Einführung in das Thema Licht und Finsternis
Unser Predigttext steht im ersten Johannesbrief, im zweiten Kapitel:
Wiederum ein neues Gebot schreibe ich euch, das wahr ist in Jesus und in euch, denn die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt. Wer da sagt, er sei im Licht und hasst seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht und ist kein Ärgernis in ihm. Wer aber seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wo er hingeht, denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.
Herr, jetzt öffne uns die Augen und das Verständnis für dein Wort.
Es ist eine alte Sehnsucht, in die Zukunft zu blicken. Manche begabte Menschen verdienen damit ihr Geld, dass sie mit ihren Träumen die Menschen beglücken und ihnen so zu wissen geben, was sie meinen, in der Zukunft gesehen zu haben.
In den letzten Tagen war es interessant zu beobachten, was von so mancher kühner Voraussage übrigblieb: Zukunftsforscher und Astrologen, die ihre Märchen einem aufzubinden versuchen.
Doch Gott hat einmal einen Menschen mit dieser großen Würde betraut, dass er ihm den Blick in die Zukunft freigegeben hat. Das war der Schreiber unseres Johannesbriefes, der Apostel Johannes, der die große Schau der Offenbarung hat.
Wie ihm Gott Vorhang um Vorhang wegzieht, taucht ein erschreckendes Bild des Weltlaufs auf. Er sieht einen katastrophalen Krieg, er sieht, wie der Tod wütet, er sieht, wie die Völker der Welt sich verbünden und eine wieder christliche Weltherrschaft aufrichten. Gleichzeitig sieht er, wie die Gemeinde Jesu in dieser letzten Zeit verfolgt wird.
Die Spannung zwischen Finsternis und Licht in der Weltgeschichte
Da denkt man immer: Wie kann Johannes dies alles ertragen, diesen Blick in die Zukunft? Man steht da fast ein bisschen beklemmt. Und dann sagt Johannes hier in unserem Brief: „Die Finsternis vergeht.“ Das ist doch ein Widerspruch.
Auf der einen Seite sagt er doch, die Finsternismächte konzentrieren sich in der Welt. Es kommt zur Herrschaft des Antichristen, es kommen Kriege, die jedes Maß des Dagewesenen weit übersteigen. Hunger und Erdbeben werden immer furchtbarer. Der Lauf der Weltgeschichte ist eigentlich dadurch gezeichnet, dass es immer weiter mit dieser Welt in der Feindschaft gegen Gott geht.
Und dann sagt er hier: Die Finsternis vergeht. Man versteht Johannes an dieser Stelle nur richtig, wenn man genau die widersprechenden Aussagen im Auge behält. Er sagt: Ja, ich kann die optimistischen, progressiven Ansichten über die Weltentwicklung nicht teilen. Dahinter steht ein falsches Glaubensbild. Wenn heute Menschen meinen und sagen: „Lass mal, der Mensch ist gut, und nur ein paar Reformen, und dann wird alles in den großen Frieden einmünden.“
Johannes sagt: Diese Welt leidet an ihrer Feindschaft gegen Gott. Die Empörung, der Aufruhr, die Kriege, das Sterben und die Naturkatastrophen – sie sind alle so fest zum Wesen dieser Welt gehörig, dass es immer nur noch furchtbarer werden kann in dem, was wir erleben.
Selbst in dem großen, letzten Friedensreich des Antichristen, das die Welt umspannt, ist es letztlich das, was alles verbindet: nur die Feindschaft gegen das Evangelium Jesu Christi.
Und dann sagt er trotzdem: „Aber freut euch, die Finsternis vergeht, die Finsternis vergeht.“ Wie kommt Johannes darauf, das zu sagen? Wie kann er den Anbruch des Lichtes hier nun so freudig begrüßen und sagen: „Das wahre Licht scheint jetzt“? Ich muss es Ihnen erklären.
Strahlende Lichtpunkte in einer dunklen Welt
Mein erster Punkt: Es gibt strahlend helle Lichtpunkte in dieser Welt.
Im Herbst hatten wir einige große Kirchenführer aus Asien bei uns zu Gast. Sie erzählten uns, dass sie sich in Hongkong zu einer großen Kirchenkonferenz treffen, um über die Situation in Asien zu sprechen. Dort haben sie eine Resolution beschlossen. Wenn man dieses Papier liest, ist man als Europäer erschrocken. Die Asiaten sagen, dass sie nicht wussten, wie furchtbar das Leiden auf ihrem Kontinent ist. Es ist größer, als man je zuvor ahnen konnte – sei es durch Hunger, Katastrophen oder politische Diktaturen. Am schlimmsten ist die kommunistische Herrschaft über die asiatischen Völker. Das Leiden der Christen nimmt unsagbar zu, und die Prognose ist sehr düster.
Genau das ist es, was Johannes mit seinen zwei widersprüchlichen Aussagen uns zeigen will. Wir hängen nicht mit unserem Denken am äußeren Frieden oder an einem Bild der Demokratie. Wir Christen dürfen uns nicht hineinreiten lassen und glauben, dass dort das Heil für uns liegt. Auch wenn die Finsternismächte äußerlich alles um uns herum abschließen und uns gefangen halten, gilt: Das wahre Licht scheint.
Wo aber scheint es? Gerade in diesen unterdrückten Gemeinden und Christenkreisen herrscht Bruderliebe. Auch heute, in einem kommunistischen China mit seiner Terrorherrschaft – die man erahnt, wenn man von der Kampagne gegen die Abweichler liest –, ist der Druck auf die Andersdenkenden und die letzten versprengten Christenhäuflein enorm.
Über diesem dunklen chinesischen Reich leuchtet es strahlend hell, weil sich irgendwo ein paar Menschen treffen, die miteinander beten und einander im Namen Jesu lieben. Johannes sagt, dass es in dieser Welt solche strahlend hellen Lichtpunkte gibt. Das hängt nicht von der Kirchenorganisation ab, nicht vom Namen, den man trägt, oder von der Konfession. Es hängt allein an der Liebe Jesu, die im eigenen Leben umgewandelt und erneuert hat.
Die Bedeutung der persönlichen Bruderliebe
Wenn ich jetzt darüber spreche, bin ich natürlich ein bisschen betrübt, dass wir ausgerechnet als europäische Christen das verloren haben. Sie wissen ja: Man kann in der Kirche sitzen und denken: Was geht mich der neben mir an?
Wir können das auch nicht einfach als Programm machen und sagen: Jeder gibt dem anderen einen Klaps, und damit sind wir Brüder. So ist es ja auch nicht gemeint.
Aber ich will Ihnen, solange ich hier predige, mit dieser Botschaft auf die Nerven fallen. Ich möchte Ihnen sagen: Wenn wir einander am Eingang oder Ausgang grüßen, dann ist das nur ein Symbol für etwas, das viel mächtiger dahinterstehen muss. Wir müssen dieses brennend helle Licht in uns haben – die Liebe, die Jesus in uns begonnen hat und die nun weiter zum anderen leuchtet.
Ich habe hier einen Bericht eines katholischen Missionars, der nach fünf Monaten Gefangenschaft aus Vietnam ausgewiesen wurde. Er erzählt darin von der Übernahme der Macht durch die Kommunisten, wie die ganzen Kirchen aufgelöst wurden und keine Gottesdienste mehr erlaubt waren. Die Christen waren hilflos, überall brauchte man Passierscheine, und es war unmöglich, sich zu treffen.
Dann haben ein paar Christen versucht, sich wenigstens mit einem Passierschein zu versammeln. Doch sie wussten nicht, was sie tun sollten, weil sie keinen Priester hatten.
Eines Tages war in einem Dorf, damals noch in der Kapelle, eine Gruppe von Gläubigen um den leeren Altar versammelt. Sie weinten wie Schafe ohne Hirten, ratlos, weil kein Priester mehr kam. Sie suchten nach Texten aus der Heiligen Schrift.
Plötzlich stand einer auf, blickte sich im Kreis um und wurde sich seines erwachsenen Glaubens und seiner Verantwortung bewusst. Ein Charisma packte ihn, und er rief aus: „Gut, da kein fremder Priester mehr hierher kommen kann, muss eben einer von uns den Priester machen.“
Beinahe hätte er auf einen von ihnen gezeigt, um mit Nachdruck zu sagen: „Du, mein Junge, oder du, willst du oder nicht, du, ja du.“ Aber nein, dazu hatte er plötzlich keinen Mut mehr. Seine Begeisterung war zu Ende.
Als er mir das bei einem Besuch erzählte, hakte ich bei dieser Begeisterung ein: „Warum hast du nicht einen bestimmten Jugendlichen oder Erwachsenen bezeichnet? Warum hast du keinen ausgewählt? Warum hast du dich nicht festgelegt?“
Ich sage Ihnen, warum: Weil ihr von jetzt an alle Priester seid. Das Schicksal der Kirche liegt jetzt in der Hand eines jeden von euch. Das ist das allgemeine Priestertum der Gläubigen.
Ihr, die Eltern, müsst Priester für eure Kinder sein. Es gibt keinen besonderen Katechismusunterricht mehr. Die Eltern müssen ihren Kindern das Kreuz und das Opfer weitergeben.
Wir haben einen Altar, heißt es im Hebräerbrief. Und was für einen Altar? Der Altar ist Christus, das Kreuz ist Christus. Ihr müsst den Kindern von Generation zu Generation das Zeichen des Kreuzes weitergeben.
Von jetzt an ist euer Altar euer Brot und Wein dort, wo ihr seid. Der Altar ist dort, wo ihr arbeitet, wo ihr weint, wo ihr blutet. Das ist die Messe, die weitergeht in der Welt, die weitergehen muss.
Sagt das euren Leuten im Busch! Dort haben ein paar Menschen plötzlich unter großem Druck entdeckt: Dort leuchtet das Licht Jesu, wo ich selbst ein Zeuge des Evangeliums bin und in seinem Namen die frohe Botschaft seines Heils anderen bezeugen kann.
Gemeinschaft als Ausdruck des Lichts
Und wenn wir heute fragen, was es nur ist, dass unsere Kirchen manchmal so notvoll sind oder leer werden, merken wir oft nicht, dass um uns herum eine große Bewegung geschieht. Auch in Stuttgart versammeln sich hier und da große Gruppen junger Menschen. Sie wollen nicht nur ein paar Sprüche austauschen, sondern suchen diese letzte verbindliche Bruderschaft im Glauben.
Ich freue mich, dass sich das in unserer Gemeinde ohne Organisation gebildet hat. Ein paar haben gesagt: Wir treffen uns dienstags als Hausfrauen um halb neun Uhr und beten miteinander. Wir brauchen das, um uns gegenseitig in dieser Welt zu halten. Die Mächte der Finsternis sind viel zu groß.
Unsere Schüler haben Schülergruppen in ihren Schulen gebildet, weil die Finsternis so groß ist. Es kann anders nicht durch unser Leben leuchten, als wenn wir uns gegenseitig stärken. Einer unserer jungen Freunde hat erzählt, dass er früher einmal, als ich eine Predigt mit „Liebe Brüder und Schwestern“ begann, richtig erschrocken war. Es sei wie ein Schlag gewesen, dass man so sagt: Haben wir denn das ganz verloren, dass wir im Glauben Jesu einander zugeordnet sind?
Nun kommt die Not, dass wir dauernd vom Nächsten reden. Dabei sprechen wir von den Menschen in der Welt und überall. Doch wir sehen gar nicht, dass Gott uns mit dem Nächsten einen ganz konkreten Menschen vor Augen stellt. Einen, dem wir heute über den Weg laufen, der mit uns in der Familie lebt.
Reden Sie bitte nicht von Nächstenliebe, wenn Sie damit nur elternlose Kinder in der Welt meinen. Reden Sie zuerst konkret von dem, mit dem Sie zusammenleben müssen, und von dem, dem Sie hier begegnen und den Sie treffen. Dort fängt Liebe an.
Wenn wir dann die Briefe des Neuen Testaments aufschlagen, merken wir, dass Paulus, wenn er seinen Gemeinden schrieb, voller Herzlichkeit war. Obwohl das Wort „herzlich“ bei uns oft nur eine Floskel ist und unten beim Gruß kaum vorkommt, fragt er: Wie geht es denn Priska und Aquila? Wie geht es der treuen Schwester mit ihrem Dienst, die sich so eingesetzt hat? Dann kümmert er sich um die angeschlagene Gesundheit seines Timotheus. Da ist ein Mittragen da.
Alles ist voll Persönlichkeit und persönlicher Grüße. Ich muss Ihnen gestehen: Für mich ist es jedes Mal eine Überwindung, wenn ich sagen muss, ich muss mit jemandem beten. Ist es vielleicht kein Zufall, dass wir so oft und so leicht Gebete aus einem Buch ablesen? Weil es uns schwerfällt, in diesen persönlichen Kontakt mit einer Gemeinde zu treten. Da haben wir eine Scheu.
Sie erwarten auch, dass eine Predigt zum persönlichen Zeugnis wird. Sie wollen kein Wort hören, als hielte ich hier einen Vortrag über Religion im Allgemeinen. Denn Glauben ist immer ein persönliches Lebenszeugnis.
Sie können gar nicht an Jesus Christus glauben, wenn Sie diesen Glauben nicht mit Ihrem Leben teilen, mit anderen Menschen dort, wo Gott Sie zusammengestellt hat. Das ist das Licht, von dem Johannes redet: die Bruderliebe, die sichtbar wird und sich ausdrückt in einer Gratulation zum Geburtstag, in einem Andenken, in einer Freude, die man einem anderen machen kann. Christen gehören zusammen – gerade in einer furchtbar dunklen Welt.
Das sind keine Gegensätze, sondern gerade weil in unseren Tagen die Finsternis so gewaltig ansetzt und alles überrollt.
Die Kraft des Lichts in schweren Zeiten
Wie ist das nun bei denen, die schwere Not durchleben, weil sie krank sind? Wie verhält es sich mit denen, die Schwermut haben? Die Finsternis ist unheimlich und mächtig.
Das Einzige, was in diese Dunkelheit hineinleuchtet, ist die Liebe Jesu. Diese Liebe wird spürbar in der Gemeinschaft und in der Liebe derer, die zu Jesus gehören.
Johannes spricht dabei zunächst nicht einmal von der Liebe, die in die Welt hinausgeht, sondern von der Liebe derer, die selbst Nachfolger Jesu sind.
Das Licht verdrängt die Finsternis
Ein zweiter Punkt: Das Licht verdrängt die Finsternis.
Heute spricht man immer wieder davon, wie unheimlich die Finsternismächte in unserer Welt wüten. Für uns alle stellt sich die Frage, wie weit wir uns einsetzen müssen, um diese Finsternismächte zurückzudrängen. Ob es der Hass ist, der immer stärker wird, oder die zunehmende Brutalität und Verheerung des öffentlichen Lebens – müssen wir Christen nicht eigentlich stärker aktiv werden?
Ich habe mich oft mit der Frage beschäftigt, ob wir nicht zu viel schweigen. Dabei bin ich immer wieder verwundert, dass in der Bibel und in den neutestamentlichen Gemeindeanweisungen wenig davon zu lesen ist, dass wir uns für eine Verbesserung des öffentlichen Lebens einsetzen sollen. Zum Beispiel für das Klima in Ephesus. Dort wird eine viel zuversichtlichere Sprache gewählt. Johannes sagt: Das wahre Licht scheint. Und wo das Licht scheint, da weicht die Finsternis zurück – ohne Unterschriftenaktionen, ohne große Demonstrationen auf den Straßen.
Wir sollten doch nicht die Mittel der Welt kopieren, sondern in unseren Tagen in Gemeinden, in Christengemeinden, Bruderschaft leben. Dabei verstehe ich das nicht im organisatorischen Sinn. Hier sind Menschen unter uns, die vom Marburger Kreis, vom Offenen Abend oder von Hauskreisen kommen, in denen sie beheimatet sind. Es geht nicht um einen organisatorischen Zusammenschluss unter der Leitung eines Pfarrers. Sondern dort, wo Menschen sich sammeln und sagen: „Ich habe hier meine Bruderschaft im Hauskreis“, dort leuchtet das Licht in unsere dunkle Welt hinein und treibt die Finsternis weit zurück.
Es gibt keine mächtigere Aktion in dieser Welt als dieses Licht, das Jesus ist, wenn es in Gemeinschaft ausgelebt wird. Nun ist es so, dass das Licht Jesu nur dort leuchtet, wo ich Gemeinschaft mit anderen habe. Theoretisch sagt man oft, man könne auch zu Hause seinen Glauben leben. Aber das geht nicht. Man kann es nicht. Das Licht wird dort verlöschen. Ich kann das Licht des Glaubens und die Freude an Jesus nur haben, wenn ich mich mit anderen treffe, die mich darin stärken.
Der Gottesdienst ist ein Teil davon, Hauskreise sind ein Teil davon. Es ist fast ein Motto, das über diesen Monat steht, in dem wir am Ende dieses Wochenendes Mut zur Gemeinde haben. Ich möchte Sie alle bitten: Nehmen Sie doch an diesen Abenden teil, an denen wir neu entdecken wollen, was Gemeinschaft unter Christen heißt.
Viele sagen heute: „Ich bin so allein.“ Hoffentlich sind Sie allein, bis Sie diese geistliche Gemeinschaft gefunden haben. Und wenn Sie jeden Mittag dreieinhalb Stunden mit dem lieben Pfarrer zu Mittag essen oder Kaffee trinken, haben Sie noch lange keine Gemeinschaft. Gemeinschaft hat man erst, wenn man jemanden gefunden hat, mit dem man beten kann und über seinen Glauben reden kann, sodass dieser gestärkt wird. Das ist Gemeinschaft.
Gemeinschaft bedeutet, im Letzten und Bleibenden eins zu sein. Sie können in sechs Vereine gehen und Hobbys miteinander pflegen, aber Gemeinschaft, die einen beheimatet, ist nicht nur nett. Zur Gemeinschaft gehört die Verwurzelung in den letzten bleibenden Werten. Und das Letzte und Bleibende ist unser Glaube.
Nur wenn ich das finde – und das gilt bei all den Kontakten, die wir untereinander knüpfen, bei all den Mittagessen, die wir machen, und bei all den Besuchen, die wir bei Kranken machen –, wenn das geschieht, haben wir Gemeinschaft. Dann leuchtet dieses Licht, das die Finsternis verdrängt.
Und dann kommt es so, dass jemand sagt: „Ich konnte heute noch gar nicht fröhlich sein, ich war so niedergeschlagen, ich war so traurig.“ Und plötzlich wird das durchleuchtet.
Beispiel aus der Mission: Licht inmitten von Unruhen
Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel aus der Mission geben, da dies traditionell zu unserem Erscheinungsfest gehört – in Erinnerung an die Weißen aus dem Morgenland. Unser Missionar Niels in Südafrika, den wir ja unterstützen, gab uns im vorletzten Jahr einen eindrücklichen Bericht über die große, notvolle und scheinbar unlösbare Situation in Südafrika. Er erzählt in einem Brief von den schrecklichen Auseinandersetzungen, die in diesen Unruhen stattfanden.
Natürlich standen die Aufstände im Mittelpunkt des Geschehens. Wir mussten mit Recht befürchten, dass damit das Ende unserer Arbeit gekommen sei, denn es war nicht möglich, die farbigen Wohngebiete zu betreten. Missionar Niels lehnt die Apartheid ganz klar ab. Trotzdem ist die Feindschaft so groß, dass selbst kleine Kinder uns die Faust entgegenhielten und „Black Power“ riefen, was so viel wie „schwarze Machtübernahme“ bedeutet.
Wir nutzten die Zeitenbauten aus Schrott, um zwei wirklich tolle Safari-Busse zusammenzustellen. Außerdem suchten wir alle Ausrüstungsstücke für Fahrten und Lager zusammen. Freizeit und Lager sind immer noch die besten Möglichkeiten zum Evangelisieren und zum aufbauenden Lehren.
Die Universität der Farbigen war, wie zu erwarten, die Initiativzentrale der Unruhen. Die meisten Christen erkannten die linksradikale Richtung nicht und setzten sich voll und aktiv mit ein. Meine Warnungen wurden in dem emotionalen Taumel nicht gehört. Ich wurde wohl auch eben als Weißer gesehen. Nach einigen Tagen der sogenannten Strugglmeetings – ein Wort, das ich nicht übersetzen kann, es bezeichnet eine gruppendynamisch gesteuerte Versammlung der Solidarität der Masse, die emotional erschreckende, total irrationale Auswirkungen hat – standen mir sogar die geistlichen Leiter der Bibelgruppen total feindselig gegenüber.
Doch dann begann es ganz anders, und das möchte ich Ihnen jetzt erklären. Zunächst war der Kontakt nur per Telefon möglich, es wurden Fragen gestellt. Dann standen die Feen vor der Tür, und wir luden zu einer Orientierungswoche in einem abgelegenen, verträumten, wunderschönen Tal in den Zederbergen ein. Es kamen etwa zwanzig Studenten, fast alle gläubig, mit denen wir Kontakt hatten.
Es wurden acht Tage einer Gemeinschaft, wie wir sie in den besten Tagen in Johannesburg erlebt hatten. Politische Parolen und der ganze Hass eines Aufstandes verloren sich vor dem Wort. Das Wirken des Heiligen Geistes war so fast unglaublich real, dass wir nur danken konnten. Es konnte ein neues Fundament gelegt werden. Denkfehler und Fehlhaltungen wurden erkannt und bereinigt. Die große Freude kam wieder.
Der Orientierungspunkt in dieser Welt ist immer das Wort, um das sich Christen sammeln. Es fand nun eine große Konferenz im Dezember für afrikanische evangelische Führungskräfte statt – siebenhundert Persönlichkeiten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Sie sammelten sich unter der Leitung von Bischof Vesto Kivenschere und erklärten, dass sie in ihrer Lage in Afrika, angesichts der Wirtschaftsprobleme und der Spannungen in Südafrika, einen dritten Weg zeigen wollen. Einen Weg, der nicht Gewalt bedeutet, sondern der eine Wiedergeburt durch Erneuerung derer bringt, die an Jesus glauben und zur Bruderschaft finden.
Bischof Estoke Wenschry hat das hier schon entwickelt, als er da war, und gesagt: „Wie können Christen die Hoffnung hier aufgeben?“ Davon sei er fest überzeugt, sagte er, dass das Licht Jesu so hell in diese Welt hineinleuchtet, dass sogar die ganzen politischen Kampfparolen plötzlich ihre Kraft verlieren, wenn wir Christen nur ernsthaft Bruderschaft leben.
Auf diesem Kongress sammelten sie sich lange, bevor sie an die konkreten Sachthemen gingen, tagelang in einer völligen Klausur im Gebet und im Hören auf das Wort Gottes in der Bruderschaft. Sie sagten: „Wir wollen uns untereinander stärken, wir wollen keine Referate von Theologen hören, wir wollen uns gegenseitig im Glauben aus dem Wort zurüsten.“
Dann sind sie überzeugt, dass Gott ihnen auch Wege zeigen wird, um die praktischen Nöte zu lösen, die sie heute belasten. Wenn wir das in unseren Spannungen und in unseren Aufgaben wieder anwenden, können wir nicht anders durchkommen in unserem Leben als durch diese gelebte Gemeinschaft.
Die Konsequenz der Bruderliebe
Und noch ein letztes: Scharfe Schatten oder scharfe Umrisse wirft das Licht. Johannes zeichnet ganz direkt schwarz-weiß, ganz hart, und sagt: Wer seinen Bruder nicht liebt – und der Bruder ist nicht irgendwo jemand, der in den Slums von Südamerika lebt. Sicher, diese Menschen vergessen wir in unserem Gottesdienst nie. Aber es ist viel schwieriger, einen Kollegen zu lieben oder einen schwierigen Mitchristen als einen fernen Menschen.
Dann sagt Johannes: Wer das nicht im Namen Jesu fertigbringt, der lebt in der Finsternis. Er ist geprägt von der unheimlichen Macht der Welt um sich. Das ist tatsächlich die Not, dass auch wir Christen, die Kirche und die Gemeinden von der Welt geprägt sind. Wir tragen die Spuren unserer Zeit an uns. Das muss in jeder Generation, manchmal sogar mehrfach im Leben, neu errungen werden. Nicht ihre Bekehrung muss neu errungen werden, aber das Entdecken der Bruderschaft.
Das ist bei jedem Umzug ein Problem. Es laufen so viele bei uns herum und sagen: „Ich gehe mal da an die Kirche und höre mir das so an.“ Es wird alles nur Sie mehr und mehr enttäuschen. Es wird eine Lehre bei Ihnen zurückbleiben, dass Sie zum Schluss sogar noch Ihren Glauben verlieren können, wenn Sie nicht entdecken – nein, nicht die schöne Predigt oder die schlechte Predigt, die ich gehört habe –, sondern dass sie nur ein Wegzeiger sein sollte in die verbindliche Gemeinschaft, die ich irgendwo praktizieren will.
Ob Sie nun eine alleinstehende Krankenschwester in einem Krankenhaus in Stuttgart sind: Ich bete jetzt, dass Gott mir die zwei oder drei Menschen in den Weg schickt, mit denen ich diese Gemeinschaft haben kann. Oder sonst schließen Sie sich hier irgendwo in einer dieser kleinen Gruppen an. Wer das nicht hat und wer das nicht praktiziert, wer seinen Bruder nicht liebt, der lebt in der Finsternis.
Schwarz-weiß, ganz klare Schatten, Konturen fallen da. Und dann kann es sein, dass man schöne Chöre singt und Orgel spielt und schöne Gottesdienste abhält – und man lebt doch in Wirklichkeit in der Finsternis, weil die Macht der Liebe Jesu keinen Raum hat. Denn die frommen Worte machen es dann wirklich nicht, sondern die Verwandlung unseres Wesens.
Ich bin so froh, dass Johannes das so sagt: Das Licht ist viel stärker. Ich habe so viel erlebt, und das will ich hier nicht erzählen – von Beispielen aus unseren Tagen, wie neue Gemeinschaft entstanden ist, wie Menschen keine Ruhe mehr geben, bis sie einen gefunden haben, der sie in dieser Gemeinschaft stärkt und zurüstet.
Ich möchte, dass Sie dieses Licht fassen. Das Licht – das ist Jesus selbst, der sein Leben vor uns hingibt und der uns angenommen hat. Aber er will jetzt, dass dieses Licht unser ganzes Leben bestrahlt und beleuchtet. Und wir haben dieses Licht nur in der Gemeinschaft. Das ist eine Eigenart dieses Lichtes.
Wenn Sie einen Kristall nehmen und das Licht hindurchfallen lassen, dann wird es immer merkwürdig gespiegelt und es gibt Farbnuancen. Das ist sogar der Reichtum des christlichen Glaubens. Es gibt in der Gemeinde Jesu nicht eine Vielfalt, dass einer sagen kann: Jesus ist nicht auferstanden oder er ist auferstanden. Diese Vielfalt gibt es nicht. Da gibt es nur ein Zeugnis.
Aber es gibt von dem einen Jesus ein in vielen Menschen gebrochenes Licht – das ist ja das Schöne. Ich habe Ihnen mein Zeugnis des Glaubens hier oft gesagt. Ich warte auf Ihr Zeugnis, dass Sie mir aus Ihrem Glauben einmal erzählen, wie Sie das sehen, dass Sie das anderen mitteilen. Und sagen Sie doch nicht: „Ich kann das nicht“, so im kleinen Kreis, dass wir einander stärken.
Und dann kommt die ganze große Vielfalt des Reichtums erst heraus, wie groß dieser Herr ist, der sein Licht scheinen lässt in dieser finsteren Welt und der auch will, dass in unserer Stadt dieses Licht wieder durchbricht. Einfach, weil Menschen sich sammeln um sein Wort. Es gibt kein größeres Zeugnis vor der Welt, wissen Sie, keine bessere Evangelisation als die gelebte Gemeinschaft von Christen. Das kann man vorleben. Amen.
Schlussgebet und Segen
Herr Jesus Christus, wir danken dir für das Zeugnis so vieler Christen, die uns den Glauben gelehrt haben und uns an ihren Entdeckungen teilhaben ließen. Wir danken dir für all diese Menschen, die uns von Kindertagen an dein Wort groß gemacht haben.
Herr, nimm uns auch die Scheu, die uns hindert, auf andere zuzugehen und sie zu stärken. Wir wollen keine großen Redner sein, aber wir wollen dein Licht weiterleuchten lassen. Es ist nicht unsere Persönlichkeit, die strahlt – im Gegenteil, sie ist oft so notvoll – sondern das empfangene Licht des Evangeliums. Dein Wort wollen wir weitergeben. Auch das, was wir vom Glauben entdeckt haben, wollen wir weitersagen.
Segne du diesen Dienst, wo wir ihn tun, auch in den kommenden Tagen. Zeige uns die Menschen, bei denen wir eine Heimat finden können, die uns verstehen und wieder stärken. So möge dieser Schatz immer neu und immer mehr unter deinem Volk entdeckt werden. Verwandle Menschen und befähige sie zur Gemeinschaft untereinander. Lass diese zerrissene, gespaltene Welt ihre Heilung in deinem Volk finden – dort, wo Menschen Gemeinschaft haben im Evangelium und im Glauben an dich.
Wir danken dir auch für alle Führung in unserem Gemeindeleben in der zurückliegenden Zeit. Weise uns im neuen Jahr klar, wie wir das, was du uns in deinen Worten gezeigt hast, praktisch umsetzen können. Gib uns Licht für den Weg, den wir gehen sollen.
Wir wollen dich auch für alle Gruppen und Kreise in unserer Stadt bitten, die sich in deinem Namen versammeln. Lass uns das große Geheimnis der weltweiten Verbundenheit deiner Gemeinde erkennen, in die du uns hineingestellt hast.
Lass uns gemeinsam beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!
Nun wollen wir um den Segen Gottes bitten: Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
