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Marias Adventslied

15.12.2024Lukas 1,46-55

An diesem dritten Advent stellt sich langsam die Frage: Bist du schon in rechter Weihnachtsstimmung? Oder hast du eher pflichtbewusst mitgesungen, als wir „Freue dich, Welt“ oder „Jauchzet, ihr Himmel“ gesungen haben? Vielleicht hast du sogar geschwiegen, weil du gerade gar nicht in der Stimmung bist, dich zu freuen und zu jauchzen.

Ich sage es ganz klar: Schlechte Nachrichten und schwierige Lebensumstände machen keine Pause in der Advents- und Weihnachtszeit. Tatsächlich habe ich diese Woche gleich zweimal von lieben Menschen erfahren, dass sie ungeplant plötzlich ins Krankenhaus mussten, eingeliefert wurden. Ich habe von anderen gehört, die ihren Job verloren haben und große Fragen haben, wie es weitergehen soll. Und von wieder anderen weiß ich, dass sie aktuell darunter leiden, dass Beziehungen kaputtgegangen sind und Ehen in Schieflagen geraten sind.

Ich weiß, dass vielen dieser Menschen – und vielleicht auch dir – heute eher nach Weinen als nach Jubilieren zumute ist. Mein Gebet ist, dass diese Predigt gerade denen unter uns, denen es so geht, die mühselig und beladen sind, dabei hilft, zu einer tief empfundenen Weihnachtsfreude zu finden.

Für all die unter uns, die sowieso schon Weihnachtsfreude haben, hoffe ich und habe gebetet, dass du diese Freude noch tiefer gründen kannst in dem, was tatsächlich an Weihnachten geschehen ist. So kann diese Freude auch dann anhalten, wenn sich deine Lebensumstände ändern sollten.

Einführung in das Magnifikat und die persönliche Situation Marias

Ich möchte heute mit uns das Adventslied der Maria betrachten. Wir kommen zum sogenannten Magnifikat. Unser Predigttext findet sich im Lukasevangelium, Kapitel 1, Verse 46 bis 55.

Letzte Woche haben wir gehört, wie Maria vom Engel Gabriel die Ankündigung bekommen hatte, dass sie als Jungfrau schwanger werden und ein besonderes Kind zur Welt bringen würde. Wir haben dann gehört, wie sie das aus Gottes Hand angenommen und sich ganz ihm hingegeben hatte: „Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast.“

In der heutigen Textlesung hören wir, wie Maria zu Elisabeth ging. Von ihr hatte sie gehört, dass auch Elisabeth durch ein Wunder Gottes trotz hohen Alters und Unfruchtbarkeit schwanger geworden war. Jetzt, in der Gegenwart Elisabeths, stimmt Maria ihr Adventslied an.

Ich lese uns das Adventslied der Maria, auch Marias Lobgesang genannt:

Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes,
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder,
denn er hat große Dinge an mir getan,
der der Mächtige ist und dessen Name heilig ist,
und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht
bei denen, die ihn fürchten.

Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut die Hochmütigen in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel,
auf wie er geredet hat zu unseren Vätern Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.

Bevor wir diesen Text weiter betrachten, möchte ich mit uns beten:

Himmlischer Vater, danke für diesen wunderbaren Lobpreis, diesen Lobgesang der Maria. Wir bitten dich, dass ihre Worte und ihre Freude, ihr Gotteslob, mehr und mehr auch zu unseren Worten, zu unserer Freude und zu unserem Lob werden können. Dass wir dich loben als den Herrn und Heiland, dem aller Lobpreis gebührt.

So sprich du nun durch dein Wort zu unseren Herzen. Verändere sie, so dass sie eine Quelle werden eines ewigen und frohen Lobpreises. Das erbitten wir in Jesu Namen. Amen.

Drei Gründe für Marias Lobpreis

Ich möchte dieses Lied, diesen Lobpreis der Maria, in drei großen Punkten betrachten.

Zunächst sehen wir, dass Maria Gott aus tiefstem Herzen als ihren Herrn und Heiland anbetet. Sie tut dies aus drei Gründen.

Erstens weiß sie, dass Gott sie in ihren Lebensumständen sieht und in ihr sowie durch sie wirkt.

Das ist der erste Grund.

Der zweite Grund ist, dass sie Gott lobt und preist, weil sie ihn ganz allgemein als einen barmherzigen und zugleich gerechten Gott kennt.

Schließlich verkündet sie, dass sie Gott anbetet, weil sie seine Treue gegenüber seinem Volk und seinen Verheißungen kennt.

Diese drei Gründe bilden die drei Strophen dieses Liedes: Zum einen ihre Lebensumstände, zum anderen Gott als barmherziger und gerechter Gott und schließlich ihr Wissen um Gottes Treue gegenüber seinem Volk und seinen Verheißungen.

Marias Anbetung Gottes als Herrn und Heiland

Lasst uns zuerst anschauen, wie sie Gott als ihren Retter und Herrn anbetet. Das sehen wir ganz allgemein in den Versen 46 und 47, die gewissermaßen als Überschrift über dem ganzen Lied stehen.

Wir erkennen hier, wen Maria genau anbetet und wie sie ihn anbetet. „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes.“ Wenn wir das hören – „Meine Seele erhebt, mein Geist freut sich“ –, dann merken wir, dass ihr Lobpreis aus ihrem tiefsten Inneren kommt. Ihr Lobpreis ist nicht einfach nur ein Lippenbekenntnis. Es ist mehr als eine kurzzeitige emotionale Regung. Ihr Lobpreis entspringt ihrem Herzen, aus tiefstem Inneren.

So sollte es auch sein, so sollte unser Lobpreis sein. Wir sollten Gott nämlich nicht nur mit ein paar Liedern im Gottesdienst loben. Nein, die Bibel lehrt uns, dass wir Gott mit unserem ganzen Leben loben sollen. Unser ganzes Leben soll ein Lobpreis Gottes sein. In allem, was wir denken, sagen und tun, soll Gott gelobt werden. Dabei sind unsere Gedanken, Worte und Taten letztendlich nur der Ausdruck dessen, was in unserem Herzen ist.

Das Herz der Jungfrau Maria ist voller Lobpreis. Sie lobt Gott aus tiefstem Inneren, aus tiefstem Herzen, und sie lobt Gott als den Herrn, wie es hier heißt. Das ist eine sehr passende Bezeichnung für Gott. Gott ist der Schöpfer aller Dinge, er ist deshalb der rechtmäßige Herr. Wer alles geschaffen hat und dem alles gehört, ist der rechtmäßige Herr über alle Dinge. Maria hat das erkannt. Sie hat es gerade erst verkündet, nachdem der Engel Gabriel ihr die Botschaft gebracht hatte, dass sie schwanger werden würde.

Da hat sie gesagt: „Ich bin des Herrn Magd.“ Sie hat sich also ganz in seine gute Obhut begeben. Sie hat anerkannt: Er ist der Herr, ich bin die Knechtin oder die Magd. Das darf uns herausfordern: Ist das unsere Haltung gegenüber Gott? Erkennen wir Gott wirklich als unseren Herrn an?

Wir haben letzten Sonntag darüber nachgedacht, wie schwer es uns oft fällt, gerade dann Gott als Herrn anzuerkennen, wenn das, was er uns gibt und sagt, vielleicht nicht dem entspricht, was wir uns für unser Leben erhofft hatten. Dann wird es herausfordernd. Erkennen wir Gott dann immer noch als den Herrn an, wenn er uns sagt, Dinge zu lassen oder zu tun, die wir gerade eigentlich nicht lassen oder tun wollen?

Aber Maria tut sogar noch mehr. Sie gibt sich nicht einfach nur in Gottes Hand und erkennt an: „Du bist der Herr, dann sei es halt so.“ Wir sehen hier nach dem Wort „Ich bin des Herrn Magd“: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Sie sagt nun: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes.“ Wie ist das möglich? Wie ist es möglich, in einer solchen Situation nicht nur zu sagen: „Okay, ich nehme das aus Gottes Hand“, sondern auch zu sagen: „Ich freue mich über meinen Gott“?

Ich glaube, der Rest des Liedes hilft uns, das zu verstehen. Und ich hoffe sehr, dass es dir ganz persönlich hilft, dich nicht nur zu ergeben dem, was Gott für dich hat, sondern es dankbar und froh aus seiner Hand anzunehmen.

Maria betet Gott hier nicht nur ganz allgemein als den Herrn an, sondern macht es ganz persönlich: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes.“

Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. „Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder, denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.“

Maria betet also den mächtigen und heiligen Gott an, weil er sie in ihrer Niedrigkeit angesehen und Großes an ihr getan hat. Deshalb betet sie ihn nicht nur als den Herrn, sondern als ihren Heiland an.

Das persönliche Erleben Marias und die Bedeutung für uns

Nur in gewisser Weise ist das, was Maria erlebt hat, natürlich ihre ganz persönliche Erfahrung und einzigartig. Sie allein wurde von Gott dazu erwählt, als Jungfrau durch den Heiligen Geist schwanger zu werden und dieses besondere Kind zur Welt zu bringen, durch das Gott selbst zu uns Menschen kommen würde.

Aber lasst uns doch einmal einen Moment darüber nachdenken, was hier eigentlich geschieht. Maria bekommt eine Botschaft, die für sie persönlich mehr Unheil bedeutet als Heil. Eben noch ein junges Mädchen, Teenager, frisch verlobt, wahrscheinlich mit Joseph, freut sie sich auf die Hochzeit und auf das, was dann kommen wird. Wahrscheinlich ist sie eine junge Frau, die grundsätzlich bei den Menschen gut ankommt und wertgeschätzt wird. Doch all das wird sich jetzt schlagartig ändern.

Der Engel sagt ihr übrigens, dass sie schwanger werden wird – jungfräulich. Was wird Joseph damit machen? Wird Joseph das akzeptieren? Und was werden die Menschen dazu sagen? Sie kann sich gut vorstellen, dass sie Verachtung finden wird. Ein großer Scham legt sich auf sie. Für mich klingt das nach Unheil, aber sie lobt Gott als ihren Heiland.

Ich glaube, sie lobt Gott als Heiland, weil sie versteht, dass das, was der Engel ihr zugesagt hat, bedeutet, dass auch wenn es sich erst einmal wie Unheil anfühlt, es letztendlich genau das bringt, was sie und wir alle brauchen: Heil, Rettung. Weißt du, dass du Rettung brauchst?

Als Geschöpfe Gottes wäre es unsere Aufgabe und Pflicht, den Gott, der uns geschaffen hat, in seinem Abbild abzubilden. Wir sollen unter seiner guten Herrschaft leben, als seine Geschöpfe in seiner Schöpfung. Wir haben den Auftrag, den er uns gegeben hat, auszuführen: einmal Abbilder Gottes zu sein und zum anderen Verwalter der ganzen Schöpfung.

Doch schon unsere ersten Vorfahren haben gegen Gott, den Herrn, rebelliert. Sie wollten nicht, dass Gott Herr ist. Sie wollten das nicht, und wir alle wollen das nicht. Wir wollen unsere eigenen Herren sein. Niemand hat das Recht, mir zu sagen, wie ich leben soll. Das entscheide ich immer noch selbst. Das ist doch das Credo unseres tiefsten Inneren.

Das heißt, wir rebellieren gegen Gott. Wir erkennen Gott nicht als den Herrn an. So oft wollen wir selbst unsere Herren sein, und wir wollen nicht das ausführen, wozu Gott uns geschaffen und in diese Welt gestellt hat. Wir wollen nicht für ihn leben, nicht ihn abbilden. Wir wollen uns selbst groß machen. Wir wollen nicht Acht geben auf seine heile Welt, sondern wir wollen darin leben, wie es uns gefällt. Damit haben wir viel Unheil in diese Welt gebracht.

Die Schöpfung ist nicht mehr das, was sie einst war. Und die menschlichen Beziehungen spiegeln wider, dass wir oft mehr Unheilsbringer sind als Heilsbringer. Wir leben in einer ziemlich kaputten Welt und leiden immer wieder auch darunter. Aber als Menschen, die Anteil an diesem Unheil haben, hätten wir Gottes gerechtes Gericht verdient.

Doch Maria hat jetzt verstanden, dass der Engel Gabriel ihr verkündigt hat, dass inmitten dieses Unheils, dieser kaputten Welt, durch das Kind, das sie gebären soll, Heil und Rettung kommen wird. Denn das ist das, was Gott verheissen hat.

Nämlich hat der Engel Gabriel zu Maria gesagt: „Dein Kind sollst du Jesus nennen, Gott rettet.“ Maria versteht, dass ihr Sohn zugleich der Weg ist, wie Gott Rettung bringt. Deswegen freut sie sich nicht nur an Gott, dem Herrn, sondern an ihrem Heiland.

Deshalb kann sie sagen: „Er hat mich gesehen in meiner ganzen Niedrigkeit, und er hat Großes in mir und für mich getan.“

Ich möchte dich fragen, ob dir klar ist, dass du mindestens genauso erlösungsbedürftig bist, wie es Maria war. Maria weiß, dass sie einen Heiland braucht, und sie freut sich darüber, dass ihr Heiland für sie da ist und sie in ihrer Niedrigkeit angesehen hat. Oder kratzt es an deinem Ego, wenn ich dich hier indirekt als niedrig und erlösungsbedürftig bezeichne?

Ihr Lieben, wir sind alle vor dem mächtigen und heiligen Gott als Sünder niedrig und erlösungsbedürftig. Gerade deshalb wurde die Jungfrau Maria schwanger. Nur deshalb hat Gott das alles gemacht. Nur deshalb Weihnachten: Damit Menschen wie du und ich, die erlösungsbedürftig sind, erlöst und gerettet werden können.

Nicht dazu wurde Marias Sohn geboren. Dazu wurde Jesus, das heißt „Gott rettet“, der Heiland, der Heilsbringer, der Retter, in diese Welt kommen. Er würde das Leben leben, das wir hätten leben sollen – voller Gehorsam, in allem den perfekten Plan seines guten himmlischen Vaters ausführend.

Voller Liebe und Gehorsam lebte er das Leben, das du und ich hätten leben sollen, das wir aber nicht gelebt haben und nicht leben. Und dann ließ er sich von den Menschen ablehnen, verraten, gefangen nehmen, foltern und brutal töten. Die Menschen nagelten ihn in Verkennung dessen, wer er wirklich ist, an ein schäbiges Holzkreuz.

Das war eine große Niederlage für Jesus, aber auch Teil dessen, was er zuvor mit seinem Vater geplant hatte. Denn er war gekommen, um sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.

Um das gerechte Gericht Gottes auf sich zu nehmen, so dass wir für all das Unheil, das wir in diese Welt gebracht haben, nicht das gerechte Gericht ertragen müssen. Jesus hat die gerechte Strafe schon auf sich genommen und das Lösegeld für uns bezahlt. So können wir von aller Schuld befreit vor Gott bestehen, wenn wir uns dem Herrn und Heiland im Glauben zuwenden.

Dazu hat Jesus die Menschen aufgerufen: „Tut Buße! Kehrt um und glaubt!“ Vertraut dieser guten Nachricht, dann wird sie für dich persönlich zu einer guten Nachricht.

Dieser Jesus, dieser Retter und Herr, ist von den Toten auferstanden. Er ist der lebendige Herr. Deswegen ist es angemessen, dass wir ihn auch heute noch anbeten und loben.

„Meine Seele erhebt den Herrn, und ich freue mich an Gott, meinem Heiland.“

Ist Jesus dein Retter und Herr? Wenn du das noch nicht sicher sagen kannst, dann möchte ich dich bitten, diese Advents- und Weihnachtszeit zu nutzen, um diesen Herrn besser kennenzulernen. So kann er auch zu deinem Heiland werden.

Du brauchst ihn mehr, als du vielleicht im Moment wahrnimmst. Es wäre uns als Gemeinde eine große Freude, wenn wir dir dabei helfen könnten, ihn besser kennenzulernen.

Nun, wenn Jesus dein Herr und Heiland ist, dann ist es gut, wenn du dich immer wieder darauf besinnst, was er für dich getan hat – so wie Maria das hier ganz konkret tut.

Gott hat auch dich in deiner Verlorenheit gesehen und seinen ewigen Sohn durch die Jungfrau Maria gesandt, um auch dich zu retten.

Nicht Maria veranlasste das dazu, trotz allem, trotz aller Schande und Schmach, die sie nun sicher ertragen muss, Gott aus tiefstem Herzen anzubeten. Und das, obwohl sie ja noch gar nicht genau weiß, wie das jetzt alles weitergehen wird.

Als ich das gelesen habe, dachte ich: Wenn Maria damals schon in ihrer Situation Gott aus tiefstem Inneren so froh anbeten konnte, wie viel größer und froher sollte dann meine Anbetung sein?

Maria hilft uns in unserer frohen Anbetung Gottes. Sie tut das, indem sie zuerst auf das verweist, was sie ganz persönlich mit Gott erfahren und erlebt hat. Dann schaut sie im Fortgang mit uns weiter auf den Gott, den sie kennt und den auch wir kennen dürfen.

Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit als Grund für Marias Lobpreis

Das ist das, was wir als Nächstes sehen. Maria betet Gott als ihren Retter und Herrn an, denn er ist barmherzig und gerecht. Das zeigt sich hier in Vers 50, wo es heißt: „Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.“

Die Aussage klingt ein wenig paradox, nicht? Diejenigen, die Gott fürchten, werden Barmherzigkeit erfahren. Also wie passt das zusammen: Barmherzigkeit und Furcht?

Letztendlich ist es so: Wer Gott wirklich erkennt, der wird ihn fürchten, weil Gott heilig und mächtig ist. Das hat Maria gerade bekannt. Aber gleichzeitig, wer sich einer solchen Gottesfurcht nähert, dem sagt Gott zu, dass er dieser Person in Barmherzigkeit und Gnade begegnen wird.

Die Menschen, die Gott ignorieren und sich ihm nicht in angemessener Gottesfurcht nähern, werden ihn eines Tages fürchten, wenn der Herr wiederkommt zum Gericht. Doch diese Menschen werden keine Barmherzigkeit erfahren.

Maria weiß, dass sie eines Tages vor Gott bestehen kann. Sie kennt seine Barmherzigkeit, eine Barmherzigkeit, die von Generation zu Generation weitergegeben wird, weil Gott ein ewig barmherziger und gnädiger Gott ist. Er ist barmherzig allen, die ihn erkennen und ihn in angemessener, guter Gottesfurcht fürchten – nicht zitternd vor einem Tyrannen, sondern in Ehrfurcht vor einem mächtigen, heiligen Gott.

Diese Erkenntnis, dass der Gott, der zu fürchten ist, zugleich ein so barmherziger Gott ist, führt Maria zu diesem freudigen Lobpreis. Sie erkennt, dass Gott sich nicht durch Reichtum und Erfolg in dieser Welt blenden lässt.

Während Gott in seiner Barmherzigkeit sich gerade derer annimmt, die ihn fürchten und die vielleicht in dieser Welt oft wenig gelten – so wie Maria –, wird er andererseits die Arroganten und Stolzen, die auf Kosten anderer leben, zur Rechenschaft ziehen.

Das verkündet Maria in den Versen 51 bis 53. Dort sagt sie: „Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut die Hoffärtigen in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“

Das ist der Lobpreis Marias. Sie preist den Gott, der die Ordnung dieser Welt nicht einfach so hinnimmt, sondern der mit einem ganz anderen Blick auf diese Welt schaut und alle Dinge in eine neue Ordnung bringen wird.

Er wird diejenigen, die ihm widerstehen, auch wenn sie noch so erfolgreich in dieser Welt sind, eines Tages erniedrigen. Er wird sie richten.

Blinder, arroganter Stolz, Gewaltgehabe und Machtausübung gegenüber anderen – nicht zu deren Wohl, sondern zu eigenem Nutzen – wird Gott dauerhaft nicht akzeptieren.

Doch die Menschen, die sich ihm anvertrauen, auch wenn sie in dieser Welt und in dieser Zeit leiden müssen, werden von ihm erhoben. Er wird für sie sorgen.

Das ist das, was Maria hier bekennt. Sie preist Gott dafür.

Die biblische Grundlage von Marias Lobpreis

Nur woher können wir eigentlich wissen, dass das, was Maria hier sagt, nicht einfach nur Wunschdenken ist? Es klingt ja gut, vor allem wenn wir zu den Geplagten gehören. Aber wie kann Maria das so sicher sagen?

Zum einen spricht Maria erfüllt vom Heiligen Geist. Zum anderen verkündet sie nicht nur ihre eigenen Gedanken. Wenn man genauer in die Bibel schaut, sieht man, dass in diesen Versen überall kleine Fußnoten angebracht sind. In den meisten Bibeln können wir unten nachlesen, dass sie quasi Bibelzitat an Bibelzitat reiht.

Das, was sie hier sagt, sind alles Aussagen, die wir schon im Alten Testament finden. Maria weiß diese Dinge über Gott, weil Gott sie offenbart hat. Ihre Bibelkenntnis führt sie dazu, dass sie Gott wirklich kennt – über das, was sie persönlich erfahren hat, hinaus.

Sie kann in der Geschichte Gottes mit den Menschen erkennen, dass das, was Gott an verschiedenen Stellen in der Bibel verheißen hat, das, was er über sich selbst und seinen Umgang mit den Menschen sagt, auch entsprechend gehandelt wurde. Diese Aussagen sind wahr, zum einen, weil Gott es schon lange angekündigt hat, und zum anderen, weil Gott immer wieder entsprechend gehandelt hat.

Maria kennt ihre Bibel, ihr altes Testament, und diese Worte, die sie gelesen oder gehört hat, sprudeln hier in ihrem Lobgesang quasi wieder aus ihr heraus. Ihr Lieben, das darf uns ein Vorbild sein. Mit welchen Worten könnten wir Gott angemessener preisen als mit seinen eigenen?

Ich glaube, unser Lobpreis wird dankbarer und froher, wenn er tiefer im Wort Gottes gegründet ist. Deswegen möchte ich ermutigen: Lies Gottes Wort jeden Tag. Und nachdem du Gottes Wort gelesen hast – vielleicht sollte ich besser sagen studiert hast – nimm das, was du gelesen hast, und preise Gott für das, was er dir über sich selbst offenbart hat.

Mach dein Bibellesen zur Grundlage deines Gebets. Wir Pastoren hier in dieser Gemeinde treffen uns jeden Dienstagmorgen seit einiger Zeit und lesen immer den Predigttext für den kommenden Sonntag. Nachdem wir ihn gelesen haben, gehen wir reihum und preisen Gott für das, was wir im Text gelesen haben. Wir haben einfach eine Gebetszeit.

Manchmal ist es erstaunlich, wie ein kurzer Text uns relativ viel Futter für viele Gebete gibt. Probier das mal aus! Lieber Christ, ich verspreche dir, das wird deinen Lobpreis revolutionieren.

Denn so können wir Gott loben über das hinaus, was wir gerade persönlich erleben in unserem Leben. In Gottes Wort, auch ganz konkret hier in diesem Lied der Maria, finden wir sichere Zusagen. Sichere Aussagen über Gott, über sein Wesen und über sein Handeln.

Das klar vor Augen zu haben, wird uns helfen, gerade auch in Notzeiten auf Gott zu vertrauen und bei ihm Trost und Hilfe zu finden. Lieber Christ, wenn du gerade unter Ungerechtigkeiten leidest, dann höre Marias ermutigende Worte. Sie singt dir zu: Das Urteil dieser Welt und das Unrecht dieser Welt wird nicht das letzte Wort haben.

Gott wird eingreifen, und denen, die ihm vertrauen, wird er in seiner Barmherzigkeit begegnen. Ist das nicht ein guter Grund, Gott zu loben und ihn zu preisen – ganz unabhängig von deinen aktuellen Lebensumständen?

Ihr Lieben, wir haben einen so wunderbar barmherzigen und zugleich gerechten Gott.

Gottes Treue als Grund für Marias Lobpreis

Maria preist Gott. Sie preist ihn für das, was sie ganz persönlich mit ihm erlebt hat. Sie lobt Gott, weil er ein barmherziger Gott ist. Außerdem betet sie Gott an als ihren Retter und Herrn, auch weil er treu ist und tut, was er versprochen hat.

Das sehen wir schließlich in den letzten beiden Versen, in der letzten Strophe ihres Lobpreises: Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel, wie er es zu unseren Vätern, zu Abraham und seinen Nachkommen, versprochen hat – in Ewigkeit. Maria sagt damit: Gott hält seine Versprechen. Er tut es nicht immer sofort, aber er tut es immer.

Sie weiß, dass Gott einst Abraham und den Glaubensvätern in Israel große Verheißungen gegeben hat, große Versprechungen. Er hatte angekündigt, dass er in seiner großen Barmherzigkeit und Gnade eines Tages einen Retter senden wird. Immer wieder hatte er den Heiland angekündigt. Ebenso hatte er angekündigt, dass er auch einen König senden wird – einen ewigen König als Nachfolger des großen Königs David, der für alle Ewigkeit regieren wird.

Dieser König wird auch dann noch herrschen, wenn alle anderen Könige nicht mehr da sind und alle anderen Reiche untergegangen sind. Ein König in einem ewigen Reich, der zugleich Retter ist für alle, die sich ihm anvertrauen.

Gott hatte große Versprechungen gegeben. Doch lange sah es so aus, als hätte Gott das alles vergessen, als hätte er sich abgewandt und diese Welt sich selbst überlassen. Die letzten Versprechungen lagen lange zurück. Bis er eines Tages den Engel Gabriel sandte und verkündete: Jetzt ist die Zeit der Erfüllung gekommen.

Der Engel Gabriel hatte der Jungfrau Maria verkündet, dass es nun so weit ist. Das Kind, das sie empfangen würde, sollte genau dieser Heiland und ewige König sein. Maria staunt, jubiliert und sagt: Gott ist treu. In seiner Barmherzigkeit tut er, was er versprochen hat – nicht weil wir es verdient haben, sondern trotz allem, trotz unserer Sünde und unserer so häufigen Gottvergessenheit.

Gott steht zu seinem Wort. Auch dort, wo wir untreu sind, ist Gott treu.

Das dürfen wir wissen. Wir sehen es durch die ganze Schrift hindurch: Verheißung und Erfüllung, Verheißung und Erfüllung. Das erkennen wir in der Geschichte Israels, im Alten Testament.

Gott nimmt den alten Abraham mit seiner unfruchtbaren Frau Sarai und sagt zu ihnen: „Ich will euch Nachkommen geben wie Sand am Meer. Ich will aus euch ein großes Volk machen. Und ich will euch in ein gelobtes Land führen, wo ihr unter meiner Herrschaft meinen Segen erleben werdet und zum Segen für viele werden.“

Abraham kratzt sich damals am Kopf und denkt: Nettes Versprechen, klingt super, ein bisschen wie der Weihnachtsmann. Aber wie soll das sein? Er meint, nachhelfen zu müssen, doch es funktioniert nicht. Er muss warten.

Dann aber wird Sarai schwanger. Abraham merkt, dass die Verheißung Gottes beginnt, sich zu erfüllen – über Isaak und weitere Nachkommen, bis aus diesem alten Ehepaar ein großes Volk geworden ist.

Wir sehen, wie Gottes Verheißungen sich Schritt für Schritt erfüllen. Er führt dieses Volk ins gelobte Land. Immer wieder erleben wir Verheißung und Erfüllung.

Hier in Jesus Christus kommt das große Ja auf alle Gottes Verheißungen. Gott ist treu.

Gott hat auch noch Verheißungen für unsere Zukunft. Er hat versprochen, dass sein ewiger Sohn, Jesus Christus, eines Tages sichtbar wiederkommen wird, um sein ewiges Reich für alle sichtbar aufzurichten. Dann wird er uns aus dieser gefallenen, kaputten Welt herausführen, hinein in eine neue, heile Welt unter einem neuen, herrlichen Himmel.

Die Frage ist: Vertraust du darauf, dass Gott treu ist? Gerade in gegenwärtigen Leidenssituationen macht das einen riesigen Unterschied. Vertraust du darauf, dass Gott treu ist und zu seinen Verheißungen steht?

Der Blick zurück auf Gottes Treue in der Vergangenheit hilft uns, auch zuversichtlich in die Zukunft zu schauen und auf seine Verheißungen zu vertrauen.

Gott tut, was er versprochen hat. Das darf uns gerade dann ermutigen, wenn wir durch tiefe Täler gehen und uns vielleicht fragen: Wo ist Gott? Hat Gott uns vergessen?

Oft ist das Gegenteil der Fall. Wir vergessen Gott ganz oft, wir verlieren ihn aus dem Blick. So manches Unheil, das wir erleben, hat damit zu tun, dass wir Gott aus den Augen verloren haben. Aber sei gewiss: Gott hat dich nicht aus dem Blick verloren. Gott sieht dich und ist treu.

Wenn du dich zu ihm gewandt hast, wenn du dich ihm anvertraut hast, wenn du ihn als deinen Retter kennst und ihm als deinem Herrn nachfolgst, dann darfst du wissen, dass seine Verheißungen auch dir gelten.

Eine Verheißung, die er dir für hier und jetzt gegeben hat, ist: Er wird als guter Hirte mit dir auch durch die finsteren Täler gehen. Er hat dir versprochen: „Ich bin bei dir alle Tage bis an der Welt Ende.“

Gott ist da, und Gott ist treu.

Wenn du gerade durch schwere Zeiten gehst, hoffe ich, dass dich das nicht davon abhält, dich an deinem Herrn zu freuen. Denn dein Herr steht über allen Lebensumständen.

Höre den Lobpreis der Maria und mache ihn zu deinem Lobpreis.

Marias Lebensumstände und unsere Nachfolge

Und vielleicht hast du jetzt alles hier gehört und denkst: Na gut, Maria mag so einen Lobpreis haben, das ist beeindruckend, das ist toll, sie hat ein volles Herz – wunderbar. Sie hat allerdings auch großartige Verheißungen von Engeln bekommen. Und ich? Wenn mir ein Engel erscheinen würde, okay?

Nun, ich weiß nicht, in welcher Situation du dich gerade befindest. Ich kann mir gut vorstellen, dass weder du noch ich Engelserscheinungen erlebt haben. Aber, ihr Lieben, es ist gut, sich noch einmal klarzumachen, in welcher Situation Maria hier war.

Dieser Engelsbote brachte ihr keine frohe Botschaft in Bezug auf ihre Lebensumstände. Für ihre kurzfristigen Lebensumstände war das, was der Engel ihr ankündigte, eine sehr schwere Botschaft. Sie würde als Jungfrau schwanger werden – in einer Gesellschaft, in der eine Schwangerschaft vor der Ehe eine große Schande war und nach jüdischem Gesetz sogar mit der Todesstrafe geahndet wurde.

Ihr Verlobter wusste, dass er nicht der Vater war. Wir erfahren aus dem Matthäus-Evangelium, dass er zu diesem Zeitpunkt plante, sich zu gegebener Zeit heimlich zurückzuziehen. Maria ahnte das. Sie war nicht auf der Sonnenseite des Lebens.

Aber Maria kannte Gott. Sie kannte Gott als ihren ganz persönlichen Heiland. Sie kannte ihn aus seinem Wort als einen barmherzigen und gerechten Gott, der sich gerade derer annimmt, die ihm vertrauen, auch wenn sie in sehr schweren Situationen sind. Sie kannte ihn als einen treuen Gott, der zu seinen Verheißungen steht.

Deshalb kann Maria inmitten ihrer Lebensumstände sagen: "Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes."

Wenn du heute hier bist und Jesus Christus als deinen Herrn und Heiland kennst, dann hast du jeden Grund, aus tiefstem Herzen mit einzustimmen in diesen Lobpreis. Und genau das wollen wir nun miteinander tun.

Gemeinsamer Lobpreis und Gebet zum Abschluss

Lasst uns aufstehen und miteinander singen: Meine Seele erhebt den Herrn.

Vorher bete ich noch mit uns: Himmlischer Vater, wir wollen dir danken, dass wir dich anbeten dürfen als einen einbetungswürdigen Gott, der so treu und zugleich so barmherzig und gnädig ist.

Danke für unseren Herrn und danke für unseren Heiland Jesus Christus.

Ich bete für diejenigen unter uns, die ihn noch nicht kennen, dass sie, wenn sie diesen Lobpreis gleich hören, Acht geben, hören und verstehen, was du für sie hast in Jesus Christus.

Ich bete für uns alle, dass unsere Herzen mehr erfüllt werden von diesem Lobpreis – von einem Lobpreis, der sich löst von gegenwärtigen Lebensumständen und der für alle Ewigkeit bleibt.

Das beten wir in Jesu Namen. Amen.