Ermutigung und Lobpreis zu Beginn des Gottesdienstes
Ich möchte Ihnen zuerst Mut machen, das Wort zu rufen. Der in euch angefangen hat das gute Werk, wird es auch vollenden bis zum Tag Jesu Christi. Unser Herr Jesus wird mit Ihnen sein, uns allen wird er zur Vollendung verhelfen. Er möchte uns fördern und weiterführen. Das führt uns zu unserem Eingangslied.
Wir wollen gemeinsam das Lied „Treuer Heiland, wir sind hier“ singen, Nummer 434. Das Lied stammt von Heinrich Zellach, einem bekannten Pädagogen. Er hat auch ein Heim für schwer erziehbare Kinder in Beugen bei Basel, in der Nähe des Rheins, aufgebaut. Das Lied spricht davon, wie Gott an uns arbeitet, uns formt und prägt.
Wir singen alle fünf Verse von Lied 434 und beten:
Großer und mächtiger Gott, unser lieber Herr, wir können immer wieder neu staunen über diese Welt, die du so wunderbar geschaffen hast. Wir freuen uns an diesem Morgen an den Sonnenstrahlen, am Leben und an all dem Schönen, das uns erquickt. Auch an der eigenen Lebenskraft, die du uns schenkst. All das wirkt durch dein lebendiges Wort.
Wir bitten dich, dass du an diesem Morgen auch unser Leben umgestalten kannst. Du musst es tun, damit du uns veränderst und neu machst. Wir kommen zu dir, weil wir wollen, dass du dein Bild, deine Art und dein Wesen in unser Leben hineinzeichnest, damit wir dir ähnlich werden.
Wir bringen dir an diesem Morgen auch so viel, was uns bedrückt und traurig macht – auch Not, die uns bedrängt. Wir wollen all das vor dir ausbreiten. Ich bitte dich, dass du uns Lösungen und Hilfe schenkst.
Das Wunderbare ist, dass wir bei dir auch Schuld bekennen und aussprechen dürfen. Du machst uns frei, wenn wir es in dein Licht bringen. Du bist gekommen, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Wir wollen in der Stille füreinander weiterbeten:
Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist! Wohl dem, der auf ihn traut! Amen.
Nun hören wir noch einmal ein Musikstück.
Die Berufung Sauls zum König – biblischer Predigttext
Wir haben als Predigttext die Berufung Sauls, und ich lese nun dort weiter, wo wir am letzten Sonntag aufgehört haben. Saul war unterwegs mit seinem Knecht und suchte die Eselinnen, die dem Vater entlaufen waren. Sie kamen zu Samuel, und dort wurde Saul eröffnet, dass er von Gott zum König berufen wurde (1. Samuel 10).
Da nahm Samuel den Krug mit Öl, goss es auf Sauls Haupt und küsste ihn. Er sprach: „Siehe, der Herr hat dich zum Fürsten über sein Erbteil gesalbt. Wenn du jetzt von mir gehst, wirst du zwei Männer finden bei dem Grabe Rahels an der Grenze Benjamins bei Zelzach.“
Bibelkenner und Israel-Touristen wissen, dass das Grab Rahels heute an der Straße von Bethlehem, an der Abzweigung nach Hebron, liegt. Dieses wurde etwa 500 Jahre vor Christus aus unbekannten Gründen nach Bethlehem verlegt. Ursprünglich war es jedoch an der beschriebenen Stelle. Man sieht hier, wie genau die biblische Berichterstattung ist. Die alten Berichte werden nicht verändert, sondern festgehalten, wie es war – an der Grenze von Ephraim und Benjamin. Dort lag das Grab Rahels, wie es auch beschrieben ist, wo die Mutter von Joseph starb, nämlich bei der Entbindung ihres Kindes Benjamin.
Dort werden sie zu dir sagen: „Die Eselinnen sind gefunden, die du zu suchen ausgezogen bist. Aber siehe, dein Vater hat die Esel nicht mehr im Sinn und sorgt sich um euch. Er spricht: Was soll ich wegen meines Sohnes tun?“
Wenn du von dort weitergehst, wirst du zur Eiche Tabor kommen. Im Text steht „Luther Eiche“ übersetzt, aber es ist eine Eiche oder eine Terpentin-Pistazie, wie man heute weiß. Dort werden dich drei Männer treffen, die hinaufgehen zu Gott nach Bethel. Der eine trägt drei Böcklein, der andere drei Brote, und der dritte einen Krug mit Wein. Sie werden dich freundlich grüßen und dir zwei Brote geben. Diese sollst du von ihren Händen annehmen.
Danach wirst du nach Gibeah Gottes kommen, wo die Wache der Philister ist. Wenn du dort in die Stadt kommst, wird dir eine Schar von Propheten begegnen. Sie kommen von der Höhe herab und spielen Harfe, Flöte und Zither. Sie werden in Verzückung sein, und der Geist des Herrn wird über dich kommen, sodass du mit ihnen in Verzückung gerätst. Dort wirst du verwandelt und ein anderer Mensch werden.
Wenn bei dir diese Zeichen eintreffen, so tue, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir.
„Du sollst aber vor mir hinabgehen nach Gilgal. Siehe, da will ich zu dir hinabkommen, um Brandopfer und Dankopfer zu opfern. Sieben Tage sollst du warten, bis ich zu dir komme und dir kundtue, was du tun sollst.“
Als Saul sich wandte, um von Samuel wegzugehen, gab ihm Gott ein anderes Herz. Alle diese Zeichen trafen an demselben Tag ein.
Als sie nach Gibeah kamen, siehe, da kam ihm eine Prophetenschar entgegen. Der Geist Gottes geriet über sie, sodass auch Saul in Verzückung geriet. Als die Leute sahen, dass er mit den Propheten in Verzückung war, sprachen alle, die ihn früher gekannt hatten, untereinander: „Was ist mit dem Sohn des Kieses geschehen? Ist Saul auch unter den Propheten?“ Einer sagte: „Wer ist denn schon ihr Vater?“ Daher stammt das Sprichwort: „Ist Saul auch unter den Propheten!“
Als seine Verzückung aufgehört hatte, kam er nach Gibeah. Sauls Onkel, also sein Oheim, sprach zu ihm und seinem Knecht: „Wo seid ihr hingegangen?“ Saul antwortete: „Die Eselinnen zu suchen. Als wir sahen, dass sie nicht da waren, gingen wir zu Samuel.“
Da fragte der Onkel Saul: „Sage mir, was sagte euch Samuel?“ Saul antwortete: „Er sagte uns, dass die Eselinnen gefunden seien.“ Was Samuel von dem Königtum gesagt hatte, sagte er ihm nicht.
Wir hören noch einmal einen Musikstift.
Die Notwendigkeit eines neuen Herzens für das Königsamt und unser Leben
Für das Königsamt ist vor allem ein neues Herz nötig. Das sagt uns die Bibel auch für unser Leben. Es ist die entscheidende Wende, bei der der Neuanfang beginnen muss.
Wir singen miteinander das Lied „Ein reines Herz. Herrschaft in mir“ (263). Ganz gleich, wo Sie heute Ihre Nöte und Schwierigkeiten haben: Sie sollen wissen, dass Gott für Ihr Leben eine ganz große Perspektive hat. Es gibt niemanden unter uns, dem das nicht gilt. Jesus möchte etwas Großes, Schönes und Neues aus Ihrem Leben machen.
Das ist nur vergleichbar mit der Berufung in ein Königsamt – mit solch einer hohen Würde. All das, was wir heute hören und lesen, soll unmittelbar Anwendung für Sie finden.
Wir lesen weiter in 1. Samuel 10, Vers 17:
„Samuel aber rief das Volk zusammen zum Herrn nach Mizpah und sprach zu den Israeliten:
So sagt der Herr, der Gott Israels: Ich habe Israel aus Ägypten geführt und euch aus der Hand der Ägypter errettet und euch aus der Hand aller Königreiche, die euch bedrängten.
Ihr aber habt heute euren Gott verworfen, der euch aus aller eurer Not und Bedrängnis geholfen hat, und habt gesprochen: ‚Nein, setze vielmehr einen König über uns!‘
Wollan, so tretet nun vor den Herrn nach euren Stämmen und Tausendschaften!“
Als Samuel alle Stämme Israels herantreten ließ, fiel das Los auf den Stamm Benjamin. Als er den Stamm Benjamin mit seinen Geschlechtern herantreten ließ, fiel das Los auf das Geschlecht Madri. Und als er das Geschlecht Madri herantreten ließ, Mann für Mann, fiel das Los auf Saul, den Sohn des Kiesch.
Sie suchten ihn, fanden ihn aber nicht. Dabei fragten sie abermals den Herrn: „Ist denn der Mann überhaupt hergekommen?“
Der Herr antwortete: „Siehe, er hat sich bei dem Trosch versteckt.“
Da liefen sie hin und holten ihn von dort.
Als er unter das Volk trat, war er eines Hauptes länger als alle anderen. Samuel sprach zu allem Volk:
„Da seht ihr, wen der Herr erwählt hat; ihm ist keiner gleich im ganzen Volk.“
Da jauchzte das ganze Volk und sprach: „Es lebe der König!“
Samuel aber tat dem Volk das Recht des Königtums kund, schrieb es in ein Buch und legte es vor dem Herrn nieder. Das ist bereits zwei Kapitel vorher beschrieben worden: Der König hat sehr autoritäre Rechte. Das war in der Geschichte der Welt immer wieder eine Herausforderung mit den Königen.
Samuel entließ das ganze Volk, jeden Einzelnen in sein Haus. Auch Saul ging heim nach Gibeah, und mit ihm gingen die vom Heer, denen Gott das Herz gerührt hatte. Aber einige ruchlose Leute sprachen: „Was soll der uns helfen?“ Sie verachteten ihn und brachten ihm keine Geschenke. Doch Saul tat, als hörte er es nicht.
Reflexion über Selbstwertgefühl und menschliche Schwäche
Ich bin sehr froh, liebe Schwestern und Brüder, dass wir heute demokratische Rechte haben. Dazu gehört ja auch, dass man wählen darf. Hoffentlich machen Sie Gebrauch von Ihrem Wahlrecht.
Allerdings muss ich sagen, dass Wählen auch immer ein Stück Not mit sich bringt. Ich denke dabei immer an die, die nicht gewählt werden. Vielleicht haben Sie das einmal mitverfolgt oder sogar am eigenen Leib gespürt, wie bitter das ist.
Ich kannte einen Parlamentarier, der nicht mehr gewählt wurde. Er sagte: „Ich kann nicht mehr unter die Menschen, ich kann ihnen nicht mehr in die Augen sehen“, als wäre das eine Blamage für ihn. Ich habe versucht, ihn aufzurichten, und gesagt, dass es zuweilen vorkommt, dass Leute gewählt werden, die nur Schwätzer sind. Die dem Volk, der breiten Masse, nach dem Mund reden, sich anbiedern und das Fähnchen nach dem Wind hängen. Ist es denn wirklich so, dass immer die Besten gewählt werden?
Aber es tut so weh, wenn man nicht gewählt wird, wenn jemand sagt: Du bist uns nicht so viel wert wie der andere. Viele von Ihnen schreiben in diesen Tagen Bewerbungen. Das sind ja sehr viele, die das durchmachen. Man schreibt Bewerbungen, und dann bringt der Briefträger alles wieder zurück ins Haus. Man weiß, anderen wurden offenbar die Vorzüge gegeben, sie sind besser als ich.
Mich hat das immer schon bei den Schulkindern, unseren lieben kleinen Jungen und Mädchen, wehgetan, wenn sie im Sportunterricht Teams bilden zum Fußballspielen. Dann wird gewählt: zuerst die Besten, dann die Zweitbesten, dann die Drittbesten. Und die anderen müssen vollends zusehen. „Ihr könnt ja gar nicht Fußball spielen.“ Das gibt so einen Stich.
Hand aufs Herz: Jeder von uns hat das doch schon oft erlebt – das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Und da leiden wir alle an unserem Selbstwertgefühl. Das kann man kaum aushalten. Sicher ist viel richtig daran, dass wir nicht so gut sind wie die anderen, aber darüber können wir kaum reden. Oft kann man nicht einmal mit seinen Familienangehörigen über die eigenen Schwächen sprechen. Man weiß, dass sie das vielleicht ausnutzen würden. Oder die Kollegen würden es sofort weitertragen.
So leben wir auf eine ganz komische Art, als ob wir nur auf dünnem Eis unter der Oberfläche leben – all die Angst. Ich verstehe gut, dass viele auch krank werden, weil es richtige Ängste in ihrem Leben gibt. Sie müssen sich in die raue Welt dieses Kampfes begeben, wo man sich bewähren muss. Man spürt doch, dass man das alles gar nicht richtig schafft. Und man kann nie zugeben, was an einem nicht gut ist. Man muss nach außen hin so tun, als wäre man immer vollkommen und ideal.
Kritik kann man kaum ertragen. Ich brauche ja auch gleich auf, wenn mich einer kritisiert. Das kann man doch nicht auf sich sitzen lassen. Es ist heute auch schwer für all die, die von den Medien zerrissen werden. Bei den Medien genügt oft eine anonyme Nachrede. Da muss nicht einmal der Zeuge seinen Namen nennen. Der Pfarrer muss seinen Namen hergeben, der Zeuge nicht. Der kann im Dunkeln bleiben und sagen: „So war es, ich habe es gesehen, aber ich melde mich nicht.“ Und dann ist der andere erledigt.
Das ist unheimlich in dieser Welt. Wie kann man da leben mit seinen Minderwertigkeitsgefühlen, mit seinem Selbstwertgefühl?
Ich bin so froh, dass Gott uns an der Stelle packt, wo wir wirklich vor ihm durchschaut sind. Wissen Sie, wenn Sie mit Gott reden – und das ist eigentlich nur in der Begegnung mit Gott möglich –, will Gott gar nichts von schönen Sprüchen hören, von Leistungen, von Zeugnissen, von Erfolgen. Da müssen Sie nicht prahlen, da müssen Sie nicht aufschneiden.
Wenn Gott Sie ruft, dann ruft er doch das Schwache, das Geringe, das Törichte, so beschreibt Paulus das im 1. Korinther 1. Auch in einer Gemeinde, so sind eigentlich bloß Leute beieinander. So hat Paulus von seiner Gemeinde in Korinth gesagt: Es sind nicht viele Gewaltige, nicht viele Große, sondern Menschen, die zittern, die Ängste haben, die viel falsch machen im Leben, die viel nicht wissen, die verzagt und mutlos sind – die hat Gott erwählt.
Immer wenn man an diesen Punkt kommt, meinen manche, wir würden nicht richtig würdigen, was Menschen an Leistungen vollbringen, was sie können, was sie machen. Doch, das tun wir. Aber ich bin so froh, dass wir vor Gott keine Schau machen müssen, sondern ganz offen und ehrlich sagen können, was uns betrügt.
Gott erwählt solche Leute, die schwach sind. Übrigens war das der Grund, warum Gott Saul erwählt hat.
Gottes Methode: Erwählung der Schwachen
Mein erster Punkt: Das hat bei Gott Methode. Gott wählt Menschen gerade wegen ihrer Schwachheit aus. Wenn Gott jemanden ruft, dann tut er das nicht, weil diese Person alles perfekt macht. Vielmehr wählt er jemanden, der, wie ich, ein Versager ist, der seine Gebote oft übertreten hat, weil ihm die Kraft fehlt und er schwach ist. Das hat Methode bei Gott.
Vielleicht haben Sie die Geschichte vorhin beim Verlesen falsch verstanden. Das Los wurde geworfen, und es fiel auf Saul. Samuel konnte nun endlich Saul dem Volk vorstellen und sagte, dass Gott ihn erwählt hat. Daraufhin jauchzte das Volk. Man könnte denken, es sei so gewesen, als wenn ein Musikstar auf die Bühne tritt und Hunderttausende jubeln oder ein Fußballheld seine Tore schießt. Aber war es wirklich so bei Saul? Er war zwar etwas größer als das Volk, doch das war nicht der entscheidende Grund für Gottes Wahl.
Sie müssen hier unterscheiden: Die Leute bewunderten tatsächlich die äußere, fleischliche Seite Sauls. Gerade was das Äußere und die Ehre vor den Menschen betrifft, ist Saul später gescheitert. Das war nicht der Grund, warum Gott ihn gewählt hat. Saul wurde später stolz, sein Herz verhärtete sich. Er wollte Gott nicht mehr an seiner Seite haben und glaubte, alles allein schaffen zu können. Das war auch die Notlage, in der das Volk ihn sah.
Wenn Sie noch einmal darüber nachdenken, warum Samuel so lange gezögert hat, einen König zu berufen, dann liegt das daran, dass Gott sagt: Mit dem König kommt der Wunsch. Das Volk wollte eine starke Führungspersönlichkeit. Das war immer so: Man will sich hinter jemandem verstecken, besonders in der Not. Dann überträgt man alle Wünsche und Sehnsüchte auf diese Person. Dieser soll einen befreien und lösen. Doch es gibt nur einen Retter: den lebendigen Gott.
Sie müssen wissen, es gibt keinen noch so tollen Arzt, der der Medizin kundig ist, keinen noch so klugen Politiker, keinen noch so guten Ehemann. Es gibt nur einen Gott, von dem man nicht enttäuscht wird. Von Menschen werden Sie immer enttäuscht. Darum hat Samuel gezögert und gesagt: Nicht den König! Der wird auch enttäuschen. Er ist ein Mensch mit allen Fehlern und Mängeln. Ihr habt Gott verworfen.
Wenn Gott nun Saul erwählt hat – gehen wir von Gottes Seite aus –, warum hat er ihn erwählt? Was hat Saul mitgebracht? Ein unbedeutendes Familiengeschlecht, ein Landwirt, ein Praktiker, der mit den Händen arbeitet. Für das Königsamt war er überhaupt nicht ausgerüstet. Warum hat Gott ihn trotzdem gerufen? Damit Gott mit so einem Mann arbeiten kann, der sagt: Herr, ich brauche dich in allen Dingen. Ich kann ohne dich gar nichts tun. Ich brauche deine Leitung, deine Führung, deine Zurüstung, deine Ideen.
Gott will schöpferisch sein. Wenn Gott uns erwählt, hat er nie daran gedacht, was wir opfern, arbeiten oder leisten. Gott hat nur gedacht: Da ist einer, der mich ganz besonders nötig hat. Bleiben Sie ein Leben lang bei Ihrer Erwählung, bei Ihrer Bekehrungsstunde, wo Sie erfahren haben: Nichts habe ich zu bringen, alles bist du, Herr.
Das war die Art Gottes, als er Saul rief. Das ist seine Methode. Gott widersteht den Hoffärtigen, den Stolzen, den Erhabenen. Ihnen lässt er es misslingen. Er tritt ihnen in den Weg, sodass sie scheitern müssen. Das hat Israel in seiner Geschichte oft erlebt. Gott stand ihnen im Weg und sagte: Stopp, keinen Schritt weiter, jetzt komme ich. Bis sie in der Tiefe wieder merkten: Ich kriege es ja gratis geschenkt aus der Hand Gottes.
Darum hat Gott Saul erwählt. Gott widersteht den Hoffärtigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade. Demut ist nichts Geheucheltes. Es ist ein offenes Bekennen vor Gott dessen, was er sowieso an uns sieht. Gott sieht uns ja ins Herz, kennt alle unsere Gedanken und erkennt alles. Deshalb ist Demut eigentlich nur das Offenlegen dessen, was Gott eh weiß. Und das Aussprechen und Sagen: Herr, ich weiß ein Leben lang, wer ich bin – vor dir Staub und Asche, ein Mensch, der sich immer wieder von widergöttlichen Gedanken beherrschen lässt.
In dem Adventslied wird das so schön besungen, aus der Botschaft von Johannes dem Täufer: Ein Herz, das Demut liebt, steht bei Gott am höchsten. Ein Herz, das Hochmut übt, geht mit Angst zugrunde.
Sie kennen bestimmt die schöne Geschichte, wie eine Stuttgarterin zu Blumhardt, dem Seelsorger, nach Bad Boll kam. Sie fragte ihn: Ist es eine Sünde, dass ich so schön bin? Er antwortete: Och, eine Sünde ist es eigentlich nicht, aber eine Täuschung. Manchmal ist es mit unserem Hochmut so, dass wir uns einbilden, etwas Besonderes zu sein, etwas Großes leisten zu können.
Wenn in unseren Tagen so wenig von unseren Versäumnissen, unserer Schuld und Sünde gesprochen wird, ist das nur ein Zeichen dafür, dass wir maßlos hochmütig geworden sind und Gott gar nicht mehr brauchen. Wir haben ihn abgeschüttelt, auf die Seite gestoßen.
Wir sagten vorhin: Es hat Methode bei Gott. Denken Sie an Josef, der von seinen Brüdern verspottet wurde. Selbst im eigenen Geschwisterkreis nahm ihn niemand ernst. Jahrelang war er verachtet von den Menschen. Doch Gott hat ihn erhöht.
Denken Sie an Mose mit seinem Sprachfehler und seiner Behinderung. Sie können das in der ganzen Bibel verfolgen: David wurde von seiner eigenen Ehefrau verspottet. Ich hoffe, das ist Ihnen nie passiert, was David durchmachen musste. Michal verhöhnte ihn, und zwar noch, als er Gott diente – das ist das Gemeinste, was man tun kann.
Wie wurde David gedemütigt, als sein Sohn Absalom eine Revolution machte? Barfuß ging er auf den Ölberg hinauf. Man muss immer bei Jerusalem an den Ölberg denken, wenn der große König David barfuß hinaufläuft. Auf dieser Flucht trat noch Shimi auf und sagte: Du bist ein Bluthund, du hast Saul umgebracht – was völlig verlogen war.
Ein Begleiter von David wollte Shimi sofort töten, damit er nicht noch einmal schreit. Doch David sagte: Lass ihn, der Herr hat es ihm befohlen. Die Demütigung ist nötig, obwohl sie verlogen war. Die Demütigung ist nötig, weil Gott uns erhöht, wenn er es will.
Es gab einen Pastor Engels im Bergischen Land, der in der Erweckungsbewegung des letzten Jahrhunderts wirkte. Er hatte verschiedene Leitworte, eines davon war: Ich will mich nie rechtfertigen. So unmittelbar lebte er aus Gott, dass er sagte: Das macht Gott für mich. Wenn ich gedemütigt werde, ist das eine Sache für sich. Ich brauche nicht um meine Ehre zu kämpfen.
In der Bibel heißt es auch: Wenn du mich demütigst, machst du mich groß. Erschrecken Sie nicht vor der Demut und auch nicht vor Niederlagen im Leben. Es gibt immer wieder Enttäuschungen in unserem Glaubensleben. Gott hat uns erwählt, weil wir schwach sind. Das war der Grund, warum er Saul erwählt hat.
Die Kraft der Erwählung und die neue Würde in Christus
Aber jetzt komme ich zum nächsten Punkt. Das macht uns ungemein stark. Wenn Gott uns erwählt, dann will er uns das nicht dauernd vorhalten und sagen: „Ja, du bist ja ein Versager.“ Sie müssen das genau unterscheiden. Nie hat Jesus einem Menschen etwas vorgehalten, nie! Die Bibel sagt das nicht. Im Gegenteil: Wenn ein Mensch zu Jesus kommt, ganz gleich wie dunkel sein Leben war, hört er vom ersten Augenblick an, dass das Alte vergangen ist und alles neu geworden ist.
Sie werden mit Ehre gekrönt, sie werden aus dem Staub aufgehoben. Gerade weil es nicht mehr danach geht, was wir dem Fleische nach sind, und zur wirklichen Art. Schauen Sie mal in die Zeitungen oder in die Gespräche, die Ihnen unter Kollegen geführt werden. Da wird immer auf den Schwächen der Menschen herumgehackt. Und es gibt nie ein Verzeihen – das geht durch Jahrzehnte hindurch. Bei Gott ist das umgekehrt. Da gibt es Verzeihen und Vergessen.
Das ist so wunderbar, gerade weil Gott aus unserem Leben etwas machen will. Und das ist meine Botschaft: Gott hat mit Ihnen etwas vor. Sie sind brauchbar, Sie sind tauglich, weil Gott gar nicht mit Ihren natürlichen Gaben rechnet. Gott rechnet mit seinen Gaben, die er Ihnen ganz neu gibt.
Wenn er Saul zum Königsamt beruft, dann denkt er nicht an seine landwirtschaftlichen Kenntnisse, die er jetzt brauchen könnte. Stattdessen gibt Gott ihm die Gaben. Er muss sich nur leiden lassen. Wer den Ruf Gottes annimmt, wird beschenkt.
Wie brauchbar und stark Saul bei seiner Berufung war, sieht man daran, dass er ein paar Lästerungen ertragen musste. Da wäre mir die Hand ausgerutscht, ich wäre so schwach gewesen, tief verletzt. Ich hätte das Notizbuch herausgezogen und gesagt: „Wenn ich König bin, werde ich es heimzahlen.“ So machen wir es ja. Wir speichern das. Wir brauchen nicht mal ein Notizbuch. Nach 50 Jahren wissen wir noch, wer uns verletzt hat.
Wir müssen in Kindertagen erzählen, wie die Eltern zu uns waren, bis wir es ganz genau wissen. Saul aber schien es nicht zu hören. Er stand über dem Geschwätz der Leute. Er würde sagen: „Die haben ja Recht, wer bin ich denn? Meine ganze Würde ist, dass Gott mich erwählt hat.“ Die anderen verstehen das ja gar nicht.
Dass Gott aus einem ganz schlichten Landwirtschaftsleben wie bei Saul etwas Großes macht – wer rechnet denn damit? Aber das ist doch das Geheimnis Jesu: wie er die Menschen gerufen hat, von der Zollschranke weg, hinter den Fischnetzen, Menschen mit zerbrochenem, schuldbeladenem Leben. Und er macht etwas ganz Neues daraus.
Deshalb ist es auch so dumm und töricht, wenn wir oft so prahlen und so schreierisch Dinge in die Welt hinausposaunen. Man kann die Sache Gottes gar nicht so darstellen. Die Menschen in unseren Tagen merken nicht, was Gott tut. Die Menschen lieben es immer, wenn es mit sensationellen Worten und großen Zahlen daherkommt. Und dann wird gesagt, was alles kommt. Die Menschen werden es nicht verstehen, nur der Glaubende wird es wissen.
Wenn Gott mich erwählt, dann ist auch ein alter Mensch heute schon, wenn er über achtzig Jahre alt ist, jeder Tag seines Lebens wichtig, gefüllt und groß, weil Gott etwas hineinlegt. Suchen Sie: Wie kann ich dort Gott dienen, in dem Amt, in das er mich gesetzt hat? Ich will in seiner Kraft, in seiner Vollmacht wirken.
Das war auch der Grund, warum Saul nicht mehr von der Meinung der Leute abhängig war. Als er seinen Onkel trifft, sagt der Onkel: „Aha, was hat denn Samuel mit euch gesprochen?“ Er fragte ihn direkt, vielleicht hatte er schon etwas geahnt. Wissen Sie, was Saul sagt? „Och, der hat uns gesagt, dass die Eselinnen gefunden sind. Schluss, basta, kein Wort mehr.“ Das können die anderen auch nicht verstehen.
Und dann wollen wir den Mund halten. Wir können mit Ungläubigen nicht darüber reden, was es heißt, wenn das Leben eine neue Würde und eine neue Größe bekommen hat. Das macht uns stark. Ganz am Anfang sagte ich ja in der Predigt, dass wir alle an unserem Selbstwertgefühl leiden. Hoffentlich leiden Sie daran! Das wäre unnatürlich, wenn Sie es nicht täten.
Es gibt auch solche Leute, fast schon krankhaft. Die sind so eingebildet, das wäre schlimm. Also hoffe ich, dass Sie das nicht sind. Wenn Sie jetzt sagen: „Bei mir ist es zu schlimm, ich traue mir gar nichts mehr zu“, dann hören Sie das Evangelium. Dann blicken Sie auf Jesus, da bekommen Sie Selbstwertgefühl.
Ich kann Ihnen sagen: Sie können nie eine höhere Meinung von sich bekommen, als wenn Sie auf Jesus blicken und wissen, dass er Sie erwählt hat. Warum hat er mich erwählt? Er hat schon an mich gedacht, als er rief: „Es ist vollbracht.“ Er hat wirklich an mich gedacht.
„Um der Menge meiner Sünden willen hat er an mich gedacht. Ich gehöre zu ihm, und ich darf das wissen: Er lässt mich nicht los.“ Solche Leute ruft er. Bei Jesus ist das noch einmal sichtbar, wie er sich ganz tief erniedrigt hat. Er wurde verspottet und verlacht.
Warum hat sich denn der König aller Könige, der allein Gewaltige, der alle Macht hat im Himmel und auf Erden, so tief erniedrigt? Damit er noch einmal sichtbar macht, was mein Menschenleben wirklich ist: nichts. Verspottet, verlacht von den Menschen.
Aber Jesus tritt zu denen. Und das gilt zuerst dem Schächer am Kreuz, und dann gilt es den anderen, die zu ihm kommen. Die alle die gleiche Erfahrung machen: Er macht mich gerecht, ich gehöre ihm.
Wer will mich jetzt noch verdammen? Christus ist hier, der mich gerecht macht. Und ich weiß das: Es kann niemand mich mehr verklagen.
Gucken Sie in Ihren Spiegel, sehen Sie Ihr Gesicht, an dem Sie so oft zweifeln, wo Sie oft auch unglücklich sind. Und jetzt sagen Sie: Christus ist für mich, er nimmt mich an, ich gehöre ihm, er hat mich lieb, ich bin sein Eigen.
Nicht, weil ich besser und schöner bin oder begabter, und übrigens nicht, weil ich ein Hauptlänger bin als alle anderen. Nicht, dass die Kleinen jetzt meinen oder sagen: „Die Dünnen oder die Dicken, das ist doch bei Gott nicht wichtig.“ Sondern weil er mich erwählt hat am Kreuz.
Das war der Grund, warum er Saul gerufen hat, weil er ein Schwacher war. Das gilt mir genauso, das gilt bis in meine Todesstunde.
Das ist der Grund, warum ich fröhlich bin, warum ich Mut und Zuversicht habe und warum ich weiß: Es kann gar nichts mehr kommen und geschehen, was mir diese Freude und Zuversicht nimmt.
Doch leider ist im Leben bei Saul später etwas eingetreten. Da müssen wir noch darüber reden, über den Hochmut. Aber das machen wir ein anderes Mal.
Einladung zur persönlichen Hingabe und Segnung
Ich muss Ihnen jetzt noch sagen, wie wichtig es ist, dass wir uns ganz in die Hand Gottes hineingeben. Samuel hat ja das Horn über Saul ausgegossen und ihn gesalbt. Das war ein Symbol.
Ich würde jetzt eigentlich gern den Gottesdienst auflösen und mit jedem von Ihnen unter vier Augen einfach das besprechen. So wie ich es oft bei Sterbenden mache: Ich lege die Hände auf und sage, dass Jesus einen nicht loslässt. Dann spreche ich ein Segenswort. Dieses gilt Ihnen. Sie müssen es ergreifen und einmal sagen: So, dann will ich mich nicht mehr von meinen eigenen Zweifelsgedanken in die Tiefe ziehen lassen. Stattdessen will ich mich fest an Jesus halten und mich freuen, dass er mich angenommen hat.
Die Salbung war ein Symbol. Im Johannesbrief wird sie noch zweimal erwähnt. Dort heißt es, dass auch wir gesalbt sind. Das bezieht sich sicher auf das Königsamt. Wir haben jetzt die Salbung vom Sohn Gottes.
Ich habe immer ein bisschen Schwierigkeiten zu sagen: „Sie sind ja auch getauft.“ Denn viele Menschen denken dabei nur an das Wasser bei der Taufe. Nein, es geht um viel, viel mehr. Ich darf immer wieder aus dem Wort Gottes hören, dass Christus für mich sein Leben gelassen hat. Darum darf ich mitten in dieser Welt, in der andere auf mir herumhacken, mich kritisieren und meine Fehler aufdecken – was immer sehr weh tut – sagen: Jesus hat mich zum König gesalbt. Zum König, zu einem Amt, in dem ich ihm dienen darf und brauchbar bin für vieles.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei Saul ist, den ich nicht unterschlagen möchte: So wie Saul war, muss er ein netter Kerl gewesen sein – aber er war nicht tauglich. Er war ein guter Mensch. Es fällt auf, dass er ein treuer Sohn seines Vaters war. Er hätte ja auch rebellieren können und sagen: „Papa, ich möchte lieber in die Disko gehen. Such doch selber deine Esel, ich bin doch nicht dein Sohn, dein Kuli, dein Nicker. Mach du deine Sachen.“ Aber er war ein lieber, treuer und pflichtbewusster Sohn.
Es ist übrigens auffallend, dass Gott immer Leute berufen hat, die ihre Pflicht ordentlich erledigt haben. Das waren Viehhirten aus Tekua, David war auch so ein treuer Hirte, ebenso Mose. Das gehört mit dazu, aber es genügt nicht für Gott.
Warum genügt das noch nicht? Was ist noch nötig? Ein neues Herz ist nötig. So wie wir sind, können wir alle nicht Gott dienen, weil wir ein böses Herz haben. Es gibt überhaupt niemanden auf der Welt außer den Christen, die aus der Bibel wissen, dass das böse Herz die Ursache allen Elends ist. Darum ist die Pädagogik der Christen die beste. Wenn man damit anfängt und sagt: Ich habe Barmherzigkeit und Mitleid mit einem Kind, auch wenn es Böses tut, oder mit Menschen, die versagen, dann sieht man, dass sie unter einer ganz anderen Macht stehen. Erst wenn diese Macht gebrochen ist, kann etwas Neues entstehen.
Selbst bei Saul war es so: Er konnte erst König sein, wenn er das neue Herz hatte. Dieses muss ihm geschenkt werden. Darum muss man darum bitten und verwandelt werden.
Sie wissen, dass das das Thema der Bibel ist, besonders bei den Propheten. Bei Hesekiel heißt es, dass Gott uns ein neues Herz machen will. Er will uns ein fleischernes Herz geben, uns umwandeln und das steinerne Herz wegnehmen. Er will uns ganz neu machen. Ein neues Herz durch den Heiligen Geist. Wie schön – da wird eine Umwandlung möglich sein. Ein Jesusherz wird uns gegeben. Unser Ich muss verwandelt werden.
Zum Schluss möchte ich Sie einfach bitten: Jetzt können Sie nur diesen Schritt tun. Herr Jesus, so wie wir gerade gesungen haben in dem Lied: Du musst mir das neue Herz geben. Nicht meine Frau muss anders werden, sondern ich muss anders werden. Nicht mein Chef muss anders werden, sondern ich muss anders werden. Nicht die Verhältnisse müssen sich wandeln, sondern ich muss mich bekehren. Herr, mach du aus mir einen Menschen neu nach deinem Geist. Amen.
Jetzt singen wir noch „Der Herr ist gut, in dessen Dienst wir stehen“, Nr. 496, die Verse 3 bis 6. Danach wollen wir beten.
Schlussgebet und Fürbitte
Du treuer und barmherziger Herr, du siehst auch jetzt hinein in unser verzagtes Herz, das oft von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt ist. Du willst uns ein anderes Herz geben – ein Herz, das dir vertraut, an dich glaubt und mutig sowie fröhlich wirkt im Wissen um deine Gaben.
Wir danken dir für deine Berufung, Herr, und bitten dich jetzt: Lass uns keine Ruhe mehr finden, bis wir alles in dir entdecken, was du uns geben willst. Wir bringen dir auch unsere Schwierigkeiten und Nöte dar, die uns im Beruf begegnen, im Zusammenleben mit Menschen und in den Aufgaben, in die du uns gestellt hast. Herr, hilf uns, dass wir gerade dort das Leben finden, das du uns an Gaben anvertraut hast. Lass uns darauf vertrauen, dass wir bei dir wertgeschätzt sind und keine Stunde unseres Lebens vergeblich ist, wenn wir dir dienen.
Herr, bewahre uns davor, menschengefällig zu werden oder zu Menschenknechten zu werden. Wir wollen dir dienen und allein dir gehorsam sein.
In diesem Vertrauen beten wir auch für all die Kranken und Leidenden: Kehre du jetzt bei ihnen ein und segne sie reichlich. Segne auch die Freizeiten unserer jungen Leute. Gib ihnen erfüllte Tage und bewahre sie während ihrer Freizeit. Rede zu ihnen, damit sie als Menschen mit einem neuen Herzen zurückkehren.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Bericht von Margarete Roth – Zeugnis aus schwieriger Zeit
Ich habe Frau Lubow gebeten, uns noch ein paar Worte über Margarete Roth zu sagen, an die Sie ja so lieb gedacht haben. Wir haben inzwischen verschiedene Berichte erhalten, auch von Fernsehanstalten und aus Interviews, aber sie wird noch einige Worte erzählen.
Können Sie sich vorstellen, dass Sie sich von Ihrem Arbeitsplatz erheben, um sich vielleicht in der Küche einen Tee oder Kaffee zu holen, und dann feststellen, dass genau der Platz, an dem Sie gesessen haben, durchlöchert ist von Kugeln, die dort eingeschlagen sind? Genau das hat unsere Margarete Roth erlebt – diese Bewahrung und noch viele andere.
Mitte Juli, nach ungefähr einem halben Jahr, haben wir das erste persönliche Lebenszeichen beziehungsweise den ersten Brief von Margarete wieder erhalten. Sie schreibt von der ganzen Zeit und besonders von den Kämpfen, die sie dort miterlebt hat.
In der ersten Zeit nach diesen Kämpfen oder während dieser Kämpfe, die 55 Tage um Huambo wüteten, war sie eingeschlossen in ihrem Zimmer. Sie durfte nicht heraus, weil sie als weiße Frau in besonderer Gefahr war. In diesen 55 Tagen erlebte sie dieses Wunder und weitere. Sie erlebte aber auch, dass Menschen zu ihnen kamen und Gottesdienste abhalten konnten. Zum Beispiel versammelten sich in ihrem Wohnzimmer über 80 Personen, um gemeinsam mit ihr Gottesdienst zu feiern.
Margarete ist von uns, von christlichen Fachkräften international, dort als Ernährungswissenschaftlerin eingesetzt. Nach diesen Kämpfen konnte sie ihre Arbeitskraft nur noch so einsetzen, dass sie versuchte, die Leute, die Kranken und Verletzten im Krankenhaus mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Aber was sollte sie ihnen geben, wenn sie selbst nichts hatte?
So war es, dass sie in der ersten Zeit nur das weitergeben konnte, was sie von den Christen erhielt, die immer wieder etwas von ihrem eigenen Essen abzweigten und ins Krankenhaus brachten. Sie hatten selbst nicht viel. Manchmal reichte es nur für eine Kohlsuppe am Tag oder für Popcorn.
Margarete hätte längst ausgeflogen werden können, aber sie sieht ihren Auftrag dort. Sie weiß, dass Gott sie jetzt dort am meisten braucht und dass die Menschen sie dort dringend benötigen. Vielleicht wird sie, so Gott will, Anfang September nach ihrem dreijährigen Einsatz hier sein und uns dann selbst von dieser schweren Zeit berichten.
In ihrem Brief, den sie uns geschrieben hat, ist mir besonders aufgefallen, dass sie überhaupt nicht gejammert hat. Man spürte kein Selbstmitleid oder Ähnliches. Es war vielmehr Dankbarkeit für die Erfahrungen, die sie in dieser schwierigen Zeit machen durfte, und die Bitte, dass wir weiterhin in der Fürbitte hinter ihr stehen.
