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Nutze die Gelegenheiten

Das ABC der Mission, Teil 3/4, Kolosser 4,5

Nutze die Gelegenheiten

Reihe: Das ABC der Mission (3/4)

Kolosser-Brief 4,5

Einleitende Gedanken

Hören wir zu Beginn auf ein kurzes Gebet: „Herr, heute habe ich – bis jetzt – alles richtig gemacht. Ich habe nicht getratscht, nicht die Geduld verloren, ich war nicht gierig oder grantig, bösartig oder egoistisch. Darüber bin ich wirklich froh! – Aber, in ein paar Minuten, Gott, werde ich aufstehen, und dann brauche ich eine Menge Hilfe. Danke, dass du bei mir bist! Amen.“ So ist es doch. Sobald wir aufstehen beginnen die Herausforderungen des Lebens. Und dafür brauchen wir die Hilfe Gottes. In dem Text, den wir heute anschauen, spricht Paulus über unsere Verhaltensweise. Er fordert uns auf: „Verhaltet euch klug im Umgang mit denen, die nicht zur Gemeinde gehören. Wenn sich euch eine Gelegenheit bietet, euren Glauben zu bezeugen, dann macht davon Gebrauch.“ Kol.4,5. Wir werden uns heute Gedanken darüber machen, wie wir das, was Paulus hier sagt, praktizieren können. Aber zuerst müssen wir verstehen, was er hier überhaupt sagt.

I. Mit Weisheit den Menschen begegnen

Mit grosser Selbstverständlichkeit geht Paulus davon aus, dass sich Christen von Menschen, die Jesus nicht nachfolgen, unterscheiden. „Verhaltet euch klug im Umgang mit denen, die nicht zur Gemeinde gehören.“ Kol.4,5. Im griechischen Grundtext wird jedoch nicht von der Gemeinde gesprochen, sondern Paulus spricht ganz einfach von denen, die draussen sind. Demnach sind Christen drinnen, im Hause Gottes, im Reich Gottes. Hingegen befinden sich Menschen, die Jesus ablehnen oder ihn gleichgültig behandeln, draussen, ausserhalb dieses Reiches. Dieses Denken von „drinnen“ und „draussen“ begegnet uns durch die ganze Bibel in verschiedenen Variationen. Paulus schreibt bereits im ersten Kapitel des Kolosserbriefes: „Gott hat uns aus der Gewalt der Finsternis befreit und hat uns in das Reich versetzt, in dem sein geliebter Sohn regiert.“ Kol.1,13. Mit anderen Worten: Wenn wir unsere Schuld bekennen und Jesus nachfolgen, dann werden wir von draussen nach innen versetzt. Wir betreten dann den Boden des Reiches Gottes – eben das Gebiet, in dem Jesus regiert. Mit der Finsternis haben wir dann nichts mehr zu tun! Wenn uns das klar wird, können wir eigentlich nur staunen und ehrlich gesagt, dürfte unsere Dankbarkeit für das Vorrecht, dass wir im Hause Gottes leben dürfen und wir seine Kinder sind, nie enden. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass es im Leben nichts gibt, das wichtiger und grossartiger ist, als dass ein Mensch von „draussen“ nach „innen“ kommt – von der Finsternis ins Reich Gottes. Doch weil wir als Christen im Reich Gottes leben, sind wir in gewisser Weise von dieser Welt entfremdet. Nicht, dass wir die Menschen und das Leben ablehnen würden. Aber wir werden nicht mehr wirklich verstanden. Es kann sogar sein, dass sich Menschen durch unseren Glauben beeinträchtigt oder gar beleidigt fühlen. Wir können für die, die „draussen“ leben zum Ärgernis werden. Jesus sagt: „Ich habe meinen Jüngern dein Wort weitergegeben, und nun hasst sie die Welt, weil sie nicht zu ihr gehören, so wie auch ich nicht zu ihr gehöre.“ Joh.17,14. In diesem Spannungsfeld müssen wir als Christen leben und deshalb brauchen wir Weisheit, so steht es im griechischen Grundtext, wie wir den Menschen begegnen sollen, die Jesus nicht wirklich kennen. Es gibt Christen, die neigen dazu, sich den Menschen zu entziehen. Sie versuchen Kontakte zur „Aussenwelt“ möglichst zu vermeiden, möglichst wenig mit Menschen zu tun zu haben, die nicht Christen sind. Wäre das Gottes Idee gewesen, dann hätte er die Christen gleich von der Erde nehmen können. Paulus müsste uns auch nicht auffordern, mit Weisheit den Menschen zu begegnen. Er hätte dann einfach sagen können, wir sollten unbedingt jeden Kontakt zu denen die „draussen“ sind vermeiden. Doch schon Jesus sagte seinen Jüngern: „Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.“ Mt.5,14. Es ist eindeutig, dass Jesus dagegen ist, dass sich Christen verstecken. Im Gegenteil, sie sollen leuchten, d.h. für die Menschen sichtbar sein. Sichtbar können wir aber nur dann sein, wenn wir Menschen begegnen egal, ob sie Christen sind oder nicht. Jesus selber verdeutlicht das durch seinen Lebensstil. Er begegnete Zöllnern, Prostituierten, Pharisäern, Kranken, Soldaten, Heiden, einfach allen Menschen, die damals in seinem Umfeld lebten. Das ärgerte die Pharisäer. Wie konnte Jesus mit solchen Menschen Gemeinschaft pflegen! Empört schimpfen sie: „Dieser Mensch gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen!“ Lk.15,2. Aber, da Jesus unser Vorbild ist und nicht die Pharisäer, wissen wir, dass es gut ist, wenn wir den verschiedenen Menschen mit ihren verschiedenen Überzeugungen begegnen. Wir können und sollen mit Menschen zusammen sein, die unseren Glauben und unsere Überzeugungen nicht teilen. Wie sonst, sollen sie sehen, wie unser Licht leuchtet? Überall wo wir sind, können wir für das Evangelium leuchten und das auch ohne grosse Predigten zu halten. So ist es gut, wenn wir in einem Sportklub, einem Englischkurs, einem Strickverein, einem Chor oder wo auch immer dabei sind. Wir gehen nicht dorthin, um den Menschen zu erklären, was sie alles falsch machen. Als Christen sind wir keine Moralapostel. Paulus sagt das in aller Deutlichkeit den Christen in Korinth, die eine Bemerkung aus einem früheren Brief falsch verstanden hatten. Er schreibt: „In meinem früheren Brief habe ich euch vor dem Umgang mit Menschen gewarnt, die ein unmoralisches Leben führen. Dabei dachte ich natürlich nicht an Menschen, mit denen ihr zwar in dieser Welt zu tun habt, die aber Gott nicht kennen. Wenn ihr den Kontakt mit allen vermeiden wolltet, die ein unmoralisches Leben führen, geldgierig sind, andere berauben oder Götzen anbeten, bliebe euch nichts anderes übrig, als die Welt zu verlassen.“ 1.Kor.5,9-10. Wir müssen die Welt weder räumen noch verlassen, sondern wir müssen in Weisheit den Menschen begegnen, die ohne Jesus leben. Zu dieser weisen Lebensführung gehört sicher auch, dass wir nicht Böses mit Bösem vergelten. Wir sollen – so viel an uns liegt – mit allen Menschen Frieden haben usw. Oder wie es Petrus sagt, sollen alle Menschen durch uns etwas von der Liebe Gottes abbekommen: „In Ehrfurcht vor Gott Liebe zu den Glaubensgeschwistern und darüber hinaus Liebe zu allen Menschen.“ 2.Petr.1,7. Paulus kann natürlich nicht detailliert beschreiben, wie wir den Menschen begegnen sollen. Das ist vom kulturellen Umfeld und von der Zeit in der wir leben abhängig. Deshalb braucht es Weisheit, denn es gibt fast keine festen Verhaltensregeln, die wir befolgen können und die für alle Zeiten gelten. Vielmehr müssen wir die Werte und Überzeugungen kennen, von denen wir unsere Verhaltensweisen ableiten. Dazu brauchen wir eben Weisheit! Diese Weisheit bekommen wir, wenn wir unser Leben ganz auf Gott ausrichten. Wie gesagt, hat das vor allem mit unseren Überzeugungen und unserem Denken zu tun. Paulus beschreibt das so: „Richtet euch nicht länger nach den Massstäben dieser Welt, sondern lernt, in einer neuen Weise zu denken, damit ihr verändert werdet und beurteilen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob Gott Freude daran hat und ob es vollkommen ist.“ Röm.12,2. Es geht also darum, dass wir leuchten und nicht andere Menschen mit Feuer bespeien. Leuchten heisst, dass wir sichtbar sind und für andere Menschen zu Orientierungspunkten werden. Dazu brauchen wir tatsächlich Weisheit!

II. Im richtigen Moment reagieren

Begegnen wir den Menschen mit Weisheit, dann bieten sich manchmal Möglichkeiten, mit ihnen über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Paulus fügt deshalb noch einen Gedanken hinzu, der leider oft falsch verstanden wird. Viele von uns haben die Lutherübersetzung im Ohr, die wohl recht nahe beim griechischen Grundtext bleibt und trotzdem falsche Assoziationen auslöst. „Kauft die Zeit aus.“ Kol.4,5. Schreibt Luther. Deshalb wird dieser Vers oft als Grundlage für ein gutes Zeitmanagement verwendet. Es wird der Eindruck erweckt, als wollte Paulus hier ermahnen unsere Zeit richtig einzuteilen. Unsere Termine richtig zu verwalten und jeglichen Leerlauf zu vermeiden. Das Leben sozusagen systematisch zu beschleunigen. Das würde eigentlich perfekt in unsere Leistungs- und Erfolgsgesellschaft passen. Ja – es scheint, als könnte man damit unseren vielbeschäftigten Leuten eine biblische Grundlage für eine gute Terminplanung anbieten. Doch wer von seiner Persönlichkeit nicht zu den strukturiert veranlagten Menschen gehört, sondern eher chaotische Züge hat, der wird diesen Vers nicht lieben und am Zeitmanagement scheitern. Aber, wer diesen Vers zur biblischen Begründung verwenden will, dass wir unsere Zeit gut einteilen müssen, der liegt definitiv falsch. Ja, der missbraucht diese Aussage von Paulus und hat nicht verstanden, was Paulus eigentlich sagen will. Vielleicht denkst du jetzt, warum ich mir da so sicher bin. Es gibt einen ganz einfachen Grund. In der griechischen Sprache gibt es zwei Begriffe, die wir im Deutschen in der Regel mit „Zeit“ übersetzen: chronos und kairos. Mit Chronos wird im Griechischen die fortlaufende Zeit beschrieben. Die Zeit, die dahinfliesst. In der Geschichtsschreibung sprechen wir z.B. von Chronologie. Die Chronologie beschreibt die Abfolge von Ereignissen. Kairos beschreibt hingegen einen besonderen Moment, ein besonderes Ereignis, einen bestimmten Augenblick. Kairos ereignet sich irgendwann und irgendwo. Der Kairos kann nicht berechnet werden, er ist unberechenbar. Chronos ist zuverlässig, gemächlich und gleichmässig läuft Chronos weiter. Chronos ist berechen- und kalkulierbar. Kairos hingegen taucht plötzlich auf und genauso plötzlich kann er wieder verschwinden. Kairos – wie wir hier sehen können – ist in der griechischen Mythologie ein leichtfüssiger Jüngling. An den Füssen und am Rücken hat er Flügel. Diese Flügel weisen auf seine Beweglichkeit hin. So plötzlich Kairos erscheint, so schnell ist er auch schon wieder verschwunden. Es gibt jedoch eine Möglichkeit Kairos festzuhalten, nämlich an seiner Stirnlocke. Dort kann man Kairos packen, bevor er wieder entweicht. Diese Stirnlocke deutet symbolisch an, dass man die günstige Gelegenheit beim Schopfe packen kann, dass der Mensch den Kairos nutzen kann, wenn er in ergreift. Nun ist es nicht schwer zu erraten, welchen Begriff Paulus hier verwendet hat. Natürlich steht im griechischen Text „kairos“. Paulus will uns also nicht sagen, dass wir unsere Zeitplanung optimieren sollten, sondern er will uns nur sagen, dass wir die Gelegenheiten, die sich bieten, beim Schopf packen. Diesen Gedanken hat die Neue Genfer Übersetzung sichtbar gemacht: „Wenn sich euch eine Gelegenheit bietet, euren Glauben zu bezeugen, dann macht davon Gebrauch.“ Kol.4,5. Paulus will uns lediglich ermutigen die Gelegenheiten, die sich uns bieten zu ergreifen. Wir sollen den Kairos nicht vorbei huschen lassen, sondern ihn beim Schopf packen. Vielleicht ist dir das auch schon passiert, dass du realisiert hast, dass du eine Gelegenheit verpasst hast. Du weisst sofort, dass sich diese Gelegenheit nicht mehr so schnell bieten wird. Mir ist das leider schon oft passiert. Umso erfreulicher sind die Situationen, bei denen ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt habe. Wenn wir mit Weisheit den Menschen begegnen, dann werden sich uns ab und zu solche Gelegenheiten bieten und dann müssen wir diesen Kairos beim Schopf packen! Es geht also nicht um eine endlose und ermüdende Betriebsamkeit, sondern um die richtige Reaktion im richtigen Moment. Ein solcher Kairos kann sein, wenn dich morgen jemand im Geschäft fragt, was du am Sonntag gemacht hast. Du kannst sagen, dass du bei diesem schönen Wetter einen Spaziergang gemacht und du die Zeit sehr genossen hast. Oder du kannst sagen, dass du am Morgen zum Gottesdienst gegangen bist und viele schöne Begegnungen hattest und dass du durch die Anbetung und die Predigt innerlich auftanken und Kräfte sammeln konntest. Natürlich kannst du auch von deinem schönen Spaziergang erzählen. Oder wenn dir jemand eine Not anvertraut, könntest du sagen, dass du gerne für diese Sache beten würdest. Die Gelegenheit beim Schopf packen bedeutet nicht, dass ich darauf warten muss, bis ich jemandem das ganze Evangelium erklären kann. Das ist natürlich super, wenn das möglich ist. Die Gelegenheit beim Schopf packen kann auch einfach bedeuten, dass ich die kleinen Gelegenheiten wahrnehme und mein Gegenüber realisiert, dass ich mit Gott in Verbindung bin. So sieht er wie unser Licht leuchtet und vielleicht wird aus dieser kleinen Gelegenheit, die ich ergriffen habe eine grosse Möglichkeit, das Evangelium zu erklären und einen Menschen zu Jesus zu führen oder ihn zum Gottesdienst einzuladen. Wir müssen nicht unseren Terminkalender optimieren, sondern wir müssen nur aufmerksam sein, damit wir den Kairos beim Schopf packen können, wenn er an uns vorbei huscht. In einem theologischen Wörterbuch wird folgendes zu diesem Vers gesagt: Wenn sich die Gelegenheit bietet, soll sie unter Aufwand von „Kosten, von Anstrengungen, „restlos ausgenützt“, werden. Konzentrieren wir uns nicht primär auf unsere Termine, sondern auf die Gelegenheiten, die sich uns bieten.

Schlussgedanke

Napoleon soll einmal gesagt haben: "Die meisten Schlachten entscheiden sich in fünf Minuten. Wenn man im richtigen Augenblick die richtigen Truppen am richtigen Ort einsetzt, dann ist alles gewonnen; versäumt man diesen Augenblick, dann ist alles verloren." Gott möge uns die Weisheit schenken, dass wir den Menschen, die Jesus nicht kennen, so begegnen, dass es für sie hilfreich ist. Und er möge uns die Aufmerksamkeit schenken, dass wir die Gelegenheiten, die sich uns bieten beim Schopf packen. Gibt es etwas, das du jetzt noch notieren willst, damit du es morgen nicht schon wieder vergessen hast? Ist dir heute Morgen ein Kairos begegnet, den du jetzt ergreifen willst? Mit einem Wort von Petrus möchte ich schliessen: „Ihr lebt unter Menschen, die Gott nicht kennen. Führt darum ein vorbildliches Leben! Sie mögen euch zwar verleumden und als Übeltäter hinstellen, doch wenn sie all das Gute sehen, das ihr tut, lassen sie sich vielleicht eines Besseren belehren und werden das dann zur Ehre Gottes auch anerkennen, wenn er am Tag des Gerichts Rechenschaft von ihnen fordert.“ 1.Petr 2,12