Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.
Wir hatten uns vorgenommen, in diesem Sommer ein Stück aus der Apostelgeschichte zu besprechen. Dabei hörten wir, wie Paulus nach Europa kommt.
In Apostelgeschichte 16,12 heißt es: „Und wir kamen gen Neapolis und von dannen gen Philippi, welches die Hauptstadt des Landes Mazedonien ist und eine Freistadt.“
Wir hatten aber in dieser Stadt unser Wesen etliche Tage.
Herr, heilige uns in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit! Amen!
Die Bedeutung eines scheinbar unscheinbaren Textes
Das ist doch kein Text, der kaum eine Predigt zulässt. Bist du verrückt? Es gibt so schöne Worte wie „Der Herr ist mein Hirte“, nicht wahr? Oder „Der dir all deine Sünde vergibt“. Warum predigst du über so einen Text?
Ich hoffe, ich kann Ihnen zu unserem Text eine bessere Meinung vermitteln. Der Dichter Stefan Zweig hat einmal den Ausdruck „Sternstunden der Menschheit“ als Titel eines Buches geprägt. Ich glaube, die richtigen Sternstunden der Menschheit sind die, bei denen – ich habe lange überlegt, wie ich das formulieren könnte – ein scheinbar unscheinbarer Vorgang der Weltgeschichte einen entscheidenden Impuls in eine bessere Richtung gibt.
Heute warte ich auf so einen Vorgang. Nein, eigentlich: Es geht um einen scheinbar unscheinbaren Vorgang, der der Weltgeschichte einen Stoß verleiht, sodass sie in eine neue und bessere Richtung kommt.
Von so etwas ist hier die Rede. Unterschätzen Sie unseren Text nicht! Paulus bringt das Evangelium von der freien Gnade Gottes für Sünder in unserem Erdteil. Und dieses Evangelium hat erst unseren Erdteil zu dem gemacht, was wir unter Europa verstehen – oder besser gesagt, was Europa sein sollte.
Ja, ich will darunter verstehen, was Europa sein sollte. Darüber habe ich in den letzten Sonntagen viel gesprochen. Es lohnt sich auf jeden Fall, dass wir den Apostel Paulus bei diesen ersten Schritten in Europa begleiten.
Das wollen wir heute Morgen tun – über Schrift, über Text und Predigt.
Die erste Station: Neapolis – Der Beginn einer neuen Mission
Wir begleiten Paulus auf seiner Reise, die drei Stationen umfasst. Die erste Station ist Neapolis. Dort landet sein Schiff, als er aus Kleinasien kommt. Neapolis ist eine kleine Hafenstadt an der mazedonischen Küste.
Ich glaube, Paulus war nicht gefühllos, sondern sehr bewegt und voller Spannung, als er das Schiff verließ und in Neapolis an Land ging. Er betrat einen neuen Kontinent – damals eine große Sache. Was sah er vor sich? Ich war selbst noch nicht dort, habe es mir aber genau beschreiben lassen. Er sah riesige Gebirge, die kaum Platz am Strand für die kleine Hafenstadt Neapolis ließen. Nun wusste er: Über diese Gebirge muss ich. Hinter diesen Gebirgen liegt die große Aufgabe.
Wir wollen Paulus auf seiner Reise begleiten. Ich habe mir vorgestellt, ich wäre ein Reporter oder Journalist. Ich hätte gehört, dass Paulus dort ankommt. Besonders findig, während alle anderen es gar nicht kapiert haben, hätte ich begriffen, was das bedeutet. Also finde ich mich dort ein, als Paulus vom Schiff kommt, hänge mich an seine Fersen und begleite ihn.
Da ist natürlich die erste Frage, die ein Journalist stellt: Paulus, damals sagte man „Du“ zueinander, sehr nett, Paulus, du kommst nun hier nach Europa. Als was kommst du? Kommst du als Tourist? Kommst du als Reisender auf Spesen? Oder als Tourist auf Spesen? Das gibt es auch heute nicht mehr. Was gibt es nicht? Paulus, was kommst du her?
Paulus antwortet: „Ich komme als Apostel, das ist mein Titel, den mir Gott verliehen hat, nicht eine Behörde. Apostel heißt nur Bote. Ich komme als Bote, aber des größten Herrn, des Herrn Jesus Christus.“
Er fährt fort: „Ich komme als Bote an alle Länder, Kontinente und alle Zeiten. Er, der Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Mensch wurde – Wunder aller Wunder –, der für die Sünden der Welt am Kreuz hing, der die Tür zum Leben ist, der auferstanden ist von den Toten und der erhöht ist über alles. Dieser Herr Jesus Christus hat mich ausgesandt, allen zu sagen: Wendet euch zu mir, aller Weltenden, so werdet ihr errettet!“
Paulus sagt weiter: „Ich bin Bote für diese Botschaft: Wendet euch zu mir, sagt Jesus, aller Weltenden, so werdet ihr errettet!“ Dann fügt Paulus hinzu: „Und wenn mein Mund mal verstimmt, ...“ Er sieht wohl im Geist, dass er irgendwo in Europa ein Märtyrertod sterben wird. Das steht am Ende, nicht wahr? „Wenn mein Mund mal verstimmt, dann darf diese Botschaft nicht verstummen.“
An alle Welt richtet sich die Aufforderung: „Wendet euch zu mir, aller Weltenden, so werdet ihr errettet!“
Ich möchte jetzt den Jungen in der Melsberggalerie und alle Alten und Jungen fragen: Haben Sie sich schon wirklich zu Jesus gewandt? Wissen Sie, was Errettung heißt? Dann schweigen Sie still, wenn von Christentum die Rede ist.
Paulus als Bote, Streiter und Sämann
So sagt der Reporter zu Paulus: „Ein Bote bist du also nur ein wenig?“
Ja, sagt Paulus, ich bin noch mehr. Ich bin noch mehr.
„Was bist du denn sonst noch?“ fragt der Reporter.
Da nehme ich mein Stenologbuch und schreibe auf, was Paulus mir sagt.
„Ich bin Streiter, Kämpfer. Weißt du,“ sagt er, „der Teufel hat sich einmal vor dem Sohne Gottes gerühmt, es sei ihm alles übergeben. Wenn ich die Welt ansehe, glaube ich ihm das, und Jesus hat es ihm nicht bestritten. Aber,“ sagt Paulus, „nun bin ich ein Streiter und will dem Teufel Land streitig machen im Namen Jesu, der die Welt versöhnt hat.“
„Und jede Predigt, meine Freunde,“ fährt er fort, „ist nicht eine schlichte Kulthandlung, sondern nichts anderes, als dem Teufel Land streitig machen wollen.“
Paulus sagte: „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern im Himmel.“
So sage ich: Das ist eine große Sache. „Paulus, bist du noch etwas?“
Ja, sagte er, „ich bin noch mehr. Ich bin ein Seemann, ein stiller Seemann, der den Samen des Evangeliums, diesen lebendigen Samen, auf den Acker der Herzen streuen will.“
Da sagt Paulus: „Ich mache mir keine Illusionen. Das hat mein Herr schon gesagt, dass viel von diesem lebendigen Samen des Evangeliums auf harten Boden fallen wird, wo nichts aufgeht. Wenn ich hier ein Weizenkorn hinlege, geht nichts auf. Es gibt Herzen, die sind härter als dieses Pult hier.“
Das weiß ich, sagt Paulus, und ich weiß es auch. Das gehört zum Schweren des Predigtamts. Ich bin nicht Apostel, es gibt einmalige Apostel. Wir sind Prediger, aber wir haben seine Botschaft weiterzutragen.
Das gehört zum Schweren: zu sehen, dass Herzen hart sein können. Am härtesten sind nicht die bösen Sünder und Mörder, sondern die Selbstgerechten, die keinen Heiland brauchen, die in sich selbst gerecht und gut sein wollen.
„Ich weiß,“ sagt Paulus, „es wird viel Same fallen auf Äcker, wo die Sorgen der Welt, die Gier nach Geld und die Lüste der Welt alles ersticken. Ich weiß es wohl, und das weiß ich auch, bin ich Paulus. Aber ich weiß auch, wie das Evangelium in Herzen aufgehen kann, und dann auf einmal die Welt kommt und alles erstickt.“
Aber sagt Paulus: „Der Herr wird auch guten Herzens Acker geben, wo der Samen des Evangeliums hinfällt und Frucht bringt. Ich will säen hier, ich will säen. Ich will nach der Regel handeln: Streut euren Samen aus, dann lasst Gott sorgen. Er lässt ihn wachsen fein zum Erntemorgen.“
Der Marsch durch das Gebirge und die Herausforderungen des Glaubens
Und so zieht Paulus nun aus Neapolis in dieses wilde Gebirge hinein. Wir begleiten Paulus, liebe Freunde. Wir haben das Flugzeug der Gedanken, wir fliegen über das Gebirge und erwarten am anderen Ende niemanden mehr. Wir lassen diesen Mann, diesen merkwürdigen Mann – Seemann, Streiter, Bote, Briefträger, Kriegsheld, merkwürdig, nicht wahr? – stillen Ackersmann. Wir lassen ihn mit seinen Freunden in das Gebirge hineinlaufen.
Der Apostel Paulus hat später im zweiten Korintherbrief von den vielen Gefahren erzählt, die er erlebt hat. Er spricht dort von Gefahren durch Flüsse, von Räubern, von Hunger und Durst, von Blöße und Kälte. Ich bin überzeugt, dass er bei dem Marsch durch dieses mazedonische Gebirge – heute, so habe ich mir sagen lassen, gibt es nur eine ganz schlechte Passstraße – einiges von dem erlebt hat, was er hier aufzählt: Gefahren durch Flüsse, Räuber, Hunger, Durst, Blöße und Kälte.
Doch er lässt sich nicht aufhalten. Ich glaube, wir wären unterwegs umgekehrt und hätten gesagt, das ist zu schwierig. Aber er lässt sich nicht aufhalten. Warum? Weil er außer Sämann, Bote und Streiter noch etwas anderes ist, das er mir jetzt nicht gesagt hat. Er ist außerdem Sklave Jesu Christi, so nennt er sich in seinen Briefen. „Ich gehöre nicht mehr mir“, sagt er, „ich bin durch Jesus erkauft mit seinem Blut.“
Wenn in Ihrem Herzen das Licht über den Christenstand aufgegangen ist, dann haben Sie das begriffen: Jesus hat mich erkauft, hat das Lösegeld für mich bezahlt, den letzten Tropfen Blut. Nun muss ich sein Eigen sein und will es sein. Ohne eine bewusste Entscheidung geht das nicht.
Paulus ist klar für Jesus Christus. Ich hätte fast gesagt: Marionette Gottes. Was das bedeutet, liebe Freunde – und wir sollten es ja auch sein, nicht wahr? – möchte ich Ihnen bewusst ein wenig ungeschickt klarmachen.
In totalitären Staaten, die wir ja erlebt haben und die es noch gibt, trifft man auf ganz eigentümliche Menschen. Sie haben sich vollständig aufgegeben und denken, reden und tun nur noch, was der Staat will. Sie sind Maschinen der Ideologie. Wissen Sie, wenn bei Prozessen elf Juden erschossen wurden, sagten manche: „Ich muss meine Pflicht tun.“ Da war kein eigenes Denken mehr, kein Gewissen, nur: „Ich musste meine Pflicht tun, der Staat wollte das.“ Verstehen Sie? Das ist unheimlich.
Das ist eine grauenvolle Sache, dass es so etwas immer mehr gibt: Menschen, die sich aufgeben. Gibt es das nicht auch heute bei uns? Darf ich nur kurz sagen: Wir haben Samstags viele Stunden, in denen Jungs gern da sind. Aber ein Drittel war gestern nicht da, weil Fußballspiel war. Verstehen Sie, wie wir langsam „gekabbert“ werden von den Massenmedien?
Aber jetzt mache ich weiter. Diese dämonische Entachtung kann uns klar machen, was ein richtiger Christenstand ist. Paulus hat sich zum Herrn Jesus bekehrt. Das heißt: Jetzt ist er von sich selbst ausgeliefert, und Jesus, der Herr, hat ihn in Wohnung genommen. „Du sagst doch selbst, ich will ihn in Wohnung nehmen.“ Ohne dass sein Denken, Reden, Wollen und Tun von Jesus regiert und erfüllt wird, geht das nicht.
Nun könnten Sie sagen: „Man vergleicht das mit diesen schrecklichen Dingen in totalitären Staaten.“ Dann sage ich: Verstehen Sie, es ist im Grunde ganz anders, weil Jesus ein Erlöser und Heiland ist. Wenn er mich ganz erfüllt, ist das das Beste, was mir geschehen kann.
Davon sind wir noch weit entfernt, ja? Sklave Jesu Christi zu sein. Aber sehen Sie, das müssen wir wollen.
Die zweite Station: Die Ebene bei Philippi – Ein Ort voller Geschichte und geistlicher Bedeutung
Aber jetzt muss ich zur zweiten Station kommen. Wir begleiten Paulus, wir sehen ihn in Neapolis und ziehen weiter. Nun kommen wir zur zweiten Station: die Ebene bei Philippi.
Ganz richtig, manche denken dabei an Shakespeare, bei Philippi sehen wir uns wieder. Das Philippi ist gemeint, und die Geschichte ist gemeint. Die Ebene war Philippi. Paulus ist durch das Gebirge gedrungen, und nun liegt eine große Ebene vor ihm, durchzogen von Wasserläufen, sehr fruchtbar. Am Horizont ragen hohe, hohe Berge auf. Zu Recht nennt man die grauen Mauern und Türme eine stark befestigte Stadt: Philippi.
Nun wandern wir mit Paulus in diese Ebene hinein. Da Paulus ein hochgebildeter Mann war, weiß er, dass er hier über blutgetränkten Boden geht. In der Ebene bei Philippi hat eine der grausamsten Schlachten des Altertums stattgefunden, 42 vor Christus. Ich hoffe, die Peneler wissen sofort, welche Schlacht gemeint ist: die Schlacht bei Philippi, die dem Römer Octavian den Weg zum Kaiserthron freimachte.
Als Octavian der erste römische Kaiser wurde, warf er seinen Namen Octavian weg und nannte sich Augustus, der Erhabene, der Gott. Dieser Augustus kommt in der Weihnachtsgeschichte vor. Deshalb könnte Paulus bestimmt wissen, dass Augustus ihm bekannt war. Hier, auf dieser Ebene, fand die Entscheidungsschlacht statt, die wir mit Paulus jetzt durchschreiten.
Ich bin überzeugt, dass Paulus über diese Ebene der Schlacht von Philippi sehr nachdenklich ging. Er sagte sich: Dort war einmal eine entscheidende Schlacht. Ich komme nach Europa, ich will jetzt auch eine Schlacht schlagen, eine Durchbruchsschlacht, eine geistliche Schlacht. Unterliegt der in dieser Schlacht heißt es: Jesus Christus, der auferstandene Herr.
Jetzt möchte ich als guter Reporter versuchen – ich weiß nicht, ob es gelingt – die Gedanken nachzuvollziehen, die Paulus bei dem Beschreiten der Ebene bewegt haben könnten. Ich glaube, Paulus war zuerst einmal einfach erschüttert. Wie ähnlich sind die Ereignisse damals und jetzt!
Als Octavian Augustus diese entscheidende Schlacht bei Philippi schlug, saß er am Anfang schrecklich nach Niederlage und Untergang aus. Er wurde am ersten Tag der Schlacht grau und geschlagen, und die Feinde plünderten sein Lager. Da schien es mit Octavian Augustus endgültig vorbei zu sein.
Doch am dritten Tag rissen sich seine Soldaten, alte, zähe Legionäre – richtige Burschen, die in tausend Schlachten erprobt waren – zusammen. Sie erneuerten die Schlacht, warfen die Speere weg und nahmen das Schwert zur Hand. Es war grausames Morden, aber sie erfochten sich den Sieg. Das war die Stufe für Augustus zum Weltenherrscher.
Paulus dachte vielleicht: War es bei meinem Herrn nicht ganz ähnlich? Bei Jesus sah es doch nach Untergang und Niederlage aus, als er am Kreuz hing und rief: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Alle waren weggelaufen. Doch am dritten Tag – wie merkwürdig! – stand er von den Toten auf. Jetzt kann er sagen: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“
Ich müsste mich sehr täuschen, wenn Paulus solche Gedanken nicht gekommen wären. Und wenn sie ihm nicht gekommen sind, dann kommen sie mir und Ihnen jetzt. Erlauben Sie mir, dass ich weitermache.
Ich bin überzeugt, Paulus schüttelte diese Gedanken ab: das dumme Zeug, dass ich Augustus und meinen Heiland vergleiche. Es ist ja völlig anders gewesen bei beiden. Augustus ließ seine Soldaten für sich bluten. Jesus aber hat für sein Volk geblutet und sich töten lassen. Das ist der Unterschied zwischen allen Ideologien und Welterlösern: Die lassen Völker für sich verbluten. Jesus aber hat für sein Volk sein Leben gegeben und sein Blut vergossen.
Die Kinder Gottes leben heute davon, dass Jesu Blut für sie geflossen ist und sie reinmacht von aller Sünde. Und was hat denn Augustus gewollt? Wofür hat er gekämpft? Für seine Macht, für seinen Einfluss. Und Jesus? Jesus kämpft um Menschen, nicht um Macht, um Menschen.
Haben Sie schon gespürt, wie Jesus um Ihre Seele ringt? Er will Menschen, um sie zu erretten – von Schuld, ach, wie holt unsere Schuld uns ein – und von sich selbst, von der vergehenden Welt. Er möchte sie erretten vom Tod, von der Hölle und vom Teufel. Jesus sucht Menschen, um sie wirklich zu retten.
Augustus kämpfte um seine Macht, Jesus kämpfte um unser Heil. Wenn Sie mit Paulus über diese blutgetränkte Ebene von Philippi schreiten, und weil Augustus und Jesus schon in der Weihnachtsgeschichte so merkwürdig zusammengekoppelt sind, haben ihn diese Gedanken bestimmt bewegt.
Ja, ich bin überzeugt, dass ihn noch manches bewegt hat im Blick auf Augustus. Sehen Sie, wir haben eine Münze gefunden, auf der dieser Kaiser Augustus abgebildet ist – allerdings war das noch nicht zu seiner Zeit, als die Münze geprägt wurde. Sie zeigt ihn zusammen mit seinem Pflegevater Julius Caesar.
Dort steht „Caesar Gottios“ und „Octavian Augustus Gottessohn“. „Gottessohn“ – so hat er sich nennen lassen, der Augustus, Gottessohn. Er nannte sich Kyrios, das heißt Herr. Auf einem Stein bei Briene ließ er sich „Soter“ nennen, das heißt Heiland.
Dieser Kaiser Augustus war also „Gottes Sohn“, „Heiland“, und als Paulus über die Ebene bei Philippi ging, war dieser Kaiser Augustus längst gestorben und ermordet. Sein Name geriet in Vergessenheit, schreckliche Nachfolger hatten sich seines Throns bemächtigt.
Da kann ich mir vorstellen, wie Paulus das Herz weit wurde. Und nun komme ich, der schlichte Bote, der Sämann, und verkünde euch den wirklichen Sohn Gottes, der nicht von unten, sondern von oben gekommen ist, aus der Dimension Gottes.
Jetzt komme ich und verkünde euch den wirklichen Soter, den wirklichen Heiland, der immer lebt, der nicht eines Tages im Grab bleibt, der immer lebt und immer errettet. Jetzt komme ich und verkünde euch den wirklichen Kyrios, den Herrn, den Herrn, den Herrn.
Solange ihr das nicht begreift, seid ihr verlorene, arme Leute, solange er nicht Herr eures Lebens geworden ist. Ich komme und verkünde den wahren Heiland der Welt.
Ach, wie hätten Paulus da auf dem Gang über die Ebene bei Philippi diese Gedanken nicht kommen müssen!
Die dritte Station: Philippi – Begegnung mit der römischen Weltmacht und die Suche nach Glaubenden
Lassen Sie mich noch kurz ein Drittes sagen: Die dritte Station, die dritte Station, Neapolis, die Ebene Philippi – das ist Philippi selbst. Wir hatten unser Wesen dort einige Tage.
Begleiten Sie uns noch und werden Sie nicht müde. Paulus musste marschieren, Sie hingegen sitzen gemütlich auf dem Stuhl, nicht wahr? Bei Paulus war es wahrscheinlich viel heißer als hier in diesem Raum, in der Ebene von Philippi. Also werden Sie nicht müde, vollends mitzugehen nach Philippi hinein.
Philippi, hier steht: Philippi war eine Freistadt. Ich weiß nicht, wie der gute alte Luther auf die Idee kam, den griechischen Text mit „Freistadt“ zu übersetzen. Im Griechischen steht dort „Kolonia“, das bedeutet „Kolonie“. Nun, es gibt Leute, bei denen bei dem Wort „Kolonie“ bestimmte Assoziationen aufsteigen, nicht wahr? Vielleicht ist Luther da ein Missverständnis unterlaufen.
Die Sache ist einfach: Die Römer beherrschten damals das gesamte Abendland. Hier legten sie eine römische Siedlung an, eine sehr befestigte Stadt, einen römischen Stützpunkt, eine Kolonie. Ich sehe Paulus vor mir, wie er mit seinen Freunden, dem Arzt Lukas und anderen, durch die engen Gassen dieser befestigten Stadt geht. Er erlebt hier eine ganz neue Welt.
Mit Römern hatte er bisher eigentlich nichts zu tun gehabt – nur Römer begegnen ihm jetzt förmlich. Hier zeigt sich die Weltherrschaft. Überall spricht man von der Macht des Imperium Romanum.
Meine Freunde, Paulus konnte nicht ahnen, dass sein Evangelium einmal mit dieser römischen Macht einen Bund eingehen würde. Das erscheint mir als das abscheulichste Bündnis der Weltgeschichte: das Evangelium und das römische Imperium. Daraus entstand eine Machtkirche – eine Machtkirche wie ein Porzellanbrunnen.
Ich möchte Ihnen, weil der Weg immer weitergehen wird, in aller Deutlichkeit sagen: Lassen Sie sich nicht verführen! Evangelium von Jesus und Macht sind wie Feuer und Wasser – sie passen nicht zusammen.
Es graust mich, wie heute alle Kirchen an Macht zunehmen und an Vollmacht verlieren. Im Evangelium geht es um Dienen, nicht um Herrschen. Jesus ist gekommen, hat uns gedient, will uns dienen und will uns freimachen, anderen zu dienen.
Hören Sie, es geht nicht darum, ewig um sich selbst zu kreisen, sondern mal anderen zu dienen. Aber das hatte Paulus noch nicht geahnt, nicht wahr? Welche schrecklichen Wege die Kirche Jesu Christi noch gehen würde.
Er geht durch die Straßen, durch die engen Gassen dieser festen Stadt und sucht etwas. Wissen Sie, was er sucht? Er sucht ein paar Leute aus Israel.
Wenn Sie die Apostelgeschichte lesen, werden Sie sehen, dass Paulus immer zuerst in der Synagoge predigte. Israel ist zuerst Berufene, dort kannte man Gott, dort gab es einen Anknüpfungspunkt, von dem aus er loslegen konnte.
Nun findet er, was er bisher überall gefunden hat: in Philippi keine Synagoge, keine jüdische Gemeinde, niemanden aus Israel. Es müssen welche da sein, aber wo sind sie? Es müssen ein paar da sein, die Gott kennen. Mit denen muss er anfangen. Wo sind sie?
So muss er warten. Wir hatten unser Wesen dort etliche Tage – warten. Die Führung Gottes, die ihn bisher von Neapolis bis hierher geleitet hat, setzt plötzlich aus. Wenn der Strom weg ist, gibt es nichts zu tun.
Nun kann er nichts anderes tun, als auf der Stelle zu treten und zu warten. Ich will Ihnen etwas sagen: Warten fällt uns allen furchtbar schwer. Es gibt Phlegmatiker, die es leichter können, aber ich kann es sehr schlecht, Sie auch, und Paulus konnte es bestimmt auch nicht gut.
Er will Europa erobern, und da setzt ihn Gott einfach hin und sagt: Gar nicht! Wie geht Gott mit seinen Leuten um? Wenn wir Gottes Kinder sind, wissen wir, wie Gott uns im entscheidenden Augenblick alles aus der Hand schlägt. Dann sind wir ganz arme Leute.
Gott nimmt uns auf einmal alles weg, was wir uns gedacht haben. Wir sind Bettler. So steht Paulus da. Ich bin überzeugt, dass Paulus in diesen Tagen zum Kreuz seines Heilandes getrieben wurde – an einen Ort, wo das Herz still wird, wo man sein Ich mit ihm totgibt und all sein Wünschen.
Man wird froh, dass man als Kind Gottes durch den Sohn erkauft und versöhnt ist. Unter Jesu Kreuz einzukehren, meine Freunde, das ist der Ort, an dem der innere Mensch Nahrung und Kraft findet – auch heute.
Darum wollen wir jetzt Paulus lassen und unter Jesu Kreuz stehenbleiben – jetzt, morgen, hoffentlich die ganze Woche und hoffentlich ein ganzes Leben lang.