Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.
Wir hören den Schluss der Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2: Und die Hirten kehrten wieder um, lobten und priesen Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten.
Herr, lass dein Wort nicht leer zurückkommen. Lass es an uns wirken, so wie du es uns gegeben hast. Amen.
Eindrücke einer alten Hansestadt und der Blick zurück
Dieser schönen alten Hansestadt. Während der Tage, an denen ich dort war, habe ich mir in Lübeck alle Einzelheiten angesehen: den Dom, die Marienkirche und das Buddenbrookhaus.
Dann kam der Tag meiner Abreise. Das ist ein Augenblick, der mir in Erinnerung geblieben ist, als der Zug hinausfuhr. Ich steckte noch einmal den Kopf aus dem Fenster und schaute zurück. Da sah ich Lübeck als Ganzes. Das war ein völlig anderer Eindruck – diese wundervolle Stadtsilhouette mit den Türmen und Toren.
Daran musste ich denken, als ich die Predigt für den heutigen Sonntag vorbereitet habe. Wir waren ein paar Tage in der schönen Weihnachtsstadt, sehr ruhig, sagte mir eben jemand. Aber mit dem heutigen Sonntag ist Weihnachten endgültig vorbei, endgültig Schluss.
Wir fahren gleichsam hinaus, und da wollen wir es machen wie ich mit Lübeck: Wir werfen am heutigen Sonntag, an dem wir aus der Weihnachtszeit schon so halb heraus sind, noch einmal einen Blick zurück auf die Weihnachtsgeschichte, die wir alle kennen – die Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2 – so als Ganzes.
Die Weihnachtsgeschichte als Spiegel des Reiches Gottes
Und dabei können wir eine merkwürdige Entdeckung machen. Ich selbst habe sie gemacht und möchte sie Ihnen weitergeben. Oft habe ich über Einzelheiten der Weihnachtsgeschichte gepredigt. Jetzt schauen wir einmal zurück auf die ganze Geschichte.
Wie gesagt, dabei habe ich eine besondere Entdeckung gemacht. Ich habe festgestellt, dass in der Geschichte von der Geburt Jesu die Grundprinzipien des Reiches Gottes auf Erden enthalten sind. Gott baut sein Reich unter uns auf, und niemand kann es aufhalten.
Dieses Reich Gottes hat seine eigenen Gesetze und Prinzipien. Es ist erstaunlich, wenn man die Weihnachtsgeschichte als Ganzes betrachtet, wie die Grundprinzipien des Reiches Gottes bereits darin enthalten sind. Das möchte ich Ihnen heute vor Augen führen.
Wir überschreiben den Text und die Predigt mit dem Thema: Die Weihnachtsgeschichte enthält die Grundlinien des Reiches Gottes.
Erstens: Das Reich Gottes beginnt immer traurig und endet mit Freude.
1. Grundprinzip: Das Reich Gottes beginnt immer traurig und endet mit Freude
Sie priesen und lobten Gott – so endet die Weihnachtsgeschichte.
Im Reich Gottes beginnt fast alles mit Traurigkeit und endet mit Freude. Dieses Grundgesetz möchten wir näher betrachten.
In der Welt gibt es scheinbar ein Gesetz: Alles, was mit Jubel und Freude beginnt, endet oft im Katzenjammer, in Traurigkeit. Wo ich auch hinschaue, finde ich Beispiele dafür. Ich habe Hochzeiten erlebt, die voller Liebe und Freude waren – wie Raketen, die in den Himmel steigen. Doch drei Jahre später folgte oft die Scheidung.
Denken Sie an unser Weihnachtsfest. Wie schön war es, als wir anfingen zu schmücken! Und der Weihnachtsbaum? Ich weiß nicht, wie lange Sie Ihren Baum behalten. Früher hatte ich oft eine Frau, die den Baum bis zum Geburtstag von Julchen stehen ließ – das war am siebzehnten Juni, glaube ich. Aber das ist eine seltene Ausnahme. Meistens kommt bald der Tag, an dem der schöne Weihnachtsbaum rausfliegt.
Und wer Kinder hat, kennt das Spielzeug – die Eisenbahn oder anderes. Eines Tages ist das Spielzeug kaputt. So endet alles oft ein wenig trübselig. Der Vater geht wieder ins Geschäft und wird wieder grauer und älter. Es fing mit Freude an und endet klar traurig und trübselig.
Denken Sie an politische Ereignisse. Wie begann das Dritte Reich? Mit Jubel, Fahnen und Blechmusik. Doch wie elend endete es! Welche Narren müssen diejenigen sein, die so etwas von vorne anfangen wollen – welche kompletten Narren!
Oder denken Sie an den Karneval, der jetzt bald beginnt. Die Geschäfte rüsten schon Karnevalsartikel. Mit hellem Vergnügen fängt das an! Doch wir Pfarrer wissen, wie viele zerbrochene Menschenleben, kaputtgemachte Familien und befleckte Gewissen daraus entstehen.
Sie können hinschauen, wo Sie wollen – es scheint ein Grundgesetz der Welt zu sein: Die Dinge beginnen mit Jubel, Jauchzen und Posaunenklang und enden trübselig, elend und kümmerlich.
Vielleicht denken Sie jetzt: „Was bist du für ein Pessimist!“ Widerlegen Sie mich doch! Und wenn Sie eine Ausnahme bringen, bestätigt diese nur die Regel dieses Grundgesetzes.
Aber ich bin kein Pessimist. Ich bin froh, dass ich vom Reich Gottes weiß.
Das Reich Gottes hat ein Grundgesetz, das genau umgekehrt ist. Es beginnt mit Traurigkeit und endet mit Jubel und Freude.
Sehen Sie die Weihnachtsgeschichte: Sie fängt sehr dunkel an. Ein obdachloses junges Paar, eine Frau in ihrer schweren Stunde. Jesus wird geboren, und Maria wickelt ihn in Windeln und legt ihn in eine Krippe, weil kein Raum in der Herberge war. In dieser Not der gefallenen Welt steckt Schmerz, Jammer und Hilflosigkeit.
Doch am Ende priesen und lobten sieben Hirten Gott.
Im Gegensatz zur Welt beginnt das Reich Gottes traurig und endet mit Freude. Dieses Grundgesetz des Reiches Gottes zeigt sich in allen Dingen des Reiches.
Die Geschichte des Reiches Gottes ist eine Geschichte, die mit Blut und Tränen geschrieben wird.
Am Anfang stehen die Verfolgungen unter den römischen Kaisern. Im Mittelalter entzündeten Christen im Namen Gottes Scheiterhaufen gegen diejenigen, die Gottes Wort ernst nahmen. In der Aufklärung verspottete die Menschenweisheit das biblische Evangelium.
Die wahre Gemeinde Jesu war und ist immer eine wenig imposante Sache. Wenn der Antichrist, der letzte große Weltdiktator, von dem die Bibel spricht, kommt, wird die Gemeinde Jesu erneut zeigen müssen, dass der Weg des Reiches Gottes mit Blut und Tränen gezeichnet ist.
Aber lesen Sie die Offenbarung: „Ich sah eine große Schar vor dem Thron Gottes, die mit großer Stimme rief vor Freude und Jubel.“ (Offenbarung 7,9-12)
Die letzten Kapitel der Offenbarung des Johannes, die das Ende der neuen Welt zeigen, sind erfüllt von strahlendem Jubel. Alles menschliche Dasein und Vermögen wird überwunden.
Das Reich Gottes beginnt immer mit Tränen – und endet unendlich herrlich, wie die Weihnachtsgeschichte zeigt.
Der persönliche Eintritt in das Reich Gottes
Und meine Freunde, wenn nun ein einzelner Mensch in das Reich Gottes eintritt – also wenn ein Mensch wie ihr sich bekehrt – wie wünschte ich mir, dass hier einige von euch sich richtig zum Reich Gottes bekehren! Sind sie dann Bürger des Reiches Gottes?
Fragt euch doch einmal: Was nützt euer ganzes Christentum? Die Hölle wird voll sein mit christlichen Leuten. Glauben Sie mir das! Die Hölle wird voller Christen sein. Und wenn Sie mir das nicht glauben, dann warten Sie ab, bis es nur noch Hölle gibt. Ob sie dann voll ist mit christlichen Leuten? Warten Sie mal ab! Das Warten war’s wert, da diskutiere ich nicht drüber.
Sind sie eingeschrieben in die Bürgerlisten Gottes? Gehören sie ihm? Darauf kommt es an. Wenn ein Mensch sich so bekehrt, zum Mann von Golgatha, zum König des Reiches Gottes, dann erfährt er genau dasselbe Grundgesetz: Von Tränen zu Freude.
Keiner kommt ins Reich Gottes, der nicht zuerst über sich selbst weint. Der Eintritt ins Reich Gottes heißt Buße. Das bedeutet, ich erkenne, dass mein ganzes Leben verkehrt ist und eine große Schande darstellt. Und das macht mich froh.
Meine Freunde, wenn ich Evangelisationsversammlungen habe und die Leute sind begeistert, dann könnte ich heulen. Der Eintritt ins Reich Gottes geschieht nicht durch Begeisterung und Ekstase, sondern durch Buße. Man wird traurig über sich selbst. Dann entdeckt man, wie wenig man sich ändern kann. Man erkennt mit Schrecken: Ich bin auf dem Weg in die Verdammnis und kann mich nicht ändern.
Dann fängt ein verzweifelter Mensch an, den gekreuzigten Heiland zu suchen. Der Weg führt durch Bruch. Ich muss brechen mit verkehrten Freunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch sich bekehrt und seine alte Gesellschaft beibehält. Das kann ich mir nicht denken.
Wenn sich ein Mensch bekehrt, bricht er mit vielem. Das sind schwere Dinge, keine Kinderspiele der Bekehrung. Es geht durch Kämpfe hindurch. Man geht nicht im Traum ins Reich Gottes ein.
Die Bibel sagt, ich muss mich selbst in den Tod geben. Wir sind mit Christus gekreuzigt. Es ist nicht leicht, sich in den Tod zu geben, mit Jesus zu sterben. Das ist kein Kinderspiel.
Heute versucht man oft, einen Christenstand zu schaffen, bei dem man alte Menschen pflegt und sie christlich anpinselt. Das führt in die ewige Verdammnis. Wir sind mit Christus gekreuzigt – das ist kein Kinderspiel.
Eine richtige Bekehrung fängt sehr schwer und traurig an. Und endlich ist es etwas des Heilands, wenn man sagen kann: Ich dein, o Jesu, und du mein in Wahrheit.
Was für eine Freude ist das, wenn eine Seele durchbricht und erfährt: Er hat meine Sünden in die Tiefe des Meeres geworfen, er hat mich angenommen, er hat mich erkauft, ich gehöre ihm. Jubel, mein Herz, ich habe den Heiland gefunden!
Seht, die Bekehrung geht aus Traurigkeit zur Freude, richtig? Von Traurigkeit zur Freude.
Der Weg des Christen im Reich Gottes
Wenn man nun mit Jesus wandelt, ist die Bekehrung nur der Anfang. Danach kommt wieder dasselbe Gesetz. Ein Christenweg ist nicht nur voller Freude und Leichtigkeit. Der Apostel Paulus sagt, wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen.
In der Offenbarung steht, dass Gott alle Tränen von unseren Augen abwischen wird. Dazu sagt der große Gottesmann Bengel: Es kommt kein Kind Gottes ohne Tränen ans Ziel. Keiner erreicht das Ziel ohne Tränen, denn der Weg führt hindurch.
Der Weg der Christen ist geprägt von viel Traurigkeit, Zerbrechen, Niederlagen, Aufstehen und Anfechtungen. Doch am Ende, am Ende steht die Herrlichkeit. Ich zitiere noch einmal die Stelle: „Ich sah eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Völkern, Sprachen und Zungen, vor dem Thron stehend und vor dem Lamm. Sie trugen weiße Kleider und hielten Palmen in ihren Händen. Sie schrien mit großer Stimme vor Freude und sprachen: ‚Heil sei unserem Gott und dem Lamm! Du hast uns erkauft und zu Königen und Priestern gemacht.‘“
Das Ende ist Jubel, Freude und Herrlichkeit – aber nicht für alle Menschen. Das gilt nur für diejenigen, die sich zu Herrn Jesus bekehrt haben. Der Weg führt durch viel Trübsal zur Herrlichkeit.
Dieses Grundprinzip des Reiches Gottes finden wir auch in der Weihnachtsgeschichte: Sie fängt traurig an und endet herrlich. Im Gegensatz zur Welt, die herrlich anfängt und garantiert traurig endet.
Ich möchte noch am Rande etwas sagen: Es gibt viele Ehen, die nach weltlicher Weise herrlich anfangen, aber kläglich enden. Wir dürfen unsere Ehe jedoch auch ins Reich Gottes einbringen. Dann gilt auch hier das Reich-Gottes-Gesetz, dass man miteinander manche Not und Last trägt, und doch am Ende die Herrlichkeit steht – immer wieder.
Das wollte ich nur in Klammern erwähnen, damit niemand meint, jede Ehe müsse so enden. Das ist der erste Punkt.
2. Grundprinzip: Das Reich Gottes beruht allein auf dem, was Gott tut
Wir blicken zurück auf die Weihnachtsgeschichte und erkennen darin die Grundprinzipien des Reiches Gottes. Dieses Reich beginnt mit Traurigkeit und verwandelt sich dann in Freude. Die Hirten kehrten um, priesen und lobten Gott.
Nun zum zweiten Grundprinzip des Reiches Gottes in der Weihnachtsgeschichte: Ich gebe zu, dass diese Gedanken nicht sofort offensichtlich sind. Leider könnte ich keine Artikel für den Illustrator dazu schreiben. Aber ich denke mir immer: Wer zwischen Weihnachten und Neujahr noch in die Kirche kommt, der lässt sich etwas kosten – nicht nur den Weg, sondern auch die Gedanken.
Das zweite Grundprinzip des Reiches Gottes ist, dass es allein auf dem beruht, was Gott tut. Die Hirten priesen und lobten Gott – niemand sonst. Nicht sich selbst, nicht Augustus, nicht den Wirt von Bethlehem. Sie priesen und lobten Gott, weil er etwas getan hat. Seht, was Gott gegeben hat: seinen Sohn zum ewigen Leben. Darauf beruht alles im Reich Gottes – dass Gott handelt.
In der Welt ist es oft umgekehrt. Lesen Sie mal eine Zeitung: Dort geht es immer nur um den Menschen – wer Deutschlands Retter ist, wer böse ist, wer was getan hat, wer sieben Großmütter erschlagen hat und wer als braver Schutzmann einen Verkehrsunfall richtig geregelt hat. Alles dreht sich um den Menschen. Das ist ermüdend, finden Sie nicht?
Dieses Menschentum taucht auch in der Weihnachtsgeschichte auf. Mir ist aufgefallen, dass dort Vertreter aller Stände vorkommen. Da ist der erste große Politiker, Augustus. Man sprach damals von der Pax Romana, dem römischen Frieden. Zum ersten Mal hatte die Welt unter Augustus Frieden. Ich erwähnte schon das Denkmal bei Priene. Dieser Kaiser wurde von der Vorsehung bestimmt, der Welt Frieden zu bringen – der Heiland. Auf dem Stein steht dasselbe Wort: Augustus der Heiland. Was haben wir bekommen? Erfolge! Die Welt rühmt ihn immer wieder, weil er es geschafft hat.
Dann sehen wir den Typ des braven Beamten, Kyrenius. Wackere Beamte, natürlich mit Ehrgeiz, vielleicht mal nach Rom zu kommen. Die Sache ist so aktuell: Jeder Beamte will in seiner Karriere eine Stufe weiterkommen. Kyrenius hat es immerhin zum Prokurator gebracht und will in Rom eine Rolle spielen. Jetzt ist er damit beschäftigt, die Schätzung ordentlich durchzuführen. Worauf beruht das Gefüge eines Staates? Auf einem zuverlässigen Beamtenkörper. Das können Sie in jedem anständigen Lehrbuch lesen. Kyrenius ist vertreten, und eigentlich könnte man in der Bibel auch über Beamte und Kyrenius reden.
Auch die Arbeiterschaft ist vertreten. Ich weiß nicht, ob die Hirten gewerkschaftlich organisiert waren, aber die Arbeiterschaft ist in den Hirten vertreten. Wackere Hirten, die nachts arbeiten, während die Reichen in ihren Betten liegen. „Wacht bei euren Herden“ wäre eine gute Predigt über die Arbeiterschaft, die bei Nacht und Nebel bei den Schafen wacht, damit die Reichen hinter ihren Hammelbraten sitzen können. Darüber gäbe es viel zu sagen.
Oder der erfolgreiche Geschäftsmann: der Wirt in der Herberge. Er hat sein Gasthaus voll. Kann man das von allen Hotels in der weiten Welt sagen? Hotellerie hat es schwer. Ein erfolgreicher Geschäftsmann muss von morgens bis abends hinterher sein. Man könnte auch von erfolgreichen Geschäftsleuten im Essen reden. Er sorgt dafür, dass Essen bereitsteht, und darauf beruht augenblicklich Wohlstand.
Und dann ist er noch ganz nett: Er gibt den Leuten einen Platz im Stall. Er hätte auch sagen können: „Das geht mich nichts an, zur Bahnhofmission!“ Aber er hat sie aufgenommen.
Die Mutter kommt vor – vergessen wir nicht die wackeren Hausfrauen und Mütter. Die Mutter, die unter schwierigsten Verhältnissen ihr Kind in die Windeln wickelt. Jede Mutter weiß, dass das gelernt sein will. Wir Väter stehen fassungslos daneben, wenn eine Frau ihr Kind richtig in die Windeln wickelt. Hier kommt eine treue Mutter vor. Vielleicht sollte man mal eine Predigt über die treue Mutter halten. Zum Muttertag sollte man nicht nur über die treue Mutter reden – aber sie ist da.
Das Tolle an der Weihnachtsgeschichte ist, dass all diese Menschen nur so beiläufig vorkommen. Aber worum es wirklich geht, ist nicht das, was Menschen tun. Der lebendige Gott, der sogar leuchtet, tut etwas. Seht, was Gott gegeben hat: seinen Sohn zum ewigen Leben. Dieser kann und will uns aus dem Leid zur Himmelsfreude heben.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die sich ihm anvertrauen, nicht verloren gehen. Darauf beruht das Reich Gottes. Vielleicht beruht darauf die ganze Welt – ja, dass es überhaupt weitergeht. Aber wir reden vom Reich Gottes.
Wir meinen oft, das Reich Gottes hänge an wackeren Pfarrern. Und da diese in der Welt nicht mehr vorhanden sind, geht die Sache zurück. Liebe junge Theologen: Es hängt nicht an uns, Gott sei Dank. Es hängt auch nicht an der wackeren Gemeinde, die sich nie nehmen lässt, Sonntagmorgen um halb neun bei Nacht und Nebel hierher zu kommen. Das ist furchtbar nett, aber darauf beruht das Reich Gottes nicht.
Es beruht darauf, dass ein lebendiger Gott etwas tut – ganz egal, wie wir uns dazu stellen. Er gibt seinen Sohn in die Welt hinein. Seht, er liegt in der Krippe, und er gibt diesen Sohn ans Kreuz. Am letzten Weihnachtstag sollten wir das Kreuz ansehen. Dort hängt er und bezahlt für Sie und mich. Es ist viel zu bezahlen, nicht wahr? Wird unser Herz nicht schwer, wenn wir an die große Last unserer Schuld denken?
Er hat unsere Sünden auf sich genommen am Kreuz, nicht damit alles bleibt, wie es ist, sondern damit wir der Sünde abgestorbene Gerechtigkeit leben. Gott tut etwas. Er richtet das Kreuz auf als Heil für uns alle, als Friedensort, als Hafen für unsere Seele. Und Gott tut mehr: Jesus liegt im Grab, aber am dritten Tag hat Gott ihn erweckt – einen lebendigen Heiland. Der Tod ist besiegt. Gott tut etwas, darauf ruht das Reich Gottes.
Ach, lieber Kyrenius, wackerer Beamter, liebe Arbeiter und Ehren! Gott hat etwas getan, und darauf beruht das Reich Gottes. Dann gibt Gott seinen Heiligen Geist, damit auch ein armer, dummer, blinder Mensch einmal offene Augen bekommt und seinen Heiland erkennt.
Nun fängt Gott im Einzelnen an. Wenn Sie mich fragen, wie ich zum Glauben gekommen bin, dann sage ich: Gott hat mich vor Grundlegung der Welt erwählt, so steht es in der Bibel, und hat mich eines Tages gerufen. Als ich nicht kommen wollte, hat er mich gezogen: „Zieh mich, o Vater, zu dem Sohn!“ Er öffnete mir die Augen, sodass ich ihn erkannte, vor ihm niederfiel und ihm mein Leben geben musste.
Das Reich Gottes steht darin, dass der lebendige Gott Großes getan hat und seinem Sohn um die Herzen wirkt. Sie können höchstens widerstreben. Gott zwingt Sie nicht. Sie können auch Nein zu ihm sagen. Wenn an Ihrem Herzen Arbeit ist, können Sie sagen: „Ich will nicht!“ Sie dürfen noch in die Hölle, Sie dürfen gottlos leben, Sie dürfen mit blassem Christentum weitermachen. Sie dürfen das. Aber wenn Gott sieht, dass es eine große Sache ist, dann wird man eines Tages bekennen müssen: Wenn wir verloren gehen, dann müssen wir unsere Schuld bekennen. Wenn wir selig werden, werden wir bekennen müssen: Er hat es an uns getan.
Darauf beruht Gottes Reich – auf seinem Tun. Darum sind Christen, echte Christen, so empfindlich gegen Menschenlob. Ab und zu, wenn ich in christlichen Versammlungen reden muss, heißt es: „Nun danken wir dem Kirchenchor, der so schön gesungen hat, und danken dem lieben Pastor Wusch, dass er gekommen ist, und danken …“ Da wird mir immer physisch schlecht. Ernsthaft! So kann ich das im Kriegerverein machen, wo es immer um Menschen geht.
Christen aber werden empfindlich gegen Menschenlob. Wo Menschen anfangen, sich zu loben und loben zu lassen, wird es unheimlich. Jesus sagt sogar: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt?“ Er hat keine Ahnung davon, wie Christen wissen, dass alles im Reich Gottes, auch die großen Heilstaten, auf Gott beruht.
Die Hirten kehrten zurück, priesen und lobten Gott – Gott, Gott, nicht Augustus, nicht Kyrenius, nicht sich selbst, nicht die Mutter, sondern Gott!
3. Grundprinzip: Gott erwählt die Niedrigen
So, und noch ein drittes, kurz. Ich breche mir zu lange, ich werde alt, Zeit zum Pensionieren.
Die Grundprinzipien des Reiches Gottes in der Weihnachtsgeschichte
Es beruht alles auf Gottes Tun. Es beginnt mit Traurigkeiten und endet mit Freude. Und noch ein drittes, das ärgerlichste: Gott erwählt die Niedrigen – ein Grundprinzip des Reiches Gottes.
Gott macht einen Bogen um alles hochwertige Wesen. Geben Sie acht, und Sie können garantiert sicher sein, dass der Geist Gottes wie von einer Sperre Halt macht. Gott erwählt die Niedrigen. Im Text stehen die Hirten, die Hirten – das muss man unterstreichen.
Zuerst haben wir nur die Priesen und Lobten, dann Gott, und jetzt die Hirten. Gott erwählt die Niedrigen. Sehen Sie, es gab in der damaligen Zeit drei große Mittelpunkte.
Es gab einen politischen Mittelpunkt, das war Rom. Wer politisch etwas werden wollte, musste nach Rom. Das war der politische Schwerpunkt, alles andere waren bloß Satelliten von Rom.
Dann gab es einen Mittelpunkt für Kunst, Wissenschaft und Handel, das war Athen. So etwas macht das Bürgerleben aus, wissen Sie – Handel, Reichtum, Kunst, Wissen, Kultur – das war Athen. Wer also Kulturfreude hatte, der machte einen Bogen um Rom und ging nach Athen.
Wenn ich wählen müsste, würde ich lieber nach Athen gehen als nach Rom. Ich habe mal leicht Angst vor den römischen Linien. Athen war der Mittelpunkt aller Kultur.
Und dann gab es einen dritten Mittelpunkt, das war der religiöse Mittelpunkt. Was ist das in Rom? Jerusalem, Tempel, Priester, Hohepriester – da war der religiöse Schwerpunkt.
Also das Dreieck: Rom, Athen, Jerusalem – Politik, Kultur, Religion.
Wenn ich Gott gewesen wäre, dann hätte ich doch schließlich mal mein Werk, mein Heilswerk an einem der Punkte angepflanzt: den König Jesus nach Rom, der die Wahrheit ist nach Athen, und den Sohn Gottes doch nach Jerusalem.
Und was tut Gott? Es haut einen um, wenn man sich das klarmacht. Er schickt seinen Sohn in die Welt genau mitten hinein in das Dreieck und orientiert ihn an den Hirten.
Na, ich bitte Sie, Bethlehem – wer kannte Bethlehem? Jerusalem, Rom, Athen – gewiss. Bethlehem? War ja beinahe wie Bielefeld und noch kleiner, nicht? Wer kannte schon Bethlehem? Es kam doch der Name mit dem Buchstaben B drauf: Bumsdorf. Wer kannte die Hirten? Wer kannte die Hirten? Hoffentlich ist kein Bielefelder hier unterwegs. Verzeihen Sie. Also nehmen Sie Bumsdorf, nehmen Sie Bethlehem.
Wer kannte Bethlehem? Wer kannte die Hirten? Hören Sie! Da macht Gott sein Grundprinzip deutlich: Er erwählt, was niedrig ist.
Darum kommt sein Heil nicht durch einen großen Priester und großen König und durch große Gelehrte, sondern durch den warmen Galgen, durch Jesus am Kreuz. Da ist es heil. Das Niedrige, das Zerbrochene – da fängt Gott an.
Das ist eine ganz große Sache.
Sehen Sie, wenn Sie mir so ein paar Sachen eben anführen: Nehmen Sie mal die Reformation, die große Erneuerung der Kirche Jesu Christi. Die hätte doch meiner Meinung nach beginnen müssen auf einem der großen Konzilien in Konstanz oder so. Wurde sie besucht? Nein. Oder in Rom, dass endlich ein Reformationspapst kommt? Oder in Basel, dem Hauptsitz der Humanisten der damaligen Zeit?
Die Reformation kommt, Gott erweckt einen Mönch aus einem Bettelorden. Und da bricht es los.
Denken Sie an die großen Erweckungen, denen die evangelische Kirche von ihrem Tode errettet wurde während der Aufklärungszeit. Anfang des vorigen Jahrhunderts war die evangelische Kirche am Sterben. Und dann gibt Gott große Erweckungen.
Wo kommen die Erweckungen her? An Universitäten? Von Kirchenfürsten? Nein. Die Erweckung kam im Siegerland durch einen Gerbermeister, im Ravensberger Land durch einen unbekannten Pfarrer Volkening usw.
Gott erwählt das Niedrige.
Lassen wir ein paar Sätze aus dem ersten Korintherbrief hören. Sie müssen sich ein paar Sätze aufnehmen:
„Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen. Wo sind die Klugen, wo sind die Schriftgelehrten, wo sind die Weltweisen? Gott hat die Weisheit dieser Welt zur Torheit gemacht. Seht an, liebe Brüder, eure Berufung: Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Gewaltige, nicht viele Edle sind berufen, sondern was töricht ist vor der Welt, hat Gott erwählt, dass er die Weisen zu Schanden mache. Und was schwach ist vor der Welt, hat Gott erwählt, das zu Schanden mache, was stark ist, und das Unedle vor der Welt hat Gott erwählt.“
Die Kirche ist ja ganz falsch beraten, wenn sie dauernd sucht, die Spitzen zu orientieren. Sie sollte mal wieder zu den Unedlen, Verachteten, zu den Sündern und Zerschlagenen gehen. Vielleicht sind wir das, da sind wir gerade richtig dran. Die hat Gott erwählt.
Und, liebe Freunde, Gott erwählt das Niedrige. Aber man braucht nicht äußerlich niedrig zu sein.
Es steht im Psalm 34 ein erschütterndes Wort: „Doch der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“
Sind hier Niedrige? Sind hier Leute, die innere Hirten sind, arme Leute? Sind hier Leute, die am Ende sind, eigentlich ehrlich gesagt am Ende sind, es nicht zugeben, aber am Ende sind? Euch hat Gott erwählt.
Doch er ist nahe den, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft den, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Sind hier zerschlagene Gemüter? Hier arbeitet der Heiland des Ganzen, ein Erlöser, ein Erretter. Wirf dein ganzes Vertrauen auf ihn!
Ja, ich muss so sagen: Daher erwählt er das Niedrige. Das bedeutet, wenn er uns segnen will und aus uns etwas machen will, dann muss er uns erst zerbrechen, dann muss er uns niedrig machen.
Ich schließe mit einem Satz von Albrecht Bengel, den etwa zehn Prozent von uns verstehen können, aber gebe Gott, dass wir in ein paar Jahren alle verstehen.
Der Satz heißt so: „Eine große Ertötung der Natur geht einer großen Mitteilung geistlicher und himmlischer Dinge voraus.“
Eine große Ertötung der Natur, dass wir zerbrochen werden, geht einer großen Mitteilung geistlicher und himmlischer Dinge voraus.
Wir wollen beten: Herr, hilf, dass wir es aushalten, dein Reich zusammenzubringen mit den Prinzipien dieser Welt. Hilf uns zu einem Umdenken, zu Buße, dass wir neu denken und dass wir drinnenstehen in den Prinzipien deines herrlichen Reiches.
Woher, wenn uns zerbricht, dass wir froh darüber werden.
Herr, lass uns doch nicht draußen stehen. Lass die Hand nicht von uns ab, arbeite an uns, erbarme dich über uns. Amen!