Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter ist.
Weg, Wahrheit und Leben.
Episode 562: Wahre Jüngerschaft, Teil I.
Die Herausforderung der wahren Jüngerschaft
Wir waren bei der Frage stehen geblieben, worin der wesentliche Unterschied liegt zwischen denen, die am Ende dabei sind, und denen, die beim Reich Gottes außen vorbleiben. Im Hintergrund steht für mich immer noch Lukas 13,24: "Ringt danach, durch die enge Pforte hineinzugehen, denn viele, sage ich euch, werden hineinzugehen suchen und werden es nicht können."
Worauf kommt es bei diesem Ringen an? Wir haben bereits gesehen, dass es Dinge gibt, die uns genau davon ablenken können. Dazu gehören Besitz, ein gutes Leben oder Menschen, denen wir gefallen wollen.
Jetzt wollen wir uns anschauen, was an die Stelle dieser Dinge treten muss. Damit betrachten wir tatsächlich das Herz des Christentums.
Jesus lehrt über die Prioritäten im Leben
Lukas 14, Vers 25: Es gingen aber große Volksmengen mit ihm, und er wandte sich um und sprach zu ihnen. Wir merken, das Gastmahl mit den Gesetzesgelehrten und Pharisäern ist vorbei. Jesus ist wieder unterwegs, und mit ihm laufen große Volksmengen.
Diese Gelegenheit nutzt er, um ihnen drei ganz wichtige Lektionen beizubringen. Fangen wir mit der ersten an.
Lukas 14, Vers 26: Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein.
Möchtest du eine Jüngerin oder ein Jünger Jesu sein? Falls ja, das hier ist die erste Bedingung. Niemand kann ein Jünger Jesu sein und ihm nachfolgen, der eine andere Person oder sein eigenes Leben mehr liebt als Jesus.
Für uns klingt es dabei hart und auch ein wenig komisch, dass Jesus davon spricht, wir sollen unsere Familie hassen. Diese Formulierung will auch nicht dazu passen, dass wir doch eigentlich lieben sollen, sogar unsere Feinde.
Also, was machen wir damit? Ich meine, mit dem Hassen.
Die Bedeutung von „Hassen“ im semitischen Denken
Zuerst müssen wir verstehen, dass jede Sprache ihre eigenen Besonderheiten hat. Das Wort „hassen“ wird hier idiomatisch verwendet. Das bedeutet, es ist nicht wörtlich, sondern sprachtypisch gemeint – also entsprechend der Eigenart der hebräischen Sprache beziehungsweise des semitischen Denkens.
Ein idiomatischer Ausdruck ist nicht durch eine reine Wort-für-Wort-Übersetzung verständlich, sondern muss im Zusammenhang mit der jeweiligen Sprachkultur interpretiert werden. Das ist sehr wichtig, damit wir Jesus hier richtig verstehen. Er spricht als Jude, und im semitischen Denken, speziell im Hebräischen, bedeutet „hassen“ im Hinblick auf Beziehungen nicht zwingend eine tiefe emotionale Abneigung. Vielmehr kann es auch verwendet werden, um eine Bevorzugung auszudrücken.
Schauen wir uns dazu eine Stelle aus dem Alten Testament an. Jakob hat zwei Frauen: Rahel und Lea. In 1. Mose 29,30 heißt es: „Da ging er auch zu Rahel ein, und er liebte Rahel mehr als Lea. Und er diente bei ihrem Vater noch weitere sieben Jahre.“ Ganz klar, Jakob liebt Rahel mehr als Lea.
Im nächsten Vers, 1. Mose 29,31, steht: „Und als der Herr sah, dass Lea zurückgesetzt war“ – wörtlich steht hier, dass Lea gehasst war –, „da öffnete er ihren Mutterleib. Rahel aber war unfruchtbar.“
Hier haben wir ein gutes Beispiel für ein „Hassen“, bei dem es nicht um eine tiefe emotionale Abneigung geht, sondern um ein Zurücksetzen. Jakob mag Rahel einfach mehr als Lea. Das hindert ihn aber nicht daran, mit Lea sieben Kinder zu zeugen.
Die radikale Priorisierung Jesu im Leben
Wenn Jesus davon spricht, dass wir unsere Familie und unser eigenes Leben hassen sollen, geht es ihm nicht um Abscheu, Ärger, Verachtung oder den Verlust von Empathie. Der Begriff „hassen“ in Lukas 14 ist idiomatisch zu verstehen und entspricht nicht dem, was wir im westlichen Sinn unter „hassen“ verstehen. Vielmehr handelt es sich um eine kulturell festgelegte Redewendung.
Es geht um die radikale Priorisierung von Jesus in meinem Leben. Ich möchte das noch einmal erklären. Wenn wir im Deutschen sagen, dass mir jemand das Herz bricht, muss man diese Formulierung idiomatisch verstehen. Mein Herz ist physisch noch in Ordnung; es ist nicht wirklich zerbrochen. Wenn wir diese Formulierung hören, wissen wir trotzdem, worum es geht. Wer mir das Herz bricht, macht mich tief traurig.
Dasselbe gilt im Blick auf das „Hassen“ in Lukas 14. Wenn ein Jude das Wort „hassen“ hört, versteht er, dass die Person, die da hasst, keine tiefe emotionale Abneigung empfindet. Vielmehr entscheidet sie sich dafür, Jesus mehr zu lieben als alle Menschen, die ihr nahestehen, und auch mehr als ihr eigenes Leben.
Die Exklusivität der Liebe zu Jesus
Kleiner Gag am Rande: Weil wir Jesus zur Nummer eins machen, nehmen wir natürlich sein Gebot, unsere Eltern zu ehren und sie zu lieben, besonders ernst. Sie sind uns nur einfach nicht wichtiger als Jesus; er sitzt auf dem Thron.
Und ja, es ist natürlich eine provokante Formulierung. An anderer Stelle sagt Jesus für unsere Ohren verständlicher: Matthäus 10,37: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.“
Okay, ich hoffe, wir haben das jetzt verstanden. Es geht Jesus hier um Exklusivität. Keine Bindung, auch nicht an die Familie oder mein eigenes Leben, darf mir wichtiger sein als meine Loyalität zu Christus. Er muss in meinem Leben die absolute Nummer eins sein.
Ich tue, was er will, ich gehe hin, wo er mich hinführt, ihm gilt mein Vertrauen, mein Gehorsam, meine Hingabe. Grammatisch drückt das „Hassen“ eine kontinuierliche Haltung aus. Es geht also um einen Lebensstil, es geht um wahre Jüngerschaft.
Nichts ist mir wichtiger als Jesus.
Die Radikalität des Anspruchs auf Jüngerschaft
Lukas 14,26: Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Brüder und Schwestern hasst – dazu aber auch sein eigenes Leben –, so kann er nicht mein Jünger sein.
Was hier besonders auffällt, ist die Radikalität dieses Anspruchs. So kann er nicht mein Jünger sein. Jüngerschaft ist nur möglich, wenn Jesus als Person in meinem Leben wichtiger wird als jede andere Person, mich selbst eingeschlossen.
Es gibt keine Jüngerschaft ohne diese Einschränkung beziehungsweise ohne diese Einstellung. Wenn wir uns also fragen, wie man danach ringt, durch die enge Pforte ins Reich Gottes hineinzukommen, dann stehen wir jetzt vor der Antwort – jedenfalls vor einem Aspekt der Antwort.
Als Christ ringe ich darum, dass Jesus so umfassend und durchgreifend wie möglich Herr in meinem Leben wird. Ich ringe darum, ihn mehr zu lieben als jede andere Person. Ich ringe darum, ihn sogar mehr zu lieben als mein eigenes Leben.
Und um es noch einmal zu wiederholen: Das ist keine einmalige Entscheidung. Es geht um Liebe. Es geht um eine Haltung, einen Lebensstil, der kultiviert und intensiviert werden will und von echten Lebensentscheidungen durchdrungen sein muss.
Jesus immer mehr zu lieben – das ist Jüngerschaft. Und wer dazu nicht bereit ist, der kann kein Jünger Jesu sein.
Lasst uns das bitte wirklich ernst nehmen.
Praktische Schritte zur Vertiefung der Jüngerschaft
Was könntest du jetzt tun? Lerne unbedingt Lukas 14, Verse 26, 27 und 33 auswendig und denke tief darüber nach.
Das war's für heute. Kaufe dir das kleine Buch „Wahre Jüngerschaft“ von William MacDonald und lies es über Ostern durch. Das wäre mein Tipp.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
