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Pleiten nicht überspielen

25.07.19821. Korinther 1,26-31

Berufung und Gottes Perspektive auf die Gemeinde

 1. Korinther 1,26-31

Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung! Nicht viele Weise nach dem Urteil der Menschen, nicht viele Mächtige und nicht viele Vornehme sind berufen.

Es ist zwar schön, wenn man in einer stattlichen gottesdienstlichen Versammlung ist, in der so viel Liebe herrscht und würdige Damen und Herren anwesend sind. Doch in den Augen Gottes sieht das alles ein wenig anders aus.

Was wir heute oft verborgen mit uns tragen, soll nun ins Licht treten. Gott hat vielmehr das gewählt, was töricht ist vor der Welt, um die Weisen zu beschämen. Er hat das Schwache vor der Welt gewählt, um das Starke zu beschämen.

Auch das Geringe und Verachtete vor der Welt hat Gott erwählt, „das, was nichts ist, um zunichte zu machen, was etwas ist“, damit sich kein Mensch vor Gott rühmen kann.

Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott her zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung geworden ist.

So gilt, wie geschrieben steht: Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.

Herr, mache unseren Mund voll deines Ruhms! Amen!

Eindrücke von einer kleinen Gemeinde in Israel

Liebe Schwestern und Brüder,

zu den schönen Eindrücken, die wir auf unserer Reise in Israel genossen haben, gehört bestimmt der Gottesdienst, den wir vor einer Woche mit einer kleinen judenchristlichen Gemeinde in Jaffa gefeiert haben. Was uns alle überraschte, war, wie klein die Schar ist, die sich dort im Volk Israels um den Messias Jesus versammelt. Es sind vielleicht hundert, die sich namentlich zu dieser Gemeinde rechnen.

Aber wie viele waren es in diesem Gottesdienst, der ja auch in die Urlaubszeit fiel? Und einige haben dann erschrocken gesagt: Das ist aber dürftig. Vielleicht täuscht das bei uns immer wieder, wenn wir sagen: Es ist doch heute eine so große Versammlung. Nun ja, von überall her kommen wir zusammen, um auf das Wort des Herrn zu hören.

Ist das wirklich anders? Wie viele sind sie denn, und wie stattlich ist die Gemeinde Jesu in unserem Volk? Ist das die große Versammlung, die Licht und Salz sein kann? Haben wir solch einen strahlenden Einfluss? Oder sieht das oft nicht vielmehr sterbend aus?

Wie ist denn unser Einfluss, den wir haben in unserer weiten Verwandtschaft, unter den Menschen, mit denen wir im Laufe der Woche zusammenkommen, unter unseren Nachbarn?

Und das ist gut, wenn das Wort Gottes einfach von sich aus immer wieder direkt das anspricht, was wir so oft vertuschen wollen und was wir so oft zudecken. Darum möchte ich zuerst darüber sprechen: Die Gestalt der Gemeinde ist eine trostlose.

Die trostlose Gestalt der Gemeinde

Die Gestalt der Gemeinde ist eine trostlose. Mich hat das vor vielen Jahren erschüttert, als ich die Geschichte eines Kaufmanns hörte, der über Jahre seinen großen Filialbetrieb immer wieder über die Runden brachte, obwohl er schon längst nicht mehr das Kapital hatte, das er brauchte.

Er tat dies, indem er hemmungslos Wechsel ausstellte und diese immer wieder zurückkaufte. Er stellte ständig neue Wechsel aus, doch diese waren schon lange nicht mehr gedeckt. Er hatte nur noch seinen Namen, dem die Banken glaubten – bis eines Tages der ganze Schwindel platzte. Dann stürzte sich dieser Mann in den Tod, weil er wusste: Das war alles nur noch ein großes Schauspiel. Es war alles bloß noch auf dem Papier und nicht mehr gedeckt.

Die Christen leben so gerne ein großes Schauspiel. Wenn man davon redet, wie groß der Einfluss der Kirche, der evangelischen Kirche in unserem Land ist, wenn ausländische Besucher zu uns kommen und wir erzählen, dass rund 24 Millionen in unserem Volk Christen evangelischen Glaubens seien.

Und wenn heute ein Fremder in unsere Versammlung tritt, muss er denken, wie sehr das alles bei uns erst scheinen und leuchten mag. Aber Gott streift uns allen den Glanz weg. Er will nicht, dass wir mit ungedeckten Schecks arbeiten, und er will nicht, dass wir einen Flitterglanz haben.

Sitzt heute Morgen niemand da, der nicht in seinem Glauben schon ganz schlimme Blattfüße hat und kaum mehr daherlaufen kann? Der nicht immer wieder böse auf die Nase fällt und sagt: „Ich lebe mit ganz tiefen Niederlagen.“ Wenn du mich kennen würdest, dürfte ich dir offen sagen: Bei mir sieht es gar nicht so fröhlich aus, wie wir gesungen haben: „Lobe den Herrn, alle, die ihn ehren.“ Ich bin oft verzagt, müde und traurig.

Warum verdecken wir das so oft?

In dieser kleinen Gemeinde von Jaffa hat uns beeindruckt, dass auf dem Altar kein Kreuz steht. Wir fragten: Ist das Zufall? Oder ist das vielleicht eine jener liberalen Gemeinden, die sich des Gekreuzigten schämen? Dann haben uns dort die Freunde aufgeklärt und gesagt: „In unserem Leben gibt es nur noch den gekreuzigten Jesus, der uns erfüllt. Aber wir wissen, wie es auf unsere jüdischen Mitmenschen wirkt – das Symbol des Kreuzes.“

Nicht das, was am Kreuz geschehen ist, sondern das Symbol. Darum verzichten wir auf das Symbol, aber nicht auf die Sache. Und das Volk, das sie hier gesammelt haben, sagen sie, ist eine Gemeinde unter dem Kreuz.

Die Bedeutung des Kreuzes und die Demut vor Gott

Und ich habe gedacht: Wenn wir in unserer Kirche so groß das Symbol des Kreuzes aufstellen, sollte uns das ständig bewusst sein, Herr Jesus. An uns ist nichts zu rühmen. Unser Leben ist täglich voll von Versäumnissen und Schuld. Wir können das Gute gar nicht tun. Aber du bist für uns gestorben und hältst uns die Erinnerung daran wach, an so vieles, was in unserem Leben verfehlt war.

Wir haben vorhin das Lied von Philipp Spitta gesungen. Er hat in einer Zeit des Rationalismus im 19. Jahrhundert sein Theologiestudium absolviert und war lange Zeit im Zweifel. Er suchte die Gewissheit des Glaubens. Erst am Ende seines Studiums fand er zu einem lebendigen Glauben, der aus der Tiefe der Schrift heraus entstand. Für ihn war das eine aufregende Zeit, als er als junger Vikar und dann als junger Hilfspfarrer in die Gemeinden kam.

Dabei machte er den älteren Kollegen oft ein wenig Sorgen. Diese sagten: „Lieber Bruder Spitta, Sie predigen immer vom Glauben. Der Glaube ist nicht wichtig. Sie müssen den Leuten helfen zum Tun. Das mit dem Glauben haben Sie schon oft gehört. Jetzt muss man den Leuten helfen, dass sie Liebe üben, dass sie das im tätigen Leben verwirklichen.“

Philipp Spitta seufzte oft und klagte, wenn die Menschen doch erkennen würden, wie lang in seinem eigenen Leben dieses Ringen gedauert hat. Es ging um die Erneuerung seines Wesens, darum, dass er gut werde, dass seine Taten Gewicht hätten und hilfreich seien. Er wollte etwas vom Edelmut des Menschen ans Licht bringen, diese hohen idealistischen Ziele in der Zeit des Rationalismus.

Doch dann erkannte er in der Stunde seiner Bekehrung: „Ich kann vor Jesus nichts bringen, gar nichts. Ich bin ein gestrandeter Mensch, aber Jesus will aus meinem Leben etwas Neues machen. Ich darf mich an ihn anklammern und ihm glauben.“

Darum wollen wir das auch so weiter sagen, wie es damals Philipp Spitta in seiner Zeit oft anstößig genug gesagt hat. Das hat andere aufgeregt. Eine der schönsten Stunden seines Lebens war, als der Kantor der Kirche nach Jahren zu ihm kam und sagte: „Jetzt habe ich es erst begriffen, dass ich vor Gott ein schuldiger und sündiger Mensch bin und doch gerettet bin, weil Jesus mich annimmt.“

Paulus’ Erkenntnis über die Gemeinde und ihre Berufung

Darum weiß Paulus ganz genau, dass eine Gemeinde sich bewusst sein soll, dass es bei uns allen nichts gibt, worauf man sich rühmen könnte – weder bei mir noch bei ihnen.

Paulus sagt: Schaut euch einmal an, wer ihr seid. Das war keine besonders herausragende Gemeinde. Er betont, dass bei euch nichts Besonderes zu finden ist. Nicht viele können auf eine edle Abstammung verweisen. Keiner von uns hat einen großen Stammbaum, auf den er stolz sein kann.

Auch nicht viele verfügen über Geld und Einfluss. Es sind nicht die großen Persönlichkeiten, die in den Medien oder der Politik Einfluss haben. Ebenso wenig sind es die, die in Wissenschaft und Kunst das Urteil fällen, die von anderen gelobt werden oder auf den Zeitungsspalten zitiert werden.

Was seid ihr also? Leute, über die andere oft hochmütig lachen und denen man häufig bescheinigt, dass nicht viel an ihnen dran ist.

Ich möchte es auch ganz praktisch denen unter uns sagen, den Schülern, die oft darunter leiden, dass sie in der Schule nicht die gewünschten Leistungen erbringen können: Jesus ist nicht nur für die Preisträger und Primusse gestorben. Er will das Leben auch derer erfüllen, die das Klassenziel nicht erreichen oder nicht die Schule besuchen können, die sie sich eigentlich ausgesucht haben.

Das Volk Gottes ist eine kümmerliche, unbedeutende kleine Schar.

Die Schwäche und das Geheimnis Gottes

Ja, aber es gibt doch oft auch eine Christenheit, die viel stärker und leuchtender ist. Vielleicht haben wir das besonders eindrücklich auf unserer Reise gesehen, wenn man vor den großen Trümmern steht, die einst die mittelalterlichen Kreuzfahrer in diesem Land hinterlassen haben.

Ihre großen Dome, die sie aus den massiven Steinquadern errichtet haben, sind Zeichen, deren wir uns oft schämen. Doch es sind nicht die Steinbauten, die großen und gewaltigen, die wirklich zählen. Auch wenn man über die Steinreste des alten salomonischen Tempels geht und sich daran erinnert, wie Gott einst Jerusalem erwählt hat, ist das nicht wegen der Stadt selbst.

Jerusalem war nicht mehr als andere Völker, und der Hügel war nicht höher als die großen Berge, die wir sonst kennen. Sondern einfach, weil Gott bei den Schwachen und Niedrigen wohnen will. Das möchte ich heute Morgen auch sagen, weil wahrscheinlich ein übergroßer Prozentsatz hier in unserem Gottesdienst kranke Menschen sind, die schwach und belastet sind und deren Kraft kaum reicht.

Das ist Gottes Geheimnis: Er kann nur dort wirken, wo die äußere Kraft gebrochen ist. Gilt das nicht auch für andere Bereiche? Gott freut sich an den Gaben, die er gewirkt hat, aber wir Menschen werden oft so stolz. In diesem Abschnitt geht es um den Ruhm. Wir rühmen uns der Gaben Gottes und sind stolz darauf, doch damit blockieren wir das Wirken Gottes.

War es nicht bei uns allen so, dass wir erst die Stimme Gottes hören konnten – und auch heute noch hören –, wenn uns Gott manchmal in die Stille führt? Wenn er unsere Kraft lähmt, uns den Erfolg versagt, uns stoppt in einer Kette großer Erfolge, und wenn das Glück, dessen wir uns jahrelang gefreut haben, oft unbewusst zerbricht?

Nicht viele Weise nach dem Urteil der Menschen, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme in Berufen, sondern das, was töricht ist vor der Welt, hat Gott erwählt. Nicht das, was dumm ist, sondern das, was nach dem Urteil der Leute dumm ist, was nach der Meinung der Zeit als töricht gilt, hat Gott erwählt.

Die, über die manche andere hochmütig lächeln, weil sie sie nach ihren Maßstäben verachten, weil sie ihr Urteil gefällt haben und sagen: „Die können doch nichts mehr, der ist ja alt“, oder „Was ist schon der, der kann ja auch nichts Besonderes“ – solche Leute hat Gott erwählt. Und ich will Ihnen sagen, dass Gott vor keinem Geringen vorübergeht, keinen.

Man sieht es schon im ganzen Alten Testament, wie immer wieder die Erwählung denen gilt, die niedrig waren. Die Frommen in Israel haben es immer wieder mit einem hebräischen Wort ausgedrückt, dass sie ein Avim sein wollten – Arme und Niedrige. Ein ganz geringes Volk.

Es mag manchmal auch so ein direktes Kuscheln geben, wo man vor lauter schmusigem Kokettieren mit sich selbst so tut und sagt: „Ich bin ja nichts, ich will nicht sein und bleibe dann nichts.“ Das ist nie gemeint, das haben wir hier immer wieder gesagt. Sondern ich will es denen sagen, die heute fragen: Was ist mein Leben noch wert, auch nach der schweren Operation, wo ich nicht mehr ganz so bin wie vorher?

Was bin ich, wenn ich pensioniert bin? Was bin ich noch, wenn ich dieses Ziel nicht erreiche, das doch für mich so existenziell wichtig war? Gott hat erwählt. Schaut auf euren Ruf! Gott ruft die Geringen, die Niedrigen und Schwachen. Gott macht zunichte, was stark ist. Gott ist ein Zerbrecher.

Da kann man sich daran stoßen: Ist Gott nicht nur der, der immer Liebe und Güte mit sich bringt? Nein, Gott geht einher und zerschlägt das Hochmütige und zerbricht den Stolzen. Haben Sie das noch nie erlebt, wie Gott Ihren Stolz zerbricht? Haben Sie gemeint, das sei Zufall gewesen?

Schauen Sie sich doch einmal um, wie in unseren Tagen Gott den Hochmut und die Einbildung auch von uns frommen Leuten zerbricht. Den Hochmut der Kirchen, der Christen und der Leute, die meinen, sie hätten Gott so verfügungsbereit bei sich. Wie die Kirchen sich entleeren und zur Bedeutungslosigkeit herabsinken – gibt es denn einen größeren Spott in unseren Tagen als das?

Wie belanglos das von den Leuten eingestuft wird, was Gottes gültiges Bleiben ist, das ewige Wort. Seht doch euren Ruf an: Gott macht zunichte, was stark und groß sein will. Und es hat noch nie eine Erwägung gegeben, bei der Menschen Glanz und Menschenstolz einhergingen.

Es mag wohl verführerische Bewegungen geben, die ein, zwei Jahre blühen und auch von Christen bewundert werden, aber es sind nie Bewegungen, die neues Leben verursachen. Auch in unseren Tagen gibt es große Bewegungen der Schaumschlägerei im frommen Gewand. Aber dort, wo das Wort Gottes gehört, geglaubt und gelebt wird, wo der Ruf Gottes gehört wird, da geht es immer in der Tiefe ein bei Menschen, die es in der Niedrigkeit hören.

Gott macht zunichte, was etwas ist, was stark ist, um das Geringe vor der Welt, das Verachtete und das, was nichts ist, was nichts zählt und nichts bedeutet. Deshalb kann es auch keinen alleinstehenden Menschen geben, der sagt: „Ich gelte nichts.“

Im Urteil der Leute darf sie doch nicht bewegen, was die Leute darüber meinen, sondern was der Ruf Gottes an sie ist. Was nichts vor der Welt ist, was verachtet und gering ist, das hat Gott erwählt. Da hat Gott seine Wahl getroffen und sich hingestellt und ruft sie heute ganz konkret, so wie er uns als Gemeinde ruft.

Es gibt keinen noch so kleinen Jugendkreis, Bibelkreis, Hauskreis oder Schülerzelle, keinen noch so kleinen Missionskreis, keine noch so kleine evangelistische Aktion, keinen noch so kleinen Besuchsdienst, den Gott nicht erwählt, wenn er gering ist, wenn er verachtet und klein ist. Die Leute lächeln oft darüber, doch Gott erwählt.

Jetzt habe ich Ihnen gezeigt, dass die Gestalt der Gemeinde Gottes immer eine trostlose und elende ist, dem Urteil der Leute nach. Da gibt es nicht viel zu protzen und anzugeben. Und denen, die heute Gäste unter uns sind: Wir freuen uns, sie sind uns immer willkommen.

Aber täuschen Sie sich nicht. Wenn Sie einmal – und dazu laden wir Sie ein – in unsere Gemeinde hineinschauen, dann wissen Sie, wie armselig und schwach es bei uns zugeht. Und wir ringen darum, dass die Erwählung Gottes bei uns doch neue Frucht schafft.

Die feste Zuversicht in Jesus Christus

Jetzt muss ich Ihnen das andere zeigen. Umso mehr wollen wir uns an Jesus anklammern. Wir können uns nicht mehr rühmen, wir können nicht mehr mit unseren Gaben und unseren Sachen angeben. Aber wir sind ganz fest davon überzeugt, so wie in dieser Gemeinde gesagt wird, dass Jesus der Messias ist. Der Gottgesandte, auf dem alle Verheißungen ruhen und der alle großen Versprechungen des Alten Testaments einlöst.

Diese lesen wir jetzt ganz neu und freuen uns daran. Das, was Gott hier in seiner großen Planung seinem Volk einmal versprochen hat, wird jetzt erfüllt. Paulus gebraucht dafür immer ein Wort, das viele von uns sicher noch nicht in seiner ganzen wunderbaren Bedeutung kennen: Ihr seid nun in Christus.

Viele Menschen sagen, ich kann mir über Jesus Gedanken machen. Nein, ich bin in Jesus, nicht bei Jesus. Ich bin nicht nur in der Nähe von Jesus. Jesus lebt, er ist als Person unter uns alle Tage bis an der Weltende. Er geht vor uns her, auch in der kommenden Woche, und er ist bei unseren Kranken, die jetzt über die Kassette mit uns verbunden sind.

Diese Kranken sind in Christus, weil sie ihr Leben und ihre Krankheit im Glauben in Christus hineinstellen. Sie sagen: In dir sei es begonnen und in dir sei es vollendet – meine Planungen und Wünsche, meine Gedanken, meine Arbeitsüberlastung, meine Schwäche und meine Versäumnisse.

Darum hatte Paulus solch einen Heldenmut. Ihm war ja vor Damaskus alles eigene Rühmen zerbrochen, als er entdeckt hat, dass sein Leben am wichtigsten vorbeigegangen war an Jesus. Als er dort dann in der Seelsorge des Ananias die Hände aufgelegt bekommt und die Vergebung zugesprochen wird, da war dies seine einzige Leidenschaft: Ich will mich ganz Jesus anvertrauen.

Ich will keinen Plan mehr machen ohne Jesus. Ich will keine Reise beginnen ohne Jesus. Er hat die Brüder in Antiochien um sich versammelt, weil er nicht seinen Gefühlen traute, sondern die Brüder aufrief und sagte: Hilft mir, dass ich Jesu Willen vollende als Apostel.

So soll es auch sein. Fragen Sie die Schwestern und Brüder um sich, suchen Sie Gemeinschaft mit anderen Christen und sagen: Ich will, was ich lebe, jetzt nur noch in Jesus leben – mit ihm, durch ihn.

Darum stimmt das mit dem Geringen und mit dem Schwachen und mit dem Niedrigen, das wir vorher gesagt haben. Aber nun seid ihr in Christus. Paulus setzt hier noch hinzu: Durch Gott seid ihr in Jesus. Ich könnte mich ja gar nicht in Jesus hineinschwingen, wenn das Gott nicht täte.

Wie tut er das? Durch den Glauben. Das ist so einfach, dass es jedes Kind schon ergreifen darf: Glauben, dieses vertrauende Ja sagen zu Jesus. Sagen: Ja, Herr, dir vertraue ich, dir lege ich mein Leben hin.

Und dem, der jetzt vor der Menge seiner Zweifel nicht glauben kann, möchte ich sagen: Wenn Sie erst die Verlorenheit ihrer Zweifel unter sich sehen, wird Ihnen das Glauben leichter. Wenn Sie einmal sehen, wie furchtbar der Abgrund ist, in den man hineinstürzt, wenn man alles von sich schiebt, was Gottes Liebe uns entgegenstreckt – diese göttliche Hand der Liebe, die Ihnen heute wieder gereicht wird, wo er Ihnen sagt: Ich bin bei dir, ich lasse dich nicht los, ich sterbe für dich, ich wische alle deine Schuld weg.

Können Sie dann noch zweifeln, wo dieses Wort Ihnen immer und immer wieder zuspricht? Und wenn deine Sünde gleich blutrot wäre – ja, so sagen wir doch im Zweifel. Das sind ja die schlimmsten Zweifel: die Zweifel über der eigenen Schuld und der eigenen Sünde.

Dann sagt er: Wenn das blutrot wäre, will ich es schneeweiß machen. Er will sie so gewiss machen, dass sie in Christus sind.

Die Macht Jesu und die neue Identität in Christus

Und dass dieser mächtige Herr vor ihnen vorangeht – was war das einst für eine kleine Schar! Wir mussten immer wieder auf unserer Reise daran denken, wie klein der Jüngerkreis war, der sich um Jesus versammelt hatte.

Doch sie wussten: Ihm ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben. Es waren nicht so viele wie wir, und sie waren nicht einmal so gebildet oder wohlhabend wie wir. Aber sie hatten dieses Wissen um die Macht Jesu, und sie fühlten sich von ihm gesandt. So ließen sie sich gebrauchen, um das Reich Gottes aufzurichten.

Sie waren aus der Mitte des Glaubens an Jesus herausgekommen. Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus – so sagt man dort in Jaffa in der Gemeinde: Durch ihn seid ihr Messias Jesus. Das soll uns wieder deutlich werden. Das ist der Punkt der Erkenntnis, den wir Israel so gerne nahebringen wollten. Er ist uns von Gott zur Weisheit gemacht, das heißt, er hat uns von Gott die Fülle unserer Gedanken gegeben.

Alle unsere Denkmöglichkeiten haben in der Mitte immer diesen auferstandenen Jesus und seine Wirkungsmöglichkeiten. Von ihm aus planen wir, von ihm denken wir, und von ihm gehen unsere Ideen aus. Er ist uns zur Gerechtigkeit geworden, er ist die Restaurierung unseres Rufes, er ist unsere Reputation – so hat man früher gesagt. Er spricht für mich, ich kann stolz sein, ja, ich darf mich freuen, weil Jesus für mich eintritt. Er lässt mich nicht als Geringen, Schwachen oder Niedrigen dastehen, sondern er gebraucht uns.

Wenn wir also draußen auf der Straße stehen – ich sage es Ihnen –, da fühlt man sich wie der letzte Dreck. Und dann soll man Zeugnis von Jesus geben in dieser unpassenden Umgebung. Aber es gibt viele Situationen, in denen man sich dies vorsagen darf: Jesus ist meine Gerechtigkeit.

Wenn Menschen mich verklagen und verurteilen, spricht Jesus für mich. Bis zum jüngsten Tag wird er für mich eintreten und sagen: Wenn der Verkläger kommt, hast du nichts zu sagen, es ist vergeben. Der gehört mir. Dann nimmt er uns in seinen Frieden auf, und er ist uns zur Heiligung geworden.

Die Kraft der Heiligung und das Zeugnis des Herrn

Ach, wissen Sie, die vielen großen Reden heute zur Erneuerung und zum Tun, auch von den Kanzeln herunter, sind doch oft kraftlos und schwach. Häufig ist es nur Gebabbel, bei dem nichts herauskommt. "Tut, tut, tut etwas!" – aber was denn genau?

Wie soll das wirken, bis ins Politische und Gesellschaftliche hinein? Aus welcher Kraft denn, wenn Christus nicht in uns lebt? Wer soll das wirken können, wenn nicht Christus uns antreibt?

Das Schöne ist, dass Jesus beim Kleinen anfängt. Er erneuert uns von innen heraus. Er will unser Wesen verändern, unsere Familien, unsere menschlichen Beziehungen und unsere Umgebung. Dann wirkt er weiter hinaus, wie ein Stein, der ins Wasser fällt und seine Kreise zieht.

So ist die Heiligung Jesu gar kein Verkrampfen. Es ist das Aufnehmen Jesu und sein Wirken in uns zur Erlösung. Er führt uns heraus aus allen Bindungen und macht uns neu.

Wer sich rühmen will, der rühme sich des Herrn. Ja, man soll sich freuen und fröhlich sein, weil der Herr mit uns geht. Weil er die Armen und Niedrigen braucht und aus ihnen etwas Großes macht.

Er segne sie auch in den vor ihnen liegenden Tagen. Er hat Großes vor mit den Kranken und Behinderten, mit denen, die von anderen abgeschrieben sind, mit denen, die bei anderen keine große Geltung haben.

Der soll sich rühmen, dass er einen Gott hat, der mit den Schwachen und Geringen seine Siege errichtet und Großes wirkt durch Glauben. Amen.