doch gar nicht. Unsere Liebe ist doch nur kurzlebig. Wir haben doch gar nicht die Kraft, um schwierige Menschen zu ertragen. Und wir sind ja manchmal mit so vielen komplizierten Leuten umgeben, die uns auf die Nerven fallen und uns ärgern.“
Sie können doch nur aus der großen Liebe Jesu heraus leben. Und da müssen Sie zuerst einmal darüber meditieren, nachdenken, nachsinnen. Wir haben noch ganz wenig von dieser Liebe entdeckt, noch wenig verstanden und begriffen, was es überhaupt bedeutet, mit welcher Liebe Gott uns umgibt und wie mächtig diese Liebe ist.
Gerhard Tersteegen war ein sonderbarer Mann. Er war Kaufmannslehrling, doch das gefiel ihm nicht, hinter Heringsfässern zu stehen. Er zog sich zurück, war viel krank und begann dann mit Textilweberei und Spinnerei. Er wollte Gott leben und ein wohlgefälliges Leben führen. Beim Nachdenken kam er an den Punkt, an dem ihm die Liebe Gottes in Jesus so groß offenbar wurde, dass er sie in einem Lied besang: „Ich will ins Meer der Liebe Gottes mich versinken.“
Tersteegen wurde später ein ganz anderer Mensch. Er war kein Eigenbrötler mehr, sondern ein Mann der Gemeinschaft. Wie er den anderen nachging, wie viele Menschen er zum Glauben brachte, das lag daran, dass in ihm die mächtige Liebe Gottes wirkte. Sie war ungeheuer stark und groß.
„Lebt in der Liebe, lebt in der Liebe! Lebt in der Liebe Gottes, die in Jesus sichtbar wird, damit andere sie spüren und erkennen.“ Im gleichen Epheserbrief, wenn Sie vorne schauen, Epheser 3,17, steht: „Dass ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid, in der Liebe Jesu.“ Wenn schwierige Menschen euch in eurer Ehre verletzen oder beleidigen, könnt ihr sagen wie Thomas von Kempen im Mittelalter: „Meinen Ruf kann niemand mehr zerstören, weil Jesus mir meinen Ruf gibt. Sonst kein Mensch. Ich brauche kein Menschenlob mehr. Lass sie reden, es tut mir gar nicht mehr weh, ich kann einen anderen lieben, auch wenn er mir böse kommt.“
Das muss ich auch noch lernen. Ich will eingewurzelt und gegründet sein. Oder im Philipperbrief heißt es im ersten Kapitel, dass eure Liebe immer reicher werde an Erkenntnis und Erfahrung, sodass ihr immer mehr merkt, was es bedeutet, diese Gottesliebe, die euch trägt.
Euch kann doch niemand mehr übervorteilen, wenn Gott euer Leben segnet. Wisst ihr, dass ihr eingehüllt seid in die Liebe Gottes? Dann ist das Leben in der Liebe etwas Schönes. Im Griechischen heißt das Peripateien, was „herumlaufen“ bedeutet. Im alten Luther steht hier „wandeln“. Beim Übersetzen weiß jeder, dass man nie alles mit einem Wort genau treffen kann. Früher stand hier „wandeln“, ein altes Wort, das das Hin- und Hergehen ausdrückt.
Das müsst ihr ausleben, in allen Konsequenzen. Angefangen bei euren privaten Familienverhältnissen, im Umgang mit euren Kindern, die euch oft Unrecht tun. Ich weiß, wie das oft sein kann und was manche von euch durchmachen. Was an Schwerem ertragen wird: Wandelt in der Liebe Jesu, denkt darüber nach, seid eingewurzelt in diese große, mächtige Liebe Gottes.
Paulus selbst hat diese Liebe erst entdeckt. Er war vorher auch ein leidenschaftlicher Mensch und hat die Christen gehasst. Dann kam der Zusammenbruch seines Lebens auf dem Ritt nach Damaskus. Dort war der entscheidende Punkt, als ihm der Seelsorger Ananias begegnete und ihm zusprach, dass die ganze Schuld seines Lebens vergeben werden kann.
So kann man die Liebe Gottes erst richtig ermessen. Wie groß ist diese Liebe? Vergebung unter Menschen ist kaum denkbar, so wie Gott uns in seiner Liebe beschenkt. Paulus sagt später, die Liebe Gottes sei wie mit Eimern in sein Herz ausgeschüttet worden. Das war ein mächtiger Strom, eine Bewegung.
Ich habe entdeckt, dass Menschen, die das so erlebt haben, aus einem notvollen und kaputten Leben auf besondere Weise die Liebe Gottes leben konnten. Gerade auch in den großen diakonischen Liebesbewegungen. In unserem Land sind viele Einrichtungen der Diakonie entstanden. Junge Leute meldeten sich zum Diakonissendienst, um elternlose Kinder zu pflegen, weil sie plötzlich bewegt waren, wie Jesus in ihrem Leben voller Liebe da ist.
Wenn Sie in alten Biografien stöbern, merken Sie, wie auch diese Menschen, die tätig waren, von einer unendlichen Liebe erfüllt waren und doch zielgerichtet. Es war keine griechische Liebe, sondern eine Liebe, die wie Jesu Liebe gewinnen will und Leben gibt.
Lebt, wandelt in der Liebe! Das ist wie ein Atemholen für die Seele, wie ein Hören, ein immer neues Erkennen, ein immer neues Staunen – jeden Morgen neu: Die Liebe Gottes umgibt mich, der Herr ist da, er kann mich nicht loslassen.
Die Liebe als Grundlage des Lebens und der Gemeinschaft
Also, woher wissen Sie, dass Gott Sie liebt? Woher wissen Sie, dass Jesus Sie liebt? Sie können es nicht einfach daran ablesen, dass Sie einen gefüllten Kühlschrank oder Schrank mit den Gütern dieser Welt haben. Auch an Ihrer Gesundheit können Sie es nicht ablesen, denn Gott liebt Sie auch, wenn Sie krank sind.
Woran können Sie es dann ablesen? Sie können es immer nur an der Liebestat ablesen. Darum gehört dazu, wie Christus sich selbst für uns gegeben hat. Das ist die Tat der Liebe: Er hat sich für mich hingegeben. Der Opfertod Jesu bleibt das unvergleichliche Zeichen. Alles, was wir an Liebe darbringen, steht in keinem Verhältnis dazu. Das ist so überwältigend groß.
Jetzt sind wir beim Zweiten: Keine Liebe ohne Opfer. Gerade das Beispiel der Liebe Jesu macht das deutlich. Liebe fordert ein Opfer. Unsere menschliche Liebe wollen wir oft ohne Opfer leben, sodass sie nur aus dem Gefühl herauskommt. Ich weiß nicht, ob das ganz theoretisch ist, und es ist immer die Gefahr, wenn man zu einer Predigt kommt, dass die Gedanken schon wieder abschweifen. Darüber müsste man lange nachdenken, denn viele junge Leute verstehen Liebe nur romantisch und nicht in der Tiefe.
Liebe fordert ein Opfer. Im ersten Vers steht: „So folgt nun Gottes Beispiel.“ Im Altlutherischen hieß es: „Seid Gottes Nachahmer, seid eine Kopie Gottes.“ Das ist ja viel unglaublicher. Wir schaffen das nicht, aber bemüht euch doch, dass die Liebe Gottes so unmittelbar durch euer Leben zu anderen kommt.
Bei der Liebe Gottes war es ein Opfer. Das, was Abraham noch nicht bringen musste, als er seinen Sohn Isaak auf den Hügel Moria schleppte, hat Gott gegeben. Liebe kostet Opfer. Liebe kostet Opfer.
Jetzt ist das so schwierig, weil wir das Haupthindernis sind. Jetzt verstehen Sie, warum Herr Terstegen gesagt hat: „Ich will, anstatt an mich zu denken, mich ins Meer der Liebe versenken.“ Das größte Hindernis bei der Liebe ist unser ichbezogenes Leben. Wir sind ja alle von unserer Zeit so angekränkelt, und wir leben so.
Lebt die Liebe! Und jetzt: Das fordert ein Opfer! Welches Opfer? Die Hingabe meines ganzen Lebens. Es ist wichtig, dass mein ganzer Werktag mit allem Tun, meine ganzen Lebensbeziehungen, meine Arbeit – alles dazugehört.
Wenn ich darüber predige, wissen Sie, wie viel man schuldig bleibt. Aber Gott sagt: „Heiligt euch jetzt! Stellt euch in diese Liebe hinein! Lebt diese Liebe Gottes!“ Es geht nicht nur um eine humanistische Liebesduselei, sondern um diese gelebte Liebe Gottes als Opfer darzubringen.
Ich habe gestern einen Brief bekommen von unserem Tiefbauingenieur und Brunnenbauer Matthias Stahl, dem Neffen unserer Frau Hilde Stahl, die heute an der Orgel dient. Er berichtet, wie sie eine große Freude erlebt haben, als sie einen Brunnen mit der Hand gegraben haben. Da gibt es so viel Wasser, es sei der beste Brunnen des ganzen Jahres gewesen. Sie haben einen Gottesdienst gemacht, einen Dankgottesdienst usw.
Am Ende schreibt er: Der Vorsitzende des Wasserkomitees der Gemeinde sagte in einer kleinen Rede, er könne es kaum verstehen, dass er als Musungu, als Europäer, selbst in den Brunnen gestiegen sei und eigenhändig gegraben habe. Sie wissen, wie gefährlich das immer ist, wenn unten der Sauerstoff aufhört, dass man ums Leben kommen kann. Das ist ein Risiko. Normalerweise seien die Europäer ja die Chefs, die andere für sich arbeiten ließen.
Ich habe ihm dann geantwortet: Jesus war auch kein Chef, sondern ist gekommen, damit er dient und sein Leben gibt. Das ist eine Erlösung für viele. Das ist herrlich.
Wenn ein junger Mensch das begriffen hat, kann er das nur durch erfahrene Wunder der Erlösung in Jesus verstehen. Und Sie wissen, wie dieses Beispiel der Liebe das Opfer bringt. Woanders verstehe ich nicht, dass du das für mich gemacht hast. Ich bin das doch gar nicht wert. Das ist so groß und macht so viel Eindruck.
Liebe fordert Hingabe und Überwindung von Egoismus
Darf ich an einem anderen Beispiel deutlich machen, wie es einem jungen Mädchen, der Tochter eines Gouverneurs, in Finnland erging? Bei einer Bibelstunde wurde sie genau von dem Vers Johannes 3,16 getroffen: „So sehr hat Gott die Welt geliebt.“ Sie war ganz durcheinander. Die Liebe Gottes – ist die Liebe Gottes wirklich so groß?
Sie bittet ihren Vater: „Bring mich nach Hause.“ Ihr Vater war klug und dachte: „Ich will gar nicht fragen, was sie hat.“ Das Mädchen war ganz verdreht, konnte nicht schlafen. Am Tag hatte sie erlebt, wie in ihrem großen Gouverneursitz Reparaturen von Inhaftierten der nahen Haftanstalt durchgeführt wurden.
Dieses sensible Mädchen sprach dann mit einem der Gefangenen über die Liebe Gottes. Er sagte zu ihr: „Junges Fräulein, das müssen Sie uns einmal hinter unseren Gitterstäben sagen. Hier können Sie schön reden.“
Es war Mathilda Wrede. Diese Frau begleitete später die Gefangenen auf ihrem Weg nach Sibirien. Sie suchte die Gefängnisse auf, bis ihre Lebenskraft verbraucht war. Dabei forderte sie nicht etwas Besonderes von uns – keine großen Taten, keine spektakulären Dinge. Ich meine damit immer wieder diese ganz normalen Schritte im Alltag, diese Beweise der Liebe Jesu.
Liebe ist nicht ohne Opfer. Jesus hat sich selbst für uns dahingegeben. Wir wollen wegkommen von diesem Liebesgewäsch, von diesem Geschwätz. Wissen Sie, das geht uns allen leicht über die Lippen. Doch dann wirkt es oft pharisäisch oder unecht – wie bei dem Missionar, der vor die Einheimischen trat und sagte: „Ich habe euch alle so lieb, ich könnte euch alle in den Arm nehmen.“
Darauf antwortete einer: „Warum spricht er dann unsere Sprache so schlecht? Warum lernt er sie nicht besser, wenn er uns so lieb hat?“ Es kostet immer ein Opfer, auf den anderen zuzugehen, ihn zu lieben und ihm auch die Liebe Jesu zu zeigen.
Warnung vor falscher Liebe und Bitterkeit
Aber noch ein letztes: Achtung Fälschung, Achtung Fälschung! Gerade das mit der Liebe ist gefährlich, und wir sollten das nicht vergessen.
Es war mir wichtig, dass wir das nicht einfach am Neujahrstag in einem so gefährlichen Sinne nehmen – nach dem Motto: „Aha, jetzt habe ich wieder das Motto für das neue Jahr, und ich lebe die Liebe.“ Nein, wir wollen ganz echt bleiben. Wir bleiben viel schuldig, aber es ist wunderbar, dass wir wissen, woher wir die Liebe beziehen können, die wir weitergeben.
Ich habe mich immer an der Nordsee beeindruckt, wenn man dort am Ufer war und die Ebbe kam. Dann lagen die Boote im Schlick. Wenn die Flut zurückkam, floss das Wasser um die Boote herum. Langsam, langsam wurden die Boote von dieser Wasserflut getragen. Dann lagen sie im Wasser, herausgehoben aus dem Schlick.
Ich bin überzeugt, dass es bei Ihnen genauso geht: Je mehr Sie eingewurzelt und gegründet sind in der Liebe Gottes, desto mehr werden Sie von dieser Liebe getragen. Das wird Ihr ganzes Leben prägen. Es gibt ja nichts Beglückenderes, als Liebe weiterzugeben. Haben Sie wirklich Freude daran, böse Worte weiterzugeben oder böse Taten zu tun? Nein, niemand hat daran Freude. Nur Liebe erfüllt und macht fröhlich.
Aber man kann sich auch von dieser Liebe abkoppeln. Das ist ganz tragisch, und leider passiert das häufig. Ich möchte eine Not ansprechen, die heute unter Christen weit verbreitet ist. Ich denke, für uns ist nicht die Gefahr, wie beim verlorenen Sohn, der vom Vater wegläuft und sagt: „Vater, ich weigere mich deiner Liebe.“ Ich glaube, das machen wir gar nicht so.
Wir alle sind gefährdet durch Bitterkeit. Das ist eine große Not. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass alte Leute noch ihren Eltern zürnen, die schon seit Jahrzehnten tot sind, und sagen: „Ich habe so viel Unrecht erfahren.“ Da kommen Dinge zum Vorschein, wie eine Ohrfeige vom Religionslehrer, die man ihm nie verziehen hat.
Man kann die fremdsten Gebete sprechen und ganze Bibelstellen auswendig lernen. Aber die Bitterkeit im Leben bleibt. Wissen Sie, was Bitterkeit ist? Das ist eine Reaktion auf Unrecht, das wir erfahren haben – verständlich, jeder von uns hat das durchgemacht. Da wollen wir mit gleichen Waffen zurückschlagen und sagen: „Jetzt strafen wir den anderen.“ Das ist dumm, denn wir strafen ihn gar nicht. Wir strafen nur uns selbst.
Mit der Bitterkeit strafen wir nur uns selbst. Aber das geht so tief, dass am Ende unser ganzes Seelenleben zerfressen wird. Niemand kann hier so heilen wie der ewige Gott und Herr, indem wir Bitterkeit als Sünde erkennen – als große, unerlaubte Selbstliebe.
Wenn Sie im Leben Unrecht erfahren haben, dann wissen Sie: Der Herr hat es Ihnen zugemutet, weil er gemeint hat, Sie hätten diese Lektion noch gebraucht. Aber mit der Bitterkeit zerstören Sie sich selbst und machen sich liebesunfähig.
Darum gibt es unter Christen so viele verbissene Menschen mit traurigem Gesicht. Menschen, die zwar viel von Liebe reden und von mehr Liebe singen, aber immer nur an sich denken und ihre Wunden lecken. Ihre Wunden, ihre uralten Wunden, statt dass sie die Vergebung Jesu darüber ausbreiten und sagen: „Herr, was ist das alles? Ich bin ja überschüttet von deiner Güte. Ich bekomme so viel Liebe, wie ich nie verdient habe.“
Kein Mensch hat von anderen Mitmenschen das heimgezahlt bekommen, was eigentlich jeder von uns verdient hätte. Wir sind einfach Menschen, die die Realität nicht mehr klar sehen. Ich kann es Ihnen ans Herz legen: Es gibt keine erlaubte Bitterkeit.
Bitterkeit ist das Haupthindernis, um Liebe zu leben. Wenn Sie das erkannt haben, können schon viele seelische Wunden geheilt werden. Das ist eine ganz große Not. Bitterkeit macht uns liebesunfähig, belastet uns, raubt uns den klaren Blick und macht uns unfähig zum Zusammenleben mit anderen.
Legen Sie das Unrecht, das Sie erfahren haben, in Gottes Hände – so wie es Joseph getan hat: „Herr, du musst es richten, meines Diraches spricht der Herr.“ Denken Sie an Jesu Gebet in Gethsemane: „Dein Wille geschehe.“ Und wenn du es zulässt, Herr, will ich auch das Bittere aus deiner Hand nehmen.
Bleiben Sie nicht in dieser merkwürdigen Bitterkeit stecken, in diesen bitteren Gefühlen. Legen Sie sie ab, am Anfang des neuen Jahres, und sagen: „Ich will mich freuen. Ich will statt an mich zu denken, statt in falscher Selbstliebe und Selbstbemitleidung – die ganz gefährlich ist – mich ins Meer der Liebe Jesu versenken.“ Amen!
Gebet und gemeinsames Singen zum Jahresbeginn
Nun singen wir noch „Jesu, geh voran auf der Lebensbahn“ (391).
Lasst uns beten!
Barmherziger Heiland, vielen Dank für deine unendliche Liebe! Immer wieder sind wir zu dir gekommen mit unserer alten Schuld. Doch du hast uns nicht weggestoßen, keine Vorhaltungen gemacht. Du hast uns stets in deine Arme genommen und uns geliebt.
Jetzt wollen wir immer mehr eingewurzelt und gegründet sein in deine Liebe. Dabei wollen wir nicht an uns selbst denken oder an die Verletzungen, die uns andere zufügen. Vielmehr wollen wir deine Liebe weitergeben, denn um uns herum ist so großer Hunger nach Liebe.
Wir danken dir, dass du unser Leben führst. Wir müssen nicht mehr um Ehre oder Einfluss kämpfen, sondern dürfen uns einfach unter deine segnende Hand stellen – auch in diesem neuen Jahr.
Wir bringen dir unsere belasteten Familienverhältnisse und die Schwierigkeiten, die wir haben. Du kennst auch die Menschen, die uns Not machen. Herr, bewahre uns davor, uns an ihnen zu versündigen. Gib uns ein Herz voller Liebe und lege uns die Worte in den Mund, die du willst, dass wir sprechen.
Wir wollen deine gelehrigen Schüler sein. Schenke uns, dass unser Ja ein echtes Ja wird, indem wir selbst wachsen und zunehmen an Erkenntnis und Weisheit.
Wir dürfen dich auch bitten für die Anliegen unserer Gemeinde, die uns bewegen. Segne alles, was du recht machst, und alles, was du segnest. Wir danken dir für alles, was wir hier aus deinem Wort empfangen. Bewahre uns bei dir mit allen Gruppen und Kreisen, damit wir uns nur von dir und deinem Wort leiten lassen.
Auch für die, die nicht unter uns sein können, weil sie krank, belastet und schwach sind, bitten wir dich: Segne sie und gib uns Geschick, das richtige Wort zu finden, wenn wir sie besuchen oder ihnen Grüße übermitteln. Lass sie dich sehen und dir nahe sein.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Nehmen Sie bitte noch einmal Platz.
Informationen zur Gemeindearbeit und Seelsorge
Gestern Abend habe ich ein Wort zu den Ummeldungen gesagt. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, auch im Hinblick auf die Pläne zur Neustrukturierung in Stuttgart. Wir wollen beten, dass der Herr seinen Willen durchsetzt.
Der Kirchengemeinderat hat einstimmig beschlossen, dass wir die rechtliche Selbständigkeit unserer Gemeinde unbedingt erhalten wollen. Ich möchte noch einmal ein Wort zu dieser Ummeldung und zur Seelsorge sagen, weil das jetzt eine größere Rolle spielt und immer wieder gesagt wird, ihr seid eine viel zu kleine Gemeinde, ihr könnt ja gar keine qualifizierte Gemeindearbeit machen.
Wir wollen nicht behaupten, dass wir uns nicht sicher mit vielen Gemeinden in Stuttgart vergleichen können – zumindest, was das Gemeindeleben und auch das Gottesdienstleben anbelangt. Es ist so, dass es jetzt sinnvoll wäre, sich zur Seelsorge umzumelden. Ich habe bei den bisherigen Ummeldungen zur Seelsorge immer gebremst, aber das ist eine Chance, die die Landeskirche seit dem Jahr 1901 eingeräumt hat: ein volles Recht aller Kirchenmitglieder, sich zur Seelsorge umzumelden.
Das betrifft vor allem die Amtshandlungen. In der Vergangenheit war es so – und soll auch so bleiben –, dass wir im Gottesdienst niemanden fragen, wo er ist und wo er dazugehört. Wenn aber jemand eine Amtshandlung wünscht, das heißt Trauung, Taufe, Beerdigung usw., dann wäre es sinnvoll, sich vorher umzumelden.
Das ist ein einfacher Vorgang. Man muss nur das Formular ausfüllen, das hinten liegt. Vielleicht verteilt es jemand nachher, es liegt auf dem Sims. Ist da jemand so nett, das nachher zu übernehmen? Andreas Volkmann nimmt das unter der Empore in die Hand. Man füllt nur dieses Blatt aus und gibt es wieder bei uns ab. Wir senden es dann an das Wohnsitzpfarramt.
Zukünftig muss ich nicht mehr dort nachfragen. Das war für mich immer etwas schwierig, besonders wenn ich es vergessen habe. Es gab dadurch immer wieder dumme Verwicklungen. Dann liegt die Zuständigkeit für alle seelsorgerlichen Handlungen beim Pfarramt der Ludwig-Hofacker-Gemeinde.
Sie können diese Ummeldung mit einer einfachen Erklärung widerrufen, wenn Sie es nicht mehr wollen. Sie bleiben weiterhin in Ihrer Wohnsitzgemeinde in der Datei. Meist erhalten Sie auch noch den Gemeindebrief dort. Sie können Ihre Kinder weiterhin in den Kindergarten schicken und die Diakoniestation in Anspruch nehmen.
Die Ummeldung bezieht sich auf die Seelsorge. Obwohl auf dem Formular steht, dass sie innerhalb der Gesamtkirchengemeinde gilt, stimmt das nicht ganz. Das ist jetzt erweitert, und ich kann diese Ummeldung zur Seelsorge von allen Orten aus praktizieren, soweit es verkehrsmäßig möglich ist. Das ist praktisch unbeschränkt.
Das betrifft also diejenigen, die die Amtshandlungen von unserer Gemeinde wünschen.
Zum Schluss noch ein Wort zu unserem Opfer. Da gibt es eine Arbeit, die mir ganz wichtig ist. Wenn Sie heute etwas einlegen wollen, ist es schön, wenn man das mittragen kann: die Arbeitsgemeinschaft Soldatenseelsorge.
Das ist schon eindrucksvoll, wie diese Bibelkreise in der Bundeswehr funktionieren. Ein Oberstleutnant berichtete, wie er einen Bibelkreis im Hauptquartier der alliierten Kräfte in Europa, dem sogenannten Schebzentrum, eingerichtet hat. Es ist schön, dass es dort Bibelchristen gibt, die das machen – aber auch in den Kasernen.
Es ist immer wieder ein Risiko, wenn unsere jungen Wehrpflichtigen in die Kaserne kommen. Wir freuen uns, dass es so viele Bibelkreise gibt. Die Arbeitsgemeinschaft für Soldatenseelsorge macht das sehr schön: Mit einem Omnibus fahren sie in die Kasernen, verteilen Neue Testamente und führen evangelistische und missionarische Einsätze durch.
Wer das unterstützen will, kann sich an die Arbeitsgemeinschaft für Soldatenseelsorge wenden. Wenn jemand die Adresse braucht, kann er sie hier nachher abschreiben. Vielleicht sucht jemand für einen jungen Wehrpflichtigen die Anschrift eines Bibelkreises.
Es ist immer sinnvoll, wenn man hilft, dass unsere jungen Leute dort wieder Anschluss finden.
Segenswünsche zum Jahresbeginn
Nun wünsche ich Ihnen allen zu diesem neuen Jahr gottesreichen Segen. Er möge mit Ihnen gehen, und wir bitten um seinen Segen.
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Herr, wende dein Angesicht uns zu und schenke uns deinen Frieden!
