Gottes Nähe im Alltag und in der Gemeinde
Unser Gott spricht: „Ich will bei euch wohnen – nicht nur bei den Gottesdiensten, da erst recht, aber auch bei uns zu Hause. Ich will bei euch wohnen.“
In der Bibellese haben wir zurzeit die Abschnitte, wie Mose mühevoll den Berg Gottes hinaufgestiegen ist, um Gott näher zu kommen. Und jetzt sagt Gott: „Ich will doch zu euch kommen.“ Das wollen wir in diesem Gottesdienst erfahren.
Zum Eingang beten und singen wir: „Jesu, Jesu, Brunnen des Lebens, stell dich bei uns ein.“ Dieses Lied stammt von Hieronymus Anoni, einem Pfarrer in der Gegend von Basel, der hundert Jahre bevor die Erweckung losging, gesagt hat: „Herr, du hast doch versprochen, dass du noch einmal neues Leben schenken willst.“
Nach hundert Jahren hat Gott dieses Versprechen eingelöst. Danach sind all die Anstalten der Diakonie entstanden: die Basler Missionsanstalt, die Basler Traktatanstalt und die Basler Bibelanstalt. Diese wirkten bis weit hinein in unser württembergisches Land.
Jesus, der Brunnen des Lebens, wo das Leben strömt, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Wir wollen weiter beten und uns erheben.
Herr Jesus, hab Dank, dass wir so zu dir kommen dürfen, wie wir sind. Und hab noch mehr Dank, dass wir nicht so bleiben müssen, wie wir sind. Lass uns jetzt damit rechnen, dass du deine Hand hilfreich auf uns legst, dass dein Geist uns durchströmt, reinigt und neu belebt. Amen!
Wir beten weiter miteinander und füreinander in stiller Andacht.
„Das ist mir lieb, Herr, dass du meine Stimme hörst.“ Amen!
Psalm 51: Gottes neues Schaffen in uns
Nun darf ich Sie bitten, in Abweichung von dem, was hier sonst üblich ist, Psalm 51 im Wechsel zu beten. Ein kleiner Unterschied muss ja auch sein. Nummer 727.
Psalm 51 handelt heute davon, dass Gott in uns Neues schafft, so wie es David erbeten hat.
Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, wasche mich rein von meiner Missetat, denn ich erkenne meine Missetat. An dir allein habe ich gesündigt, auf dass du Recht behaltest in deinen Worten und ich dich nicht verletze.
Siehe, dir gefällt Wahrheit, die im Verborgenen liegt, und die Geheimen tust du mir Weisheit kund. Lass mich hören Freude und Wonne, damit die Geweinten fröhlich werden, die du zerstört hast.
Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden und tilge alle meine Missetat. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und verwirf mich nicht von deinem Angesicht. Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe und mit deinem Heiligen Geist.
Rüste mich aus. Sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist Ehre, wie es wahr ist.
Darf ich bitten, dass Sie sich setzen? Wir wollen singen vom Lied 130: O heiliger Geist, kehr bei uns ein. Die ersten vier Strophen von Lied 130.
Das Strömen von Recht und Gerechtigkeit
Es geht in der Predigt heute um das Prophetenwort, das Gottes Recht strömt. Deshalb haben wir viele Verse und Lieder, in denen es um dieses Strömen geht. Zum Beispiel „Jesu, Jesu, Brunnen des Lebens“ oder „Stell dich ein, du Quelle aller Weisheit“. Im zweiten Vers heißt es so.
Die ersten vier Strophen wollen wir singen. Gott gebe uns viel Gnade und seinen Frieden durch die Erkenntnis Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus.
Mit dieser Woche beginnt die eigentliche Passionszeit. Zu diesem Sonntag hören wir den Predigttext aus Amos 5. Im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt war die Betrachtung überschrieben mit „Hier irrt Amos, aber man muss sehen, wo er nicht irrt“.
Ich bin froh, dass das Deutsche Sonntagsblatt nicht das Evangelium ist. Ich verachte euren Feiertagskram. Ich mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, habe ich kein Gefallen daran. Ich mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen.
Tu weg von mir das Geplärre deiner Lieder, denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören. Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Vor einer Stunde war Bach dran, im Rundfunk lief eine Bachkantate – wunderbar, ein Perlenstück von Musik, erquickend fürs Herz. „Er quick uns durch dein Gnad, er weck uns durch dein Gnad, alten Menschen Schwäche, dass er neu leben mag.“
Soll das Geplärre Liebe sein? Irrt der Amos? Wir sind doch froh, dass es auch noch Gemeinden gibt, in denen es fette Dankopfer gibt, und die Plätze besetzt sind. Ich weiß gar nicht, wo wir die hinsetzen sollen, die jetzt auf Mielsberg sind.
Tut uns doch wohl, dass alt und jung beieinander ist, dass wir Feiertage haben, in denen die Seele aufatmen kann.
Was hat Amos dagegen? Es ist doch ganz einfach: Gott sagt, ich brauche das nicht. Für mich ist es nicht notwendig. Für uns ist ein wohl vorbereiteter Gottesdienst, das Singen und Spielen der Bläser und der Orgel, das Singen der Chöre, das „Warming up“ vorher mit unseren modernen Liedern wichtig. Aber ich brauche es doch nicht.
Der Gott, der umgebend lebt von den Sphärenklängen des Universums, umgeben vom Lobgesang der Engel, für den selbst der schönste Landesposaunentag mit Gloria Saidil gesungene Blechmusik ist.
Für uns ist wichtig, was uns erhebt, dass unser Geist herauskommt aus den Niedrungen, in denen wir sonst sind. Mir braucht er das nicht zu bringen, sondern vielmehr: Es ströme die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach, es ströme das Recht!
Es ist Gott wichtig, dass das herauskommt, dass er beleben kann.
Gottesdienst als Ort der inneren Erneuerung
Vor 14 Tagen hatte ich die Aufgabe, für die Lektorenpredigten unserer 700 Lektorinnen und Lektoren ein wenig Redaktionsarbeit zu leisten. Dabei stellte ein Bearbeiter die Frage als Thema für den Gottesdienst: Was ist überhaupt ein rechter Gottesdienst? Diese Frage steht auch als Leitgedanke für die heutige Predigt über den Gottesdienst.
Es war interessant zu hören, dass er darauf kam, ein rechter Gottesdienst sei dort, wo Gott so an uns wirkt, dass wir begreifen, wo wir auf falschen Wegen sind und wo er uns zu Recht bringen darf. Ein rechter Gottesdienst ist also dann gegeben, wenn das Recht so strömt, dass es mich betrifft: „Da liegst du falsch, ich will dich da ändern.“ Das war die theoretische Grundlage.
Dann, am letzten Sonntag in Korntal, in einem vollbesetzten Gottesdienst im Saal – wir befinden uns gerade in einer Predigtreihe über das Wesen der Gemeinde Jesu – hat Pfarrer Wanner ausgelegt, dass wir nicht nur auf das schauen sollten, worin wir anders sind, anders empfinden, oder was uns stört, wie das Räuspern des Anderen oder der Geruch seines Wintermantels. Vielmehr sollten wir uns auf das konzentrieren, was uns gemeinsam ist: dass der Herr Jesus unser Haupt ist, der uns beleben will, der uns durchdringen will und unser Gewissen sein will.
Plötzlich geschah bei mir etwas, das ich so ausdrücken möchte: Ich habe zuerst in der Stille gebetet: Herr Jesus, nimm mir meinen Zorn auf ein paar Menschen, nimm mir meinen Hass, der mich daran hindert, sie zu leiten, nimm meinen kritischen Geist. Im gleichen Augenblick war es, als ob der lebendige Gott – oder besser gesagt, es war der lebendige Gott selbst –, zurückgefragt hätte: „Bloß den Hass soll ich nehmen, den Zorn?“ Du liegst ganz falsch mit deiner Einstellung. Der Mensch hat dir überhaupt nichts getan. Bitte um Verzeihung für deine falsche Haltung. Nicht nur, dass der Zorn wegkommt oder der kritische Geist. Herr, was für eine falsche Einstellung habe ich gehabt, indem ich diesen Geist genährt habe? Vergib mir und hilf mir, den Menschen in Liebe neu entgegenzukommen.
Gott will ändern. Im Gottesdienst will sein Recht strömen wie ein nie versiegender Bach.
Gegenströmung zum Zeitgeist durch Gottes Recht
In der letzten Woche wurde in Stuttgart das neue Buch von Theodor Eschenburg vorgestellt. Es handelt sich um seine postum herausgegebenen Lebenserinnerungen. Ich habe mich gefreut, dass er sagt: Das Schwierigste an der Politik und am Menschsein überhaupt ist, gegen den Zeitgeist anzukämpfen und sich nicht vom Zeitgeist mitreißen zu lassen.
Es sagt das jemand, der von Religion oder Glauben herkommt, im ganzen Buch aber nichts davon erwähnt. Offenbar hat er mit dem Glauben nicht viel am Hut. Dennoch muss es eine Gegenkraft geben. Wenn Gottes Recht wie ein nie versiegender Bach strömt, dann ist das für uns wie eine Gegenstromanlage, die uns in dieser Welt hält.
Ich selbst kann nicht gegen den Zeitgeist ankämpfen; ich werde mitgerissen. Aber Gottes Geist will uns alle bewegen, damit wir wie in einer Gegenströmung ankämpfen können.
In Schneid im Remstal gibt es einen Grabstein für einen Lehrer, der vor zweihundert Jahren gelebt hat. In alter deutscher Schrift ist auf dem Grabstein eingraviert: „In einer verkehrten Welt lebte er verkehrt“, also richtig. In einer verkehrten Welt schwamm er gegen den Strom, in der Kraft Gottes.
Es hat mich dann auch gefreut, bei Theodor Eschenburg zu lesen: „Da sagt also, der Reinhold Mayr war ein Schlitzohr, unser früherer Ministerpräsident, und erst recht der Leo Wohleb in Freiburg. Aber die eigenartige Gestalt war der Gebhard Müller, ein bewusster Christ.“ Eschenburg schreibt weiter, Müller sei ohne jede Schlitzohrigkeit gewesen, ein Mann, der ganz dem Recht der Verfassung lebte und darin persönlich voranging.
Da habe ich mich gefreut, dass jemand sagt: So ist ein Christ eigentlich. Vielleicht wirkt er nach außen ein bisschen langweilig und eng, aber er ist jemand, der für das Recht eingetreten ist – der sich nicht von weltvoller Schlitzohrigkeit treiben ließ, sondern vom Strom des Rechts.
Und wie schön, dass er sogar Präsident des Bundesverfassungsgerichts wurde, und nachher Roman Herzog ebenfalls als Christ.
Wo haben wir heute solche Leute in der Politik, die sich vom Gegenstrom Gottes bewegen und treiben lassen – in einer Welt, in der sonst der Zeitgeist am Werk ist? Gott will wirken und sein Recht in uns wirken lassen.
Gottesdienst und Alltag: Wirkung und Veränderung
Es sollen sich Gottesdienste so auswirken, dass im Alltag etwas deutlich wird. Prelat Röckle, der frühere Stuttgarter Prelat, ist aus Russland zurückgekommen. Er hat evangelistische Dienste in Omsk geleistet, dort, wo unser Freund Volker Seiler, ein lieber Bruder im Herrn, jetzt Bischof ist. Dieses weite Gebiet reicht bis nach Wladiwostok.
Gerhard Rückle hat dort auf Deutsch gepredigt, und es kam eine Gemeinde zusammen. Danach wollte eine Frau mit ihm sprechen – unter Tränen. Sie sagte: „Ich bin vor vier Wochen zum ersten Mal hier zum Gottesdienst gegangen. Jahrelang war ich nicht mehr im Gottesdienst gewesen. Mein Großvater war deutscher Abstammung. Ich verstehe noch ein bisschen Deutsch, aber nicht viel. Vor vier Wochen habe ich vom Gottesdienst nicht viel mitgenommen. Doch es war wie ein Regen, der mich durchdrungen und aufgeweicht hat.“
Es waren gar nicht die Sätze, die sie verstanden hat, sondern der ganze Gottesdienst. Sie hat gemerkt: „Mein Vater, auf den ich einen wahnsinnigen Hass hatte, weil er meine Mutter und uns Kinder vor 25 Jahren verlassen und im größten Elend sitzen lassen hat, ich muss meinen Vater finden.“ Sie hat ihn gefunden – zwischen beiden Beinen amputiert. Und er hat ihr vergeben, während sie um Vergebung gebeten hat.
Ein Gottesdienst, bei dem sie die Predigt verstanden hat, hat sich so ausgewirkt. Wieder das Bild vom Regen: „Ich bin neu belebt, ich bin durchströmt, ich bin gereinigt, ich bin aufgeweicht worden von dem, was Gott bei mir tun kann.“ Gottesdienst will sich auswirken – es soll das Recht strömen.
Das Recht Gottes als lebendige Kraft im Alltag
Ludwig Hofacker hat in einer seiner wenigen Predigten, die er zwischen 1821 und 1823 halten konnte, einmal in der Lenherzkirche über die Hochzeit von Kana gepredigt. Er sagte, Jesus sei bewusst auf eine Hochzeit gegangen, wo sonst so viele Weisheitssprüche und dumme Scherze gemacht werden und wo gebechert wird. Wir wissen ja, dass der Wein ausgegangen ist. Jesus sei in diese Alltagsszene hineingegangen, damit etwas geschieht. Er offenbarte seine Herrlichkeit, zeigte, was er tun kann.
Deshalb sollen sich unsere Gottesdienste so auswirken, dass mitten in unserem Alltag etwas deutlich wird: dass wir anders gemacht sind, dass wir umgedreht werden. Es soll das Recht strömen wie ein nie versiegender Bach. So ist Herr Jesus mitten in unsere Welt gekommen.
Ich darf heute Mittag in Eidligen über das wunderbare Wort sprechen, das Pilatus über das Kreuz Jesu gesagt hat: Jesus von Nazaret. Hier war er zu Hause, nicht in der großen Stadt, sondern in der kleinen Welt Galiläas. In unsere Welt ist er gekommen, damit eine neue Kraft hineinkommt, damit wir Anschluss bekommen.
Der Herr Jesus hat das Bild aufgenommen: „Wen da dürstet, der komme zu mir.“ Bei der Samariterin sagte er: „Wer von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, der wird in ihm eine Quelle des ewigen Wassers sein, das ins ewige Leben strömt.“ Wen da dürstet, der komme zu mir.
Jesus hat das Bild vom Strömen aufgenommen. Schon auf den ersten Seiten der Bibel heißt es im Garten Eden, im Paradies, da wo Gott dem Menschen nahe war, gab es einen belebenden Strom. Dieser teilt sich in vier Hauptarme, um das Land zu bewässern. Lass die Ströme fließen, die das Land durch Strömen bewässern.
Und in der Offenbarung heißt es auch: In der Gegenwart Gottes geht ein Strom aus, um die Heidenwelt zu beleben. Ein Bild der Bibel, das nicht bei Wüsteneien bleiben soll, sondern zeigt, dass Gott beleben will.
Verstehen Sie, warum Amos sagt, es ist nicht wichtig, ob Gott in unserer Welt noch geehrt wird, ob Leute zum Gottesdienst kommen oder ob Gott Freude an Gottesdiensten haben kann? Nein, bei euch muss etwas passieren. Durch euch soll etwas geschehen. Mein zurechtbringendes Schaffen soll durch euch hindurchwirken und eure Welt verändern.
Zweifel und Vertrauen im Dienst Gottes
Kann es denn möglich sein? Als Pfarrer, der vierzig Jahre im Dienst ist und zuvor schon hauptamtlich mitgearbeitet hat, fragt man sich: Was ist dabei herausgekommen? Habe ich bloß einen Betrieb unterhalten, oder lag es an mir? Ist Gottes Wirken an mir abgeprallt?
Da war ich, wie ein Bengel, immer wieder benutzt, das Wort zu sein wie eine Brunnenröhre, die verstopft ist. Früher, bei den Stuttgarter Brunnen – kennst du die noch? –, wo man so erziehen musste, haben wir als Schulbuben gern die Brunnenröhre verstopft, sodass nichts mehr herauskam.
Ist bei mir das, was Gott als so bleibendes Wasser geben soll, verstopft, sodass nichts mehr herauskommt? Oder traue ich Gott gar nicht mehr zu, dass etwas in unserer Welt geschieht? Da sagen viele: „Die Welt ist gottverlassen, es passiert nichts mehr, kirchlich ist nichts mehr los, alles hat keinen Wert.“
So hat es ja auch Mose gedacht, als er in der Wüste war und Gott sagte: „Ich will euch, dem verdurstenden Volk, Wasser schaffen – in Hülle und Fülle.“ Da war Mose so verzweifelt, dass er seinen Stab nahm und am Felsen zerschmettern wollte. Doch Gott sagte ihm, er solle den Felsen nur berühren.
Mose hielt es nicht mehr für möglich. Wie sollte aus dem glühheißem Steinblock Wasser herauskommen? Das konnte doch nicht sein, technisch und biologisch unmöglich! Und doch strömte das Wasser, sodass alle satt wurden.
Wir wollen Gott nicht durch unseren Kleinglauben hindern, dass er an uns und durch uns etwas tut. Dass da ein Strömen in unser Leben und durch uns hindurch in unsere Umgebung kommt.
Das Bild des Nils als Symbol für Gottes Wirken
Wenn man mit dem Flugzeug etwa 11 Meter über Afrika fliegt, sieht man die Landschaft ähnlich wie auf einer guten Landkarte. Man erkennt, wie der Nil mitten durch die Wüsten fließt. Doch es ist noch viel eindrucksvoller, wenn man die gelbbraune Wüste Neuafrikas betrachtet.
Zuerst sieht man den blauen und weißen Nil, dann den Nilstrom – nicht nur irgendeinen Strom, sondern ein belebendes Band, das durch die Wüste führt. Alles, was vom Nil bewässert wird, blüht auf.
Wenn man dieses Bild auf das Leben überträgt, müsste es so sein bei Christen: das Recht Gottes strömt, das Zurechtbringen Gottes wirkt belebend in unserer Umgebung. Wir können nicht die ganze Welt heilen, aber dort, wo wir sind, sollte etwas Belebendes ausgehen.
Was bleibt? Was will Gott von uns? Er möchte, dass wir herauskommen aus dem Kleinglauben und Unglauben – so wie Mose, der im Unglauben war. Im Psalm 106 heißt es, dass ihm ungute Worte entfuhren, Worte des Zorns. Oft sind das einfach kritische Bemerkungen, die sagen: „Es wird ja doch nicht anders, ich bin eben, wie ich bin“ – ungute Worte.
Gott will nicht nur feierliche Gottesdienste, sondern er will an uns wirken. Das ist meine Freude: an euch wirken zu können, das Recht und das Zurechtbringen strömen zu lassen.
Nicht umsonst endet die Bibel fast mit diesem Satz: „Wen da dürstet, der komme zu mir.“ Wir haben doch oft Durst, auch in unseren Familien – Spannungen mit denen, die uns am nächsten sind, sind Geschenke Gottes.
Herr, lass doch dein belebendes Wasser noch einmal strömen, dein Zurechtbringen. Lass dein Recht strömen dort, wo es Spannungen in der Verwandtschaft gibt, dort, wo ich immer kritisiere.
Möge etwas von mir ausgehen, dass ich kein Giftpilz, sondern ein belebender Strom bin. „Wen da dürstet“, sagt Jesus, „der komme.“ Amen!
Lied und Gebet um Gottes belebenden Geist
Wir wollen das Lied 389 singen. Darin ist ein Vers enthalten, der von der Strömung und der Güte Gottes spricht: „Du Brunnen unerschöpfter Güte.“
Die Zeile lautet: „Lass deines guten Geistes Licht und dein hell glänzend Angesicht erleuchten mein Herz und Gemüt, oh Brunnen unerschöpfter Güte.“ Gesungen werden sollen die Strophen drei bis fünf aus Lied 389.
Gestatten Sie mir noch, zwei persönliche Erfahrungen zu teilen.
Erfahrungen mit Integrität und Gottes Wirken
Es war bei einer Konferenz des Lausanner Komitees in Oslo. Wir sprachen darüber, wie die Christenheit endlich wieder ein bisschen attraktiver werden könnte, wie die Gottesdienste vitaler, fröhlicher und lebendiger, nicht so hölzern und verknöchert sein könnten. Es wurden viele Vorschläge gemacht. Dabei mussten auch Lebensfragen und mehr politische Fragen behandelt werden.
Mitten in die Diskussion sagte der kleine, stämmige Bischof Schitemo von Morogoro fast nur halblaut vor sich hin: „What we really need is a sense of integrity.“ Was wir wirklich brauchen, ist ein Gespür für Integrität, für Ehrlichkeit. Also nicht für Schauspielerei oder Fassade, sondern dass wir wirklich vor Gott das sind, was wir sind.
Er machte eine Pause und betete dann den Vers, den wir vorher miteinander gebetet hatten: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist.“ Danach war er noch einmal still. Die Diskussion ging nicht weiter. Stattdessen sagte einer, wir sollten jetzt beten. Vielleicht könnten ein paar mitbeten. Doch fast alle der fünfzig Versammelten beteten. Es waren ganz kurze Gebete: „O Herr, vergib, wo ich dir im Wege stand“, „O Herr, lass mich doch noch einmal ein Träger deiner guten Gaben sein“, „Herr, erfülle mich neu mit deinem Geist.“
Wir hatten eine gespürte Gegenwart Gottes. Am nächsten Morgen sagte der Erzbischof John Reed aus Australien: „Noch in keinem noch so wunderbaren anglikanischen Hochamt habe ich so die Nähe Jesu gespürt wie gestern Mittag.“ What we really need is a sense of integrity – Reinheit, Empfänglichkeit für Gott. Einen Sinn für das, was wir wirklich brauchen, Herr von Gott.
Eine zweite Erfahrung aus der Schulzeit liegt schon lange zurück. Ich war der einzige in der Klasse, der das Zeichen der evangelischen Jugend trug – ein Kreuz auf der Weltkugel. Ein anderer, Norbert, trug kein Zeichen der evangelischen Jugend und war auch nicht in der evangelischen Jugend, aber er war Christ. Immer wenn es in unserem Klassenzimmer aussah wie nach einer Konfetti-Parade, war er am Boden und sammelte die Papierschnipsel auf. Wenn ein Schüler in Schwierigkeiten war, ging er zum Rektor oder Vertrauenslehrer und brachte die Sache in Ordnung.
In unserer Abiturzeitung stand: „Wo das Durcheinander am größten war, war Norbert stets der Erste, um es zu beheben.“ Sie haben mich geniert mit meinem Kreuz der evangelischen Jugend. Da war einer, durch den das Recht geströmt ist. Bei mir ist es bloß bis zum Revers gegangen.
Gott will durch uns hindurchwirken, die wir plötzlich spüren: Ich brauche einen Sinn für Integrität, für Wahrheit, für Ehrlichkeit. Dass die Fassade der Scheinheiligkeit wegkommt und deines guten Geistes Licht und dein hell glänzendes Angesicht durch mich hindurchscheint. So haben wir es betend gesungen.
Jetzt wollen wir miteinander darum beten. Wir wollen aufstehen. Herr Jesus, lass uns ehrlich sein vor dir, damit wir durch deine Güte erkennen, was wir brauchen, und es nicht immer wieder durch Zweitrangiges zudecken. Du bist der große Zurechtbringer. Dazu bist du in unsere Welt gekommen, damit du Menschen rechtfertigst – wie dort den Zöllner im Tempel. Er ging hinab gerechtfertigt, obwohl er vorher gespürt hatte, was alles in seinem Leben falsch war.
Tu das auch bei uns, damit wir deinen belebenden Strom des Zurechtbringens weitertragen können in unsere Welt hinein. Danke, dass du das tun willst. Verwehre uns allen Kleinglauben und Unglauben, der dir nicht zutraut, was du vermagst. Wir sind gespannt darauf, was du bei uns erst noch tun wirst.
Und wenn sich alle Widerstände des Bösen dagegen erheben, sei du stärker mit einem Gegenstrom gegen all das, was uns verhindern will, mit dir zu leben. Sei bei denen, die auf dem Michelsberg sind, aus unserer Gemeinde. Segne sie, schenke ihnen die Belebung und gib in unserem Volk, in unserer Gesellschaft, in der so viel Notvolles ist – nicht nur bei den Oberen, sondern auch bei uns – ein neues Gespür für dein Recht, was vor dir Recht und Gut ist. Gib auch die Kraft, es dann zu tun. Amen.
Vaterunser und gemeinsames Singen
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!
Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Wir wollen uns noch einmal setzen und vom Lied 135 die Strophen vier und fünf singen:
Gültner Himmelsregen, schütte deinen Segen auf der Kirche.
Lass den Regen Gottes uns durchweichen, durchströmen und empfänglich machen.
Es sind die Strophen vier und fünf von "In der Himmelswehe".
Mitteilungen zur Gemeinde und Personalwechsel
Im Auftrag des Kirchengemeinderates möchte ich Ihnen heute Morgen Folgendes mitteilen.
Wie Ihnen bereits zum Teil bekannt ist, wird Pfarrer Winrich Schäffbuch im Juli 2000 aus dem Pfarrdienst ausscheiden. Aus diesem Grund wurde die Pfarrstelle der Ludwig-Hofer-Gemeinde im Januar 2000 zur Wiederbesetzung ausgeschrieben.
Nach der Kirchenordnung erfolgt die Wiederbesetzung der Pfarrstelle nach dem sogenannten Benennungsverfahren, da Pfarrer Schäffbuch ursprünglich nach dem Wahlverfahren berufen wurde. Der Oberkirchenrat hat dem Besetzungsgremium die Benennung am 28.02.2000 mitgeteilt.
Das Besetzungsgremium besteht aus dem Kirchengemeinderat sowie einem Vertreter des Gesamtkirchengemeinderats. Dieses Gremium hat in seiner Sitzung am 04.03.2000, also gestern Morgen, dem Benennungsvorschlag des Oberkirchenrats mit großer Freude zugestimmt.
Ab September 2000 wird Herr Jürgen Schwarz in Stellenteilung mit seiner Frau Franziska Stocker-Schwarz aus der Brüdergemeinde in Wilhelmsdorf die Fachstelle hier an unserer Gemeinde übernehmen. Bitte bereiten Sie diesen Wechsel im Gebet vor.
Der Kirchengemeinderat ist sich sicher, dass mit dieser Entscheidung die klare biblische Wortverkündigung und damit die verbundene geistliche Prägung unserer Gemeinde fortgesetzt werden wird. Ich danke Ihnen.
Wir danken den Mitgliedern des Kirchengemeinderats für ihren großen Einsatz in den schwierigen letzten beiden Jahren, in denen es um die Existenz der Gemeinde und um die Neubesetzung der Pfarrstelle ging.
Denken Sie auch in der Fürbitte daran, dass die Brüdergemeinde Wilhelmsdorf wieder die richtigen Pfarrleute bekommt.
Vielleicht singen wir als Antwort auf diese Entscheidung das Lied 255 „Oh, dass doch bald ein Feuer brennte“. Dabei geht es nicht nur um das Feuer, sondern besonders um Strophe 6:
„Du unerschöpfter Quelle des Lebens, allmächtig starker Gotteshauch,
dein Feuermeer ströme nicht vergebens,
achte Sünden in unserem Herzen auf.“
(255, Vers 6)
Herr Stahl, wir machen Ihnen hier oben vielleicht ein wenig Beschwer, aber wir danken Ihnen für Ihren Einsatz. Wir wollen das mal ausprobieren, wie beweglich Sie sind.
255, Vers 6 – toll! Du unerschöpfter Quell!
Und rüste, Herr, das Ehepaar Schwarz-Stocker-Schwarz aus mit einem guten Heiligen Geist, auch mit der Kraft, sich von ihrer Gemeinde zu lösen und hier neu zu beginnen – zum Segen für die vielen, die auf die Verkündigung deines klaren Wortes und auf Seelsorge hoffen.
Danke für allen Dienst, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschehen konnte. Amen.
Vielen Dank, Frau Stahl, das ist ja großartig, wie Sie sofort aufs neue Lied eingestiegen sind.
Aktuelle Nachrichten und Segen
Jetzt noch einige Abkündigungen.
Es gibt nicht nur erquickende Ströme, sondern auch furchtbare. Vor 14 Tagen durfte ich in Südafrika sein und habe dort gespürt, welche Bedeutung der Limpopo für das Land hat. Die Buren wollten ursprünglich von Natal bis zum Limpopo vordringen, um diesen Fluss anzuzapfen, der sonst eigentlich nur ein armseliges Rinnsal ist.
Wer einen Fernseher besitzt, hat in den letzten Tagen gesehen, wie der Limpopo zu einem furchtbaren, vernichtenden Strom angeschwollen ist. Er hat Dörfer und Siedlungen überflutet. Es hat mich auch bewegt, wie diese burischen Soldaten mit ihren Helikoptern jetzt plötzlich in einem Land, in dem früher noch Rassentrennung herrschte, strikteste, die keinen schwarzen Menschen beachteten, nun schwarze Kinder und Frauen retten.
In diesem Land haben Sie als Gemeinde das Vorrecht, dass die von Ihrer Gemeinde ausgesandte Mitarbeiterin Andrea Hilger, die mit Ihnen unmittelbar im Kontakt steht, im medizinischen Koordinierungsbüro der evangelischen Kirchen des Landes arbeitet. Sie kümmert sich sonst um Straßenkinder, hilft aber im Augenblick in der Hauptstadt Maputo in dieser Katastrophensituation aus.
Unser heutiges Opfer ist für den Dienst von Frau Hilger in Mosambik bestimmt. Vielen Dank im Voraus.
Durch Krankheit werden leider eventuell in den nächsten Tagen noch Plätze auf der Türkeireise frei. Diese können entweder von einem Mann, einem Ehepaar oder zwei Frauen genutzt werden. Fragen Sie einfach bis Dienstagabend telefonisch bei Beate und Winrich Scheffuch nach.
Der Zeitraum der Reise ist vom 31. März bis zum 8. April. Wer Interesse hat, kann auch bei Frau Bayer noch einen Prospekt erhalten. Vielleicht wird also noch der eine oder andere Platz frei.
Nun wollen wir uns erheben zum Segen: Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns Frieden.