Bodenhaftung

Konrad Eißler
0:00:00
0:04:12

Wer im Glauben abhebt und mit seinem Karren der Frömmigkeit direkt in den Himmel fahren will, kommt nicht vom Fleck. Aber der Weg zum Himmel geht nicht zuerst hinauf, sondern hinab. Der Weg zur Ewigkeit geht durch die Traurigkeit. - Kurzpredigt von Konrad Eißler


In einer nordenglischen Stadt stand eine zweirädrige Kutsche mit einem schläfrigen Kutscher auf dem Bock und einem müden Pferd an der Deichsel. Langsam kam ein schwerer, wohlbeleibter 220-pfündiger Mensch auf diese Droschke zu und setzte sich auf den hinteren Sitz: “Bitte direkt zur Golden Bridge!” Als sich nach einigen Minuten überhaupt nichts tat und bewegte, stupfte dieser Fahrgast den Droschkenfahrer, diesen Kutscher, und fragte: “Können Sie jetzt nicht endlich zur Bridge fahren?” Der drehte sich um und sagte: “Doch, Sir, wenn Sie nach vorne zu mir auf den Sitz kommen, damit der Gaul wieder Bodenberührung hat.”

Auf dem Boden stehen, auf dem Boden blieben, Bodenberührung behalten, darauf kommt es an. Bodenhaftung tut not, nicht nur bei Tieren, sondern auch bei Menschen. Da kommen gewichtige Menschen auf uns zu, Prediger, Verkündiger, Theologen, 220-Pfündler des angeblich rechten Glaubens und setzen sich auf unseren Karren der Frömmigkeit und sagen: “Bitte direkt zum Himmel.” Und dann wollen wir abheben. Und dann fällt uns der Erdenstaub von den Füßen. Und dann schweben wir über den Grauzonen von Leid und Schmerz und dann atmen wir nur noch die Ewigkeit und dann ist Krankheit weit, weit weg von uns und dann ist Schuld und Tränen, alles unter unseren Füßen. Und dann wundern wir uns noch, wenn der Karren sich nicht mehr dreht. Und dann wundern wir uns noch, wenn wir keinen Meter im Glauben weiterkommen. Und dann wundern wir uns noch, wenn wir alle miteinander im Dreck stecken, liebe Freunde.

Nein, glauben wir’s diesen Schwergewichtlern nicht. Glauben wir’s wieder Mose. Der hat’s uns noch einmal gesagt: Der Weg zum Himmel geht nicht zuerst hinauf, sondern hinab. Der Weg zur Ewigkeit geht durch die Traurigkeit. Der Weg zum Leben geht durch den Tod. Kein Jünger ist über dem Meister. Und wenn er den Kreuzweg ging, dann kann keiner von uns einen Lift bis direkt zum Gottesthron verlangen. Wissen Sie, Ihr Leid an diesem Tag über den Verlust eines lieben Menschen: notwendige Bodenhaftung. Ihr Schmerz, den Sie keinem sagen wollen, notwendige Bodenhaftung. Ihre Sorgen, die so groß sind, dass sie kaum in diese Kirche passen: notwendige Bodenhaftung. Ihre Krankheit und Ihr Alter: notwendige Bodenhaftung. Nur so geht’s vorwärts. Hinabwärts, gewiss, Jesus nach, aber dann hinauf zum Ziel. Wie heißt’s im Lied: “Denke, auch durch Leiden führt die Himmelsbahn”.

Bodenhaftung tut not, liebe Freunde!