Einstieg in den zweiten Kapitelabschnitt
Wir nehmen einen großen Schluck aus der Pulle mit Kapitel zwei. Ob das gut geht, weiß ich nicht. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gemacht.
Ich beichte euch, dass ich etwas unsicher geworden bin, auch heute Morgen noch. Ich frage mich, ob das eine gute Entscheidung war. Denn es gibt so viel, was man erklären müsste und zugleich liegenlassen muss.
Der Vers elf in Kapitel zwei – da steigen wir gerade ein. Wir lesen das Ganze:
"Ihr Lieben, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger."
Das Wort „ermahnen“ klingt im Deutschen oft wie ein erhobener Zeigefinger. Im Griechischen heißt es „parakaleen“ und bedeutet sowohl „zureden“ als auch „ermutigen“ und „ermahnen“. Bei der Übersetzung müssen sich die Menschen im Deutschen immer entscheiden: Welche Bedeutung nehmen wir?
Im griechischen Urtext ist es beides: Ermutigung und Ermahnung. Bei einer Ermahnung heißt es: „Passt mal auf, da kann man wegkippen, da kann es schiefgehen.“ Bei der Ermutigung heißt es: „Wir haben allen Grund, fröhlich nach vorne zu schauen.“
Also: „Ihr Lieben, ihr Geliebten, ich ermutige und ermahne euch als Fremdlinge.“ Noch einmal vom ersten Satz: Hier kommt es wieder deutlich zum Ausdruck. Es ist dem Apostel Petrus wichtig, dass die Gemeindeglieder wissen: Wir sind Ausländer hier, wir haben hier keine Staatsbürgerschaft, wir sind Fremde, weil wir zu Jesus und seinem Reich gehören.
Aber nur „Fremde“ beschreibt die ganze Wirklichkeit nicht vollständig. Deshalb sagt er: „Ihr seid Fremde und Pilger.“ Pilger sind diejenigen, die nicht zu Hause sind, wo sie gerade ihr Quartier aufgeschlagen haben, weil sie unterwegs sind zum Ziel, zur Stadt Gottes. Das ist unsere Heimat, das neue Jerusalem – dorthin wollen wir.
Also: Ihr seid Fremde und ihr seid Pilger. Ihr seid geliebt. Das ist durch ein wunderbares Gottesgeschehen von Neuem geboren.
Deshalb möchte ich euch ermutigen und ermahnen. Jetzt lesen wir und nehmen das in einem Schluck auf. Ich kann das nur tun, indem ich euch bitte: Lest das immer wieder und nehmt es in einzelnen Teilen auf.
Aufforderung zur Abkehr von Sünde und Hinwendung zum geistlichen Wachstum
Vers 1
So legt nun alle Bosheit, allen Betrug, Heuchelei, Neid und alle üble Nachrede ab. Seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch, wie neugeborene Kindlein. Dadurch sollt ihr zum Heil wachsen, denn ihr habt schon geschmeckt, dass der Herr freundlich ist.
Zu ihm kommt ihr als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zu einem geistlichen Haus und zu einer heiligen Priesterschaft. So bringt ihr geistliche Opfer dar, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.
Darum steht in der Schrift: „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein. Wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schaden kommen.“ Für euch aber, die ihr glaubt, ist er kostbar. Für die, die nicht glauben, ist er der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der zum Eckstein geworden ist. Er ist ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses.
Sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum. Ihr sollt die Wohltaten dessen verkündigen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht.
Ihr wart einst nicht ein Volk, nun aber seid ihr Gottes Volk. Ihr wart einst nicht in Gnaden, nun aber seid ihr in Gnaden.
Die Bedeutung des Alten Testaments für die Verkündigung Christi
Wir erleben hier eine typische urchristliche Predigt, die ausschließlich aus Worten des Alten Testaments besteht. Das fällt dem normalen Bibelleser bei uns oft gar nicht auf.
In meiner Lutherbibel steht nach jedem Satz in Klammern die entsprechende Stelle. Es handelt sich dabei um zwei Jesaja-Stellen und Psalm 118, die immer wieder unterschiedlich zitiert werden. Im Originaltext finden sich keine Stellenangaben dazu.
Es ist völlig selbstverständlich: Die Predigt Christi ist eine Predigt des Alten Testaments. Dazu kommen wir gleich noch einmal. Wer das Alte Testament nicht kennt, kennt Christus nicht. Wer das Alte Testament nicht predigt, predigt Christus nicht.
Deshalb ist es sehr wichtig, am Beispiel der apostolischen Predigt zu sehen, dass sie eine Predigt des Alten Testaments ist. Ohne das Alte Testament haben wir Christus nicht. Wer das Alte Testament wegwirft, hat Jesus verloren.
Vers 11 haben wir, wie ich am Anfang zitiert habe:
"Ihr Lieben, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger, enthaltet euch von fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten, und führt ein rechtschaffenes Leben unter den Völkern, damit die, die euch als Übeltäter verleumden, eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tag der Heimsuchung."
Hier kommen wir zum Gericht.
Unterordnung und gutes Leben im Staat als Teil der Heiligung
Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn Willen: dem König als dem Obersten oder den Statthaltern, die von ihm gesandt sind zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun.
Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr durch das Tun des Guten den unwissenden und törichten Menschen das Maul stopft. Ihr seid als Freie nicht dazu berufen, eure Freiheit als Deckmantel der Bosheit zu benutzen, sondern als Knechte Gottes – hier steht sogar das Wort „Sklave Gottes“.
Ehrt jedermann, habt die Brüder und Schwestern lieb, fürchtet Gott und ehrt den König!
Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Furcht den Herren unter, nicht nur den gütigen und freundlichen, sondern auch den unfreundlichen – also den „fiesen“ oder „wunderlichen“, wie ich es bei Luther gelesen habe. So heißt das griechische Wort.
Denn das ist Gnade: Wenn jemand um des Gewissens willen vor Gott Übel erträgt und Unrecht leidet. Was ist das für ein Ruhm, wenn ihr für Missetaten Schläge erduldet? Aber wenn ihr leidet und duldet, während ihr das Gute tut, ist das Gnade bei Gott.
Denn dazu seid ihr berufen.
Christus als Vorbild im Leiden und in der Nachfolge
Da auch Christus für euch gelitten hat und euch ein Vorbild hinterlassen hat, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt. Er hat keine Sünde begangen, und in seinem Mund wurde kein Betrug gefunden.
Als er geschmäht wurde, erwiderte er die Schmähung nicht. Auch drohte er nicht, als er litt, sondern überließ alles dem, der gerecht richtet. Er hat unsere Sünden selbst an seinem Leib auf das Holz getragen, damit wir der Sünde abgestorben sind und der Gerechtigkeit leben.
Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe, doch nun seid ihr zurückgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Dieser Abschnitt wurde bereits zitiert. Der letzte Teil ist ein reines Zitat aus dem Alten Testament, aus Kapitel 53 des Propheten Jesaja.
An diesem Kapitel, wie am gesamten ersten Petrusbrief, wird man erkennen, dass Petrus unaufhörlich zitiert, um Jesus darzustellen und den Weg seiner Nachfolge zu beschreiben. Er verwendet das Alte Testament, da das Neue Testament zu seiner Zeit noch nicht existierte. Er schrieb es gerade erst.
Das ist für uns von großer Bedeutung.
Die Bedeutung des Alten Testaments heute und die Herausforderung der Heiligung
Ich habe gerade einen wunderbaren Vortrag von Stefan Felber ins Internet gestellt, auch bei uns. Er hat diesen Vortrag in der Schweiz gehalten. Das Thema lautete: „Ich habe doch das Neue, wozu brauche ich das Alte?“
Er hat einen phantastischen Vortrag gehalten und zeigt minutiös auf, aus wie vielen Gründen heute in der Christenheit oder in den Kirchen das Alte Testament verachtet und beiseitegelegt wird. Viele Christen meinen im Ernst, sie könnten Christus nachfolgen, ohne das Alte Testament zu beachten – und das bis in die frommsten Kreise hinein.
Man kann sich ja selbst fragen: Wie viel vom Alten Testament habt ihr gelesen? Spielt es überhaupt noch eine Rolle?
Das war der Einstieg. Jetzt schauen wir uns das genauer an und fangen vorne an. Ich glaube, da muss ich ein wenig draufdrücken, denn so viel darf man immer noch selbst tun. Wir gehen jetzt einfach ganz schlicht Stück für Stück durch den Text, Absatz für Absatz.
Heiligung als Beziehungsbegriff und Geschenk der Gnade
Heiligung bedeutet: Gott hat uns berufen. Er ist heilig, und wir gehören zu ihm. Heiligung ist kein Prozess, damit wir ihm gehören können, sondern weil wir bereits heilig sind. Heiligkeit ist ein Beziehungsbegriff. Man kann nur entweder heilig oder gottlos sein – eins von beidem gilt für jeden.
Heilig zu sein heißt, ich gehöre ganz und gar zu Gott. Gottlos zu sein bedeutet, von ihm getrennt zu sein. Im Tempel gab es heilige Bratpfannen und heilige Töpfe. Diese waren exklusiv für den Gottesdienst bestimmt. Man konnte sie nicht mit nach Hause nehmen, um darin Spiegeleier zu braten. Das ist heilig – ein Beziehungsbegriff.
Gott ist heilig. Er ist einzigartig, ohne jede Sünde. Er macht uns zu seinem Eigentum. Das geschieht geschenkt, allein durch Begnadigung, also allein durch die Gnade. Kapitel eins setzt genau darauf: nur allein die Gnade.
Es gibt keine andere Möglichkeit, heilig zu werden, als durch Begnadigung – selbst für Verbrecher, Sünder und Versager. Weil wir heilig sind, also Kinder Gottes, hat Gott nur einen Wunsch: uns gut zu erziehen. So ist das bei Kindern: Sie werden geboren, sie sind geschenkt, sie sind Kinder.
Ich bin immer irritiert, wenn ich Leute frage: Sind Sie Christ? Dann antworten sie: Ja, ich versuche es zu sein. Ich frage dann: Wie bitte? Stellen Sie sich vor, meine Kinder würden gefragt, ob sie Kinder von Barzani sind. Und sie antworteten: Ja, ich versuche es zu sein. Das ist doch krank.
Natürlich gibt es Erziehung, und natürlich gibt es Störungen in Beziehungen und Entfremdungen. Nicht immer läuft alles toll. Aber die Grundlage ist: Sie sollen sich nicht erst erziehen oder bemühen, Kinder zu werden, sondern sie sind es bereits. Das ist die Grundlage.
Und genau darin liegt die Schwierigkeit. Wir Christen denken oft, wir müssten uns anstrengen. Ja, man muss sich bemühen, die Gebote Gottes zu halten, damit man zu Gott gehört. Aber so kann man nie wirklich zu ihm gehören. Das ist der Weg der Selbstgerechtigkeit, der Gesetzesgerechtigkeit.
Man kann nur zu Gott gehören, weil Gott selbst kommt und das Gericht trägt. Jesus wird zur Sünde gemacht, obwohl er nie eine Sünde getan hat. Er stirbt am Kreuz. Die grausame Konsequenz des Gerichts Gottes wird auf ihn übertragen. Dadurch schenkt er uns Begnadigung.
Ich bin begnadigt, als ob ich nie eine Sünde getan hätte und immer gehorsam gewesen wäre. Den ganzen Gehorsam hat allein Jesus vollbracht – so sagt der Heidelberger Katechismus. Ein wunderbares Wort: heilig und gut. Jetzt gibt es das ganze Leben.
Die Herausforderung der moralischen Lebensführung in der Gemeinde
Neugeborene Kinder werden von ihren Eltern geliebt. Der Vater möchte, dass ihr Leben gelingt. Deshalb gibt es Erziehung, speziell Kindererziehung. Eltern hoffen, dass dieses Baby, das am Anfang so hilflos ist – außer Schreien und Windeln füllen – später mit Messer und Gabel essen kann, singen lernt, einen Beruf erwirbt und das Leben bewältigt. Das ist der Wunsch, dass das Leben wirklich gelingt. Das nennt man Heiligung.
Jetzt wird es ganz konkret. Paulus spricht in diesem Kapitel über ganz unterschiedliche Dinge. Es geht dabei immer um lebenspraktische Themen. Das Kapitel wirkt auf den ersten Blick wie eine Zusammenstellung verschiedener Punkte, doch sie gehören alle organisch zusammen – es geht um das praktische Leben in den Beziehungen.
Er wird sehr konkret und nennt moralische Verfehlungen: Bosheit, Betrug, Heuchelei, Neid und üble Nachrede. Paulus erwähnt diese Dinge, weil er davon ausgeht, dass sie in christlichen Gemeinden vorkommen. Deshalb wird er ganz konkret. Natürlich kann man auch grundlegend von Sünde sprechen – als Trennung von Gott, als Beziehungslosigkeit, als Gottvergessenheit und Zielverfehlung. Das ist alles richtig.
Aber Sünde hat auch konkrete moralische Ausprägungen. Jeder weiß, dass es tödlich ist, übereinander zu reden, anstatt miteinander. Das ist ein Gift, das die schönsten Gemeinden zerstört. Auch Neid ist zerstörerisch. Und Heuchelei – darüber hat Baldemar gesprochen – ist schrecklich.
Ich habe viel mit Mennoniten gearbeitet, war in Paraguay im Chaco und kenne die Mennonitengemeinde sehr gut. Im Februar bin ich wieder in Bielefeld bei der evangelisierenden Mennonitengemeinde. Ich kenne deren Probleme. Was Waldemar erzählte, ist unglaublich. Ich bin selbst Landeskirchler, und mir war das völlig fremd: Wie kann man so etwas zulassen? Ich war erschrocken, wie viel Heuchelei und Stress in frommen Gemeinden möglich ist – egal ob sie viele Traditionen haben oder keine.
Da war jetzt alles gut, aber Heuchelei bedeutet ein Leben mit doppeltem Boden. In Wirklichkeit lebt man ein ganz anderes Leben, als es in der Gemeinde bekannt ist. Das ist die Grundgefährdung jeder lebendigen Gemeinde und eine sehr schlechte Nachricht. Deshalb sagt Paulus: Legt das ab.
Warnung vor fleischlichen Begierden als moderne Herausforderung
Und dann hat, was wir vorhin zitiert haben – ihr Lieben, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger – ja, wo ermahnt er? Er sagt: Enthaltet euch von fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten.
Aber was ist denn nun das, fleischliche Begierden, die gegen die Seele streiten? Ich will euch sagen: Das ist das Modernste, was es gibt. Wenn ihr einen Satz aus dem ersten Petrusbrief verstehen solltet, dann diese Zeile.
Und Ron Kupsch, Evangelium 21, das gerade nächste Woche erscheint – unser Lieblingsbuch – darin kommt das vor. Ich hoffe, dass alle, die den Kopf zum Denken haben, es lesen: „Fremde neue Welt“ von Karl Truman, dem sogenannten kleinen Truman.
Er entfaltet, wie sich in den letzten 300 Jahren das entwickelt hat, warum es heute so ist und was vor 20, 30 Jahren noch gedacht wurde. Damals dachte man: Das kann es überhaupt nicht geben. Aber jetzt, in diesem Jahr, wird es Gesetz in Deutschland.
Das Gesetz heißt: Das Grundrecht des Menschen ist, ich bin, was ich fühle. Und wenn ich fühle: Warum fühlte ich mich so, als wäre ich eine Frau? Ich rasierte mich zwar erfolgreich, fühlte mich doch, bin ich nicht doch im falschen Körper?
Ich überlege, ob ich Montag zum Standesamt gehe und sage: Also, ich bin in Wirklichkeit eine Frau. Da nickt der mit dem Kopf. Früher hat er gesagt: Ich schicke Sie zum Arzt. Wenn er das jetzt sagt, wird er demnächst vor den Kadi gestellt, vor den Richter gestellt?
Das darf er nicht. Man muss hinschreiben: Wie willst du heißen? Ich sage natürlich: Am Montag heiße ich Ulrike. Und dann sagt er mir: Das gilt aber jetzt für ein Jahr. Da sage ich: Okay, ein Jahr, komme ich wieder.
Es wird demnächst in diesem Land als Freiheit der Selbstbestimmung gesetzlich festgeschrieben.
Die Herausforderung der Identität und Selbstbestimmung in der heutigen Gesellschaft
Wer bin ich? Diese Frage sollte eigentlich einfach zu beantworten sein. Verzweifelte Biologen und noch verzweifelte Ärzte sagen heute: Jede Zelle eines Menschen hat entweder XX- oder XY-Chromosomen. Das bedeutet, bei jedem Körper kann man objektiv feststellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.
Doch es wird entgegnet, dass das alles Quatsch sei, reiner Biologismus und von gestern. Stattdessen heißt es: „Ich bin, was ich fühle.“ Ich werde das jetzt nicht weiter erklären, denn beim kleinen Truman kann man nachlesen, wie diese Sichtweise entstanden ist. Sie ist nicht einfach vom Himmel gefallen.
Was heute als Norm gilt, ist nicht nur eine private Ansicht. Man könnte ja sagen, jeder könne glauben, was er will, und wenn jemand das so fühlt, soll er das tun. Warum sollte man ihn stören? Nein, das ist politisch. Es wird in Gesetze aufgenommen. Wer sich dem nicht beugt, wird bestraft.
Ich kenne christliche Organisationen, die bei ihren Stellenausschreibungen inzwischen „MdW“ oder „MwD“ schreiben müssen – es muss ja korrekt heißen. Sie fürchten, vor Gericht gezerrt zu werden, wenn sie das nicht tun. Ich schaue mir christliche Zeitungen an und sehe viele christliche Gemeinden, die das ebenfalls machen, weil sie Angst haben, verklagt zu werden. Denn es ist das geltende Recht.
Dabei geht es nicht darum, was jeder privat tun oder denken kann. Viele sehen das so. Die Besonderheit ist: Das, was ich fühle, muss durch das Gesetz anerkannt werden. Und ein Staatsgesetz bedeutet immer Androhung und Durchsetzung von Gewalt. Es wird mit Strafandrohung durchgesetzt, weil es eben keine Privatsache ist.
Die Bedeutung von „fleischlich“ im biblischen Kontext
So, und was ist das? Das Grundgesetz lautet: Ich bin, was ich fühle. Das ist das, was Petrus „Begierde“ nennt. Und er bezeichnet das als „fleischlich“. Das ist richtig.
Ich bin ja überzeugter Vegetarier und esse nur Fleisch von vegetarisch ernährten Tieren. Deshalb bin ich in Bayern gut aufgehoben mit all dem Krustenbraten und so weiter. Meine Frau verdreht die Augen, wenn ich das bestelle. Aber es ist alles ganz wunderbar.
„Fleischlich“ bedeutet hier nicht, dass man noch ein Schinken oder ein Steak will. Vielmehr ist mit „Fleisch“ der ganze Mensch gemeint, der zuerst sagt: Ich bin das, was ich sehe – Fleisch, der Körper, und das, was ich sehe. Das hat mit Gott nichts zu tun. Ich bin mein eigener Herr. Ich bestimme mein Leben. Mein Bauch gehört mir, mein Körper gehört mir, mein Geld gehört mir. Alles, was ich bin und habe, gehört mir.
Ich brauche Gott höchstens dann, wenn ich auf dem Schlauch stehe, wenn ich Krisen habe oder schwach bin. Denn jeder hat mal Krisen und braucht dann einen Segen oder eine Stärkung. Wenn Gott dazu da ist, uns weiterzuhelfen, wenn wir nicht mehr weiterwissen, uns aus der Patsche zu helfen und zu ermutigen, dann: herzlich willkommen!
Leben ohne Gott, also „fleischlich“ sein, ist durch und durch religiös offen, denn wir alle brauchen ein Übermaß an zusätzlicher Hilfe. Aber das ist die Liebe. Wir brauchen Bodyguards. Deshalb zeigt die Statistik: 77 Prozent der Deutschen glauben an die Existenz von Engeln, aber nur 50 Prozent halten die Existenz Gottes für möglich.
Ich habe mich gefragt: Wie geht das? Das heißt, wir haben einen hohen Bedarf an Bodyguards, die uns Schutz geben, aber wir wollen nicht Gott als Herrn. Die Bodyguards passen auf, dass uns nichts passiert, aber sie sagen nicht, wohin wir gehen sollen. Das bestimmen wir selbst.
Das ist Religion. Spiritualität ist in allen Formen, auch christlich, sehr geschätzt und geliebt, solange es diese Bodyguard-Angebote gibt – Schutz und Hilfe in Lebensnöten. Aber ich bin mein eigener Herr, das heißt: fleischlich.
Petrus sagt, der Kontrapunkt zu unserem Leben, das wir Jesus lieben und leidenschaftlich dafür leben, ist: Er hat uns geschaffen, erhalten und erlöst. Er weiß, wie unser Leben gelingt, und er meint es gut mit uns. „Wir haben geschmeckt, wie freundlich der Herr ist“, steht in diesem Kapitel, das wir gelesen haben.
Deshalb haben wir nur eine Leidenschaft: zu erkennen, was er von uns in den Beziehungen will, und wegzulassen, was ihm nicht gefällt. Wir sollen lernen, lernen, lernen – in der Kraft des Geistes –, was ihm gefällt.
Ja, sagte er, das ist die Entscheidung. Die Entscheidung, die heute wichtiger ist als je zuvor.
Die Spannung zwischen gesellschaftlichen Geboten und biblischer Moral
Übrigens ist das auch nicht neu. Ich weiß nicht, wie ihr die Gebote zählt. Katholisch und reformiert gibt es ja das neunte und zehnte Gebot: „Du sollst nicht begehren“. Lutherisch ist das zusammengefasst im zehnten Gebot.
Das dritte Gebot lautet also: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, deines Nächsten Auto, deines Nächsten Haus, deines Nächsten Job, deines Nächsten Startup.“ Du sollst nicht begehren.
Unsere ganze Gesellschaft funktioniert unter dem Gebot „Du musst begehren, du musst begehren.“ Was das neue iPhone oder ich meine das neue Auto angeht, du sollst begehren. Außerdem ist das sehr gesund für die Wirtschaft, denn der Kreislauf ist: Du sollst begehren.
Dann sagt er, das ist das Grundprinzip fleischlicher Begierde. Also das Elend unserer Zeit ist noch größer. Es gab frühere Zeiten, da dachte man: „Ich bin, was ich denke.“ Damals hat man gedacht, aha, das sind die klugen Leute, die klar und logisch denken. Na ja, vielleicht überschätzten sie sich, dass sie mit ihrem Denken wirklich alles ausloten können, und deshalb war das anmaßend. Aber das waren ja glückliche Zeiten, als Menschen dachten: „Cogito ergo sum“ – ich denke, also bin ich. Meine Identität ergab sich aus dem, was ich denke. Das heißt, ich wäge ab, was gut und richtig, falsch ist und was sinnvoll ist – nicht nur für mich, sondern auch für andere.
Das ist ja lange hinter uns. Seit einiger Zeit gilt: Ich bin, was ich fühle. Und das gilt natürlich vor allem für die Identitätsfrage. Das erklärt Karl Truman in seinem Buch auch hervorragend, wie sich das im 20. Jahrhundert entwickelt hat. Sigmund Freud spielte eine erhebliche Rolle.
Gefühl ist natürlich intern Sexualität – mein sexuelles Gefühl, mein Verlangen, was wir Liebe nennen und auf Sexualität reduziert haben. Also ist heute die ganze Identitätsfrage: Wer bin ich wirklich? Im Kern die Frage: Was möchte ich sexuell leben?
Das ist nicht vom Himmel gefallen. Das hat sich in 300 Jahren in Europa entwickelt, bricht jetzt durch und wird jetzt Gesetz, sodass es uns allen versucht wird, aufzuzwingen. Es geht nämlich überhaupt nicht um Privatsache. Es geht nicht darum, lass doch jeden glauben, was er will. Sondern wenn du dich nicht diesem Grundgesetz beugst, wirst du es zu spüren bekommen.
Wenn du ein Unternehmen betreibst und dich nicht entsprechend äußerst, wenn du deinen Beruf ausübst oder deine Masterarbeit nicht so schreibst, wie die Uni es vorgibt und anständig genderst, wirst du es spüren. Und wenn du dann deinen Doktor gemacht hast und hoffst, irgendwo an deiner Universität unterzukommen, wirst du merken, dass dich für deine wissenschaftlichen Fähigkeiten niemand mehr interessiert. Es geht immer erst mal nach dem Grundgesetz.
Gut, sagt Paulus – das ist Petrus, der damals in die Türkei schrieb – der konnte ja nicht ahnen, was es heute in Deutschland für Gesetzgeber gibt. Aber er schreibt dort: „Ich schreibe euch das den Fremden in der Diaspora vor. Ihr lebt hier in einem Land, wo die Regeln total anders sind als Jesus sie euch sagt. Und jetzt müsst ihr schon gucken, wem ihr folgen wollt.“
Und das mit der Moral, das sagen natürlich viele Leute heute: „So verschroben ist das nicht, oder?“ Ja, es gibt solche Beispiele. Waldemar könnte sicherlich auch Beispiele erzählen, wie kurios und eng das sein kann, wie anders man sein kann, wie man das an den Klamotten und an äußeren Dingen erkennt.
Die Frommen haben immer gedacht, die Welt wäre draußen und haben nicht kapiert, dass die Welt mitten in ihrem Herzen ist. Dass diese fleischlichen Begierden, dieses verrückte Egoistische – ich will Gott sein und ich bestimme, was ich fühle, höre auf dein Herz – die schönsten Sätze und die meisten Beleidigungen kannst du ausfügen, wenn du sagst: Das ist Selbstmord.
Du kannst das Unternehmen, das du machen kannst, wenn du diesem Gesetz gehorchst: Höre auf dein Herz. Jesus hat gesagt: „Aus dem Herzen des Menschen kommen böse Gedanken, Ehebruch, Mord, alles, was die Welt kaputt macht.“ Heute kommt das aus dem Herzen des Menschen. Wenn du darauf hörst, dann Gute Nacht.
Johanna, Johann – entschuldigt, herzlichen Dank für die Hilfe zu halbwegs ländergerechten bösen Sprüchen hier. Ihr seid schon sehr woke hier, das merke ich schon. Man wird hier korrigiert, es ist alles sehr woke.
Wir möchten doch alle – wenn ich euch so sehe, so modern gekleidet, wie ihr seid – habe ich hier niemanden gesehen, Waldemar, der mitten drin ist. Keine der Frauen hat hier so ein Tüchlein übergelegt oder ähnliches. Naja, gut, ihr wollt doch alle ganz modern sein.
Zeugnis eines Christen mit gleichgeschlechtlicher Anziehung
Ich halte eine Bibelstunde, die aber aussieht wie ein Fernsehstudio. Versteht ihr? Da hinten ist etwas ganz Modernes, so etwas gibt es sonst nirgendwo. Ihr wollt alle ganz modern sein. Deshalb ist uns das manchmal peinlich, ehrlich gesagt. Es ist uns manchmal peinlich, was dort gepredigt wird und was in der Bibel steht.
Ich habe einen guten Freund, Sam Albury, der öffentlich bekennt, dass er sein Leben lang gleichgeschlechtlich angezogen war – also same sex attracted. Er hat sich bekehrt, aber seine Neigung hat sich bis heute nicht geändert. Trotzdem liebt er Jesus.
Sam hat dann studiert, was Jesus zur Sexualität sagt. Er stellte fest: Heilige Sexualität, also Sexualität nach dem Willen Gottes, wird in der Bibel eindeutig als eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau definiert. Alles andere, was außerhalb dieser Ehe praktiziert wird – egal ob hetero oder homo –, wird in der Bibel als Unzucht bezeichnet. Das ist völlig eindeutig.
Diese Erkenntnis hatte er bei seiner Bekehrung, als er gerade kurz davor war, an die Universität zu gehen. Er überlegte damals, ob er in diesem Milieu seine homosexuellen Neigungen ausleben könnte. Doch nachdem er sich zu Jesus bekehrt hatte, begann er, die Bibel zu studieren und herauszufinden, was Jesus dazu sagt.
Er stellte fest, dass die Bibel von Anfang bis Ende sehr klar ist. Da fragte er sich: Wem will ich vertrauen? Jesus hat mich gerettet und niemand hat so viel Gutes für mich getan. Ich liebe ihn, und er liebt mich. Ich will Jesus folgen.
Bis heute lebt er enthaltsam. Er sagt, er habe eine große Familie und eine Gemeinde. Er lebt jetzt in Nashville, ist eigentlich Engländer und war anglikanischer Pfarrer bei London.
Er erzählt: „Ich habe eine Gemeinde, in der ich als Single lebe. Ich habe von drei Familien den Haustürschlüssel und kann unangemeldet jederzeit kommen. Ich genieße das sehr, wenn ich bei ihnen bin. Ich habe keinen Ehepartner, bin nicht verheiratet und habe keine Kinder. Natürlich fällt mir manchmal die Decke auf den Kopf, wenn ich allein nach Hause komme. Dann gehe ich zu anderen, und sie nehmen mich auf. Ich muss mich nicht anmelden, ich bin einfach zu Hause und werde gehört.“
Er sagt weiter: „Ehrlich gesagt, wenn ich miterlebe, wie Ehepaare sich streiten und wie viel Drama es in Familien gibt, bin ich auch ganz froh, dass ich zu Hause einfach ganz alleine bin. Das ist für mich wunderbar entspannend.“ So beschreibt er seine Familie.
Die Herausforderung, als Christ in der Welt verstanden zu werden
Und dieser Sam Albury sagt: Warum finden wir es so peinlich, Jesus nach seinem Gebot zu folgen? Warum ist das so?
Ihr müsst euch das so vorstellen: Wenn du Tänzer siehst, die in einer Disco tanzen wollen, aber die Musik ist ausgeschaltet. Du hörst die Musik nicht und siehst die Tänzer tanzen. Dann kannst du nur denken: Die sind verrückt. Was machen die da? Die zappeln doch nur herum.
Wenn du aber die Musik hörst, den Rhythmus spürst und siehst, wie sich die Körper im Takt bewegen, dann macht deren scheinbar verrückte Bewegung Sinn. Wenn du die Musik nicht hörst, denkst du, die Tänzer sind verrückt.
Er sagte: Pass auf, habt Verständnis dafür, dass die Leute um uns Christen herum uns für verrückt halten. Warum? Sie sehen uns zappeln, aber sie hören die Musik nicht. Sie kennen Jesus nicht. Sie wissen nicht, wie gut und freundlich er als Retter ist.
Deshalb geht es nicht darum, dass wir uns entrüsten und mit moralischem Zeigefinger Jesus verkünden. Die Leute müssen die Musik spüren. Das bringt sie zum Tanzen, das bringt sie zum Tanzen.
Deshalb führt Petrus immer wieder in jedem Kapitel, auch in diesem, auf Jesus hin. Am Ende wird er darauf hinauslaufen: Ihr müsst Jesus kennen und ihn lieben, so wie er uns liebt.
Heiligung als Gemeinschaftsprozess in der Gemeinde
So sagt er: Heiligung geschieht nicht als individuelle Leistung, sondern in der Gemeinde. Zu ihm, dem lebendigen Stein, kommen wir. Dieser lebendige Stein wurde von den Menschen verworfen, doch bei Gott ist er auserwählt.
Auch ihr seid als lebendige Steine dazu berufen, euch zu einem geistlichen Haus und zu einer heiligen Priesterschaft aufzubauen. Steine gelten normalerweise als das Toteste, was es gibt. Können Steine überhaupt lebendig sein?
Jetzt vermischt Petrus die Bilder aus Psalm 118 mit dem Evangelium, in dem Jesus sich selbst als den Eckstein bezeichnet, den lebendigen Eckstein. Die Fachleute erklärten ihn für unbrauchbar und warfen ihn weg. Doch er wurde zum Grundstein – entweder als der grundlegende Eckstein im Fundament oder als der Schlussstein, der sogenannte Rospinare, in der antiken Architektur.
Der Rospinare ist der kunstvoll geformte Schlussstein in Gewölben, etwa in gotischen Kathedralen. Dort wirken unzählige Spannungen, die sich in den Gewölben aufbauen. Oben liegt ein Stein, besonders geformt, in den die letzten Steine eingefügt werden. Auf diesen Stein lastet der gesamte Druck. Wird er entfernt, stürzt alles zusammen.
Dieser Schlussstein, der Rospinare, ist ein Bild für Jesus, ebenso wie der Eckstein als Fundament. Beide Bedeutungen kommen in der Bibel vor: der Eckstein als Fundament und der Schlussstein als Kopfstein.
Dann folgt ein interessanter Vergleich: Baut euch als lebendige Steine auf. Das heißt, jeder einzelne Stein – obwohl er tot erscheint – wird lebendig. Das klingt paradox, denn Steine gelten als tot. Doch lebendige Steine sind Menschen, die durch die Vergebung der Sünden, den Heiligen Geist, das Kreuz und die Auferstehung Jesu wiedergeboren sind.
Wie baut ihr euch auf? Nicht, indem ihr euren Charakter pflegt oder euch anstrengt – das wäre eine individualistische Sichtweise. Nein, Petrus sagt: Nur indem ihr euch in die Gemeinde einfügt und einfügen lasst, in diese Konstruktion, in der ein Stein den anderen stützt und getragen wird. Ihr werdet verfugt, verbunden und unlöslich mit den anderen verbunden.
Nur so könnt ihr in die Richtung wachsen, die Jesus will. Individualismus – also alleinstehende, lose Steine, die sich für tolle Edelsteine halten und ständig in den Spiegel schauen, um sich schöner zu machen – ist völlig absurd. Das ist die Welt.
Petrus würde sagen, das ist fleißige Begierde und Endlosigkeit, aber Heiligung geschieht nur in Gemeinschaft.
Die Gemeinde als geistliches Haus und heiliges Volk
Und jetzt kommt noch einmal das, was ich euch gerne Wort für Wort erklären möchte. Aber bitte lest das beim Bibellesen noch einmal selbst nach. Auch hier zitiert Petrus einfach das Alte Testament. Er sagt: Ihr seid aufgebaut zu einem Haus von Steinen, und dann in Vers 9: ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum. Das sind alles Zitate aus dem Bundesschluss am Sinai.
Alles ist nachzulesen in 2. Mose 19, Vers 5. Pass auf, wir gehen gleich einen Schritt weiter. Jesus ist nicht ohne das Alte Testament zu verstehen, das habe ich schon gesagt. Ich habe euch jetzt mal alle diese Bibelstellen zusammengeführt, soweit ich mich erinnere. Unten stehen sie. Ich erspare mir das Auswendigaufschreiben aus Zeitgründen, obwohl das eine schöne Übung wäre. Wenn ihr wollt, könnt ihr das später einmal abschreiben und einfach ansehen: Jesaja 8 und Jesaja 28, Vers 16, dann Psalm 118, dann Hosea 2 – dort steht nicht „ein Volk“, jetzt seid ihr ein Volk – und 2. Mose 19: „Israel, auserwähltes Geschlecht, königliches Priestertum, heiliges Volk.“
Das zitiert Petrus einfach so. Die Predigt besteht eigentlich vor allem aus dem Vorlesen des Alten Testaments. Wenn wir jetzt nicht die Stellen dazu gesetzt hätten, wäre euch das vielleicht gar nicht aufgefallen. Ihr hättet euch gefragt, was das für Formulierungen sind – alles nur aus dem Alten Testament.
Also: Jesus gibt es nicht ohne das Alte Testament. Ihr könnt in Matthäus 21 lesen, dass Jesus selbst Psalm 118 von dem Eckstein zitiert, den die Fachleute als völlig unbrauchbar verworfen haben, den Gott aber zum Eckstein ausgewählt hat. Er bezieht das selbst auf sich.
Das ist zur Weiterarbeit.
Heiligung im Staat und die Bedeutung der Gemeinschaft
Das Nächste ist: Heiligung geschieht lebenspraktisch im Staat, also Heiligung geschieht in Gemeinden. Deshalb ist das so wichtig. Es ist großartig, wenn es eine lebendige Gemeinde gibt.
Heute ist es jedoch schwer. Meine Beobachtung als Evangelist ist, dass Menschen heute relativ leicht bereit sind, sich zu bekehren und eine Entscheidung für Jesus zu treffen, etwa durch ein Übergabegebet. Aber es ist sehr viel schwerer, ihnen klarzumachen, dass sie nur ein Leben in Nachfolge Jesu führen können, wenn sie in einer Gemeinde verwurzelt sind.
„Ich statuiere kein Christentum ohne Gemeinschaft“, hat Graf Zinsen gesagt. Doch das Gegenteil glauben die meisten Christen. Ich kenne sehr viele Christen, die intensiv mit der Bibel, mit dem Internet, mit Predigten von Olaf Latzel und anderen leben. Gute Internetprediger haben Zehntausende Zuhörer.
Wenn ich diese Leute frage, zu welcher Gemeinde sie gehören, sagen sie oft: „Na, ich guck da mal.“ Sie haben zwar ein Auto, aber selbst im Umkreis von fünfzig Kilometern haben sie keine Gemeinde gefunden, zu der sie wirklich gehören wollen. Sie schnuppern mal hier und da, im Zweifelsfall nur für den Livestream, um rechtzeitig abschalten zu können und sich auch etwas anderes zu holen.
Das Internet ist riesig. Ich mache ja auch Fernsehen, bin auch dort präsent und nutze das. Aber es hat zwei Seiten. Christusnachfolge findet analog statt, mit dem Körper, nicht ohne Körper. Deshalb ist es eine völlige Illusion zu glauben, es gäbe Christusnachfolge ohne Körper.
„Er ist teuer erkauft“, sagt Paulus im 1. Korinther 6. Darum preist Gott mit eurem Körper. Im Römerbrief Kapitel 12 heißt es: „Gebt eure Körper zum lebendigen Opfer, von Anfang bis Ende, um der Barmherzigkeit willen.“ Alles in der Bibel zeigt: Die Ehre Gottes, die Nachfolge geschieht mit dem Körper. Das sollte sich niemand einreden lassen, auch nicht vom Internet.
Christusnachfolge findet in Notfällen, wenn wir krank sind und das Bett nicht verlassen können, auch digital statt. Halleluja, Gott hat Möglichkeiten geschaffen, dass du nicht ohne Kontakte zu anderen Christen und ohne das Wort Gottes leben musst. Das ist eine wunderbare Segnung.
Aber die Verführung, der heute viele folgen, ist, die Mühe nicht auf sich zu nehmen und die ganzen Ärgernisse zu meiden. Du triffst ja auch Leute, die falsch riechen. Das ist also nicht nur toll, sondern auch gefährlich. Man braucht Gemeinschaft.
Deshalb sehr deutlich: Es gibt Christusnachfolge nur in Gemeinschaft. Aber es gibt sie auch nicht ohne Staat. Ich weiß nicht, ob es euch überrascht, dass Paulus plötzlich so unvermittelt auf den Staat zu sprechen kommt: „Ihr seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen.“
Interessanterweise ist der Staat, Staatlichkeit, menschliche Ordnung – also der König als oberster Staatshalter, oder die von ihm Gesandten zur Bestrafung der Übeltäter – eine menschliche Schöpfung, heißt es dort. Und Paulus sagt, der Staat im besten Sinne ist dafür da, den Bösen zu wehren und die Schwachen zu schützen. Das ist Staatlichkeit nach biblischer Ordnung.
Wo ist das begründet? Wo steht das? Im Noah-Bund, 1. Mose 9. Nach der Sintflut gibt es zum ersten Mal etwas, was es ursprünglich in Gottes Schöpfung nicht gab: eine Notordnung, die mit Mitteln der Sünde gegen die Sünde wirkt. Menschenblut, das vergossen wird, soll auch vergossen werden – das ist der Noah-Bund.
Das gab es in der ursprünglichen Schöpfung nicht. Es ist eine Notordnung in einer Welt voller Hass, Gewalt und Selbstbestimmtheit. Es ist keine Lösung, sondern eine Eindämmung. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ – also nicht über das Maß hinaus, immer maßvoll, Eindämmung.
Die Androhung und Ausübung von Gewalt ist eine Schutzwahl gegen die Sturmflut des Bösen zum Schutz wehrloser Opfer. Es ist nicht die Lösung. Deshalb nennen wir das die Erhaltungsordnung oder Notordnung.
Die Rettung fängt nicht im Noah-Bund an, sondern im Abraham-Bund: „In dir sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden.“ Dann beginnt die Rettungsgeschichte, die sich in Jesus, dem Retter, für alle Völker ausweitet.
Bis Jesus wiederkommt und den neuen Himmel und die neue Erde schafft, gibt es noch diese Gemengelage von Sünde. Warum gibt es sie? Könnte Gott sie nicht abschaffen? Gottes Liebe vergewaltigt nicht. Liebe bittet, Liebe opfert sich und zwingt nicht. Du kannst ablehnen.
Wir bitten an Christi Stelle: Lasst euch versöhnen mit Gott! Aber du kannst ablehnen. Und die Liebe wird das respektieren. Deshalb gibt es diese Gemengelage. Die Bibel ist nüchtern: Es gibt auch Eskalationen des Bösen, wie wir es gerade in der Welt sehen.
Man schafft es kaum, alles einzubinden. Staatlichkeit im besten Sinne hat den Sinn, das Böse etwas einzudämmen. Niemand kann zum Guten gezwungen werden. Martin Luther King hat gesagt, es ist schwer genug, das Böse einzudämmen. Aber ein bisschen zu tun, ist schon hilfreich, um halbwegs zu leben. Das wünschen wir uns alle.
So sagt Paulus: Wir leben noch in dieser Welt mit ihren Tischen und Bänken. Wir sollen es nicht übertreiben, keine schwärmerischen Abdriftungen machen, sondern es akzeptieren, Gutes tun. Er musste ja auch mit der Tatsache umgehen, dass die absolut gottlose Regierung in Rom herrschte.
Im Römischen Reich gab es zwar ein Rechtssystem, auf das die Römer stolz waren, aber es war kein Rechtsstaat. Die Regierung war korrupt bis in die Knochen. Die Gouverneure und Stadtbeamten plünderten die Provinzen aus. Rom war weit entfernt von Gerechtigkeit, und die Christen spürten das.
Paulus sagt: Natürlich geschieht viel Unrecht. Aber es ist Gottes Wille, dass ihr durch das Tun des Guten den unwissenden und törichten Menschen das Maul stopft. Tut es als Freie, nicht als hättet ihr Freiheit zum Schaden und zur Bosheit, sondern als Knechte Gottes.
Dann gibt er eine klare Anordnung: „Ehrt jedermann, habt die Brüder und Schwestern lieb, fürchtet Gott und ehrt den König.“ Ehrt jedermann und ehrt den König, die stehen auf einer Ebene. Aber habt die Brüder und Schwestern lieb – das ist Gemeinde – und fürchtet Gott.
Das Taufbekenntnis lautet: „Jesus Christus ist der Herr.“ Das verbreitete sich schnell und alle ahnten, dass es eine Art Richter-Revolution war. Denn „Kyrios“ – Herr – war im Römischen Reich nur der Kaiser in Rom.
Man durfte in Rom alles glauben, vorausgesetzt, man erkannte den Kaiser als letzte Autorität an. Nun wurden Christen getauft und ihr Bekenntnis war: „Jesus Christus Kyrios“, Jesus Christus der Herr. Die Juden hörten Gotteslästerung, denn „Herr Adonai“ ist nur der alte Gott, Jesus ist Gott.
Die Römer hörten Revolution: Kyrios, Herr, ist nur der Kaiser in Rom. Jesus ist der Herr. Das war eine Tonart, die völlig ausreichte.
Übrigens sagen manche, Petrus sei anders als Paulus gewesen. Hat nicht Paulus in Römer 13 gesagt, dass alle Obrigkeit von Gott ist? Ja, das gibt es auch. Müssen wir das in Deutschland haben? Deshalb haben sich die protestantischen Untertanen immer darauf berufen und gesagt, wir müssen alles tun, was die Obrigkeit sagt. Das steckt tief in der deutschen Seele.
Aber Paulus sagt genauso: Staatlichkeit ist eine Ordnung, die solange gilt, bis Jesus wiederkommt und solange Sünde in der Welt ist. Staatlichkeit ist dazu da, dem Bösen zu wehren, eine Art Deichordnung gegen die Sturmflut des Bösen.
Es ist keine Erlösung und schafft nicht das Reich Gottes. Der Grundsatz, wie ein Staat organisiert ist, ist von Gott, aber es bleibt menschliche Ordnung. Petrus und Paulus wussten, dass alle Staaten die Versuchung haben, wie Gott sein zu wollen – Antichrist.
Deshalb ist völlig klar, was Petrus gesagt hat. Jesus fragte: „Sollen wir Steuern zahlen?“ Steuern werden oft missbraucht, um böse Dinge zu finanzieren. Wenn ich Steuern zahle, mache ich mich doch gemein mit dem Bösen, das die Regierung tut.
Jesus sagte: „Zeigt mir die Münze, was steht darauf? Das Bild des Kaisers. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Wir als Menschen sind nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Wir tragen das Angesicht des gekreuzigten Jesus, des Schöpfers, in uns. Gebt Gott, was Gottes ist.
Diese Unterscheidung ist lebenspraktische Heiligung und nicht einfach. Die Corona-Zeit hat gezeigt, wie uneinig Christen sind, wie man das heute anwendet. Das war kein Vergnügen, weil es zeigte, dass wir innerhalb der frommsten Christenheit total entfremdet sind, bis heute.
Ich weiß nicht, wie es in eurer Gemeinde ist, in unserer kommen bis heute Leute nicht, weil sie damals ausgeschlossen wurden. Unsere Gemeindeleitung war von Angst getrieben und machte die 3G-Regelung zur Bedingung für den Gottesdienstbesuch.
Die, die am Eingang standen, waren ängstliche Gemeindeglieder, die kontrollierten, ob man geimpft oder getestet war. Die, die das nicht wollten, fühlten sich gedemütigt und ausgegrenzt und kommen bis heute nicht wieder.
Die Risse sind tief, heute redet kaum jemand darüber. Man tut so, als sei alles vorbei, doch die Wunden sind tief. Das Problem ist nicht gelöst, und die nächste Herausforderung kommt bestimmt.
Der Staat ist eine menschliche Schöpfung. Man muss ihm sehr misstrauisch begegnen, aber er hat eine relative Bedeutung.
Heiligung geschieht lebenspraktisch im Staat – es wird noch schlimmer.
Heiligung unter schwersten Bedingungen: „Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Furcht den Herren unter, nicht nur den gütigen und freundlichen, sondern auch den wunderlichen, fiesen und unfairen.“ Luther übersetzt das so.
Man muss sich das vorstellen: Durch die Verkündigung des Evangeliums in der Gegend, an die der Brief gerichtet ist, kamen Tausende zum Glauben, viele davon Sklaven. Sie lebten in einer Situation, die wir heute als Sklaverei bezeichnen würden.
Ich weiß nicht, ob ihr wisst, dass Deutschland das europäische Land mit den meisten Sklaven ist. Stuttgart ist die Hauptstadt, weil es dort Tausende von Sklavinnen gibt. Unsere Gesetzgebung hat Deutschland zum Bordell Europas gemacht.
Tausende Frauen aus Afrika und Osteuropa werden von Verbrechern hierhergebracht, um von anständigen Männern, die christlich getauft sind und mit Mercedes vorfahren, ihren Lebensunterhalt im Sex zu verdienen. Das ist kein Thema, weil es peinlich ist.
Es gäbe all das nicht, wenn es nicht Millionen anständige Männer gäbe, die diese Dienste gegen echtes Geld in Anspruch nehmen. Sklaverei ist auf brutale Weise im Sexbereich präsent.
Wir haben das alle mitgekauft: mit Fremdarbeitern, Leiharbeitern – wir haben eine Kultur der Sklaverei in unserem Land, die unglaublich ist. Also haben wir in Deutschland keinen Grund, die Nase hochzurümpfen und zu sagen: „Was war das damals?“
Petrus und Paulus schreiben keine Briefe, um sich eine neue Gesellschaft auszudenken. Ihre Situation war: Sie predigen das Evangelium. Menschen kamen zum Glauben – Frauen, Männer, Sklaven, Freie, Reiche und Arme.
Sie trafen sich in den Gottesdiensten, beteten miteinander, lasen die Bibel und hörten auf das Wort Gottes. Jetzt war die Frage: Wir freuen uns, Jesus den Retter zu kennen, wir lieben einander als Brüder und Schwestern. Wie gehen wir mit der Realität um?
Manche hatten fünf Sklaven zu Hause, andere waren selbst Sklaven bei nichtchristlichen Herren. Diese hatten keine Sechs-Tage-Woche oder Vier-Tage-Woche, sondern 24 Stunden, sieben Tage die Woche Dienst. Das war keine Freude, sondern Schinderei.
Sie hatten keinen freien Tag, um in den Gottesdienst zu gehen. Deshalb trafen sich die Christen jeden Tag vor Sonnenaufgang, etwa zwischen fünf und sechs Uhr, damit auch die arbeiten konnten, die tagsüber arbeiten mussten.
Das war die normale Situation. Was bedeutet Heiligung für einen Menschen, der in so einer unappetitlichen Arbeitsbeziehung lebt? Ich weiß es nicht. Ich hoffe, ich spreche mit denen, die beruflich etwas besseres haben, aber viele Menschen in unserem Land müssen unter Bedingungen arbeiten, die ihnen keinen Spaß machen.
Die Apostel sagen: Jesus hat uns Gutes getan, ihm dienen wir. Ihr seid frei, tut das in Gnade, ertragt das Unrecht. Im Philemonbrief und im Kolosserbrief lesen wir, dass Befreiung ein evolutionärer Prozess war.
Aus dem Zusammenleben von Freien und Unfreien entstand im Neuen Testament eine Entwicklung, die zur Abschaffung der Sklaverei führte. Das Schreckliche ist, dass manche Christen, als sie im vierten Jahrhundert nicht mehr verfolgt wurden, sondern als Staatsreligion anerkannt wurden, plötzlich die Macht hatten.
Sie begannen, ihre Gegner mit der gleichen Gewalt zu verfolgen, mit der die Regierung sie zuvor verfolgt hatte. Das ist europäische Geschichte.
Das Christentum in Europa gibt es seit der römischen Staatsreligion Ende des vierten Jahrhunderts nur als Staatsreligion. Auch nach der Reformation galt: Cuius regio, eius religio – wer die Macht hat, bestimmt, was die Untertanen glauben müssen.
Die gnädigsten Landesfürsten tolerierten ihre Leute halbwegs, die meisten unterdrückten sie. Wir sind nicht weit davon entfernt. In Salzburg gab es noch im 18. Jahrhundert schreckliche Verfolgungen von Evangelischen, weil sie eine Bibel lesen wollten.
Diese grauenhaften Geschichten stammen von christlichen Erzbischöfen. Die Lutheranern und Reformierten waren nicht besser als die anderen. Luther, Zwingli und Calvin ließen die Wiedertäufer, Mennoniten, in der Limmat ertränken und verbrannten andere am goldenen Dachl in Innsbruck.
Auch nach der Reformation versuchten sie mit Gewalt, das Evangelium durchzusetzen. Das ist unsere Geschichte. Deshalb fällt es uns in Europa heute schwer, die Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens zu bezeugen.
Jahrhundertelang sagten Kritiker: Als ihr die Macht hattet, habt ihr gefoltert und unterdrückt. Heute, wo ihr keine Macht mehr habt, redet ihr von Liebe und fordert Toleranz. Wo ihr nicht mehr die Macht habt und die anderen die Daumenschrauben anziehen, klagt ihr.
Als ihr die Macht hattet, füllten eure Kirchenleitungen mit den Regierungen die Gefängnisse und Kirchen mit Polizei. Das fandet ihr okay. Die Gottlosen wissen sehr wohl, was unsere Sünden von gestern waren.
Deshalb sollten wir es nicht zu einfach machen. Wir haben viele Aufgaben. Es gab Phasen in der Zeit der Staatsreligionen, in denen man biblische Gründe suchte, um Sklaverei und Apartheid zu rechtfertigen.
Das gibt es bis heute: Ausbeutung anderer Menschen in der Welt. Man könnte alles rechtfertigen, auch das Dulden der Versklavung und Entwürdigung von Tausenden in Deutschland. Man könnte sagen, man kann nicht alles ändern, bis der Himmel auf Erden kommt.
Wir finden biblische Gründe, uns mit allem abzufinden. Das ist bitter. Aber der christliche Glaube ist keine Revolution, die mit Gewalt neue Verhältnisse schaffen will.
Er setzt sehr darauf, dass der Erlöser die Herzen verändert und eine neue Gemeinde schafft, die heilig lebt, das Gute tut, auch wenn sie leidet – selbst unter erbärmlichen Verhältnissen.
Diese Gemeinde ehrt Jesus und entwickelt aus der Kraft des Heiligen Geistes ein Potenzial der Freiheit, das, wenn Gott will, auch die Umgebung verändert.
Jesus war nüchtern genug zu sagen: Glaubt nicht, dass ihr es schafft, dass die von euch veränderte Gesellschaft nahtlos in Gottes neue Welt übergeht. Ihr werdet es nicht schaffen.
Ihr werdet leben als Volk Gottes, als heiliges Volk, mutig und alternativ. Aber ringsum wird es auch eine Eskalation des Bösen geben.
Es gibt eine Zuspitzung der antichristlichen Herrschaft in einer totalitären Form, die unsere Vorstellungen übersteigt. Aber das letzte Wort hat der Herr.
Er wird alles richten, die Toten auferwecken, und alles wird zur Sprache kommen. Es wird Recht geschehen. Die Hungernden und Dürstenden nach Gerechtigkeit werden satt werden, hat er versprochen.
Er wird den neuen Himmel und die neue Erde schaffen, und er wird persönlich die Tränen abwischen. Dann wird es keine Sünde, kein Leid, keinen Schmerz und kein Geschrei mehr geben.
Heiligung unter schwersten Bedingungen.
Zum Schluss stellt Petrus den gekreuzigten Jesus als Vorbild und Quelle für die Nachfolge dar: „Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.“ Ihr wart wie irrende Schafe, heißt es in Jesaja 53.
Jeder sah auf seinen eigenen Weg. „Er aber hat unsere Sünde auf sich geworfen.“ So wörtlich zitiert Petrus Jesaja 53: „Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Ihr wart wie irrende Schafe, aber ihr seid heimgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“
Bischof heißt: derjenige, der aufpasst, der Episkopos, der auf eure Seelen achtgibt.
Ich würde gerne noch eine Stunde darüber reden, was eine Seele ist, tue es aber nicht. Ich wollte euch nur erschrecken.
Herr Jesus, dich als den Hirten und Bischof unserer Seelen beten wir an. Gib uns Mut, Liebe und Leidenschaft, ohne Furcht dir zu folgen – in deiner Gemeinde.
Heiligung unter schwersten Bedingungen – Sklaverei und Leiden
Heiligung unter schwersten Bedingungen
Ihr Sklaven ordnet euch in aller Furcht den Herren unter – nicht nur den gütigen und freundlichen, sondern auch den wunderlichen, den fiesen und den unfairen. Ihr müsst euch das so vorstellen: Durch die Verkündigung des Evangeliums in der Türkei, in der Gegend, an die der Brief gerichtet ist, kamen Tausende zum Glauben. Viele von ihnen waren Sklaven.
Diese lebten in einer Situation, die wir heute als Sklaverei bezeichnen würden. Ich meine, wir in Deutschland haben keinen Grund, die Nase zu rümpfen und zu sagen, es war damals Sklaverei. Wusstet ihr, dass Deutschland das europäische Land mit den meisten Sklaven ist? Stuttgart ist sogar die Hauptstadt, weil es dort Tausende von Sexsklavinnen gibt.
Unsere Gesetzgebung hat Deutschland zu einem Bordell Europas gemacht. Tausende Frauen werden aus Afrika und Osteuropa von Verbrechern hierhergebracht, um von anständigen Männern, die christlich getauft sind und mit Mercedes-Vorfahren ihr Geld verdienen, im Sex ausgebeutet zu werden. Dieses Thema ist natürlich für niemanden wirklich präsent, weil es peinlich ist. Diese Frauen gäbe es nicht, wenn es nicht Millionen an anständigen Männern gäbe, die diese Dienste gegen echtes Geld in Anspruch nehmen.
Sklaverei existiert auf brutale Weise im Sexbereich. Aber wir haben sie auch durch Fremdarbeiter, Leiharbeiter und ähnliche Beschäftigungsverhältnisse mitgekauft. In Deutschland gibt es eine Kultur der Sklaverei, die unglaublich ist. Deshalb haben wir hierzulande überhaupt keinen Grund, die Nase hochzurümpfen und zu sagen, was damals war und was nicht.
Petrus und Paulus schreiben ihre Briefe nicht, um sich eine neue Gesellschaft auszudenken. Ihre Situation war vielmehr so: Sie predigten das Evangelium, Menschen kamen zum Glauben – Frauen und Männer, Sklaven und Freie, Reiche und Arme. Sie trafen sich in den Gottesdiensten, beteten zusammen, lasen die Bibel und hörten gemeinsam auf das Wort Gottes.
Nun stellte sich die Frage: Wir freuen uns, dass wir Jesus, den Retter, kennen, dass wir Schwestern und Brüder haben und einander lieben. Wie sieht das im Alltag aus? Da stellte jemand fest: Der hat ja zu Hause fünf Sklaven, und ich bin ein Sklave bei einem nichtchristlichen Sklavenhalter im Haushalt.
Diese Sklaven hatten natürlich keine sechs- oder vier-Tage-Woche, sondern sie waren 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche im Dienst. Das war keine Freizeit, sondern Schinderei. Sie hatten auch keinen freien Tag, an dem sie in den Gottesdienst gehen konnten. Deshalb trafen sich die Christen jeden Morgen vor Sonnenaufgang, zwischen fünf und sechs Uhr, zum Gottesdienst, damit alle, die arbeiten mussten, danach wieder zur Arbeit gehen konnten.
Das war die normale Situation. Was bedeutet Heiligung für einen Menschen, der in einer so unappetitlichen Arbeitsbeziehung lebt? Ich weiß es nicht genau, hoffe es aber. Ich habe mit einigen gesprochen, die beruflich immer ganz tolle Berufe hatten, die ihr Leben erfüllt haben. Das ist immer beeindruckend, wenn man zu der Elite gehört, die sich den Beruf aussuchen kann und der einem zum großen Teil auch Freude macht – nicht immer, aber meistens.
Die große Mehrheit der Menschen in unserem Land muss jedoch unter Bedingungen arbeiten, die ihnen absolut keinen Spaß machen, wenn sie Geld verdienen wollen, um Essen und Trinken zu haben. Jetzt stellt sich die Frage: Was bedeutet das?
Die Apostel sagen: Jesus hat uns Gutes getan, ihm dienen wir. Ihr seid frei, und tut das aus Gnade, erleidet das Unrecht. Im Philemonbrief und im Kolosserbrief wird deutlich, dass Befreiung ein evolutionärer Prozess war. Aus der Art und Weise, wie Freie und Unfreie zusammenlebten, entwickelte sich im Neuen Testament eine Entwicklung, die schließlich zur Abschaffung der Sklaverei führte.
Das Schreckliche ist, dass, als die Christen im vierten Jahrhundert nicht mehr im römischen Reich verfolgt wurden, sondern als Staatsreligion anerkannt wurden, sie plötzlich die Hebel der Macht in der Hand hatten. Sie begannen sofort, ihre Gegner mit der gleichen Gewalt zu verfolgen, mit der die Regierung sie zuvor verfolgt hatte.
Das ist europäische Geschichte. Das Christentum in Europa gibt es seit der römischen Staatsreligion Ende des vierten Jahrhunderts nur als Staatsreligion – immer nur als Staatsreligion, auch nach der Reformation. Cuius regio, eius religio, der Augsburger Religionsfrieden: Wer die Macht hat, bestimmt, was die Untertanen zu glauben haben.
Die gnädigsten Landesfürsten ließen ihre Leute halbwegs toleriert ausziehen, die meisten unterdrückten sie. Wir sind nicht weit davon entfernt: Salzburg, die schrecklichen Verfolgungen der Evangelischen noch im achtzehnten Jahrhundert, weil sie eine Bibel lesen wollten. Das sind grauenhafte Geschichten, die vor dreihundert Jahren hier von christlichen Erzbischöfen geführt wurden.
Die Lutheraner und Reformierten waren sich in dieser Hinsicht nicht besser als die anderen. Luther, Zwingli und Calvin ließen die Wiedertäufer, die Mennoniten, ersäufen in der Limmat, verbrannten Menschen am Goldenen Dachl und in den Jakobshütten in Innsbruck. Auch nach der Reformation versuchten sie mit Gewalt, das Evangelium durchzusetzen.
Das ist unsere Geschichte. Deshalb fällt es uns in Europa heute so schwer, die Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens zu bezeugen. Denn jahrhundertelang sagen die Kritiker: Als ihr die Macht hattet, habt ihr anders gehandelt. Heute, wo ihr keine Macht mehr habt, redet ihr von Liebe und fordert Toleranz. Aber als ihr die Macht hattet und eure Kirchenleitungen mit den Regierungen Gefängnisse und Kirchen füllten, fandet ihr das ganz okay.
Die Gottlosen sind nicht so schwach, dass sie nicht wüssten, was unsere Vorfahren getan haben. Deshalb sollten wir es heute nicht zu einfach machen. Wir haben auch viele Aufgaben.
Es gab Phasen in der Zeit der Staatsreligionen, in denen biblische Gründe gesucht wurden, um die Sklaverei zu rechtfertigen – bis hin zur Apartheid in Südafrika. Die Ausbeutung anderer Menschen auf der Welt wird auch heute noch gerechtfertigt. Man könnte sagen, man könne nicht alles sofort ändern, bis sich der Himmel auf Erden einstellt. Es gibt biblische Gründe, sich mit allem abzufinden.
Das ist bitter. Aber der christliche Glaube ist keine Revolution, die mit Gewalt neue Verhältnisse schaffen wollte. Er setzt sehr darauf, dass der Erlöser die Herzen verändert, dass er eine neue Gemeinde schafft, die heilig lebt und das Gute tut – auch wenn sie dafür leidet.
Selbst in den erbärmlichsten Verhältnissen ehrt diese Gemeinde Jesus und entwickelt aus der Kraft des Heiligen Geistes ein Potenzial der Freiheit, das, wenn Gott Gnade schenkt, auch die Umgebung verändert.
Jesus war so nüchtern zu sagen: Glaubt nicht, dass ihr es schafft, dass die von euch veränderte Gesellschaft nahtlos in Gottes neue Welt übergeht. Ihr werdet es nicht schaffen. Ihr werdet als Volk Gottes leben – als heiliges Volk Gottes, mutig und alternativ. Aber es wird ringsum auch eine Eskalation des Bösen geben.
Es gibt eine Zuspitzung der antichristlichen Herrschaft in einer totalitären Herrschaft, die unsere Vorstellungen übersteigt. Doch das letzte Wort hat der Herr. Er wird alles zum Schluss bringen, das Weltgericht halten, die Toten auferwecken, und alles wird zur Sprache kommen.
Es wird Recht geschehen, und die Hungernden und Dürstenden nach Gerechtigkeit werden satt werden, hat er versprochen. Er wird den neuen Himmel und die neue Erde schaffen, höchstpersönlich die Tränen abwischen, und dann wird es keine Sünde, kein Leid, keinen Schmerz und kein Geschrei mehr geben.
Jesus als Quelle und Vorbild der Heiligung
Aber Heiligung unter schwersten Bedingungen. Am Ende steht dann ganz einfach: Nachdem er all das so ausführlich erklärt hat, stellt er Jesus vor unsere Augen. Jesus ist die Quelle und das Vorbild. Er ist nicht nur das Vorbild – das wäre zu wenig. Große Vorbilder helfen uns nicht immer. Je besser sie sind, desto mehr entmutigen sie uns.
Wenn ich so super Sportler sehe – früher habe ich keinen Fußball gespielt, Schach gespielt, heute in meinem Alter reicht es noch für Golf – dann weiß ich, wie schwer das ist. Wenn du selbst Golf spielst und weißt, wie schwer es ist, mit deinen 14 Schlägern die Kugel genau dorthin zu bringen, wo sie hin soll, dann kannst du das nachvollziehen. Du fängst an und schlägst tausendmal mit einem Schläger, und die Kugel fliegt irgendwohin. Aber du lernst ganz genau die Distanz, den Schwung und so weiter. Es ist unglaublich. Du kannst es trainieren, du kannst manches schaffen.
Warum wollte ich überhaupt von Sport reden? Wegen der Vorbilder. Wenn ich solche Supergolfer sehe, denke ich immer: Vielleicht solltest du deine Schläger doch nicht mehr auspacken, weil der Abstand so groß ist. Ich habe keine Chance mehr. Ich schaffe keinen Abschlag mehr. Wenn ich 150 Meter schaffe, dann war ich König. Aber die machen 300 Meter und sind fast auf dem Grün – da komme ich nie mehr hin.
Jesus ist nicht nur unser Vorbild – das ist er auch. Er ist unsere Quelle. Er ist die Quelle, die für uns gegeben, für uns geopfert wurde. Wir schöpfen aus ihm. Er kraftet uns durch seinen Heiligen Geist, er nähert sich uns mit seiner Liebe. Wir empfangen, und je mehr wir versagen – wo wir versagen und wo wir enttäuscht sind von uns selbst und von anderen – da werfen wir all unser Elend ihm zu Füßen und sagen: Herr, ich komme wieder und wieder zu deinem Kreuz.
Und er sagt: Hör mal, ich habe dir doch gesagt, Füße waschen ist mein liebstes Geschäft. Jetzt wasche ich dir wieder deine Füße. Und dann wandern wir weiter zum Ziel.
Deshalb stellt Petrus zum Schluss den gekreuzigten Jesus als Vorbild und als Quelle für unsere Heiligung dar. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Ihr wart wie die irrenden Schafe, so steht es in Jesaja 53. Wir waren wie die irrenden Schafe, jeder ging seinen eigenen Weg. „Er aber hat unsere Sünde auf sich geworfen“ – so wörtlich steht es in Jesaja 53.
Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Ihr wart wie die irrenden Schafe, aber ihr seid heimgekehrt zu dem Hirten und Bischof. Bischof heißt der, der aufpasst – der Episkopos, der auf eure Seelen achtgibt.
Jetzt würde ich gerne noch eine Stunde darüber reden, was eine Seele ist, tue ich aber nicht. Ich wollte euch nur ein bisschen erschrecken.
Herr Jesus, dich als den Hirten und Bischof unserer Seelen beten wir an. Gib uns den Mut, die Liebe und die Leidenschaft, dir ohne Furcht zu folgen – in deiner Gemeinde.