Einführung: Die Herausforderung der Kindererziehung
Ich freue mich, dass wir die Gelegenheit haben, Gottes unfehlbares Wort zu betrachten und praktische, handfeste, anwendbare Antworten für Bereiche unseres Lebens zu finden, mit denen wir alle zu tun haben.
Manche denken vielleicht, der heutige Abend sei nur für junge Leute, bei denen die Kinder gerade erst kommen. Doch wir werden auch Themen ansprechen, bei denen andere sicherlich etwas aus ihrer eigenen Kindheit oder Vergangenheit verarbeiten müssen. Ich hoffe, dass es für alle ein Segen und eine Hilfe sein wird.
In den letzten Tagen las ich von einem jungen Vater, der aus dem Krankenhaus kam, nachdem seine Frau das erste Kind zur Welt gebracht hatte. Voller Freude rief er seine Mutter an und sagte: „Mutti, wir haben eine Tochter. Sie ist so und so groß und heißt so und so. Aber Mutti, sie ist ohne Bedienungsanleitung gekommen.“
Man könnte fast meinen, dass manche Eltern nicht genau wissen, was sie tun sollen. Weil wir dazu neigen, das zu kopieren, was wir bei unseren Eltern gesehen haben, übernehmen wir oft auch deren Fehler. Das Vorbild unserer Eltern war in keinem einzigen Fall komplett oder vollkommen, denn es gibt keine vollkommenen Eltern. So neigen wir dazu, auch die Fehler zu wiederholen. Diese Tendenz haben wir alle, keiner bleibt davon verschont.
Ich habe gewisse Fehler an meinen Eltern gesehen. Dummerweise wiederhole ich manche dieser Fehler genauso, obwohl ich es besser weiß und bewusst dagegen ankämpfe. Ich merke, wie schwierig es ist, diese Fehler zu vermeiden.
Meine Frau und ich hatten das Vorrecht, einige Jahre lang andere Familien aus der Nähe zu beobachten, bevor wir selbst Kinder bekamen.
Beobachtungen aus der Praxis: Eine Familie und ihr Kind
Unser allererster Sonntag in einer Gemeinde, in der ich dreieinhalb Jahre als Assistentenpastor in den Vereinigten Staaten während meiner Ausbildung dienen durfte, wurde nachmittags mit einer Familie verbracht. Meine Frau und ich werden dieses Erlebnis, denke ich, unser Leben lang nie vergessen.
Wir kamen zu der Familie, einem etwas älteren Ehepaar, das spät geheiratet hatte und ein kleines Kind namens Johnny bekommen hatte. Das Essen begann auf eine sehr interessante Weise. Der Vater wollte vor dem Essen beten. Wir neigten die Köpfe, und er begann zu beten. Währenddessen hörte ich ein Geräusch von der anderen Seite des Raumes. Noch bevor das Gebet zu Ende war, war Johnny, der etwa zwei Jahre alt war, schon vom Kinderstuhl heruntergeklettert und auf den Boden gefallen.
Er kicherte die ganze Zeit. Hinter der Mutter stand eine Couch. Johnny kletterte vom Boden auf die Couch. Von dort aus begann er, für die nächsten zwanzig bis dreißig Minuten, auf die rechte Schulter der Mutter zu klettern, dann über ihre Schulter und schließlich auf ihren Schoß auf der linken Seite herunter. Dann wiederholte er das kichernd immer wieder: über die linke Schulter, auf die rechte Seite des Schoßes herunter.
Die Mutter sagte die ganze Zeit: „Oh Johnny, oh Johnny, hör doch auf, Johnny, du musst dich hinsetzen und essen, sonst wirst du nicht groß wie dein Vater. Oh Johnny, mach das nicht.“ Doch Johnny kletterte unaufhörlich und ununterbrochen während der ganzen Mahlzeit auf die Couch, über die Schulter, lachend auf den Schoß und wieder herunter.
So wie ich das erzähle, war es uns in gewisser Weise auch eine Last. Meine Frau und ich gingen dann nach Hause mit diesem „Ach Johnny, ach Johnny, ach Johnny“ im Kopf. Später riss Johnny Bilder aus dem Familienalbum und zerriss sie – „ach Johnny“.
Johnny wurde später drogensüchtig. Er hatte viele Probleme, und die Eltern erlebten viel Leid.
Die Unsicherheit vieler Eltern und die Suche nach Balance
Sehr viele Eltern sind heute äußerst verunsichert. Man möchte nichts kaputtmachen, das ist sicher der Fall. Doch oft hört man in den Medien, dass es einem Kind schaden könnte, wenn man ihm etwas verbietet und es dabei laut schreit.
Das heißt im Klartext, dass das Kind dadurch seelisch belastet werden könnte und nicht mehr ganz in Ordnung ist. Niemand möchte gestörte Kinder haben. Deshalb will man vermeiden, dass Kinder weinen oder sich auf andere Weise unwohl fühlen. Das führt dazu, dass man ihnen fast alles erlaubt.
Natürlich gab und gibt es Fälle, in denen Menschen durch eine zu strenge Erziehung Probleme entwickelt haben. Doch wir dürfen nicht einfach nur in Reaktionen auf diese Fälle handeln. Was im einen Extrem zu viel war, darf nicht dazu führen, dass wir ins andere Extrem verfallen und die andere Seite übersehen.
Die Antwort auf eine lieblos willkürliche Strenge ist nicht eine Erziehung ohne Grenzen und ohne Autorität. Vielmehr geht es darum, die Missstände zu korrigieren, bei denen Strenge zu scharf angewandt wurde. Beide Seiten sollten in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.
Dieses Wort – Ausgewogenheit – wird den Abend prägen.
Erfahrungen und Erkenntnisse zur elterlichen Autorität
Ich hielt einmal Vorträge über Familie und Kindererziehung im Allgäu im Jahr 1975. Anschließend kam ein Schulrektor auf mich zu und sagte: „Herr Pugh, Sie wollen sicherlich nicht behaupten, dass man eine autoritäre Beziehung in Deutschland verneinen würde.“
An diesem Abend hatte ich ziemlich deutlich über die Notwendigkeit der Ausübung von elterlicher Autorität bei der Kindererziehung gesprochen. Der Schulrektor entgegnete: „Herr Pugh, Gelehrte wissen schon längst, dass Kinder eine strenge, klare Autorität brauchen. Diese antiautoritäre Welle ist schon längst vorbei.“
Ich antwortete: „Herr Rektor, es mag sein, dass die Gelehrten das wissen, aber die Laien in den Wohnungen wissen es noch nicht. Zahlreiche Menschen sind bis heute sehr verunsichert darüber, was man mit einem Kind machen darf und was nicht. Sie wollen auf keinen Fall etwas falsch machen.“
Heute Abend möchte ich wieder Mut machen. Es gibt einen Weg, der richtig ist, und einen Weg, auf den wir vertrauen können. Gottes Hilfe ist dabei. Es gibt einen Weg, bei dem wir ein freies Gewissen haben können und mit Zuversicht handeln, weil wir nach Gottes Plan vorgehen – so gut wir es können, mit Gottes Hilfe.
Die Ehe können wir nicht ohne Gottes Hilfe führen, und auch Kindererziehung ist eine Aufgabe, die wir nicht zur Gottesverherrlichung bewältigen können, ohne Gottes Unterstützung.
Nachdem wir die richtigen Handhabungen aus der Schrift gesehen hatten, stellten meine Frau und ich fest, dass wir das Richtige taten – tagelang ohne sichtbare Wirkung, so dachten wir. Dranzubleiben, im Gebet zu bleiben und zu wissen, dass Gott zu seiner Zeit und zu seinem Ziel mit unseren Kindern kommen wird, war sehr, sehr schwer.
Die Suche nach Ausgewogenheit: Zwischen zwei Extremen
Nun müssen wir zwei Extreme vermeiden und von beiden Seiten lernen. Das eine Extrem ist antiautoritär, das andere ist Diktatur. Wir streben Ausgewogenheit an.
Ich sehe die Nachfolge Christi als mein Lebensziel, und ich hoffe, du teilst diese Sicht. Wenn du Christ bist, wünsche ich mir, dass dein Lebensziel ebenfalls ist, so zu werden, wie Christus Jesus es ist. In Johannes 1,14 heißt es: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“
Hast du jemals darüber nachgedacht, dass Gnade und Wahrheit Gegensätze sein können? Warst du schon einmal in der Gegenwart eines Menschen, der nur die Wahrheit spricht? Jemand, der dir immer nur unverblümt sagt, was du falsch gemacht hast? Nach kurzer Zeit wird es unerträglich, bei einem solchen Menschen zu sein, wenn er stets nur die Wahrheit sagt – besonders die Wahrheit über deine Fehler. Er hämmert immer wieder darauf ein, und man fühlt sich innerlich zerstört. Die Wahrheit kann abstoßen.
Die Heiligkeit Gottes ist so vollkommen und erschreckend, dass wir von ihr abgestoßen werden. Jesaja sagte in Jesaja 6: „Wehe mir, ich vergehe, denn ich habe den Herrn Zebaoth in seiner Herrlichkeit gesehen! Ich bin ein sündiger Mensch und wohne unter einem Volk, das auch unreine Lippen hat, denn ich habe den Herrn gesehen.“ Er erkannte sich selbst als sündigen Menschen, weil er Gott in seiner Herrlichkeit und Vollkommenheit sah.
Doch Gott ist nicht nur Wahrheit, Heiligkeit, Gerechtigkeit und Gericht. In seinem Wesen ist er vollkommen vereint: So stark wie seine Heiligkeit und Wahrheit ist, so stark ist auch seine Liebe. Diese beiden Eigenschaften sind in Christus Jesus ausgewogen vereint.
Wenn ihr ein wenig darüber nachdenkt – heute Abend haben wir nicht die Zeit, ausführlich darüber zu sprechen, aber denkt ein wenig mit – dann erkennt ihr: Eine Gemeinde, die sowohl Wahrheit in der Verkündigung und im Leben ausstrahlt als auch Liebe in der Praxis zeigt, ist ein Stück Herrlichkeit auf Erden. Wenn Geschwister in Wahrheit wandeln und einander in Liebe dienen, gibt es nichts Schöneres. Das kann ich lautstark bezeugen.
Auch in der Kindererziehung müssen wir sowohl Wahrheit als auch Liebe berücksichtigen.
Die Bedeutung von Gewöhnung und Vorbild in der Erziehung
Sprüche 22,6 ist ein sehr bekannter Vers: "Gewöhnt einen Knaben an den Weg, den er gehen soll, so lässt er nicht davon, wenn er alt wird."
Es handelt sich um eine bedingte Verheißung Gottes. Manche denken: "Aha, wenn ich dem Kleinen ein paar Bibelverse beibringe, wenn er fünf Jahre alt ist, dann fällt es ihm mit siebzig Jahren wieder ein, vielleicht sogar im Sterbebett." Das ist jedoch nicht die Bedeutung des Textes.
Der Vers sagt: "Gewöhnt einen Knaben an den Weg, den er gehen soll, so lässt er nicht davon, wenn er einen Bart bekommt." Wenn er also bärtig wird, in die Reife kommt als junger Mann und aus dem elterlichen Haus geht, bleiben die Maßstäbe, die in sein Herz eingepflanzt wurden, bestehen. Der hebräische Text sagt: Wenn er eine Reife erreicht, so dass er aus dem Haus geht, bleibt er auf dem Weg der Erziehung.
Das Wort "gewöhnen" bedeutet, ein Verlangen zu erwecken. Die Hebammen damals in Israel rieben eine Süßigkeit auf den Gaumen eines Säuglings, um den Saugreflex zu starten, damit das Kind zu saugen beginnt. In diesem Zusammenhang bedeutet "gewöhnt einen Knaben an den Weg, den er gehen soll" ein Verlangen oder einen Geschmack zu erwecken, sodass es schmackhaft wird, den richtigen Weg zu gehen.
Das bedeutet nicht, dass die Eltern den Weg vorschreiben, sondern dass sie ihn so attraktiv machen, dass das Kind den richtigen Weg von innen heraus gehen will. Es klingt gut, nicht wahr? Dass Kinder den richtigen Weg gehen, weil sie es selbst wollen, weil das Verlangen in ihnen ist.
Wie macht man das? Und das war übrigens der Weg, den er gehen soll – der Weg, der für ihn richtig ist. Mein Bruder ist Farmer, ich zum Glück nicht, obwohl ich viel Verständnis für Menschen in der Landwirtschaft habe. Wir alle profitieren täglich davon. Ich bin froh, kein Farmer zu sein. Ich bin froh, einen anderen Weg zu gehen und sehr glücklich mit dem Weg, den der Herr für mich bestimmt und bereitet hat.
Der Weg meines Vaters ist nicht der Weg seiner Söhne, was das Geschäftswesen betrifft. Wir beide gingen in eine andere Richtung als unser Vater, und ich bin dankbar, dass er Verständnis dafür hatte, dass wir andere Wege gehen konnten.
Nun, wie macht man das? Erstens durch das Vorbild. Wie erweckt man ein Verlangen im Kind, den richtigen Weg zu gehen? Durch das, was man vorlebt.
Meine Frau hat eine Stickerei für mich gemacht, die neben meinem Schreibtisch hängt. Darunter steht der Spruch: "Kleine Augen schauen zu." Kleine Augen schauen zu. Was wir tun, ist ein Vorbild für unsere Kinder – im guten Sinn, leider aber auch im schlechten Sinn.
Sie neigen dazu, unsere Sprache zu kopieren. Wenn die Sprache zu Hause schwäbisch ist, dann schwäbeln sie bald. Wenn die Sprache Fluchwörter sind, fluchen sie bald auch. Wenn die Sprache von Erregung geprägt ist, übernehmen sie das ebenfalls.
Fragt man sie, woher diese Reaktionen kommen, muss man meistens nicht lange suchen. Man muss nur bei sich selbst schauen, denn oft haben sie diese Worte bei uns oft gehört.
Meine Liebe zu Jesus Christus und mein Glaube an Gott werden von meinen Kindern gesehen. Meine Liebe für die ganze Welt, für die Christus gestorben ist, kommt zum Ausdruck durch meine Zeit mit Gott, meine stille Zeit und mein Gebetsleben als Vater.
Wenn Kinder Interesse an geistlichen Dingen haben, werden sie es wahrscheinlich auch von mir als Vater abgucken müssen. Das ist sehr ernüchternd zu wissen: Sie sehen, was ich tue und was ich nicht tue. Sie sind bereit, entweder Heuchelei aufzudecken oder Aufrichtigkeit zu kopieren, weil sie es gerne sehen.
Als Vater bin ich der Pastor und Priester meiner Familie. Ich muss Gottes Wort durch Taten weitergeben und Nächstenliebe zeigen. Ich bin bereit, Menschen in Not aufzunehmen. Wenn unsere Kinder beobachten, dass Menschen in Not bei uns beherbergt werden, lernen sie hoffentlich, dass sie es auch tun sollen, wenn sie selbst in ihrer Familie dran sind.
Mein Vater und meine Mutter haben das auch getan und uns gute Vorbilder gegeben, indem sie die Tür für Menschen in Not geöffnet haben. Wir als Väter sollten täglich bereit sein, Gottes Wort in der Familie zu lesen, mit den Kindern zu beten und auch biblischen Unterricht zu geben.
Jemand sagte einmal: "Was du tust, spricht so laut, dass ich nicht mehr hören kann, was du sagst." Unser Vorbild spricht in der Familie lauter als unsere Worte. Deshalb ist es äußerst wichtig, wenn wir einen Geschmack in unseren Kindern erwecken wollen, dass sie den richtigen Weg gehen, dass wir ihn selbst gehen – mit Aufrichtigkeit.
Das bedeutet nicht, dass wir immer fehlerfrei handeln. Aber es bedeutet, dass wir es aufrichtig tun. Und wenn wir Fehler machen, wie gehen wir dann mit unseren Kindern um? Wir entschuldigen uns bei ihnen.
Ich habe einmal meinen jüngsten Sohn im Beisein seiner Brüder in Wut korrigiert. Ich habe die Kontrolle über meine Gefühle verloren und leider in Wut gerügt. Wir waren im Wagen, und der Jüngste hatte sich über seinen Bruder geärgert, schrie und schrie. Mir ist der Gaul durchgegangen, wie man auf Schwäbisch sagt.
Ich habe mich nicht unter Kontrolle gehalten. Ich startete den Wagen und fuhr los. Nach etwa hundert Metern schlug mein Gewissen wie eine Kirchenglocke. Ich fuhr an den Straßenrand, stellte den Wagen ab, drehte mich weinend zu meinen Söhnen um und sagte: "Es tut mir leid, ich habe als Vater versagt. Ich habe an dir versagt, Lama. Ich bitte um deine Vergebung. Und euch, Brüder, bitte ich als Zuschauer um eure Vergebung, dass ich in meinem Vorbild so versagt habe."
Das war demütigend. Wisst ihr aber was? Mit Kindern ist etwas Schönes: Sie vergeben gern. Wenn wir versagen und bereit sind, das zuzugeben, sind sie unglaublich bereit zu vergeben. "Oh Papa, ich vergebe dir, natürlich vergebe ich dir."
Ich bin so dankbar, dass es so etwas wie Vergebung gibt. Vorbild bedeutet nicht Vollkommenheit, sondern Aufrichtigkeit. Und wenn wir versagen, müssen wir uns vor unseren Kindern beugen, damit sie wissen, dass wir es aufrichtig und ernst meinen mit allem, was wir sagen.
Die Balance zwischen Liebe und Korrektur in der Erziehung
Zweitens kommen wir zur Praxis der Erziehung. Zum einen das Vorbild des ausgelebten Christseins in Aufrichtigkeit, zum anderen die Praxis der Erziehung. Heute Abend betrachten wir zwei große Dinge: die Ausgewogenheit zwischen Annahme, Liebe, Zärtlichkeit und Bestätigung auf der einen Seite und Korrektur, Züchtigung und Zurechtweisung auf der anderen Seite. Diese beiden Dinge müssen vorhanden sein. Sie sind die Grundelemente dessen, was Gott in der Schrift über Kindererziehung gesagt hat.
Zuerst die Annahme, die Bestätigung: „Ich habe dich lieb, so wie du bist.“ Ich mag nicht immer, was du tust, aber ich habe dich lieb als meinen Sohn. Wenn ein Kind klein ist, entwickelt es eine innere Identität. Diese innere Identität nennt man heute meistens das Selbstbild. Jeder von uns in diesem Raum hat ein Selbstbild. Das heißt nicht, dass wir alle ein gutes, positives Selbstbild von uns haben. Manche von uns haben, man nennt es mittlerweile, Minderwertigkeitskomplexe.
Ich bin heute Abend hundertprozentig davon überzeugt, dass ich sofort eine Umfrage machen könnte mit der Frage: „Hast du Minderwertigkeitskomplexe?“ Da würden alle Ja sagen. Ich finde überhaupt keine Ausnahme. Ich habe bisher keinen Menschen kennengelernt, auch keine hochbegabten. Vor Jahren lernte ich einen Professor kennen, einen Doktor, der ein sicheres, bewusstes Auftreten hatte. Ich dachte, der hat bestimmt keine Minderwertigkeitskomplexe. Viele Jahre später durfte ich mit ihm am Mittagstisch sitzen, er, seine Frau und ich. Er sprach über die Minderwertigkeitskomplexe, die er hatte, weil er keinen Doktortitel in dem Bereich hatte, sondern nur in einem anderen.
Ich fühlte mich bestätigt und dachte: „Puh!“ Im Stillen sagte ich zu Gott: „Jetzt ist es für immer bestätigt. Alle Leute, auch die begabtesten, kämpfen mit Minderwertigkeitskomplexen.“ Woher kommen diese Dinge? Aus der Kindheit, aus der Erziehung. Wir sind unsicher. Wenn wir zu scharf korrigiert werden, lassen wir es lieber bleiben, denn wir wollen uns nicht blamieren oder korrigiert werden.
Menschen, die viel korrigiert werden, ohne dass sie umarmt wurden, sind oft sehr unsicher in ihrem Auftreten. Sie wissen nicht, ob sie etwas tun sollen oder nicht. Unsichere Menschen können sich oft nicht entscheiden, weil sie Angst haben, einen Fehler zu machen. Dieses unsichere Auftreten und die Minderwertigkeitskomplexe entstehen, weil die Eltern vergessen haben, wie wichtig es ist, das Kind immer wieder in der Beziehung zu bestätigen – vor allem bei der Züchtigung.
Ich umarme meine Söhne, jetzt auch meine Tochter, jeden Tag, wenn ich zu Hause bin, mehrmals täglich. Meine Söhne sind jetzt siebzehn und fünfzehn Jahre alt. Wenn es möglich ist, kommt der Fünfzehnjährige am Sonntag mit. Der Siebzehnjährige ist inzwischen ausgezogen. Der Fünfzehnjährige ist so groß wie ich, und ich umarme ihn jeden Tag. Er fühlt sich dabei manchmal etwas blamiert, aber das macht mir nichts aus. Es ist wichtig, dass er weiß, dass ich ihn liebe. Ich sage es ihm auch mit Worten: „Ich habe dich lieb.“ Ich tue das nicht nur bei regelmäßigen Anlässen, zum Beispiel jeden Morgen um sechs Uhr: „Komm rein, Umarmung, ich habe dich lieb“, sondern auch zu unregelmäßigen Zeiten.
Ich bin dankbar für die Kinder, die der Herr uns gegeben hat. Ich bin nicht immer dankbar für das, was sie tun – manchmal stellen sie ganz schöne Dinge an. Aber ich bin dankbar, dass Gott uns diese Kinder geschenkt hat. Es ist eine große Freude. Wenn ein Säugling lernt zu lächeln, lächeln alle zurück. Der Augenkontakt ist da, das Kind kichert oder lacht, und alle lachen mit. Wisst ihr, was das Lachen von uns für das Säugling bedeutet? Es ist eine Bestätigung. Lachen gefällt den Leuten. Das Kind lacht dann noch mehr. Wenn es entdeckt, dass Lachen anderen Freude macht, lacht es viel. Das ist seine Belohnung und Bestätigung.
Nun kommt ein kleines Kind in die sogenannten „schrecklichen Zweierjahre“. In dieser Zeit ist der Wille nicht mehr so niedlich, das Kind weiß, dass es niedlich ist, und sagt oft: „Nein, ich will nicht.“ Die meisten Eltern wissen dann nicht, was sie tun sollen, wenn Junior nicht mehr so spurt wie mit 14, 16 oder 17 Monaten, sondern mit etwa zwei Jahren oder kurz davor beziehungsweise danach. Es ist von Kind zu Kind verschieden.
In dieser Zeit, in der das Kind entdeckt, dass es einen eigenen Willen hat, beginnt es manchmal boshaft zu reagieren. Ich las einmal von einer Frau, deren Sohn mit 17 Jahren von der Polizei verhaftet wurde und im Gefängnis landete. Dieser Sohn war ein großes Problem für die Mutter. Sie sprach später mit einem Psychologen und erzählte, dass sie genau wisse, an welchem Tag alles begann. Der Junge war zwei Jahre alt, sie legte ihn ins Bett und ging aus dem Zimmer. Er fing an zu heulen. Sie kam wieder rein, er lachte. Wer hat das nicht miterlebt als Vater oder Mutter? Sie prüfte unten, alles war sauber und trocken, legte ihn wieder hin und ging aus der Tür. Er heulte. Sie drehte sich um, ging wieder rein – er stand da und lachte.
Sie machte dieses Theater zwei, drei, vier Mal mit und war unsicher, was sie tun sollte. Beim letzten Mal spuckte er sie an. Sie war schockiert und trat zurück. In Verzweiflung drehte sie sich um und ging aus der Tür. Er spuckte die Tür an. Von diesem Tag an hatte sie keine Kontrolle mehr über den Jungen.
Man muss klein beginnen, nicht den Willen brechen, sondern den Willen leiten und auf die richtige Bahn lenken. Das Problem beginnt hauptsächlich in dieser Phase, wenn das Kind klein ist. Die Voraussetzung für das Problem ist, dass das Herz eines Kindes eine Neigung hat, „nein“ zu sagen. Diese Neigung entdeckt es meist erst mit etwa achtzehn Monaten bis zwei Jahren.
Die Neigung zur Rebellion ist in jedem menschlichen Herzen angeboren. Jedes Kind hat sie, ausgestattet durch das Werk von Adam und Eva. Jesus Christus war der einzige, der diese Neigung nicht hatte. Er war kein rebellierender Sohn, sondern ein gehorsamer Sohn. Wir wissen aus der Schrift: Das Problem des menschlichen Herzens ist der Stolz.
Ein Säugling, der nachts schreit – mit zwei Monaten, vier Monaten oder sechs Wochen – weiß nicht, dass er das ganze Haus aufweckt. Er weiß nicht, dass er die Nachtruhe stört. Es ist ein Lernprozess für jedes Kind: „Ich bin nicht alleine in der Welt.“ Wenn Eltern es nicht lehren, dass das Kind nicht allein ist, dass das eigene Ego nicht das Einzige im Universum ist, entstehen Probleme.
Die Erziehung in der Annahme bedeutet, dass wir dem Kind sagen: „Ich liebe dich so, dass du mein Kind bist, aber ich muss dich korrigieren.“ „Torheit steckt dem Knaben im Herzen“ heißt es in Sprüche 22,15. Wir setzen voraus, dass alle Kinder gefallene Menschen sind. Manchmal fällt es mir schwer, wenn ich niedliche Säuglinge im Krankenhaus sehe oder nach Hause bringe. Du gefallenes Kind, du gefallener Mensch, so niedlich du bist – du hast einen gefallenen Willen.
Wir lieben das Kind und umarmen es am Anfang. Später, wenn die Phase kommt, sind viele Eltern abgeschreckt. Der Wille des Kleinen ist oft so stark, dass die Eltern beginnen, das einzuhämmern und zum anderen Extrem übergehen: keine Zärtlichkeit mehr, nur noch Korrektur. Die Annahme hört aber nie auf. Sie ist der Grund und Boden unter der Beziehung. Wir müssen die Beziehung immer wieder bestätigen – durch Umarmung, einen Kuss, ein Streicheln, eine Geste, Worte, Freundlichkeit und Zuneigung: „Du bist mein Kind!“
Ich habe oft gefragt – und wer die letzte Ausgabe der KfG-Zeitschrift gelesen hat, kennt den Artikel „Liebe praktiziert“ von Ernst von Mir –, ich habe oft gefragt: „Hat dein Vater dir je gesagt, dass er dich liebt?“ Unzählige Male bekam ich die Antwort: „Nein, mein Vater hat mir diese Worte nie gesagt.“ „Hat dein Vater dich je umarmt?“ Auch hier oft die Antwort: „Nein, mein Vater hat mich nie umarmt, nie berührt.“ Das ist die Annahme, die Zärtlichkeit und die Freundlichkeit, die da sein müssen.
Helga kam eines Abends in die Seelsorge, Selbstmordkandidatin. Als ich sie fragte, antwortete sie: Nein. Das war das erste Mal vor vielleicht acht oder zehn Jahren, dass ich diese Frage immer wieder stellte – oft mit traurigem Ergebnis. Nicht bei allen, aber leider bei sehr, sehr vielen Familien. Ich schätze, weit über fünfzig Prozent der deutschen Familien haben dieses Problem, dass der Vater – ich spreche hauptsächlich von Vätern – den Kindern nie gesagt hat: „Ich habe dich lieb“, sie nie umarmt oder geküsst hat, nie Zärtlichkeit gezeigt hat: „Du bist mein Sohn.“
Das ist das Grundfundament der Kindererziehung: die Liebe. Was ist das größte Gebot der Heiligen Schrift überhaupt? „Du sollst Gott, den Herrn, von ganzem Herzen lieben und deine Kinder wie dich selbst.“ Diese Liebe muss zärtlich sein, auch in der Ehe. Sie hat natürlich eine korrigierende Seite. Korrektur muss sein, aber diese Liebe muss da sein, damit das Kind weiß, wem es gehört.
Viele sind verzweifelt, zahllose junge Menschen sind verzweifelt – verzweifelter, als man denkt. Man spricht kaum darüber. Viele junge Leute sind an den Rand des Selbstmords getrieben, weil sie nicht wissen, wem sie gehören. Die Eltern mögen sie nicht, kritisieren sie nur und machen ihnen ständig Vorwürfe, so dass sie nicht wissen, wer sie sind.
Ich kenne das Selbstmordproblem sehr gut. Ich habe Leute im Wald gefunden, ich musste Leute davon abhalten, sich vor Autos zu werfen. Menschen, die innerlich zerrüttet waren, weil sie von ihren Eltern verstoßen wurden. Eine Adoptierte wurde zunächst angenommen, doch als sie erfuhr, dass sie adoptiert war, brach ihre Welt zusammen. Ihre adoptiven Eltern nahmen sie auch nicht an, sondern kritisierten sie ständig. „Du bist zu viel dies, zu wenig das, im Vergleich mit dem bist du nichts, im Vergleich mit der bist du nichts, du bist nichts.“ Sie wurde drogensüchtig, bevor sie den Herrn fand, innerlich kaputt.
Eltern, die ihre Kinder nicht annehmen und umarmen, handeln grundsätzlich falsch. Ich ermutige zu praktizierter, ausgelebter, zärtlicher Liebe in der Familie.
Übrigens, wenn du ein älteres Kind bist, fünfzig Jahre alt oder so, und deine Eltern haben das mit dir nicht praktiziert, fang du an, deinen Eltern Liebe zu zeigen. Vielleicht nicht diese Woche, aber fang an, ihnen Liebe zu zeigen, die so notwendig ist in Zärtlichkeit in der Familie.
Ich bin dankbar für einen Vater, der mich liebt und umarmt. Ich habe auch meine Dummheiten in meiner Jugend gemacht. Ich war in der zweiten Trotzphase, die man so mit 16, 17 oder 18 durchmacht. Ich arbeitete für meinen Vater im Lebensmittelgeschäft. Er gab mir am Nachmittag ein paar Anweisungen, die mich ärgerten. Die Ladung war voll, es war Feierabend, und ich sollte mit einem Wagen nach Hause fahren. Es war nicht mein Wagen, sondern der meines Vaters. Er kam mit einem anderen Wagen nach Hause.
Ich wollte mich etwas austoben, wie viele Jugendliche, und fuhr ein paar Minuten schnell, um die Kraft des Autos zu spüren. Erster Gang, Vollgas, Kupplung los, Reifen quietschten. Zweiter Gang, wieder Vollgas, wieder quietschende Reifen. Beim dritten Gang ließ ich die Kupplung zu schnell los. Alle Zähne vom Zahnrad wurden abgemäht. Ich fuhr langsam im zweiten Gang nach Hause.
Ich musste ihm sagen, dass das Getriebe kaputt ist. Er fragte warum. Ich war aufgeregt und entschuldigte mich. Es war dumm, ich sagte: „Es tut mir leid, ich habe dich lieb.“ Ich musste zahlen, das war sehr blamierend. Aber ich wusste, dass er mich liebt.
Jedes Kind macht Dummheiten. Kein Kind bleibt davon verschont. Wir haben unseren Kindern gesagt: „Egal, was du tust, wir haben dich lieb.“ Neulich hat einer unserer Söhne etwas getan, das er sein ganzes Leben nicht vergessen wird. Ich wurde angerufen, kam schnell nach Hause und sprach mit ihm. Wir haben zusammen geweint. Es war schwerwiegend, was er getan hatte. Ich sage euch nicht, was es war.
Ich sagte zu ihm: „Du weißt, dass es falsch war.“ Er antwortete: „Ja, ich weiß.“ „Schämst du dich?“ „Ja“, sagte er und weinte bitterlich. Wir mussten dann zu Leuten gehen, um das zu klären. Danach kamen wir zurück und weinten noch einmal zusammen. Ich sagte zu ihm: „Du weißt, wie enttäuscht ich bin, aber ich will dir sagen, dass ich dich liebe.“
Die Annahme ist Pol Nummer eins. Wie viel soll man das tun? Jemand sagte einmal, es wäre sicherlich nicht falsch, mindestens zweimal so viel zu tun, wie man korrigiert. Ich weiß es nicht, ich gebe keine Zahl oder keinen Prozentsatz an. Aber bestimmt sollte man das mindestens so oft tun, wie man korrigieren muss. Persönlich bin ich dafür, dass man es viel mehr tut, damit, wenn einmal ein korrigierendes Wort kommt, das Kind weiß, von wem es kommt – von dem, der mich liebt.
So ist es auch bei unserem Vater im Himmel. Wer von uns hat es je ganz richtig gemacht bei ihm? Was macht uns so große Freude in der Schrift? Immer wieder zu lesen: „Also hat Gott mich lieb.“ Trotzdem machen wir manchmal solche dummen Dinge als Kinder Gottes. Manchmal so dumm. Und trotzdem liebt er uns so, wie wir sind. Er verstößt uns nicht, nur weil wir Fehler machen.
Wir haben das Vorbild unseres Vaters im Himmel, das wir als irdische Väter mit unseren Kindern ausleben sollen. Übrigens: Woher erfahren die meisten Kinder, wie Gott als Vater ist? Ich sprach einmal mit einer Frau über Gott als Vater. Sie bat mich, das Wort „Gott Vater“ nicht zu gebrauchen. Sie sagte: „Ich habe einen schrecklichen Vater, und wenn ich höre, dass Gott Vater ist, denke ich nur an das schreckliche Bild meines Vaters.“ Ihr Gottesbild wurde von ihrem Vater geprägt.
Das ist es, was Gott eigentlich wollte: Wir Väter zeigen mit unserer Liebe und Zärtlichkeit die Seite der Liebe Gottes, des himmlischen Vaters. Wenn Kinder hören, dass Gott ein Gott der Liebe, der Fairness und des Erbarmens ist, dann haben sie das entweder von uns Vätern gelernt – oder eben nicht.
Die Notwendigkeit von Grenzen und Korrektur
Da kommen wir zur zweiten Seite, zu den Schranken, zur Wahrheit – nicht nur zur Gnade, sondern auch zur Korrektur und zur Züchtigung. Das ist sicherlich die problematischere Seite des Abends.
Wenn wir heute Abend ein paar Minuten nehmen dürfen, wollen wir sehen, dass Gott aus der Schrift heraus auch trotz allem, was wir von der Welt hören, will, dass Eltern Mut fassen, um ihre Kinder zu korrigieren. Es ist notwendig. „Torheit steckt dem Knaben im Herzen, die Rute der Zucht aber treibt sie ihm aus“, heißt es in den Sprüchen.
Gott gibt uns ein Vorbild, wie wir die ausgewogene andere Seite leben können – so, wie er es mit uns tut. Wenn Eltern dem Kind die Führung in der Ehe überlassen, handeln diese Eltern grundsätzlich falsch, wenn sie dieses Kind nicht korrigieren.
Wir kennen eine Familie, eine ganz liebe Familie, und der junge Vater war unsicher, was er machen sollte. Als ich ihn darauf ansprach, sagte er: „Ich habe eigentlich Sorge, meine kleinen Kinder zu leiten.“ Wir waren einmal zusammen, eine Gruppe von uns, in ihrer Wohnung. Er fragte die Kleine: „Sollen wir noch ein Lied singen?“ Sie antwortete: „Nein.“ Daraufhin wurden alle Liederbücher von allen Erwachsenen zugemacht, weil die Kleine kein Lied singen wollte. Sie leitete den ganzen Abend.
Ich sprach den Vater an und sagte: „Du machst dein Kind unglücklich, denn sie wurde nicht geschaffen, um als Kind sofort die Leitung zu übernehmen. Sie wird mit Aufgaben konfrontiert, für die sie noch nicht gewachsen ist.“ Er sah das ein. Innerhalb von vierzehn Tagen begann ich, eine Auswirkung an der Kleinen zu sehen. Sie ist ruhig, spricht mit einem, sie ist ein total anderes Kind.
Der Vater erkannte, dass er die Leitung übernehmen und Korrektur bringen muss. Christusähnliche Ausgewogenheit ist nur möglich in der Fülle des Heiligen Geistes. Und wir können nur unsere Kinder in der Fülle des Heiligen Geistes erziehen.
Gottes Züchtigung als Vorbild für elterliche Korrektur
Ich lade ein, gemeinsam Hebräer 12 zu betrachten, um zu erkennen, was Gott als Vater mit uns tut und wie wir als Väter dieses Verhalten gegenüber unseren Kindern nachahmen sollen. In Hebräer 12, Vers 5 heißt es: „Mein Sohn, achte die Züchtigung des Herrn nicht gering und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und er geißelt jeden Sohn, den er aufnimmt. Wenn ihr Züchtigung erduldet, behandelt euch Gott als Söhne. Denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?“
Damals war das vielleicht nur bei wenigen der Fall, heute betrifft es viele. Seid ihr aber ohne Züchtigung, obwohl alle daran teilhaben, so seid ihr unecht und keine Söhne. Hatten wir auch unsere leiblichen Väter als Zuchtmeister und fürchteten sie, sollten wir dann nicht vielmehr dem Vater der Geister untertan sein und leben? Denn jene irdischen Väter züchtigten uns nur für wenige Tage nach ihrem Gutdünken, Gott aber tut es zu unserem Besten, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.
Alle Züchtigung, wenn sie da ist, erscheint uns nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen. Doch nachher bringt sie eine friedvolle Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind.
Ein Kind hat die angeborene Neigung zur Unwahrheit. Wenn es etwa zwei Jahre alt wird und diese Neigung zum Ausdruck bringt, hören wir es. Ich musste meinen Kindern das Lügen nicht beibringen – alle haben es ausprobiert. Das ist keine Unsicherheit, sondern steckt im Herzen des Kindes. Wir lügen die Kinder nicht an und bekommen von ihnen zurückgelogen, weil es angeboren ist, zu rebellieren, zu verstecken und zu vertuschen. Warum? Weil wir sündige Menschen sind.
Das menschliche Herz ohne Korrektur und Züchtigung ist wie ein Feld ohne Pflug und Bebauung – ein Unkrautfeld. Ein sich selbst überlassenes Kind bereitet den Eltern nur Schande und Sorge. Das menschliche Herz ist ungezügelt, unkontrolliert und unbeherrscht, wenn es auf die Welt kommt. Zucht und Disziplin müssen gelernt und beigebracht werden.
Das menschliche Herz ist von Grund auf geneigt, gegen jegliche Autorität zu rebellieren. Jeremia 17, Vers 9 sagt: „Überaus trügerisch ist das Herz und boshaft; wer kann es ergründen?“ Das lehrt, dass der Mensch der Autorität ungehorsam ist, wenn sie ihm nicht beigebracht wird.
Wenn ich einem Kind nicht mit Schmerzen und Korrektur beibringe, was richtig und falsch ist, und es dann auf die Straße geht, kann eine Stossstange viel mehr weh tun als die gemessenen Schläge, die ich als Vater gebe. Es besteht die Gefahr, dass das Kind unheilbar verletzt wird.
Ich musste daher nach Hause gehen und es hat eine längere Zeit gedauert, bis ich die Korrektur beibrachte. Dann habe ich das Kind nochmals hinausgebracht und gesagt: „Da ist die Grenze. Diese Stelle darfst du nicht überschreiten.“ Später am gleichen Tag hat es das Kind nochmals versucht, und es bekam erneut eine Korrektur. Danach hat es aufgehört.
So konnten wir Eltern uns entspannen, wenn das Kind im Hof spielte, denn es ging nicht mehr an dieser gefährlichen Stelle vorbei. Wir wohnen in einer Sackgasse, einer Einbahnstraße, und das ist unproblematisch, wenn die Kinder draußen spielen. Aber wenn das Kind um die Ecke geht, wo Verkehr herrscht, ist das sehr gefährlich. Deshalb haben wir diese Grenze gesetzt.
Endlich konnten wir uns entspannen, weil das Kind gehorchte und untertan war. Wir konnten ihm Freiheit geben, weil wir wussten, dass es die Ordnung achtet.
Es ist meine Verantwortung als Vater, meinem Kind beizubringen, meine elterliche Autorität zu respektieren. Ich bin die erste göttliche Autorität in seinem Leben. Wo beginnt Weisheit? Der Weisheitsanfang ist die Furcht des Herrn – das Lernen, Autorität zu respektieren.
Ich als Vater bin die erste Autorität im Leben meines Kindes. Wir als Eltern sind es, und die Kinder müssen lernen, diese Autorität zu respektieren – zu ihrem Schutz, nicht nur zu unserer Entlastung. Damit es ihnen gut geht.
Ich las einmal von einem Missionar aus Afrika, der aus seiner Haustür trat und seinen Sohn auf einem Baumast spielen sah. Er rief: „Tobias, spring sofort runter!“ Das Kind gehorchte sofort. Kaum war der Junge weg, griff eine große Schlange nach dem Ast. Der Sohn war nicht mehr dort und entkam der Gefahr.
Der Vater sah die Gefahr, die der Sohn nicht erkannte. Hätte der Sohn gefragt: „Warum soll ich das tun, Papa?“ oder „Ich will nicht, Papa“, wäre er nicht mehr da gewesen.
Wir haben oft beobachtet, dass unsere Kinder gegen eine verkehrsreiche Straße vor uns wegrennen. Wenn ich „Stopp“ sage, muss das Kind sofort anhalten, denn es erkennt die Gefahr nicht, in die es läuft. Es muss lernen, auf die Stimme zu hören – nicht damit ich es überall herumkommandiere, sondern um sein Leben zu schützen.
So kommt das Kind in gelenkte Bahnen, und die ganze Kraft und Energie seines Lebens kann richtig eingesetzt werden. Ein Zug auf freiem Feld kann nicht fahren.
Wir sprechen heute von labilen Menschen. Das sind Menschen, die nicht gelernt haben zu gehorchen und keine Spuren finden, auf denen sie ihr Leben ausrichten können. Fragt man sie: „Soll ich in den Gottesdienst gehen? Soll ich aufstehen? Soll ich bügeln? Soll ich putzen?“ antworten sie oft: „Ich weiß es nicht, ich habe keine Lust.“
Ihr Leben wird dann nach Lust und Laune geregelt und nicht nach der Ordnung, die sagt: „Ich habe Verantwortung. Ich muss.“ Es ist ein Chaos, das sich auch in den heutigen Schulen in großem Maße zeigt. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Eltern entweder früh aufgegeben haben, ihren Kindern Respekt vor Autorität beizubringen, oder es für falsch hielten und es nie versucht haben.
Heute kam ich zum Mittagessen nach Hause, und meine Frau sagte, sie habe im Radio etwas Erschreckendes gehört. Ein zwölfjähriger Junge in den Vereinigten Staaten wurde vor wenigen Tagen vom Schulleiter mit der Tracht Prügel korrigiert. Daraufhin wurde die Mutter zum Gespräch vorgeladen. Der dreizehnjährige Junge stach mit einem Bleistift auf den Schulleiter ein – in den Hals, an die Brust und ans Bein – und der Schulleiter ist tot.
Das ist heute oder gestern passiert. Die Eltern haben früh aufgegeben, das Kind in gelenkte Bahnen zu leiten, damit es Autorität respektiert.
Ich sagte zu meiner Frau und meinen Kindern, dass das ganze Leben des Jungen nun davon geprägt sein wird, dass er so gehandelt hat. Aber die Eltern tragen eine hohe Verantwortung, denn sie haben versagt, dem Kind früh beizubringen, dass es Autorität zum eigenen Schutz beachten muss.
Dieses Problem haben wir weltweit. In 2. Timotheus 3,1-2 heißt es: „In den letzten Tagen werden die Menschen selbstsüchtig, geldgierig und den Eltern ungehorsam sein.“
In Japan ist das ein Problem, in Deutschland, in Russland, in China und in der südlichen Hemisphäre ebenso. In Lateinamerika und überall, wo man hinschaut, ist es ein weltweites Phänomen, dass Kinder ihre Eltern nicht mehr beachten.
Praktische Hinweise zur Korrektur und Züchtigung
Nun kommen wir nicht nur zur Notwendigkeit der Korrektur, sondern zu ihrer Praxis.
Erstens: Mit wenigen Regeln konsequent sein. Jemand sagte einmal, Gott arbeitet im Alten Testament mit der ganzen Menschheit, mit Israel, mit wie vielen Hauptregeln? Zehn – den Zehn Geboten. Wenn wir elternweise sind, kopieren wir das Vorbild unseres himmlischen Vaters und arbeiten mit wenigen Eingrenzungen, sind aber konsequent dabei. Nicht 50 Regeln, von denen wir die Hälfte vergessen und dadurch unkonsequent sind, sondern lieber ein oder zwei. Christus hat diese zehn Gebote in zwei zusammengefasst, und lieber mit ein oder zwei konsequent arbeiten, damit das Kind weiß: Das darf ich nicht und das darf ich tun. So kennt es seine Grenzen. Wenige Regeln, aber Konsequenz.
Mit kleinen Kindern halte ich es für besser, vielleicht zwei, drei oder vier Regeln konsequent mit ihnen durchzugehen. Alle Glasdinge hochstellen und alles wegräumen, was man zumachen oder wegtun kann, damit man nicht ständig „Nein“ sagen muss. Nicht ständig „Nein, fass das nicht an“ oder „Nein, geh nicht dahin“, sondern mindestens 80 oder 90 Prozent der Umwelt des Kindes mit einem „Ja“ bestätigen. So gibt es nur wenige Dinge, bei denen man „Nein“ sagen muss in der eigenen Wohnung, und das Kind wird bestätigt, anstatt ständig verneint zu werden. Wenige Regeln, aber stets konsequent beachten.
Wisst ihr, was das für uns Eltern bedeutet? Wir müssen konsequent sein – und da hapert es sehr oft. Wir müssen immer daran denken: Wenn ich es am Montag gesagt habe, dass etwas falsch ist, dann darf ich am Dienstag nicht darüber hinwegsehen.
Der kleine Junge kommt montags in die Küche, da schreit die Mutter „Tschu!“, er bekommt Ärger. Am Dienstag hat sie es eben nicht bemerkt, und er läuft mit dreckigen Schuhen genauso wie am Montag hinein, und sie sagt nichts. Am Mittwoch hat sie es wieder bemerkt, er kommt rein und bekommt wieder Ärger – und er weiß nicht, woran er ist.
Zweitens: Vorher klar machen, welche Folgen es für Ungehorsam gibt. Ich habe oft bei meinen Kindern, wenn ich züchtigen wollte, mich zurückgestellt und gesagt: Weil es ihnen nicht klar war, mache ich es vorher nicht. Aber das ist die letzte Warnung. Jetzt weißt du es, das nächste Mal kommt eine Folge. Sie müssen vorher wissen, was kommt.
Gott hat es getan. Gott als Vater arbeitet so mit seinem Volk. Vorher sagt er: Wenn du das tust, kommen diese Segnungen; wenn du das nicht tust, kommen diese negativen Folgen. Die negativen Folgen wurden vorher bekannt gemacht, und daher kann das Kind nicht sagen: „Papa, das ist unfair.“ Oh nein! Komm mal, wir haben das vorher ausgemacht: Wenn du das tust, kommt die Folge. Und die Folge muss konsequent kommen. Ungehorsam bringt eine Korrektur oder Züchtigung.
Drittens: Züchtigung, wenn die Kinder dem Wort der Eltern nicht gehorchen.
5. Mose 28,1: „Es wird aber geschehen, wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, wirklich gehorchst, dann wird der Herr, dein Gott, dich segnen.“
Habt ihr das schon mal bemerkt bei Eltern? Sie haben eine Stimme, bei der man merkt, jetzt meint er es wirklich. „Fritz, komm!“ Fritz kommt nicht. „Fritz, komm!“ Fritz kommt nicht. „Fritz, komm!“ Fritz guckt: „Willst du was, Papa?“ Und dann schreit er noch lauter. Langsam steht Fritz auf und kommt langsam. Nachdem die Lautstärke sich gesteigert hat und der Ärger im Tonfall spürbar wurde, weiß Fritz: Aha, jetzt meint er es wirklich, jetzt kommen die Folgen.
Kinder sollen lernen, beim ersten Ruf zu kommen, nicht erst beim fünften. Der Tonfall „Ich meine es wirklich“ sollte so sein, dass der Vater sagen kann: „Komm mal her!“ – und der Sohn kommt, auch in einem ganz vollen Raum. Nicht weil das Kind wie in einem Zuchthaus lebt, sondern weil es gelernt hat, Anweisungen zu folgen.
Das betont noch einmal den Schutz des Kindes. Das heißt, wir Eltern müssen lernen, am Anfang der Erziehung konsequent zu sein mit der Durchsetzung von wenigen Regeln. Mein Vater hat besonders bei Frechheit mit uns Kindern gearbeitet. Er hat keinen frechen Ton bei uns geduldet. Ich habe das im Nachhinein als sehr, sehr weise empfunden.
Einmal, als ich in einer Phase war, von der ich vorhin sprach, wo das Getriebe kaputtging, gab mein Vater eine Anweisung, im Geschäft den Milchkühler nachzufüllen. Es war nachmittags, ziemlich viel Betrieb im Lebensmittelgeschäft, und die Milch war ausgegangen. Ich musste nachfüllen. Bevor ich das machen konnte und mich kaum umdrehen konnte, gab er noch eine weitere Anweisung, vielleicht Cola oder etwas anderes nachzufüllen. Ich sagte in einem barschen Ton: „Lass mich bitte erst das Erste machen, bevor das Zweite kommt!“
Mein Vater war ein Metzger, der problemlos zwei Zentner Rindfleisch auf die Schulter nehmen konnte und ins Geschäft tragen konnte. Er packte mich am Arm, wir standen an der Theke, vielleicht zehn Leute waren da, es war Hauptgeschäftszeit, gerade nach Arbeitsschluss, die Leute kamen vom Feld. Mein Vater nahm mich zur Seite, umringt von Personen, und sprach ganz leise in mein Ohr: „Das hört auf, oder wir gehen raus.“
Ich wusste: Gute Nacht! Ich wusste, dass ich es verdient hatte, denn es war eine rebellische Aussage, ein rebellischer Ton. Ich wollte meinen Willen durchsetzen. Ich danke dem Herrn und habe meinem Vater mehrfach gedankt, dass er an der Stelle konsequent blieb und es nicht durchgehen ließ.
Ach, das ist halt so ein frecher Ton von einem Jungen, der sechzehn oder siebzehn ist – nein! Er hat mich auf der Stelle gestellt. Mir käme es heute nicht in den Sinn, mit einem frechen Mund meinen Vater anzusprechen.
Ich lese in Sprüche 30,17: „Ein Auge, das den Vater verspottet und verachtet, der Mutter zu gehorchen, das müssen die Raben am Bach aushacken, und die jungen Adler fressen.“
Züchtigung ist Schutz für die Kinder. Es hätte mir nicht geholfen im Leben, wenn mein Vater das geduldet hätte. Es hilft auch keinem Kind, wenn Eltern freches Reden durchgehen lassen und wenn die Kinder nicht gehorchen.
Viertens: Sei bereit, die Rute der Zucht zu benutzen.
Warum die Rute? Vier Gründe:
Erstens: Die Bibel spricht immer von einer Rute. Natürlich benutzt man sie hauptsächlich bei kleineren Kindern. Wenn die Kinder größer werden, gibt es auch andere schmerzvolle Methoden, die man zur Züchtigung verwenden kann, wenn es notwendig ist. Aber ich sagte vorhin: Sprüche 22,15: „Torheit steckt dem Knaben im Herzen, aber die Rute der Zucht wird sie ihm austreiben.“
Warum eine Rute? Sprüche 23,13-14: „Er spare dem Kind die Züchtigung nicht! Wenn du ihn mit der Rute schlägst, stirbt er nicht. Indem du ihn mit der Rute schlägst, rettest du seine Seele vom Tode.“
Aber es gibt eine Grenze: Niemals misshandeln! Niemals! Ich betone: Es gibt eine hintere Stelle, und an der Stelle darf man nicht erwärmen, nicht an die Nieren, keine Ohrfeige, bei der die Trommelfelle kaputtgehen können, nicht an den Kopf, nicht wahllos schlagen. Sondern hinten drauf, so dass das Kind merkt: Mit Schmerzen habe ich falsch gehandelt.
Sprüche 19,18: „Züchtige deinen Sohn, solange noch Hoffnung vorhanden ist, aber lass dir nicht in den Sinn kommen, ihn zu töten – nicht in Wut, nicht in Rage.“
Wir waren einmal in einem Elternseminar, das Thema war die Korrektur der Kinder, Kinderzucht. Es war ein Seminar, bei dem alle Eltern sprechen durften. An dem Abend bat die Leiterin aus Reutlingen, eine Pädagogin, uns Eltern, auszusprechen, wie wir unsere Kinder züchtigen.
Sie fing bei den anderen Eltern an, und wie es sich gehört, sprach sie zuerst meine Frau an: „Wie züchtigen Sie Ihre Kinder?“ Meine Frau sagte: „Wir benutzen eine Rute.“
Ihr hättet fast ein Blitzlicht hören können, so knisterte es plötzlich im Gespräch. Meine Frau erklärte, dass wir es manchmal für notwendig halten, die Rute zu benutzen und sie auch verwenden. Ich dachte, wir hätten eine Atombombe gelegt oder so. Ich dachte, wir hätten ganz falsch gehandelt.
Dann kam ich dran und habe nur unterstrichen, was meine Frau gesagt hatte. Wir hatten das schon vor unserer Hochzeit ausgemacht und mehrfach bestätigt: Kinder müssen korrigiert werden. Mein Vater hat es bei mir gemacht, und ich bin dankbar für jeden Schlag. Ich denke, es waren zu wenige. Ich denke zurück, ich hätte ruhig noch einige bekommen können, das hätte keinen Schaden getan.
Ich sagte das, und an dem Abend war was los. Die Pädagogin zog über uns her, und alle anderen zogen über uns her. Im Laufe des Gesprächs gab es etwas Interessantes: Alle anderen Teilnehmer, einschließlich der Pädagogin, gaben zu, dass sie manchmal im Affekt schlagen, wenn es überkocht.
Wir machen es aber nicht im Zorn. Die Rute ist im Schrank, das müssen wir erst holen. Ich mache es nicht auf der Stelle, ich muss mich abkühlen, zum Schrank gehen und sie holen. Die Pädagogin sagte: „Das klingt kaltblütig. Ihr solltet es mit Zorn machen, lieber im Affekt.“
Ihr hättet in der Seelsorge hören sollen, wie viele Kinder gesagt haben: „Mein Vater hat mich in Wut geschlagen, und es hat Wut in mir erzeugt.“
Wenn wir unsere Kinder mit der Rute züchtigen, dann in Liebe und mit ihnen weinen über das, was sie falsch gemacht haben. Sie fallen uns dann in die Arme. Es ist keine Kluft zwischen uns, sondern Liebe da.
Nein, niemals im Affekt, nicht im Zorn, nicht mit Hass, sondern immer unter Kontrolle. Viele Väter haben ihre Söhne und Töchter von sich getrieben.
Ich habe auch gemerkt, als unser ältester Sohn klein war, dass ich es manchmal zu viel gemacht habe. Ich wurde manchmal wütend, und ich merkte, dass sich etwas zwischen uns aufbaute. Ich habe mich vor Gott und meinem Sohn gebeugt, um Entschuldigung und Verzeihung gebeten, und ich habe mich mit Gottes Hilfe korrigiert. Ich wollte es richtig machen, ich wollte es gut machen. Ich lernte aus meinen Fehlern.
Wir müssen lernen, nicht im Affekt zu handeln, niemals in Wut und Zorn. Aber hier ein sehr vorsichtiger Satz, sehr vorsichtig: Es ist manchmal besser im Zorn zu handeln als niemals.
Ich bejahe niemals Züchtigung im Zorn, aber besser eine Grenze setzen als keine Grenze setzen. Das heißt nicht, dass man es im Zorn tun soll.
Noch ein Grund, warum die Rute: Meine Hände sind viel zu schnell da. Oft reagiert man schnell, und dann kommt der Schlag oder Klaps, und es ist nicht fair. Ich habe das Kind nicht angehört, nicht ausreden lassen, nicht alle Details gehört. Oft, wenn ich das gemerkt habe, habe ich die Rute wieder zurückgesteckt und gesagt: „Es tut mir leid, dass das geschehen ist, aber ich kann jetzt nicht züchtigen. Ich will, dass das nicht mehr vorkommt.“
Ich sagte vorhin: Unsere Rute ist im Schrank, und ich bete, entweder gehe ich selbst hin und hole sie oder schicke ein Kind. Ich sage: „Hol mir bitte die Rute.“ In der Zeit bete ich: „Herr, gib mir Ruhe, dass ich zuerst spreche, um festzustellen, ob er weiß, was er falsch gemacht hat und welche Folgen das hatte.“ Dann kommt die Züchtigung.
Noch ein Grund für die Rute: Kinder wissen, solange die Rute nicht herumliegt, steht nichts an. Nachdem wir fertig waren, haben alle unsere Kinder das ausnahmslos gesagt. Nachdem die Züchtigung vorbei war, haben wir uns umarmt, miteinander gebetet und uns gefreut.
Dann schaut das Ding auf dem Tisch, und jemand sagt: „Papa, tu das Ding weg!“ Und wir tun es weg. Die Kinder wissen: Solange das nicht gefordert wird, ist nichts anstehend, keine große Gefahr, nichts Unerwartetes kann plötzlich kommen. Die Züchtigung wird fair überlegt kommen. Gott hat große Weisheit gezeigt, als er das gesagt hat.
Viertens: Ich glaube, unsere Hände sollen zum Segnen, Umarmen, Streicheln, Binden und für Zärtlichkeit da sein – in der Regel – und nicht für Schläge. Sie sollen mit Liebe verbunden sein, nicht mit Züchtigung.
Nach der Züchtigung beten wir mit den Kindern, sprechen mit ihnen, umarmen sie, küssen sie und sagen ihnen, dass wir sie lieben. Kein anschließendes Schweigen, keine Schweigekur für Stunden oder Tage, sondern ab jetzt ist alles vorbei. Wir reden wieder miteinander, alles ist in Ordnung.
Ich spreche noch einmal die Ausgewogenheit an:
Epheser 6,4: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn.“
Kolosser 3,21: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht unwillig werden.“
Das Wort „unwillig“ bedeutet, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, damit sie nicht mutlos werden und den Mut verlieren, weiterzumachen.
Kinder ärgern sich über unfaire Regeln, sei es durch Worte oder durch unfaire Korrektur, sei es mit der Zunge oder mit der Rute. Kinder haben ein unglaubliches Gespür für Gerechtigkeit.
Ich habe mal eine Kindergruppe in der Gemeinde geleitet, 30 Kinder. Wenn man einem Kind etwas verspricht, und es meldet sich einer und sagt: „Das ist unfair, der bekommt mehr als wir.“ Sie haben Recht, sie haben ein scharfes Gerechtigkeitsempfinden. Wenn es unfair ist, spüren sie es sehr.
Kinder ärgern sich zweitens über schwankende Regeln, wie ich es vorhin sagte: Montag ist es okay, Dienstag und Mittwoch vielleicht nicht, und Donnerstag wieder in Ordnung. Schwankende Regeln, ein sich bewegender Zaun, schaffen Unsicherheit. Wo bin ich jetzt dran? Ist es richtig oder falsch? Ich weiß es nicht.
Drittens: Zu schwere Regeln. Ein Familienleben ohne Gelächter ist eher ein Gefängnis als etwas anderes.
Ich komme zurück zu diesem Elternseminar. In der folgenden Woche, nachdem meine Frau und ich länger darüber gebetet hatten, sind wir noch einmal gegangen. Im Gespräch nach der Einführung der Pädagogin und der anderen Eltern sagte ich: Uns ist etwas aufgefallen in der Woche, dass sie vielleicht denken, wir führen bei uns ein Zuchthaus. Und ich wäre ein Polizist, der nur herumschaut, um zu korrigieren.
Ich sagte: In der Tat weiß ich nicht, wann ich das letzte Mal die Rute benutzen musste. War es sechs Monate? Acht Monate? Ich wusste es nicht mehr. Es war so lange her, und ich musste zurückdenken, wann das war – irgendwann mal ganz lange her.
Ich bin froh, dass es in der Woche kam, denn in der Woche darauf musste ich sie zweimal benutzen. Aber so ist es: Einige Monate geht es ganz gut, und dann bäumt sich etwas auf, das korrigiert werden muss. Und dann ist für lange Zeit Ruhe.
Es geht nicht darum, zu schwere Regeln aufzustellen. Es ist nicht der Sinn, dass man nicht lacht. Wir erlauben eine gewisse Toleranz, und nicht alles darf falsch sein. Aber was falsch ist, muss konsequent durchgesetzt werden.
Ich betone hier mit Nachdruck: Die ganze Erziehung muss gebadet sein im Gebet.
Wir waren kurz vor der Abreise in die Staaten, in wenigen Tagen sollten wir die Großeltern sehen. Wir hatten gerade das Problem, dass ein Kind unter unseren Söhnen damals gelogen hatte. Das ging über Wochen, und wir wussten, dass er gelogen hatte, aber wir konnten ihn nicht richtig dabei ertappen, und er gab nicht zu, dass er gelogen hatte. Wir wussten, wenn das Problem mit ihm ins Flugzeug über den großen Teich geht und wir bei den Großeltern sind, dass es Probleme geben würde.
Meine Frau, ich habe geweint, gebetet und wieder geweint. Wir haben ganz verzweifelt die Hilfe des Herrn gesucht, um das Richtige zu finden, um unserem Sohn zu helfen, aus dieser Klemme herauszukommen.
An einem Tag hat er es zugegeben. Ich habe geweint, er hat geweint, und dann sagte ich: „Das wird jetzt schön sein bei Oma und Opa, gell?“ Er wusste, es kommt nichts mehr, es war vorbei. Jetzt weiß ich, wenn er mich anspricht, wenn er mir etwas sagt, dass er die Wahrheit sagt. Ich weiß, dass ich mich auf seine Worte verlassen kann.
Aber man muss durch in der Erziehung. Man muss konsequent durchhalten. Es ist nie leicht, nie leicht.
Kleine Kinder probieren das immer wieder aus und schieben es bis an alle Grenzen. Mein jüngster Sohn, wenn er hier wäre, würde er mich bitten, diese Geschichte zu erzählen. Er bittet immer wieder darum, obwohl er der Leidtragende war.
Er war ganz klein, vielleicht zweieinhalb Jahre alt. Er lernte in beiden Sprachen zu sprechen, aber eher später. Er sprach nicht vor dem zweiten Geburtstag, sondern eher zum dritten. Einzelne Worte konnte er, und er konnte das Wort „Dankeschön“ sagen. Er benutzte es gerne, in beiden Sprachen. Das war niedlich, und wir waren dankbar, dass er gelernt hatte, „Dankeschön“ zu sagen.
Ein Spielzeug fiel vom Bett in unserem Schlafzimmer auf den Boden. Sein Bruder hob es auf, und er sagte stets „Dankeschön“. Doch an diesem Tag sagte er nichts.
Ich sagte: „Lama, sag Dankeschön!“ Er schwieg. Ich dachte, jetzt ist es eine Willensprobe. Ich sagte noch einmal: „Lama, sag Dankeschön!“ Er schwieg. Ich sagte: „Lama, sag Dankeschön!“ Er schwieg und machte den Mund ganz fest zu.
An dem Tag habe ich ihn auf den Hintern versohlt. Etwas, das ich normalerweise nicht tue, und ich tat es im Beisein seiner Geschwister, was ich sonst nie mache. Ich setzte ihn wieder auf und sagte: „Lama, sag Dankeschön!“ Er sagte nichts.
Dann kam ein zweites Mal, ein drittes, ein viertes und ein fünftes Mal. Die Brüder weinten, stellten sich vor ihren kleinen Bruder und sagten weinend: „Lama, sag Dankeschön!“
Meine Frau weinte, ich weinte. Nach dem fünften Mal sagte Lama: „Danke.“ Dann schaute er mich an und sagte: „Lama, sag Danke.“ Und wir weinten alle, fast alle Kinder.
Kinder drücken sich so weit aus, wie sie können, mindestens einmal.
Ich war mit einem amerikanischen Ehepaar in Berlin. Ihre Tochter war sechs Jahre alt und probierte es mit dem Frühstücksmüsli. Sie wollte es an einem Tag nicht essen. Sie saß bis halb zwölf vormittags da, bis sie ihr Müsli aufgegessen hatte.
Der Vater erzählte mir, ich war damals 19 und hörte zu, von einem anderen Missionar, der die ganze Nacht wach war, um mit seinem Sohn den Willen zu lenken.
Aus Liebe zum Kind, nicht aus Liebe zu uns als Eltern, sondern aus Liebe zum Kind machen wir das, weil wir wollen, dass das Bild Christi in ihnen Gestalt gewinnt.
Ich weiß, dass dieser Abend viele Fragen aufwirft und viel Gesprächsstoff für kommende Tage liefert.
Einst betont die Annahme die Liebe, Zärtlichkeit und Freundlichkeit zum Kind. Und wenn die Korrektur kommen muss, dann konsequent, kurz, abgeschlossen und weitergehend.
Das, was der Herr tut, ist etwas ganz Schönes – so schön, dass ich es nicht beschreiben kann, wie schön es ist, wenn man sehen darf, wie die Kinder aufwachsen, den Herrn Jesus Christus persönlich kennenlernen, Zeugnis ablegen, ihren Glauben durch die Taufe bekennen und fähig sind, auch alleine durchs Leben zu gehen.
Wir beten zusammen:
Vater im Himmel, ich bitte dich im Namen Jesu um Hilfe. Du weißt, dass es ein sehr großes Gebiet ist für uns alle, und viel mehr hätte heute Abend gesagt werden können. Ich bitte um Gnade, dass das, was gesagt wurde, richtig gehört und verstanden wird.
Dass die Geschwister und Freunde heute Abend hier wissen, wie sehr wir unsere Kinder lieben und dass wir sie korrigieren müssen, dass das aus einem weinenden Herzen geschieht und dass wir keine Freude daran haben, Schmerzen zu verursachen, aber dass wir sehen, es ist notwendig.
Herr, du allein bist fähig, durch deinen Geist und deine Gnade aus unseren Kindern etwas werden zu lassen zu deiner Herrlichkeit. Wir bitten dich um eine Erweckung in unseren Familien.
Ich bitte dich für die Familien, die hier in dieser Gemeinde vertreten sind, und auch für alle, die eventuell die Kassetten bekommen. Segne jeden Vater und jede Mutter in der großen Aufgabe der Kindererziehung. Hilf, dass sie es ernst nehmen und es in deiner Kraft, in Demut und Untertänigkeit unter dir ausführen.
Danke für deine Hilfe dabei, in Jesu Namen, Amen.