Herzlich willkommen zu diesem Seminar!
Entschuldigen Sie bitte, dass ich sitze. Ich kämpfe mit extrem starker Migräne. Es gibt eigentlich keine bessere Ausgangslage für dieses Thema, als wenn ich es jetzt trotz starker Migräne halte. So sieht mein Alltag in der Familie aus. Es ist nie optimal, die Luft ist oft dick, und Jesus durchdringt auch diese Atmosphäre.
Mein Name ist Daniel Strebel. Ich bin über 40, mittlerweile deutlich über 40. Ich habe fünf Jungs, einer davon ist heute dabei – Halleluja, danke, dass du dabei bist, Jan. Die anderen sind sieben, neun, elf, dreizehn und fünfzehn Jahre alt. Meine Liebste ist zuhause und deckt mir einmal mehr den Rücken. Ohne sie könnte ich das hier nicht machen.
Ich möchte gern mit uns beten und bitte euch, dazu aufzustehen.
Herr Jesus, benutze mich als Werkzeug, um auf dich hinzuweisen. Lass uns zusammen einen Geschmack deiner Herrlichkeit und deiner Kraft kosten und vertiefen. Amen.
Ich habe bereits eine Stichwortzusammenfassung in Umlauf gegeben. Das bedeutet nicht, dass Sie jetzt gar nicht mehr mitschreiben sollten. Im Gegenteil: Ich fordere Sie auf, das, was Ihnen der Heilige Geist klar macht, zu notieren. Das hat drei Vorteile.
Zuerst einmal ist es schon durch Ihren persönlichen Filter gelaufen. Zweitens haben Sie es dokumentiert, das heißt, Sie können es wieder hervorholen. Drittens können Sie darauf zurückgreifen.
Ich gehe davon aus – oder ich hoffe und bete dafür –, dass Sie auch anderen davon erzählen, was Sie hier gehört haben oder was es in Ihnen angestoßen hat. Das kann sein: Ihren Kindern, Ihren Eltern, Ihren Arbeitskollegen oder Arbeitskolleginnen, in der Gemeinde oder wo es auch sonst ist.
Was werde ich tun und was werde ich nicht tun? Beides sind wichtige Dinge, die am Anfang eines Vortrags geklärt werden sollten.
Das E21-Leitungsteam hat mich gebeten, einen systematischen und aufs Leben bezogenen Vortrag zum Thema Familienleben zu halten, der auf Christus ausgerichtet ist. Genau das werde ich tun. Ich werde versuchen, systematisch Hilfestellungen an die Hand zu geben, wie wir auf Christus ausgerichtet in der Familie leben können.
Der systematische Ansatz, den ich wähle, ist nicht soziologisch, also nicht auf die Gesellschaft bezogen. Es ist auch nicht in erster Linie ethisch, zum Beispiel im Sinne von: Was ist Weisheit, um gute Entscheidungen zu treffen? Stattdessen wähle ich ganz bewusst einen systematisch christologischen Ansatz. Das heißt, ich werde entlang der Lehre des Heils von Christus versuchen, eine Systematik zu skizzieren, die uns helfen soll, auf ihn ausgerichtet in der Familie zu leben. Das werde ich tun.
Was werde ich nicht tun? Ich werde nicht mit eigenen Beispielen um mich werfen. Das habe ich bereits getan, mehr aus einer Notlage heraus. Meine Frau hat vor vielen Jahren gesagt: „Du fotografierst zu wenig.“
Dann habe ich mir lange Gedanken darüber gemacht und bin zum Schluss gekommen: Das stimmt. Ich werde nicht mehr fotografieren, sondern ich werde Situationen aufschreiben. Damals waren wir gerade in der Familiengründungsphase. So habe ich etwa tausend Erlebnisse aufgeschrieben, die ich erlebt habe.
Diese habe ich in sechs E-Books zusammengefasst – oder zumindest die Hälfte davon. Sie finden hunderte, wenn nicht tausende Situationen im Netz, in E-Books usw.
Ich werde Ihnen heute eine Systematik, einen Rahmen für den Hintergrund geben. Damit verstehen Sie dann auch die Situationen besser, wenn Sie sie lesen wollen.
Was aber noch viel wichtiger ist – und dazu fordere ich Sie jetzt auf: Überlegen Sie sich kurz, welche Themen im Zusammenhang mit dem Familienleben Sie im Moment beschäftigen. Noch besser ist es, wenn Sie sich auf ein einzelnes Thema konzentrieren, das Sie aktuell am meisten beschäftigt.
Wenn Sie als Paar hier sind, tauschen Sie sich kurz darüber aus. Wenn Sie alleine da sind, finden Sie vielleicht den Mut, dies der Person neben Ihnen zu formulieren. Schreiben Sie sich dann auf, was Sie zum Thema Familie beschäftigt.
Los! Die meisten sind jetzt am Aufschreiben, sehr gut. Andere sind bereits in einer Diskussion, das ist noch besser. Einige werden vielleicht erst am Ende oder sogar nach dem Seminar eine konkrete Fragestellung für sich selbst formulieren – das ist auch in Ordnung.
Je klarer Sie die Situation vor Augen haben, die Sie selbst beschäftigt, desto leichter wird es Ihnen fallen, mir jetzt in dieser Systematik zu folgen. Dann wird sie nämlich lebendig.
Ich sehe, dass mich schon wieder viele von Ihnen anschauen. Das heißt, ich fahre weiter. Falls ich etwas zu schnell bin: Es ist eine Eigenschaft von mir, etwas schneller unterwegs zu sein. Das ist mein Lebensstil, wenn auch nicht mein Motto.
Ich möchte einige Dinge sagen, warum mich das Thema eigentlich beschämt. Ich habe es überschrieben mit „Erziehung als Notgebiet“, bevor ich in die drei Schritte der Systematik einsteige. Erziehung beschreibe ich nicht als Fachgebiet, sondern als Notgebiet. So habe ich es auch in der Ausschreibung formuliert. Es geht um angemessene Antworten auf die Frage, wie wir als Großfamilie im säkularen Sog bestehen können.
Ich empfinde diesen Sog wie eine Luft, die man einfach einatmen muss, oder wie einen Fluss, der einen mitreißt. Wenn man im Moment nicht aufpasst, ist man schon zwei Kilometer weiter unten. So empfinde ich das Leben: Es ist so schnell und reißt mit. Wie kann dann ein Überleben als Familie in diesem Sog, in dieser Luft möglich sein?
Ich möchte kurz erzählen, wie das bei mir in den letzten sechzehn Jahren lief, seit ich verheiratet bin. Ich durfte meine Frau erobern und zügig heiraten, was mich sehr freute. Schon als Kind hatte ich dafür gebetet. Wir entschieden uns sofort, nicht auf Kinder zu warten. Wir waren dann weit und breit die Ersten, die einen Sohn in den Armen hielten. Von unseren Freunden hatte niemand Kinder, überhaupt niemand.
Schon vor der Geburt der Kinder, nach den Flitterwochen, die bei uns vier Wochen dauerten, dämmerte mir, dass es einige Dinge bei mir gibt, die ich heute Morgen und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bei mir in den Blick nehmen muss. Ich merkte schon in den Flitterwochen: Ich war nicht die Art von Gegenüber, mit der ich gern zusammen gewesen wäre – als Frau gar nicht. Das war meine tiefe Erkenntnis aus den Flitterwochen.
Nach der Geburt meines ersten Sohnes 2003 weiß ich noch genau den Moment, in dem ich zu meiner Frau sagte: „Ich glaube, ich habe genug Kinder.“ Das war ein sehr demütigender Moment, weil meine Frau mich total verdattert ansah und sagte: „Bist du wahnsinnig? Jetzt fängt es doch erst an.“
Nach dem zweiten Sohn kam ich an meine Kräftegrenzen. Wir zogen um, und mein zweiter Sohn, der damals frisch auf die Welt gekommen war, schlief wegen der Umstellung nachts nicht mehr durch. Nachdem er wieder schlief, schlief ich nicht mehr. Das war nach dem zweiten Sohn.
Nach dem dritten Sohn, der 2006 geboren wurde, sah mich meine Frau lächelnd im Badezimmer an und sagte: „Jetzt hast du so langsam die Abläufe mit den Kindern drin.“ Ich war etwas erschrocken, weil ich ganz anderes im Kopf hatte. Nicht, dass ich die Abläufe draufhätte, sondern dass ich mit drei Kindern eine Hand zu wenig hatte.
Uns plagte dann relativ schnell die Frage nach dem Unterricht. Die Aussicht, fünf Söhne durch zwanzigtausend Stunden öffentliche Schulbildung zu schleusen, war für mich ein Gräuel. Wir besuchten viele Großfamilien, Christen und Nichtchristen aus allen sozialen Schichten, vor allem in der Schweiz, aber auch im umliegenden Ausland. Wir waren erstaunt, dass mit anderen Bildungswegen offenbar auch andere Ergebnisse in der Charakterbildung erzielt werden. Meine Frau war total überzeugt von diesen Praxisbesuchen, und wir entschlossen uns, die Kinder selbst zu unterrichten, was bei uns in der Schweiz möglich ist.
Vielleicht noch ein Punkt: Über die Jahre merke ich immer mehr, dass ich nicht nur mit meinem Charakter unterwegs bin – nicht nur mit Schwächen, die oft körperlicher Natur sind. Ich habe manche körperliche Probleme. Vielmehr habe ich auch Anstöße zur Sünde, mit denen ich unterwegs bin.
Und dann kommt noch etwas dazu, das mich manchmal fast ganz entmutigt: die Verhaltensweisen, die ich aus meiner Herkunftsfamilie mitnehme und überhaupt nicht schätze. Ich bin der Älteste von fünf Kindern und nahm mich schon als Kind oft raus, weil ich hasste, was manchmal bei uns in der Familie ablief. So verfolgt mich bis heute diese Flucht.
So, das genügt. Das sind ein paar Dinge, um zu zeigen, dass ich total auf der Erde bin, total bei Ihnen. Ich stolpere dem Ziel entgegen, bis zu dem Tag, an dem ich bei Jesus bin.
Kennen Sie die Pilgerreise? Bevor man das Ziel erreicht, muss man einen Fluss durchqueren. Diese Situation spricht mich besonders an.
Wenn er durch diesen Fluss geht, wird alles schwarz vor seinen Augen. Mir wird oft schwarz vor den Augen, und man verliert völlig den Kontakt zur Umgebung. Man hat das Gefühl, jetzt sei alles vorbei.
Dann nimmt Jesus ihn auf – oder ich weiß es gar nicht mehr genau. Vielleicht ermutigt ihn auch ein Mitpilger. Auf jeden Fall kommt er auf der anderen Seite wieder an.
So erwarte ich es auch in meinem Leben. Ich freue mich darüber, dass es nicht an mir liegt, wenn ich das Gefühl habe, den Boden unter den Füßen zu verlieren, sondern dass Jesus mich hält. Halleluja!
Noch ein paar unbewusste Grundhaltungen: Ich habe jetzt von mir gesprochen und in mich hineingesehen. Es ist gut, das zu tun – auf sich zu sehen vor Gott. Wir werden das nachher gleich noch vertiefen.
Was erblickte ich, wenn ich um mich herumblickte? Also auf meine Peer Group, meine Gleichaltrigen, meine religiös sozialisierte Subgruppe oder Gruppen, in denen ich mich bewegte? Ich habe fünf Punkte aufgelistet. Diese sind nicht abschließend und auch nicht völlig trennungsscharf. Es sind Haltungen, die mir so entgegenkamen. Ihr müsst entschuldigen, es wird bei euch ganz anders sein. Bei mir war es auf jeden Fall so.
Die 0815-Grundhaltung meiner Gleichaltrigen war eigentlich das gelebte Verständnis: Man orientiert sich an ein paar Gleichaltrigen, die in einem ähnlichen Alter sind, aus einer ähnlichen sozialen Schicht stammen und eine ähnliche Orientierung haben. Und da macht man unbewusst genau das bezüglich Familie, was alle anderen auch machen, die im ähnlichen Alter sind und die man gut kennt. Das heißt, es ist so ein unbewusstes Nachvollziehen der Entscheidungen der anderen für die eigenen Entscheidungen.
Können Sie das nachvollziehen? Das hat mich extrem gestört – einfach so dieser Härtentrieb, alles genauso zu machen, wie die anderen es machen.
Zudem erlebte ich eine Haltung, die sehr selten ausgesprochen, aber sehr oft gelebt wurde: Im Sinne von „Für die geistliche Erziehung ist die Kirchengemeinde zuständig“. Das hätte mir niemand so ins Gesicht gesagt. Doch es gab zwei Leute, die mir das so sagten. Die meisten sagten es mir jedoch nicht offen. Aber wenn ich in den Alltag blickte – also wenn ich eine Kamera dabei gehabt hätte, eine Woche lang dabei gewesen wäre und die Menschen beobachtet hätte – so kam es mir auf jeden Fall so vor, als wäre während der Familie tote Hose, was den Glauben betrifft. Während der Woche meine ich, während der Woche ist tote Hose.
Das Dritte war so eine Methode zur Beseitigung von Störungen. Es fiel mir auf, dass immer, wenn eine Familie in Notlage kam, sie ganz begeistert mit einem Erziehungsratgeber ankam. Meistens war es ein ganz bestimmter Ratgeber, fromm oder nicht fromm spielte gar nicht so eine Rolle. Aber es schien mir so, dass immer, wenn eine Notlage kam, man zu einem solchen Erziehungsratgeber griff, ihn las und danach irgendwie bekehrt war – wieder bekehrt, in eine neue Richtung. Und das oft, ohne den weltanschaulichen Hintergrund genau zu bedenken.
Denken Sie nicht, ich sei zu negativ. Ich bin total zuversichtlich. Aber ich möchte es doch klar auf den Punkt bringen. Ich möchte heute nicht irgendwelche schönen Dinge reden, die ich nicht denke. Ich denke es genauso, und das nervt mich.
Das hängt zusammen mit einer Trennung zwischen öffentlich und privat. Eigentlich sagt man bei uns: Erziehung ist Privatsache, darüber spreche ich nicht. Oder man spricht nur in lautem Ton, wenn die Türen geschlossen sind. Damit verbunden ist auch eine Beschämung von Eltern, vor allem von solchen mit Kindern, die schon erwachsen sind oder heranwachsen. Diese Eltern haben mir so im Vertrauen nach einigen Runden gesagt: „Ich weiß schon, dass meine Erziehungspraxis nicht so optimal ist, aber wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich so leben, weil ich halt die Angst habe, meine Kinder zu verlieren.“
Das war so das Setting, das ich antraf. Und ich bin jetzt unglaublich froh, dass ich nicht weiter auf diese gesellschaftlichen, auch unter Christen verbreiteten Einstellungen eingehen darf, sondern dass ich heute darauf hinweisen darf, was trägt – was wirklich trägt.
Darum habe ich das Thema überschrieben mit: Die tragenden Balken unseres Glaubens. Ich habe auch einen Aufsatz dazu geschrieben. Ich möchte Ihnen gerne zeigen, wer wirklich trägt.
Wir waren bei Freunden zu Hause und schauten uns ein Fotoalbum an, in dem sie dokumentiert hatten, wie sie ihr Haus umgebaut hatten. Es war sehr eindrücklich: Sie hatten fast alles ausgehöhlt, bis auf einige wenige Balken, die stehen blieben. Das waren die tragenden Balken des Hauses.
Genau das möchte ich jetzt auch aus einer christologischen Sicht tun: die tragenden Balken anschauen. Was trägt das Haus? Was trägt uns als Familie, die wir Jesus nachfolgen möchten?
Ich greife dabei auf den Heidelberger Katechismus zurück, auf dessen Struktur. Eigentlich war diese Struktur schon in der ganzen Konferenz präsent. Ich habe mich sehr gefreut, dass Brian Chappell sie gestern wieder wunderbar dargestellt hat – diesen Dreiklang des Glaubens, wie er so eindrucksvoll im Heidelberger Katechismus zum Ausdruck kommt.
Als Reformierter freue ich mich immer, auf ein so großartiges Werk zurückgreifen zu dürfen. Ein Katechismus ist kurz gesagt eine Zusammenstellung der wichtigsten Glaubensaussagen in Frage-und-Antwort-Form. Er wurde 1563 für die Reformierten in einem deutschen Fürstentum in Kraft gesetzt. Er war nicht nur für Kinder gedacht, sondern auch für Erwachsene.
Mich fasziniert besonders das Anliegen dieses Katechismus, gerade was unser Familienleben betrifft. Wenn Sie den Katechismus mal nachlesen, zum Beispiel im Internet, finden Sie überall den Anfang: Es geht darum, wie wir leben und sterben können. Die erste Frage lautet: Was ist mein einziger Trost im Leben und im Sterben?
Diese Frage hat mich durch eine schwere Herzoperation im Jahr 2013 getragen. Die erste Predigt, die ich danach gehalten habe, war über diese Frage: Was hält im Leben und im Sterben? Ich bitte und bete darum, dass unsere Kinder das bei uns merken. Nicht, dass Papi ab und zu umfällt – das tue ich sowieso. Nicht, dass er schwach ist – das finde ich immer wieder. Nicht, dass er sündigt, sondern dass er weiß, was sein einziger Trost ist im Leben und im Sterben.
Egal in welcher Lebensphase, egal was die Kinder sagen oder tun – das hält nicht, es wird nicht halten. Aber es gibt einen, der wirklich hält im Leben und im Sterben. Und um das geht es.
Von diesem Anliegen bin ich fasziniert. In Frage zwei heißt es: Was musst du wissen, damit du in diesem Trost – und Trost meint hier keinen billigen Trost, sondern einen tragenden Trost Tag für Tag im Kampf und in der dicken Luft – selig leben und sterben kannst?
Drei Dinge sind das. Diese drei Dinge können wir uns aufs Herz, in den Kopf oder auch in die Küche an den Kühlschrank schreiben, vielleicht in den nächsten Wochen. Es sind drei Dinge:
Erstens: Wie groß unsere Sünde und unser Elend ist.
Zweitens: Wie ich von all meinen Sünden und Elend erlöst werde.
Drittens: Wie ich Gott für eine solche Erlösung dankbar sein soll.
Ich spreche vom Dreiklang des Glaubens. Das ist die Grundstruktur des ganzen Heidelberger Katechismus, und ich glaube, es ist auch die Grundstruktur unseres Glaubens. Unser Glaube besteht aus diesem wunderbaren Dreiklang: Elend – das ist nicht so wundervoll –, Erlösung und Dankbarkeit.
Alle drei Teile gehören zusammen. Wird ein Teil herausgenommen, stürzt das ganze Gebäude ein.
Ich habe auch einen Aufsatz dazu geschrieben. Sie können ihn herunterladen, ich habe ihn in der Fußnote verlinkt.
Ich wende das jetzt auf unser Familienleben an. Spätestens jetzt sollten Sie eine eigene Situation im Kopf haben. Was beschäftigt Sie zum Thema Familie? Was beschäftigt Sie als Paar?
Auf geht’s!
Der erste Punkt: Elend. Ich habe das so formuliert, dass wir zuerst zu einer angemessenen Diagnose kommen müssen. Systematisch ist das Punkt Nummer eins: Wir müssen zu einer angemessenen Diagnose gelangen.
Auch hier habe ich diese Struktur auf das Lernen angewandt. Ein Hinweis auf einen Aufsatz von mir: Diese Herangehensweise lässt sich in verschiedenen Bereichen anwenden, jetzt auch zum Thema Familie. Der erste Schritt besteht darin, eine angemessene Diagnose zu stellen.
Wir leben in einer Zeit, in der wir Störungen sehr schnell bemerken, uns diesen Störungen aber nicht zuwenden wollen. Stattdessen versuchen wir, sie ganz schnell zu beseitigen oder zu unterdrücken und dann wie bisher weiterzumachen. Das ist typisch für unsere Zeit. "Medizin rein, Google an, schnelle Lösung und weiter." Wir haben keine Zeit, uns dem Problem wirklich zuzuwenden.
Das ist der erste wichtige Schritt für ein christlich zentriertes Familienleben: Wende dich deinem eigenen Elend zu!
Ich möchte noch etwas zum Begriff Elend sagen, denn dieser ist klärungsbedürftig. Heute verstehen wir Elend vor allem gefühlsbasiert. Elend heißt dann: "Ich fühle mich nicht gut." Das ist heute die häufigste Störung, und sie muss schnell beseitigt werden.
Wenn der Heidelberger Katechismus von Elend spricht, meint er ein objektives Elend, nämlich die Trennung von Gott. Darum geht es jetzt.
Jesus sagt in Lukas 6,45: "Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatz seines Herzens das Böse hervor; denn wovon sein Herz voll ist, davon redet sein Mund."
Ich werde nun immer zwei Dinge tun: Zuerst erkläre ich kurz, worin aus diesem Dreiklang eine Lösung liegt – eine christologische Lösung oder ein Schritt. Danach zeige ich, wie wir sehr schnell dazu neigen, Fehlüberlegungen in diesen drei Schritten zu machen.
Zuerst also, was Jesus wirklich meinte: Er geht von einem radikal anderen Ansatz aus als der sündige, von Gott getrennte Mensch, der im Elend steckt. Der sündige, im Elend steckende Mensch, darauf kommen wir gleich noch, sagt immer, die Umgebung macht es aus. Jesus sagt: Nein! Das Grundproblem, die Ursache, wo es beginnt, ist in mir drin.
Das ist ganz wichtig für Erziehung und Familienleben – wahnsinnig wichtig. Es beginnt in mir drin.
Jesus spricht vom Herzen. Das Herz assoziieren wir durch unsere kulturelle Prägung meist mit Gefühlen. Das ist in der Bibel aber nicht nur so. Das Herz bezeichnet die Schaltzentrale der menschlichen Existenz. Es umfasst unser ganzes Sein: unseren Verstand, unsere Gefühle und auch unseren Willen.
Jesus sagt an anderer Stelle auch: Das, was von außen auf mich hereintrifft, was mir passiert oder zustößt, ist nicht die Problematik. Die Problematik ist das, was aus mir herauskommt, wie ich darauf reagiere.
Sehen Sie, von unserer Natur her sind wir genau umgekehrt programmiert – von unserer sündigen Natur aus. Wir neigen die ganze Zeit dazu, und wenn ich "wir" sage, meine ich Eltern wie Kinder, Großeltern wie Enkelkinder. Manchmal haben Eltern es einfacher, das zu kaschieren, bei Kindern ist es oft noch offensichtlicher.
Aber denke nicht, Gott sieht nur das Äußere. Nein, Gott sieht aufs Herz – genau da liegt der Punkt. Nicht das, was von außen auf uns hereintrifft, ist das Problem, sondern das, was von uns herausgeht.
Verstehen Sie den Unterschied? Das ist ein Paradigmenwechsel. Er ist so wichtig, besonders für Familien. Das kann ich gar nicht oft genug betonen.
Augustinus sagte in seinen Bekenntnissen: "Was gibt es Elenderes als einen Elenden, der sein Elend nicht sieht?" Noch einmal: Was gibt es Elenderes als einen Elenden, der sein Elend nicht sieht?
Hier ist auch dieses Elend gemeint, die Trennung von Gott durch die Sünde.
Elend ist keine Störung des Gefühls – ich sage es nochmals –, sondern die Trennung von Gott. Das Problem steckt in uns drin, in jedem von uns, auch in der Familie.
Von Natur aus ist das Problem nicht das, was uns betrifft, was sich ereignet oder was uns zustößt, sondern wie wir darauf reagieren. Und wir reagieren immer in Gedanken, Worten und in dem, was wir tun und sagen.
Wie können wir typische Fehldiagnosen treffen? Ich habe ja nicht alle Fehldiagnosen aufgezählt, denn es gibt sehr viele. Jeremia sagt, unser Herz ist arglistig und sehr vertrackt. Immer wenn ich denke, jetzt habe ich etwas diagnostiziert, taucht bei mir schon etwas Neues auf.
Ein paar typische Fehldiagnosen möchte ich dennoch nennen. Eine typische Fehldiagnose im Familienleben ist die Verlagerung des Problems auf Bezugspersonen. Ich sage es nochmals: Eine typische Fehldiagnose ist die Verlagerung der Problematik auf Bezugspersonen. Was es so schwierig macht, ist, dass daran teilweise etwas Wahres ist.
Ich gebe ein paar Beispiele: Meine Eltern, meine Vorfahren – waren sie Sünder? Ja, das stimmt. Haben sie gesündigt? Das haben sie. Aber Achtung: Schnell geben wir anderen die Schuld. Wenn ich zum Beispiel zu Hause mit Zorn reagiere, vielleicht weil ich unter Druck stehe oder nicht genug geschlafen habe, schiebe ich die Schuld oft auf andere. Vielleicht weniger bei den Eltern, aber eher beim Ehepartner.
Wenn ich meinen Arbeitstag bedenke und dann nach Hause komme, als Ordnungsliebhaber sehe, wie der Eingangsbereich nach einem Tag aussieht, verlagere ich das Problem schnell vom mir selbst auf den Eingangsbereich oder auf eine andere Person – vielleicht auf die Geschwister. Ich habe fünf Jungs. Nichts ist einfacher, als schnell anderen die Schuld zu geben. Das passiert so schnell, dass ich oft die Übersicht verliere. Die Kinder können das so schnell, dass ich gar nicht mehr genau weiß, was das eigentliche Problem ist.
Denn wenn ich beim dritten oder vierten Kind sage: „Das ist ja alles okay“, dann bin ich selbst das Problem. So schnell funktioniert Manipulation, Neid oder Schuldzuweisung.
Nehmen wir ein anderes Beispiel: Wo steckt das Problem? Beim Lehrer. Wenn das Problem in der Familie nicht mehr gesucht wird, kann man es bequem an externe Stellen delegieren. Das ist nicht grundsätzlich falsch. Ist der Lehrer nicht auch manchmal faul? Bestimmt. Ist er nicht manchmal stolz? Natürlich. Verachtet er manchmal bestimmte Schüler? Ja, das passiert. Aber so schnell verkehren wir in unserer sündigen Natur das Elend und schieben es auf andere – aufeinander oder auf die Umgebung.
Es geht sogar noch weiter: Unser Herz ist arglistig, und wir delegieren das Elend auch gerne an unsere Umgebung, zum Beispiel an das Schulhaus. Wissen Sie, diese Cliquenbildung, die Jugendlichen, die an der Straßenecke stehen, wo es offenes Internet gibt. Wer kann es ihnen verübeln, dass sie abends um 18 Uhr mit ihren Handys Pornos über diese offene Leitung schauen? Was soll ich machen? Das sind alles reale Fälle.
Pornografie, Spielsucht und Ähnliches gehören leider zur Realität. Das Schulhaus ist das Problem. Wenn es das nicht ist, weil man die Jugendlichen besser kennengelernt hat, dann ist es vielleicht der Wohnort. Es gibt zu wenig Grünflächen, zu wenig Platz zum Austoben – vielleicht stimmt das auch. Oder die lauten Nachbarn oder die Nachbarskinder.
Und wenn es dann noch ganz groß kommt – für die Weltuntergangsstimmenden – dann ist es der Verfall der Gesellschaft, der Sexualkundeunterricht oder, wie ich letztens mit einer Katholikin diskutiert habe, die postmoderne Literatur. Da muss man ja in dieser postmodernen Literatur ertrinken.
Und was machen wir? Von uns selbst aus delegieren wir das Elend an andere Stellen, weg von uns – so wie Eva es gemacht hat. Oder Adam: Es ging von Adam zu Eva zur Schlange. „Nicht ich, du.“ Die Kinder machen es noch so offensichtlich, wir tun es genauso. Von uns selbst aus neigen wir dazu, das Elend zu delegieren.
Was heißt das jetzt? Ich habe viel darüber geschrieben und auch einige Podcasts zu diesem Thema gemacht, weil ich weiß, dass ich nie alles in einem Vortrag behandeln kann. Alles sowieso nicht – das Herzensgespräch. Hören Sie den Podcast „Das Herzensgespräch“, weil ich weiß, dass im Herzen, also in unserem Inneren, das Entscheidende stattfindet.
Ich führe seit Jahren, fast Jahrzehnten, Herzensgespräche. Was heißt das? Es fängt immer bei mir selbst an. Ich bin zuerst gefragt: Was treibt mich an, dies oder jenes zu tun, zu unterlassen, zu denken oder zu sagen? Was sind meine Gedanken in Schlüsselmomenten?
Ganz ehrlich: Wenn ich mit Führungskräften arbeite – und das tue ich seit Jahren – mache ich es genauso. Ich fokussiere auf die Schlüsselmomente und gehe dann auf die Motivation ein. Bei mir selbst, bei meinen Kindern – und wenn ich es mit meinen Kindern mache, kann ich ganz sicher davon ausgehen, dass diese Resonanz zu mir zurückkommt, dass sie auch mein Herz befragen. Gott sei Dank, denn ich weiß, dass mein Elend groß ist und dass ich dazu neige, immer neue Wege zu finden, das Elend an die Umgebung zu delegieren.
Deshalb ist es ganz wichtig, in der Familie dieses Elend in den Blick zu nehmen. Wir dürfen das Elend anschauen, wir sollen es sogar tun.
Wenn Sie etwas mitnehmen, dann ist es der erste Punkt: Fragen Sie sich viel häufiger, was Sie gerade antreibt, dies zu sagen, zu tun oder zu denken. Was Sie jetzt gerade tun, fragen Sie Ihr eigenes Herz danach. Was zeigt Ihnen Ihr Herz in Bezug auf das Thema, das Sie beschäftigt? Welches Elend kommt zum Vorschein?
Haben Sie schon einmal mit Ihrem Ehepartner über dieses Elend gesprochen? Haben Sie mit Gott darüber gesprochen? Ich hoffe, dass Sie auch eine Gemeindeleitung haben, bei der man darüber sprechen kann.
Denn oft sieht man, dass nach außen hin bei Christen alles okay scheint. Nur bei den Christen im Geschäft gibt es Probleme. Aber bei den Christen selbst ist ja immer alles in Ordnung. Ich überzeichne jetzt etwas. Nehmen wir unser Elend in den Blick!
Aber es bleibt nicht dabei, es kommen noch zwei weitere Punkte. Halleluja!
Weil, wenn wir diesen Blick auf das Elend genommen haben, kommt der zweite Punkt dieser Systematik: die wirkungsvolle Lösung, die wirkungsvolle Lösung. Wie sieht diese aus?
Bei Evangelium 21 hat Christian es gestern wunderbar gesagt: Wir nehmen immer wieder jeden Tag, jeden Moment, von Moment zu Moment in den Blick, wenn ich mein Elend und mein Herz gesehen habe, wenn ich das Elend meiner Familie sehe, in meiner Familie und bei mir selbst. Dann darf ich den Blick auf Christus werfen, denn von dort her kommt die Lösung.
So wie Paulus und seine Mitarbeiter, die den zweiten Korintherbrief geschrieben haben, im fünften Kapitel, Verse 20 bis 21 schreiben: „Sie bitten stellvertretend für Christus.“ Das wäre allein schon interessant, das auszulegen. Sie bitten stellvertretend für Christus – das ist eine sehr weitgehende Identifikation. „Lasst euch versöhnen mit Gott“ – auch das ist eine hochspannende Formulierung im Griechischen, aktiv-passiv: „Lasst euch versöhnen mit Gott.“ Denn er hat den, und jetzt kommt der Grund, warum alles trägt, wer trägt: Er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht. Auch darüber ließ sich Paulus nachdenken, damit wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden.
Zuerst kommt der Blick auf uns selbst. Wo hast du das überhaupt her, Haniel? Der Heidelberger Katechismus ist zutiefst biblisch durchdrungen. Psalm 50, Vers 15: „Wenn du ganz was Kurzes haben möchtest, um auswendig zu lernen zu diesen drei Schritten: Rufe mich an in meiner Not, in meinem Elend.“ Dann werde ich mir selber helfen? Nein. Dann wirst du mich erlösen, und ich werde dich preisen. Elend, Erlösung, Dankbarkeit.
Paulus in Römer 7: „Ich elender Mensch, wer wird mich retten?“ Dank sei Jesus Christus. Genau diese Struktur möchten wir anschauen. Wir sind jetzt beim zweiten Schritt: Von unserem Elend dürfen wir wegblicken. Es gibt ganz viele Fallen, wenn wir bei unserem Elend bleiben. Darum geht es mir jetzt nicht, sondern wir blicken weg – von diesem Schamgefühl, von dieser Menschenfurcht, von diesem Stolz, von dieser Verachtung, von dieser Faulheit, von dieser Bequemlichkeit.
Wo zeigt sich das am besten? In der Familie. Dort erleben wir uns 24 Stunden, sieben Tage die Woche, über Jahrzehnte. Aha, ist das nicht wirklich angenehm? Nein, wirklich nicht. Aber unser Blick geht weg auf Christus. Das ist der Blick zu Christus. Und wie Luther das so wunderschön formuliert hat: zu dieser fremden Gerechtigkeit. „Wir sind in ihm zur Gerechtigkeit Gottes geworden.“ Das ist eine Seinsstrukturveränderung. Wir sind in ihm. Es ist eine fremde Gerechtigkeit von Christus, die außerhalb von uns liegt und uns zuteilwird.
Luther sagt, wir sind in uns unheilbar verkrümmt, und jemand löst uns aus dieser Verkrümmung. Ja, genau: Ich bin verkrümmt in mir selbst und gerade in meiner Familie, in den dümmsten Momenten, neben meinen Kindern, meiner Frau, war das, dass ich eben verkrümmt bin. Aber da bleibt es nicht, sondern wir dürfen zu Christus gehen.
Ich komme nachher noch darauf zurück, mit ganz konkreten Schritten, was es für die Familie heißt. Jemand von außen – Jan erreichte uns gestern auch die Hand. Wir gingen fünf Minuten zu spät zum Hotel. Kein Zimmer, kein Schlüssel. Es musste jemand von innen her sein, der uns öffnet und die Schlüssel bereitlegt. Wir hatten den Maßstab nicht erreicht, wir waren zu spät gekommen. Es war so eindrücklich: Die Lösung kam von außen.
Und so ist es in meinem Leben ständig. Von Tag zu Tag lebe ich aus dieser Gnade, einer Hilfe, die von außen kommt. Und das hat nicht einfach nur mit meinem Kopf zu tun, das ist zutiefst. Und ich bitte immer, dass er mir das von Tag zu Tag tiefer ins Bewusstsein ruft und vertieft. Diese Lösung kommt von außen.
Hast du dir das ganz ehrlich gefragt nach einem Streit mit deiner Frau, mit deinem Mann, nach einer tagelangen Auseinandersetzung und Quengelei mit deinen Kindern? Hast du schon mal zurück ins Bewusstsein geholt, dass die Hilfe von außen kommt? Auch und gerade in der Familie, im Alltag? Es ist mir klar, dass Christus für meine Faulheit, für meine Bequemlichkeit, für meine Streitsucht, für meine endlosen Selbstrechtfertigungen gestorben ist. Er wurde ja für uns zur Sünde gemacht.
Es gibt ganz viele vermeintliche Lösungen. Unsere Zeit ist spezialisiert auf schnelle, scheinbar schmerzlose Lösungen. Anstelle dieser Flucht und dieses Blicks zu Christus möchte ich ein paar dieser falschen, vermeintlichen Lösungen nennen.
Das eine ist die Flucht der Eltern. Wie einfach ist es für mich als Vater, als Mutter oder als Eltern sogar, einfach vor diesem Elend zu flüchten, zum Beispiel in die Arbeit oder in ein Hobby. Oder wechselweise: manchmal in die Arbeit, manchmal ins Hobby. Man muss auch die Götter manchmal etwas wechseln, sonst wird es langweilig. Oder in eine Weiterbildung. Wie viele Ehepaare sehe ich nach ein paar Jahren, die einfach ein Amt die Tür nur noch in die Hand geben, weil sie flüchten vor dem Elend in der eigenen Familie durch die Weiterbildung. Ehrlich, ich arbeite in diesem Bereich Weiterbildung. Die Flucht der Eltern ist eine vermeintliche Lösung.
Zweitens: die Verweigerung der Kinder. Und sehen Sie, das Wichtige ist nicht die Verweigerung, wenn ein Kind eines Tages – und ich zittere jetzt schon bei diesem Gedanken – das Haus verlässt, die Tür in die Angel wirft und sagt: „Nie wieder mit dir“ oder jetzt ganz lange nichts mehr. Es geht nicht um diesen Moment, sondern es geht um diese Tausenden von Momenten, wenn ein Kind das Gefühl hat, jetzt kehre ich mich innerlich von den Eltern ab und suche meinen eigenen Weg.
Das sind tausende von Malen. Und wissen Sie, wie oft ich dazwischen gegangen bin? Jan, du weißt es, wie oft ich adressiert habe, auch in der größten Erschöpfung: „Was ist jetzt gerade passiert? Wo gehst du mit den Gedanken hin? Was denkst du jetzt gerade?“ Es ist unangenehm. Es ist immer dann, wenn ich am müdesten, am erschöpftesten bin und selber gesündigt habe. Und genau dann ist es so, dass ich nochmals nachfrage: Wohin geht jetzt dein Herz? Und es ist nicht einmal vorgekommen, dass mir schon einige gesagt haben, übrigens auch im Geschäft: „Danke, hast du nochmals nachgefragt, weil mein Herz hat sich wirklich abgekehrt.“
Ich habe gerade von Hiob gelesen. Er betet jeden Tag dafür, dass seine Kinder sich nicht mit ihrem Herzen abkehren. Das steht in Hiob 1. Genau um das geht es: um die Abkehr des Herzens. Das ist eine vermeintliche Lösung.
Wenn ein Kind sich seinen eigenen Puffer sucht, und wissen Sie, wie man das am besten tun kann heute? Nummer drei: Betäubung, virtuelle Welt und Suchtmittel. Die virtuelle Welt ist ein Suchtmittel. Es ist ja auch oft kombiniert mit diesen Dingen: Suchtmittel plus Virtualität plus Spiele. Es ließen sich sehr viele Dinge dazu sagen. Ich möchte hier nur so viel dazu sagen: Für viele Kinder und Jugendliche ist diese Betäubung ein Weg, um aus dem Elend zu flüchten. Haben Sie es schon mal so betrachtet? Es ist eine Scheinlösung.
Und wie dumm ist es, wenn wir da moralistisch kommen, wie Dierkarsen gut gesagt hat: „Netflix-Serien sind böse.“ Na ja, es ist genauso dieses Moralistische, was uns oft Nichtchristen vorwerfen. Nein, zuerst geht es ja mal darum, warum gehe ich dann in diese Spiele? Was mache ich denn? Wo sind denn meine Gedanken? Oh, Jungs haben nicht gerne solche Fragen, diese Warum-Fragen. Warum bist du jetzt gerade das Rad, das Papa immer mit seinen Warum-Fragen dreht? Doch, es ist mir wichtig.
Kannst du dir vorstellen, warum es mir wichtig ist? Warum es für dich in fünf, zehn, zwanzig, fünfzig Jahren wichtig sein wird, dass du keine Lebenszeitverschwendung hast? Scheinlösungen.
Und dann gibt es noch die Scheinfrömmigkeit. Das ist speziell christlich, Marke „Christ ist scheinfromm“. Die machen auch alles in bester Ordnung. Ich karikiere es etwas, ich verstehe das bis heute nicht, warum sprechen wir nicht öfter darüber? Ich habe eine These: Weil wir noch nicht gelernt haben, mit unserer Scham, mit unserer Bestürzung über unser eigenes Elend das selber in den Blick zu nehmen. Wie wollen wir es dann voreinander in den Blick nehmen? Das ist ja oberpeinlich, oder? Das ist es. Es schmerzt.
Und wenn wir das richtig verstanden haben, diese drei Schritte, dann glaube ich, dass wir auch in der Kirchgemeinde, in der Gemeinde unbedingt zusammen auf Christus blicken sollten. Ich kann Ihnen ganz offen sagen: Ich bin mit Sünden zu den Ältesten gegangen.
Ich kann Ihnen ein Beispiel erzählen: Ich bin am Abend hochgekommen, ich ging zur Beichte zu den Ältesten. Es kam ein Vorgänger, der hatte auch ein Traktandum – da sagen wir Schweizer so – irgendein Sitzungstraktandum. Der kam nach der Treppe runter, und ich kam so rauf, ziemlich beschwert. Der sah mich anlächelnd und sagte mir: „Gehst du beichten?“ Dann sage ich: „Ja.“ Und ich bin so dankbar, dass ich jetzt nach oben gehen kann und klar einen Tisch machen kann. Genau das habe ich gemacht.
Das ist eben das: Wenn wir aus der Familie heraus Christus auch als Gemeinde in den Blick nehmen, dass eine Kultur entsteht – Kultur als Summe der Gewohnheiten –, kommen wir ja gleich darauf, auf Christus zu blicken und die Schuld zu ihm zu bringen und nicht bei der eigenen Scham und der Bestürzung stehen zu bleiben.
Jetzt machen wir eine kurze Pause. Gehen Sie kurz ins Gespräch: Was hat Sie bisher angesprochen? Haben Sie mitgeschrieben? Machen Sie zwei oder drei Notizen.
Wenden Sie sich Ihrem Nachbarn zu und besprechen Sie, was Sie anspricht. Los geht's!
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass es diesen zweiten Schritt gibt. Wissen Sie was? Für mich ist er zur Sünde geworden. Ich werde auch morgen und übermorgen wieder straucheln, ich werde sündigen. Und ich darf zu ihm kommen und, wie Luther mit dem fröhlichen Tausch gesagt hat, ich darf mein dreckiges Kleid ausziehen – als Vater, als Ehemann – und sein Kleid der Gerechtigkeit überziehen. Ich darf diesen fröhlichen Tausch machen.
Glauben Sie mir, Eltern, die diesen fröhlichen Tausch vollzogen haben: Das ist einfach eine andere Qualität, das ist ein christusorientiertes Familienleben. Ich kann Ihnen keine zehn Schritte nennen, aber ich kann Ihnen sagen, wenn dieser fröhliche Tausch vollzogen wird, dann ist das etwas Wunderbares. Das ist unsere Hoffnung. Unsere Hoffnung ist nicht, dass hier ein Haniel sitzt, der alles perfekt macht. Das ist genau das, was Brian Chappelle gestern Abend wunderbar für diesen Workshop vorbereitet hat.
Sondern erst, wenn ich die Gnade verstanden habe – verstanden heißt nicht nur im Kopf, sondern sie hat mein ganzes Sein erfasst – wenn ich in ihm zur Gerechtigkeit geworden bin, dann ja, was ist denn dann? Da kommt der dritte Schritt: stabilisierende Handlungen.
In Römer 6, Vers 11, denke ich oft über diesen Vers nach. Es ist auch schwierig zu übersetzen: "Logizeste" – also "Haltet euch selbst dafür, dass ihr für die Sünde tot seid!" Was steht hier? Zieh den Erziehungsratgeber rein, dann hast du das Problem aus der Welt? Nein, haltet euch selbst dafür! Ja, wie oft denn? Ha, jetzt kommt's: ständig, immer, bis ich am Ziel bin!
Was heißt das? Aber das ist unangenehm, ich möchte es gern, Knopf rüber, Schalter umdrehen, bitte schön: haltet euch selbst dafür, dauernd, andauernd, dass ihr der Sünde für tot seid, und lebt für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn, in Christus Jesus, in dieser neuen Identität: Ich bin in ihm.
Ich denke oft über diese Haltung nach, bis ans Ende des Lebens, denke ich. Francis Schaeffer hat es wunderbar beschrieben, einige Aspekte dieses Verses in seinem wichtigsten Buch "Geistliches Leben – was ist das?" Wenn ihr das noch nicht habt, unbedingt kaufen, es lohnt sich, 50 Euro dafür auszugeben. Sonst gibt es das englische Original "True Spirituality" gratis zum Download. Dort sagt er einige Dinge zu Römer 6, die mir noch nie so klar geworden sind wie beim Lesen seines Buches.
Drei Aspekte von ihm, dazu drei Gedanken:
Erstens: Ich lebe in einer neuen Realität. Es ist eine Realität, in der ich in ihm bin. Eine neue Realität ist ein Gott, der wirklich da ist, wirklich da – auch dann, wenn mein Kind schreit, auch dann, wenn ich beschämt bin, auch dann, wenn ich im Streit bin, auch dann, wenn ich erschöpft bin, auch dann, wenn ich keinen Ausweg mehr weiß, auch dann, wenn das Kind schon sieben Stunden am Gamen ist. Genau dann – er ist ein Gott, der wirklich da ist!
Manchmal habe ich das Gefühl, wir leben so. Francis Schaeffer sagt, es gibt zwei Stühle: den Stuhl der unsichtbaren Welt und den der sichtbaren Welt. Wir leben so, als ob es nur diesen sichtbaren Stuhl gäbe und als ob es nur auf uns ankäme. Nein, ich möchte gern von Moment zu Moment in dieser Realität leben: ein Gott, der wirklich da ist, und in seinem Sohn Jesus Christus mir seine Gerechtigkeit schenkt. Ich darf in ihm sein und mich so halten in einer Haltung, die mich für die Sünde tot hält. Das ist eine neue Realität.
Er sagt, das sind auch neue Gewohnheiten. Es ist wie ein Toter, der ins Leben zurückgekommen ist und gesehen hat, wie es wirklich ist. Er kommt ins Leben zurück und was sagt er? Er sieht noch genau gleich aus, er hat noch genau gleich viele Haare auf dem Kopf, aber er hat eine völlig neue Perspektive. Er kommt aus der anderen Welt zurück in diese Welt, und die Prioritäten verschieben sich nicht von heute auf morgen.
Francis Schaeffer sagt ganz gut in seinen Briefen: Wir haben ganz, ganz falsche Vorstellungen davon, wie wir Gewohnheiten ändern können. Wie können wir Gewohnheiten ändern? Genauso wie wir die natürlichen Gewohnheiten ändern, von Tag zu Tag.
Ich habe einen 52-Impuls-Ratgeber zum Thema Smartphone geschrieben. Warum? Weil es um diese Veränderung geht, aus Christus heraus andere Gewohnheiten zu entwickeln. Das ist keine Sache, die schnipp geht. Wir sind in einer Zeit, in der wir uns einfach schnell diesen Ratgeber holen, schnell diese Google-Tipps. Nein, so geht es nicht. Es geht um den täglichen Kampf der Gewohnheiten. Aber dieser Kampf ist nicht ein Kampf aus uns selbst, sondern erst, wenn wir aus dieser neuen Realität von Christus her in ihm leben.
Und dann gibt es noch einen dritten Punkt: diese aktive Passivität. Wunderbar. Da erinnere ich mich so oft daran. Manchmal mache ich es sogar vor meinem Kunden und sage: Ich bin im Moment mit leeren Händen vor dir, bitte führe mich im nächsten Moment.
Hier brauche ich das Wort "existenziell". Es ist existenzielle Jüngerschaft – als Vater, als Mutter und auch als Kind, als Großeltern und als Enkel, völlig egal. Im Familienleben lebe ich mit diesen leeren Händen von Moment zu Moment.
Und auch hier gibt es ganz viele Möglichkeiten, diese Stabilisierung vermeintlich hinzukriegen. Eine Möglichkeit habe ich vorhin schon angesprochen: der Wechsel der Götzen. Das geht ganz einfach. Man kann die Götzen wechseln, ob es ein Erziehungsratgeber ist, eine neue Idee, eine neue Arbeitsumgebung, eine neue Wohnung, eine neue Schule für das Kind, neue Bezugspersonen. Ja, ja, das wird schon einen Einfluss haben.
Ich habe gesagt, ich habe heute keinen ethischen Ansatz, sondern einen christologischen, weil ich glaube, dort kranken wir so, dass wir aus diesem Moralismus oder aus der Gesetzlosigkeit heraus falsch stabilisieren. Wir können jede Menge vermeintliche Stabilisierung erreichen durch den Wechsel der Götzen. Götzen sind alles, was nicht Gott ist und an seine Stelle gesetzt wird. Und auch da sind wir unglaublich erfinderisch.
Wir können die Umgebung wechseln. Manchmal ist es vielleicht sogar aus weiser Sicht angebracht, den Wohnort oder die Schule zu wechseln. Ich sage nicht, dass das aus Weisheit nicht geschehen soll, aber es ist nicht die Stabilisierung an sich. Denn unser Herz tragen wir auch in die neue Schule, in die neue Umgebung, ins neue Dorf und in die neue Stadt mit.
Oder wir können die Bezugspersonen wechseln. Heute ist sogar üblich, mit diesem Vertragsdenken zu sagen: "Okay, Ehepartner fertig, nächster, nächster Partner." Auch unter Christen oder noch viel häufiger in der Kirchgemeinde. Dumm, ich gehe – haha – super, genau das gleiche: vermeintliche Stabilisierung. Ich nehme mein Herz, meine Gewohnheiten, alles mit.
G.K. Chesterton wurde gefragt: "Meine Herren, wo ist das Problem dieser Welt?" Und er sagte: "Sehr geehrte Herren in der Zeitung, ich, Punkt, ihr ergebener G.K. Chesterton." Wenn Sie das mitnehmen, das Problem liegt in mir drin. Da kann ich noch alles wechseln. Das ist immer eine Reaktion von dem, was in mir drin ist.
Wir müssen unglaublich aufpassen, dass wir nicht vermeintliche Stabilisierung betreiben, indem wir einfach – und das haben wir uns in unserer Optionsgesellschaft zu viele Möglichkeiten geschaffen – den Partner wechseln, den Wohnort wechseln, vielleicht noch ein paar einfachere Dinge. Nein, sondern wir wollen von Moment zu Moment – und das ist mir so wichtig zu betonen, heute von Tag zu Tag – in stickiger Luft, in müden Zeiten, in bewegten Zeiten, in Zeiten, in denen wir am liebsten auf Distanz gehen würden zu diesem Elend, das wir erblicken, zu Christus flüchten und dann um die Erneuerung unserer Gewohnheiten durch seine Kraft ringen, von Moment zu Moment.
Und ja, Haniel, was ist denn, wenn du umfällst? Stehe ich wieder auf, mit seiner Hilfe? Was ist, wenn eine Gewohnheit vergessen wird? Das wird vergessen werden, logisch, wieder aufstehen, weiter – nicht disziplinierter, sondern von Moment zu Moment mit leeren Händen vor ihm.
Ich mache die Erfahrung, dass an diesem Punkt zwar vielleicht Betroffenheit da sein mag, und ich hoffe darum, dass Christus in deinem Leben am Wirken ist, in eurem Leben als Ehepaar, als Großeltern, auch als Kinder, als Heranwachsende, als noch nicht Verheiratete oder Nichtverheiratete. Das wäre noch ein Thema für sich, da komme ich leider heute nicht dazu. Aber wenn jemand Fragen hat dazu, gerne nachher.
Ich möchte gern noch etwas ganz Konkretes dazu sagen: Wie sieht denn dieser Erneuerungsprozess aus? Sie wissen, der Erneuerungsprozess ist nicht etwas, das nächste Woche abgeschlossen ist, sondern ein andauernder Prozess, der einfach weitergeht.
Wie gewinnt dann Christus in unserem Erziehungsalltag Gestalt? Ich werde jetzt nochmals aus etwas anderer Sicht ein paar Punkte beleuchten. Auch hier habe ich Ihnen einen Artikel dazu angehängt. Außerdem habe ich einen ausführlichen Podcast zur Gesetzlichkeit und Gesetzlosigkeit gemacht. Hören Sie sich diesen gern an, er dauert 21 Minuten. Ich habe versucht, das Thema kurz zu skizzieren. Timothy Keller hat das wunderbar herausgearbeitet, und ich habe versucht, das auf die Erziehung herunterzubrechen – in dem Artikel, den Sie im Anhang herunterladen können.
Einige Punkte, wie Christus in unserem Erziehungs- und Familienalltag Gestalt gewinnen kann:
Der erste Punkt ist, denke ich, unglaublich wichtig: Wir müssen beginnen, Dingen eine neue Deutung zu geben. Wenn das Licht des Evangeliums – das heißt, dass Elend klar geworden ist, wer Christus für uns ist, was er für uns tut und wer wir in ihm sein dürfen – in einen Lebensbereich hineinzuscheinen beginnt, zum Beispiel in unsere Familie, dann wird ein Prozess einsetzen, der nie aufhören wird.
Man sieht eigene Gedanken, Worte und Handlungen plötzlich in einem anderen Licht. Dann ist es nicht mehr einfach der humorvolle Ehemann, auch nicht mehr die ungeduldige Großmutter und auch nicht mehr das "easy peasy"-Kind. Plötzlich beginnt etwas ganz Neues aufzuleuchten. Etwas, das vorher gar nicht bedacht wurde. Zum Beispiel wird eine Charaktereigenschaft, die einfach vorausgesetzt wurde, oder eine Reaktion, die als normal galt, plötzlich nicht mehr als normal angesehen. Elend bekommt eine andere Bedeutung.
Ich glaube nicht, dass das von einem Moment auf den anderen geschieht. Aber wenn wir beginnen, Christus in unseren Alltag einzubeziehen und uns bewusst machen, dass wir in ihm leben, dann werden sich in erster Linie die Deutungen ändern. Bleiben Sie im Gespräch – auch als Paar – über diese Änderung der Deutung.
Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung berichten: Je länger ich verheiratet bin und je länger ich Vater bin, desto mehr nimmt meine Bestürzung zu, sie nimmt nicht ab – das ist ganz normal. Viele Dinge, die ich vor einigen Jahren einfach durchgehen ließ, sehe ich jetzt im neuen Licht und sage: Ich möchte gerne anders werden. Ich freue mich darauf, das zu ändern, und ich weiß, es wird ein Riesenkampf sein.
Wie lange braucht man, um eine kleine Gewohnheit zu ändern? Haniel, ich sage jeweils im Geschäft, also im säkularen Bereich, drei bis sechs Monate. Meine Frau hat es schon längst vergessen, aber ich nicht. Ich kämpfe immer noch. Es gibt schon wieder neue Dinge, und ich sage manchmal: Ich muss einfach noch etwas Zeit haben, um das andere einigermaßen in den neuen Handlungsablauf zu integrieren, bevor ich den nächsten Angriff starte. Manchmal überwältigt mich diese Gleichzeitigkeit als Mann.
Der zweite Punkt ist, dass wir mit dem Gesetz Gottes übereinstimmen. Das ist auch unglaublich wichtig. Buße und Umkehr bedeuten in erster Linie, mit Gottes Sichtweise übereinzustimmen. Auch da ist unser Herz unglaublich vertrackt – mein eigenes auch.
Vielleicht beginne ich zu realisieren, dass die Art und Weise, wie ich im Moment in die Arbeit investiere, meiner Ehe Schaden zufügt und zu einer Entfremdung beiträgt. Ich nenne nur ein Beispiel, es gibt viele andere. Dann wird mir plötzlich bewusst, dass, wenn ich in Christus lebe, eine Änderung nötig ist.
Wir sind unheimlich erfinderisch und sagen: "Ja, ich weiß schon, das ist nicht so gut." Aber nicht einfach "ja, ja", sondern es ist so: Mit dem Gesetz Gottes bin ich im Elend. Das heißt, mit dem Gesetz Gottes übereinzustimmen. Und Sie merken, wie viel da oben in unserem Denken und Fühlen stattfindet. Manchmal ist es gut, auch darüber zu sprechen – mit Ehepartnern oder manchmal auch unter Männern als Freunden.
Der dritte Punkt: Motive und nicht nur Resultate bedenken. Ein ganz wesentlicher Teil des Familienlebens, auch der Andachten übrigens, ist das Thematisieren von Beweggründen – von sündigen Beweggründen und von neuen Gewohnheiten.
Das ist ein ganz wichtiger Teil meiner Arbeit in den Andachten. Es war ja auch ein Thema für sich: Was heißt das wirklich, Andachten zu halten? Wie können wir das verknüpfen? Denn vieles, was nach außen problemlos erscheint, ist bei mir, bei meiner Frau, bei meinen Kindern und bei Ihnen nicht anders. Zum Beispiel modern, zeitgemäß, selbstbewusst, ungeduldig, erfinderisch, kreativ – das entpuppt sich beim näheren Betrachten oft als sündig.
Jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter: Ich bin oft schon erschrocken gewesen, mir Gedanken darüber zu machen und zu fragen: Was gebe ich weiter, wenn ich das weitere zehn oder zwanzig Jahre denke, sage und tue? Welche sündigen Gewohnheiten gebe ich dadurch an die nächste Generation weiter? Das kann endlos in Selbstverzweiflung führen, das meine ich nicht. Aber das Bewusstsein zu schärfen, dass Gewohnheiten in die nächste Generation weitergegeben werden, finde ich sehr, sehr wichtig.
Erschrocken muss ich Dinge feststellen, bei denen ich sage: Jesus Christus, hilf mir, in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren – ich denke in diesen Zeiträumen – mein eigenes Denken und Handeln zu verändern.
Oft ist es so, vielleicht einfach als Klammerbemerkung: Wenn ich etwas bei meinen Kindern feststelle, gehe ich zuerst zu mir zurück und frage: Was ist in der letzten Zeit bei dir genau gelaufen? Was ist bei mir drin gelaufen? Warum habe ich es einfach laufen lassen? Wo war ich faul? Wo habe ich gar nicht hinsehen wollen?
Dann habe ich zuerst Arbeit bei mir. Und dann kommt das Sündenbekenntnis. Es gehört zum zweiten Schritt. Es führt kein Weg am Aussprechen der Sünde vor Gott und der eigenen Familie vorbei.
Kennen Sie das bei sich? Sprechen Sie voreinander auch Sünden aus – vor Gott und voreinander? Nicht einfach: "Ja, vergib mir, was ich da..." – sondern: Was genau? Benennen wir es. Gehen wir durch die Scham hindurch.
Und da geht es noch einen Schritt weiter. Das soll nicht frömmelnd klingen, aber es ist unglaublich wichtig. Mir ist aufgefallen, bei diesem grünen Katechismus – ich weiß gar nicht, von wem er ist, von Dreieinhalb – da gibt es eine Frage, die ich mit den Kindern durchgegangen bin. Ich dachte: Das mache ich eigentlich selber gar nicht.
Da steht, dass wir die Sünde verabscheuen sollen. Da habe ich mich gefragt: Was genau soll das heißen? Wie schnell schleicht sich in unserem Hinterkopf eine Rechtfertigung ein, eine Herabwürdigung der Sünde? Wir sagen: So schlimm ist es doch nicht. Das ist nicht verabscheuen, das ist rechtfertigen.
Was mache ich dann? Ich habe begonnen, einfach dafür zu beten und gesagt: Jesus, bitte hilf mir, dass ich diese Abscheu davor bekomme. Ich weiß zwar im Kopf, dass es nicht gut ist, aber richtige Abscheu davor habe ich noch nicht. Solange ist es nicht so gut. Wir bitten unseren Herrn darum, uns Abscheu über unsere Sünde zu schenken.
Dann, wie ich schon gesagt habe, vollziehen wir den fröhlichen Tausch, ziehen das neue Kleid an. Ganz wichtig: Ich habe geschrieben, wir müssen weder Gott noch unserer Familie beweisen, dass wir schon in der Lage sind, uns zu bessern.
Sehr oft gehen wir aus dieser Haltung heraus in eine Abbitteleistung, eine Vorleistung. Als Kind, als ältester von fünf Kindern, habe ich immer, nachdem ich etwas Krummes gemacht hatte, in der Küche alles aufgeräumt. Das war eine Abbitteleistung, keine stabilisierende Handlung.
Genau darum geht es nicht: nicht in die Abbitte zu gehen, sondern freudig in die neuen Gewohnheiten Schritt für Schritt einzutauchen.
Schließlich erfahren wir durch Gottes Gnade Veränderung. Wir hören oft von Gnadenveränderung und denken, das sei ein Knopfdruck. Nein, das ist es nicht. Es ist kein Zufall, sondern von Gott gewollt.
Unser Gehirn muss neu programmiert werden. Das wissen wir heute durch die neue Forschung: Es ist plastisch und muss neu programmiert werden. Das ist ein Veränderungsprozess, der andauert.
Neue Handlungsabläufe, aber vor allem auch neue Bewertungen müssen installiert werden. Das dauert eine Zeit, da kann man nicht einfach irgendeine neue Festplatte einsetzen.
Es ist eine mühevolle, aber lohnende Arbeit, weil sie uns stündlich auf die Gnade Gottes zurückwirft und auf unseren Stand in Christus.