Warst du schon einmal in der Situation, dass du einer Person eine Nachricht schreiben musstest, um sie auf gewisse Missstände in ihrem Leben hinzuweisen? Das ist manchmal eine heikle Angelegenheit. Da stellt sich die Frage: Wie fange ich an?
Einige wählen den direkten Ansatz und gehen sofort zur Sache. Das ist jedoch nicht immer hilfreich. Genau in dieser Situation befindet sich der Apostel Paulus, bevor er den ersten Korintherbrief schreibt. Er hat Informationen von der Gemeinde in Korinth erhalten, die viele Probleme hat. Deshalb schreibt er einen Brief, um diese Probleme anzusprechen. Vermutlich hat auch er sich die Frage gestellt: Wie fange ich an?
Umso erstaunlicher ist, dass die ersten Verse des ersten Korintherbriefs von Gnade durchdrungen sind. Und das ist mein Predigtthema heute: Startpunkt Gnade.
Ich beginne heute mit einer neuen Predigtreihe zum ersten Korintherbrief. Ich habe vor, in insgesamt wahrscheinlich 32 Predigten diesen gesamten Brief zu durchgehen. Ich predige einmal im Monat, das heißt, wir werden als Gemeinde in den nächsten drei Jahren mindestens einmal im Monat im ersten Korintherbrief sein.
Ich glaube, dass dieser Brief ein sehr, sehr wichtiger Brief ist. Außerdem bin ich total überzeugt vom fortlaufenden Predigen durch biblische Bücher. Das hat den großen Vorteil, dass nicht nur die Lieblingsthemen der Prediger behandelt werden.
Im ersten Korintherbrief gibt es zum Beispiel Texte, die ich bisher immer erfolgreich umschifft habe. Jetzt habe ich keine Wahl mehr, ich muss Vers für Vers durchgehen. Und das ist sehr gut für die Gemeinde. Wenn wir diesen Ansatz wählen – ich sage nicht, dass es der einzig wahre Weg ist –, dann unterweisen wir die Gemeinde im ganzen Ratschluss Gottes.
So entsteht keine Unausgewogenheit in der Lehre, weil einfach alles gepredigt wird. Deshalb freue ich mich sehr auf diese Reihe, die vor uns liegt. Es werden viele wichtige Themen angesprochen, die für uns als Gemeinde und für uns persönlich in unserer Heiligung wichtig sind.
Es gibt aber auch einige heikle Themen, die wir uns entsprechend anschauen werden.
Heute beginnen wir mit den ersten drei Versen, die ich zunächst vorlesen möchte:
Paulus, berufener Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, und Sostenes, der Bruder, an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, ihres und unseres Herrn: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Das ist unser Text für heute.
Schon beim oberflächlichen Lesen fällt auf, dass hier drei Punkte genannt werden: der Autor, die Empfänger und der Gruß. Wenn man jedoch genauer hinschaut, erkennt man, dass in diesen Versen besonders die Gnade Gottes hervorgehoben wird.
Der Startpunkt ist die Gnade. Dementsprechend lautet mein erster Punkt: die Gnade im Leben des Paulus.
Paulus ist der Autor des ersten Korintherbriefs. Er schreibt den Brief circa 55 nach Christus aus Ephesus. In dem Brief erwähnt er auch einen Sustenis. Das könnte wahrscheinlich der Synagogenvorsteher sein, der in Apostelgeschichte 18 zum Glauben gekommen ist und aus Korinth stammt. Das würde erklären, warum Paulus ihn hier in einem Brief an die Korinther erwähnt.
Paulus bezeichnet sich hier als berufener Apostel Christi Jesu. Die Gnade im Leben des Paulus zeigt sich einmal in seiner Berufung. Zunächst müssen wir uns die Frage stellen: Was ist ein Apostel? Apostel heißt zunächst vom griechischen Wort "Herr Apostolos" ganz allgemein Gesandter.
Es gibt aber auch das apostolische Amt, und genau das ist hier gemeint. Aus der Apostelgeschichte erfahren wir, dass ein Apostel im Sinne des Amtes jemand sein musste, der eine persönliche Begegnung mit Jesus als dem Auferstandenen gemacht hat. Außerdem musste er persönlich von Jesus in diesen Dienst gerufen worden sein.
Paulus war zunächst nicht dabei, als Jesus seinen Jüngern als Auferstandener erschien. Paulus war nicht einer der Zwölf und dann der Elf. Er war nicht von Anfang an dabei. Später jedoch machte er eine Begegnung mit dem Auferstandenen. Das erwähnt er in 1. Korinther 15. Dort heißt es ab Vers 8: "Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter allen Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe."
Aber – und jetzt kommt das Aber – durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Ich glaube, das kann man heute auch als Kind Gottes sagen: Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Nicht durch mein Studium, nicht durch meine Leistung, sondern durch die Gnade Gottes in meinem Leben.
Paulus hat nie aufgehört, über die Gnade Gottes zu staunen, auch in seinem letzten Brief. Da erfasst er sich regelrecht an den Kopf und kann es nicht glauben, dass er diese Gnade empfangen hat. Kann man so über die Gnade Gottes in seinem Leben staunen? Paulus konnte das.
Er war komplett auf dem falschen Weg. Er war ein Verfolger der Gemeinde, ein Verfolger der Christen, ein Hasser des Evangeliums. Doch als er auf einer Straße war, die nach Damaskus führte, begegnete er dem Auferstandenen persönlich. Nicht weil er ihn gesucht hatte, sondern weil Jesus Paulus gesucht hat.
Gnade – da war nichts in Paulus, was Gott dazu bewegen konnte, ihn zu retten. Jesus hat sich in seiner Gnade entschieden: "Ich komme in sein Leben." Und Paulus hat sein Leben auf dieser Straße nach Damaskus komplett umgekrempelt.
Paulus wurde von seiner Verlorenheit gerettet. Er wurde zum Apostel berufen, zum Missionar des Evangeliums. Das war Gottes souveränes Handeln im Leben von Paulus. Paulus möchte das hier wirklich betonen. Er schreibt: "berufener Apostel" und fügt hinzu: "durch Gottes Willen". Es war nicht Paulus selbst, Gottes Gnade hat in seinem Leben eingegriffen.
Der Theologe Eckhart Schnabel bringt es gut auf den Punkt: Paulus hat sich nicht freiwillig zum Missionsdienst gemeldet, sondern Jesus hat ihn zu dieser Arbeit berufen. Dessen war sich Paulus immer bewusst. Er sagt sogar in 1. Korinther 9: "Ein Zwang liegt auf mir" – im positiven Sinne – "ich muss das Evangelium verkündigen."
Paulus kannte seine Berufung, und Paulus lebte seine Berufung.
Meine Frage an dich heute lautet: Kennst du deine Berufung? Kennst du deine Berufung und lebst du sie auch?
Ich weiß, das Wort Berufung ist ein großes Wort. In christlichen Kreisen wird es zudem unterschiedlich verstanden. Es beginnt jedoch damit, dass du ein immer klareres Verständnis davon bekommst, was Gottes Wille für dein Leben ist. Wo will Gott dich gebrauchen? Welche Gaben hat er dir gegeben? Wo sind die speziellen Aufgaben, die Gott für dich vorbereitet hat?
Nicht jeder Christ erlebt eine so spektakuläre Berufung wie Paulus. Das muss auch nicht immer so sein. Es gibt kein Schema F beim Thema Berufung.
Aber eines kann ich dir heute sagen, und ich möchte es dir zusprechen: Die Gnade Gottes will dich gebrauchen für sein Reich. Gott will Anspruch auf dein Leben erheben, und er hat das Recht dazu.
Es kann sein, dass Gott für dich etwas vorbereitet hat, das noch vor dir liegt. Etwas, das du jetzt noch nicht weißt – eine Aufgabe für den Rest deines Lebens oder auch für einen größeren Lebensabschnitt. Berufungen können sich im Laufe der Zeit zumindest schwerpunktmäßig auch mal ändern.
Vielleicht will Gott dich in diesem Jahr an eine Gemeindegründung berufen. Hast du schon einmal darüber nachgedacht? Vielleicht will Gott dich berufen, so wie die Werners, um in die Mission zu gehen. Um den Nationen, den Stämmen und den Völkern, die den Namen Jesus noch nie gehört haben, die frohe Botschaft zu bringen. Bist du offen dafür?
Bist du bereit, mit Jesaja 6,8 zu beten: „Herr, hier bin ich, sende mich!“? Vielleicht ist dieses Jahr das Jahr, in dem du den Ruf Gottes noch einmal so deutlich hörst – in die Mission zu gehen oder hier in Deutschland auf der Arbeit ein viel stärkeres Zeugnis zu sein, eine Gemeinde zu gründen oder einen evangelistischen Hauskreis zu starten.
Wenn du darüber noch keine Klarheit hast, bitte warte nicht passiv auf ein spektakuläres Ereignis. Fang an, dort, wo du bist, treu zu dienen. Nimm die Aufgaben an, die Gott ganz offensichtlich vor deine Füße gelegt hat. Pack sie an mit dem Gebet: „Herr, wenn du etwas anderes vor mir hast, berufe du mich und führe du mich.“
Für Paulus war seine Berufung etwas sehr, sehr Besonderes. Es war die Gnade Gottes in seinem Leben, und er konnte es kaum fassen. Er ist nie darüber hinweggekommen: Gott will mich gebrauchen.
Ich wünsche uns diese Begeisterung für die Gnade Gottes.
Paulus wurde berufen, aber die Gnade Gottes hat ihn nicht nur berufen, sie hat ihn auch bevollmächtigt. Das ist mein zweiter Unterpunkt.
Paulus erwähnt hier im 1. Korinther 1, am Anfang sehr bewusst sein Apostelamt. Das macht er nicht in allen Briefen, aber hier tut er es, um auf seine apostolische Autorität hinzuweisen. Gerade im 1. Korintherbrief muss er viele Missstände in der Gemeinde ansprechen.
Es geht um Spaltungen in der Gemeinde, um sexuelle Unmoral, um Rechtsstreitigkeiten unter Gläubigen, um einen Fall von Gemeindezucht, verschiedene Aspekte des Ehelebens und des Single-Daseins, das Essen von Götzenopferfleisch und andere Grauzonen. Außerdem behandelt er das Verhalten bei Gottesdienstversammlungen und am Ende sogar die leibliche Auferstehung, von der der ganze christliche Glaube abhängt.
All diese Dinge muss Paulus ansprechen. Dabei nennt er sich bewusst Apostel Jesu Christi. So stellt er sich den Korinthern vor, um deutlich zu machen: Dies ist kein privates Schreiben. Es ist keine persönliche Meinung, die ich hier aufschreibe. Ich schreibe als bevollmächtigter Apostel Jesu Christi.
Die Apostel und Propheten bilden das Fundament der neutestamentlichen Gemeinde. In Epheser 2, Vers 20 schreibt Paulus: „Ihr seid aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst der Eckstein ist.“ Dementsprechend sind die Worte des Paulus als Apostel für uns genauso Gottes Wort wie die Worte Jesu in den Evangelien.
Das ist der Fehler, den die liberale Theologie macht: Sie spielt die Worte Jesu und die Worte des Paulus gegeneinander aus. „Ja, das hat Paulus gesagt, bei Jesus finde ich das nicht.“ Das ist ein großer Fehler, denn auch die Worte von Paulus sind autoritatives Wort Gottes für dein Leben. Das ist der Selbstanspruch der Heiligen Schrift.
Paulus sagt zum Beispiel in 1. Thessalonicher 2, Vers 13: „Darum danken wir auch Gott ohne Unterlass dafür, dass ihr das Wort der göttlichen Predigt, das ihr von uns empfangen habt, nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern als das, was es in Wahrheit ist, als Wort Gottes, das in euch wirkt, die ihr glaubt.“
Ich möchte dich einladen, im Laufe unserer Korintherserie – aber nicht nur da, sondern immer, wenn du hier sitzt und eine Predigt hörst –, diese Botschaft als Gottesreden in deinem Leben wahrzunehmen.
Wir stellen uns als Christen niemals über das Wort Gottes, aber auch niemals neben das Wort. Wir sollten uns immer unter das Wort Gottes stellen. Das Wort Gottes hat das Sagen, auch wenn es dir manchmal nicht passt.
Das Wort Gottes ist ein zweischneidiges Schwert. Manchmal muss Gott durch sein Wort schneiden, um zu heilen. Das ist wie bei Chirurgen. Auf Latein steht im OP-Saal: „Wir verletzen, um zu heilen.“
Manchmal ist das Wort Gottes nicht nur ermutigend, sondern auch ermahnend, wachrüttelnd und korrigierend. Genau das brauchen wir so dringend in unserem Leben. Wo würden wir hinkommen, wenn uns Gott nicht ständig korrigieren würde?
Das ist auch mein Wunsch für dich: dass du diese Predigt und generell Predigten sowie deine stille Zeit mit der Herzenshaltung angehst: „Rede her, dein Knecht hört.“
Diese Haltung zum Wort Gottes kann man mit zwei Bildern beschreiben. Ich habe einen Stein und einen Schwamm nebeneinander gestellt.
Der Stein wird vom Wasser zwar äußerlich nass, aber das Wasser dringt nie wirklich in den Kern ein. Vielleicht ist das deine Herzenshaltung: Du sitzt hier, es ist alles nett, viele Leute sind da, du findest die Predigten ganz gut, aber es bleibt nur oberflächlich. Du wirst ein bisschen vom Wasser nass, doch es dringt nicht wirklich in dein Herz ein.
Ich wünsche dir eine Herzenshaltung, die man viel eher mit einem trockenen Schwamm vergleichen kann, der bereit ist, alles aufzusaugen, weil es von einem guten Gott kommt, der gute Absichten für dein Leben hat.
Es ist immer Gnade, wenn Gott in unser Leben spricht. Mit dieser Haltung wollen wir uns immer unter das Wort Gottes stellen.
Die Gnade zeigt sich aber nicht nur im Leben von Paulus, sondern auch im Leben der Korinther. Das ist heute mein zweiter Punkt: ganz einfach drei Verse, drei Punkte – die Gnade im Leben der Korinther.
Wenn wir die ersten Worte aus Vers 2 lesen, stellen wir fest, dass in Korinth eine Gemeinde entstanden ist. Und das ist Gnade. Paulus schreibt an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist. Darin steckt schon sehr viel, was wir über Gemeinde lernen können.
Erstens: Es ist Gottes Gemeinde, sie gehört Gott. Gemeinde gehört nie den Pastoren, aber auch nicht den Gemeindemitgliedern. Gemeinde gehört immer Gott. Er hat sie rechtmäßig erkauft durch das Blut seines Sohnes. Er hat den Höchstpreis bezahlt. Sie ist seine Braut, seine. Deswegen müssen wir uns immer wieder die Frage stellen: Herr, was willst du von Gemeinde, nicht: Was wollen wir?
Das erfahren wir. Dann erfahren wir aber auch, dass Gemeinde immer lokal greifbar ist. Ich liebe diesen Relativsatz „an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist“. Wisst ihr, wir müssen unterscheiden zwischen Universalgemeinde und Lokalgemeinde.
Die Universalgemeinde ist die Summe aller Wiedergeborenen zu allen Zeiten an jedem Ort. Wenn Jesus sagt: „Ich werde meine Gemeinde bauen“, dann meint er Gott sei Dank nicht nur Köln Ostheim, sondern weltweit die Gläubigen.
Aber es gibt nicht nur die Universalgemeinde, die ja nicht immer so ganz greifbar ist als Ganzes, es gibt auch die Ortsgemeinde. Und es ist der Wille Gottes, dass du Teil einer Ortsgemeinde bist.
Die Ortsgemeinde ist der verbindliche Zusammenschluss von Gläubigen, die Woche für Woche zusammenkommen, um Gott anzubeten, um das Abendmahl zu feiern, um auf das Wort Gottes zu hören und sich zu erbauen. Das ist Ortsgemeinde.
Wenn du noch in keiner Ortsgemeinde bist, schließe dich irgendeiner bibeltreuen Ortsgemeinde an. Gemeinde ist immer konkret vor Ort. In diesem Fall, in unserem Fall, ist es die Ortsgemeinde in Korinth.
Ich möchte euch gerade zu Beginn meiner Serie auch ein bisschen in die Hintergründe einführen. Die griechische Stadt Korinth hatte im ersten Jahrhundert ungefähr 80.000 Einwohner. Das heißt, es war eigentlich für damalige Verhältnisse eine absolute Großstadt.
Ich habe auch mal eine Karte mit dabei. Strategisch war die Stadt sehr gut gelegen, zwischen Athen und Sparta. Diese günstige Lage war auch verantwortlich für den Aufschwung im Handel, also eine wirtschaftlich relativ starke Stadt.
Zudem kam die hervorragende Infrastruktur durch die beiden Häfen in Kentrea – dort kam die Vöbe her, die den Römerbrief überbracht hat – und Lechaion. Das sind die beiden Häfen direkt in der Nähe.
Dazu kamen dann auch noch die isthmischen Spiele. Die isthmischen Spiele kann man vergleichen mit den Olympischen Spielen. Das war ein Riesensportereignis, ein Spektakel direkt in der Nähe von Korinth. Da kam die ganze Welt zusammen, und das hat natürlich auch zur Berühmtheit der Stadt beigetragen.
Mit der Moral war es in Korinth nicht gut bestellt, wie in den meisten Hafenstädten. Aber gerade in Korinth gab es den Aphroditekult. Aphrodite ist die griechische Liebesgöttin.
Damit verbunden war die Prostitution ein Kennzeichen der Stadt. Und zwar so krass, dass man in alten griechischen Texten den Ausdruck „Ich praktiziere Prostitution“ mit den Worten „ich korinthisiere“ wiedergegeben hat.
Das ist schon heftig, wenn das Synonym wird. Da können wir sehen: Korinth war eine ziemlich sündige Stadt. Man könnte sagen, es ist das Sodom und Gomorra im Neuen Testament.
Wenn wir das im Hinterkopf haben, dann leuchtet die Gnade Gottes doch umso heller auf, wenn wir jetzt die Worte lesen: „an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist“. In Korinth ist eine Gemeinde entstanden – mittendrin.
Wie kann es sein, dass es in einer so sündigen Stadt eine Gemeinde gibt, die Jesus bekennt?
Ihr Lieben, in Korinth ist das eingetreten, was Paulus in Römer 5,20 sagt: „Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden.“ Gnade ist immer stärker als Sünde, Amen! Die Gnade hat das letzte Wort im Leben eines Christen. Wenn Gott sich entscheidet zu retten, dann macht er das. Und die Gnade hat Korinth förmlich heimgesucht.
In Apostelgeschichte 18 lesen wir den Bericht. Wie ist diese Gemeinde denn jetzt entstanden? Paulus ist dorthin gegangen und hat das Evangelium verkündet. Ab Vers 7 heißt es in Apostelgeschichte 18: „Und er ging hin von dort und kam in das Haus eines Gottesfürchtigen namens Titius Justus, dessen Haus an die Synagoge stieß. Christus aber, der Vorsteher der Synagoge, glaubte an den Herrn mit seinem ganzen Haus.“ Und jetzt kommt es: Viele Korinther, die hörten, wurden gläubig und ließen sich taufen.
Der Herr aber sprach durch eine Erscheinung in der Nacht zu Paulus: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht, denn ich bin mit dir, und niemand soll dich angreifen, dir Böses tun, denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.“ Wisst ihr, Paulus geht nach Korinth und er macht das einzig Richtige. Er will nicht Menschen gefallen, sondern predigt einfach nur Christus. Das sagt er auch im 1. Korinther 2 ganz am Anfang: „Ich habe mich entschieden, unter euch nichts zu wissen, nichts zu predigen als nur Christus, den Gekreuzigten.“
Ihr Lieben, ich glaube, das ist der Grund für die geistliche Dürre in unserem Land. Es gibt viel zu viele Kirchen, viel zu viele Gemeinden, in denen alles Mögliche gepredigt wird – aber nicht Christus. Und das ist das, was wir immer als unseren Hauptfokus der Verkündigung haben müssen: Wir predigen Christus. Was sollen wir denn sonst predigen? Dort, wo Christus gepredigt wird, da passiert etwas.
Paulus kommt nach Korinth, Menschen kommen durch die Kraft des Evangeliums, durch die rettende Gnade Gottes zum Glauben. Diese Gemeinde wird kunterbunt. Da kommen Griechen zum Glauben, Juden, Reiche, Arme, Sklaven – und das ist Gemeinde nach dem Neuen Testament: immer kunterbunt. Immer kunterbunt, Gott sei Dank! Sie alle erleben die Gnade Gottes in ihrem Leben.
Paulus ist nur das Werkzeug – das möchte ich auch bewusst so betonen. Paulus ist nur das Werkzeug, Gott ist hier der Handelnde. Es ist Gott, der sich entscheidet, diese sündige Stadt in seiner Gnade heimzusuchen. Das sagt er Paulus in der Nacht noch einmal deutlich als Ermutigung: „Paulus, fürchte dich nicht, verkündige das Evangelium, ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.“
Wisst ihr was? Das ist nicht die Bezeichnung für diejenigen, die alle schon gerettet sind. Das sind diejenigen, die markiert wurden – der Herr will sie retten. Und er sagt zu Paulus: „Du predigst, ich rette.“ Das ist Gnade, das ist pure Gnade.
Paulus war insgesamt achtzehn Monate in Korinth, eineinhalb Jahre, und Gott hat in dieser sündigen Gegend so vieles gewirkt. Römer 5,20 passt so sehr: „Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden.“
Ich kann mich noch gut an einen Missionseinsatz erinnern. Als Jugendlicher war ich einmal in Thailand mit meinem leiblichen Bruder Frank und einem anderen Bruder aus der Gemeinde. Wir besuchten dort einen Missionar, und die Zeit mit ihm hat uns sehr geprägt.
Wir waren bei dem Missionar Raimund Homberg. Raimund ist ein Phänomen: Er ist als Hippie nach Thailand gegangen. Er wurde nicht von einer Gemeinde ausgesandt, sondern hat sich dort bekehrt und ist dann Missionar geworden. Für uns war die Zeit mit ihm sehr prägend und erfrischend. Oft ist es ja so, wenn man Gemeindekind ist, dass man gewisse Floskeln hört und denkt: „Ja, das kenne ich.“ Raimund hatte aber eine Art, dieselben Dinge einfach mal erfrischend anders zu sagen.
Wir sprachen mit ihm über unsere weiteren Pläne. Wir wollten nach Phuket fahren, um dort den Missionseinsatz fortzusetzen. Phuket ist eine recht beliebte Insel im Süden Thailands. Raimund erzählte uns, welchen Strand wir auf jeden Fall meiden müssten. Auf der ohnehin vom Sextourismus heimgesuchten Insel sagte er: „Der Strand ist extrem schlimm, geht da auf keinen Fall hin.“
Das war für uns klar, sicher würden wir diesen Strand meiden. Doch dann fügte er hinzu: „Dieser Strand braucht so dringend eine Gemeinde. Der Pastor müsste sehr, sehr gut verheiratet sein, aber dieser Strand braucht so dringend eine Gemeinde.“ Da mussten wir erst mal überlegen. Man denkt ja normalerweise: sündiger Strand, weg, weg, weg, Absonderung. Aber genau da muss eine Gemeinde hin.
Wir mussten darüber nachdenken, denn eigentlich hat er Recht: Ein sündiger Strand braucht so dringend eine Gemeinde. Wenn Gott auf die sündige Stadt Korinth schaute, entschied er in seiner Gnade: Korinth braucht so dringend eine Gemeinde. Als Gott vor einigen Jahrzehnten auf die sündige Stadt Köln schaute, sagte er: Köln braucht so dringend eine Gemeinde. Gott sei Dank gibt es einige Gemeinden in Köln. Das ist Gottes Gnade, sein Handeln. Es soll Mut machen, dass Gott dort Gemeinde baut, wo man es nicht erwarten würde und dass die Sünde im Umfeld kein Hindernis für die durchbrechende Gnade Gottes ist.
In welchen Gegenden braucht es noch Gemeinden in Deutschland? Wir denken an den Osten. Der Osten braucht so dringend Gemeinden. Wisst ihr, zu Beginn der Corona-Zeit haben wir als Pastoren wöchentlich E-Mails aus ganz Deutschland bekommen. Es waren Hilferufe von Menschen, die sagten: „Ich habe jetzt eure Gemeinde im Livestream gefunden und bin so dankbar für die Lehre. Aber in meiner Gegend gibt es keine Gemeinde, keine bibeltreue Gemeinde weit und breit. Hier gibt es nur Regenbogengemeinden und so weiter, aber keine bibeltreuen Gemeinden.“
Wir haben uns diese E-Mails ausgedruckt. Es war ein Stapel von Hilferufen. In diesem Jahr, wie wir euch bereits beim Visionsabend mitgeteilt haben, haben wir den Eindruck, dass der Herr uns eine Antwort auf all diese Hilferufe in Deutschland gegeben hat.
Wir möchten als Gemeinde bis zum Jahr 2050 an der Entstehung von 150 Gemeinden beteiligt sein. Dafür beten wir. Wir wollen ständig Leute aussenden, Gemeinden gründen und unsere Kraft, unsere Zeit und unser Geld dafür einsetzen, damit der Name Jesu in Deutschland wieder verbreitet wird und es bibeltreue Gemeinden gibt, die Christus predigen.
Ein Pastor aus Amerika hat den Satz geprägt: „Die Hoffnung für diese Welt ist die Ortsgemeinde.“ Gott hat sich entschlossen, durch die Ortsgemeinde seine Heilsabsichten in dieser Welt zu verwirklichen.
Möge die Gnade Gottes noch viele Gegenden, auch in unserem Land, heimsuchen. Ich möchte dich ermutigen, dir die Frage zu stellen: Herr, willst du mich gebrauchen?
Erstaunlich ist nicht nur, dass es in der sündigen Stadt Korinth jetzt eine Gemeinde gibt, sondern auch, wie Paulus seine Adressaten hier anspricht. In Vers 2 heißt es: „An die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen.“
Das führt uns zum nächsten Punkt: Wie zeigt sich die Gnade Gottes im Leben der Korinther? Es geht um ihre neue Identität. Die Bezeichnung „Heilige“ für die Korinther ist eigentlich ziemlich überraschend, vor allem wenn man den Rest des Briefes kennt. Wenn ich den Philipperbrief lese und Paulus nennt die Philipper Heilige, da kann man leicht mitgehen. Die Gemeinde in Philippi hat das Evangelium total unterstützt. Da sagt man: „Oh, da müssen wir auf sie hochschauen als Gemeinde.“ Aber die Korinther? Ich glaube, es gibt keine Gemeinde im Neuen Testament mit mehr Problemen als Korinth.
Wie ist das einzuordnen? Warum bezeichnet Paulus sie als Heilige? Später im Brief muss Paulus den Korinthern sagen: „Geht nicht mehr zu den Prostituierten“, „Geht nicht gegeneinander vor Gericht“, „Kommt nicht betrunken zum Abendmahl.“ Oh, Gott sei Dank, die Probleme haben wir hier wohl nicht, hoffentlich. Wie kann Paulus seine Adressaten also als Heilige bezeichnen?
Es ist hier ganz wichtig zu verstehen, dass das Etikett „heilig“ für die Korinther keine Beschreibung ihres Lebenswandels oder ihrer Werke ist. Es ist eine Beschreibung ihrer Stellung in Jesus Christus. Er nennt sie auch „berufene Heilige“. Das setzt den Ruf Gottes voraus. Gott hat die Korinther in seiner Gnade herausgerufen und sie zu seinem Eigentum gemacht. Das ist jetzt ihre Stellung – alles in Christus oder man könnte auch sagen: durch Christus passiert.
Natürlich muss daraus dann auch der entsprechende Lebenswandel folgen. Das sind die nächsten Kapitel im Korintherbrief. Aber es beginnt mit dem Startpunkt Gnade, mit dem Startpunkt „Deine Stellung in Christus“. Wir müssen unterscheiden zwischen der stellungsmäßigen Heiligung und der prozesshaften Heiligung.
Die stellungsmäßige Heiligung kann man mit der Rechtfertigung vergleichen. In dem Moment, in dem ein Sünder sich beugt, seine Sünde erkennt und versteht, dass Jesus sein einziger Retter ist, der alles für ihn getan hat, kann er sich nicht selbst retten. Jesus hat alles am Kreuz vollbracht. Wenn der Sünder seine Knie beugt und das anerkennt, sagt: „Ich bin ein Sünder, vergib du mir, Herr, und komm in mein Leben“, dann spricht Gott durch den Glauben den Sünder für gerecht und in dem Sinne auch für heilig, stellungsmäßig in Christus.
Daraus folgt erst die entsprechende Lebensveränderung. Die biblische Reihenfolge lautet nicht: Lebe heilig, damit Gott dich heilig spricht. Auch nicht: Lebe heilig, damit du gerechtfertigt wirst. Die biblische Reihenfolge lautet immer: Du bist von Gott bereits heilig gesprochen durch den Glauben, du bist für gerecht erklärt worden. Lebe das jetzt auch würdig aus! Aber die Motivation ist immer das Evangelium. Die Motivation ist nicht die moralische Keule.
Die moralische Keule kann uns nicht motivieren. Es gibt manchmal Mitglieder – nicht unbedingt in unserer Gemeinde –, die zum Pastor gehen und sagen: „Mensch Pastor, so viele Baustellen hier in der Gemeinde, du musst denen mal so richtig die Leviten lesen.“ Dabei hat es schon bei den Leviten nicht geklappt, den Leviten die Leviten zu lesen.
Der Punkt, der uns wirklich motiviert zu Veränderungen, ist nicht der Imperativ, nicht das Gesetz und nicht die moralische Keule. Das, was uns wirklich motiviert, unser Leben komplett umzustellen und für Jesus allein zu leben, ihn zu lieben, ist das Kreuz – das, was er für uns getan hat. Das ist die größte Motivation.
Deshalb will Paulus die Korinther, bevor er sie in den nächsten Kapiteln ermahnt, noch einmal an ihre Stellung in Christus erinnern – an ihre Identität. Ich habe euch meine Auflistung mitgebracht, denn das macht Paulus ständig in diesem Brief, nicht nur am Anfang: Ihr seid geheiligt, ihr seid berufen, ihr seid reich gemacht, ihr seid der Tempel Gottes, ihr seid ungesäuert, ihr seid geheiligt, ihr seid reingewaschen, ihr seid gerechtfertigt, ihr seid der Tempel des Heiligen Geistes, ihr seid teuer erkauft und so weiter.
Wisst ihr, was ich daraus schließe? Warum macht Paulus das? Die größte Motivation zur Veränderung ist das Evangelium. Das beste Mittel im Kampf gegen die Sünde ist, dass du dir bewusst wirst, wer du in Christus geworden bist. Das sagt Paulus auch in Römer 6,11: „So auch ihr, haltet euch der Sünde für tot.“ Er erinnert uns an unsere Identität: Ihr seid gestorben für die Sünde, ihr müsst das nicht mehr tun. Führt euch das auch immer wieder vor Augen.
Paul David Tripp schreibt zu dieser wichtigen Thematik, dass wir uns unsere Identität immer wieder vor Augen führen müssen. Dir wurde eine grundlegend neue Identität verliehen. Ich spreche zu Kindern Gottes. Das Problem ist leider, dass viele von uns immer oder zumindest sehr oft ihre Identität vergessen. Man nennt das Identitätsamnesie – wir vergessen, wer wir geworden sind, wir vergessen, wer wir sind.
Wenn wir das tun, geben wir dem Zweifel, der Furcht und dem Kleinmut Raum. Dieses Vergessen gibt dir das Gefühl, arm zu sein, während du doch geistlich gesehen reich bist. Es gibt dir das Gefühl, töricht zu sein, während du in Wirklichkeit eine persönliche Beziehung zu dem hast, der die Weisheit ist. Es gibt dir das Gefühl, unfähig zu sein, obwohl du in Wirklichkeit mit Kraft gesegnet wurdest.
Es gibt dir das Gefühl, allein zu sein, obwohl es für dich unmöglich ist, allein zu sein, seit der Geist in dir lebt. Du fühlst dich ungeliebt, während du doch als Kind des himmlischen Vaters mit ewiger Liebe begnadet bist. Du empfindest, dass du den Ansprüchen Gottes nicht genügen kannst, was ja an sich auch stimmt, aber du vergisst manchmal, dass in Wirklichkeit der Retter dir zur Genüge vollkommen genügt.
Wenn du vergisst, wer du in Christus bist, nimmt es dir die Kraft, nach Gottes Willen zu leben. Wer du in Christus bist, gibt dir die Kraft, nach Gottes Willen zu leben.
Kann es sein, dass das deine Situation ist? Du merkst, du kommst im Glauben nicht weiter, du siehst all deine Versagen, du siehst deine Schwachheiten. Seit Monaten kannst du zurückschauen und sagen: Kein wirklicher Fortschritt in der Heiligung, kein Fortschritt in der Liebe zu Jesus, ich stagniere im Glauben.
Kann es sein, dass du vergessen hast, was Christus für dich getan hat und wer du in Jesus bist? Es ist auch wichtig, dass wir hierbei nicht auf unsere Gefühle hören, weil die uns oft etwas Gegenteiliges sagen.
Eine der größten Lügen unserer Zeit ist die Gleichsetzung von Empfindung und Identität. René Descartes, der Philosoph, hat einmal gesagt: „Ich denke, also bin ich.“ Die postmoderne Welt sagt heute: „Ich fühle, ich empfinde, also bin ich.“ Und das ist Quatsch, das ist absoluter Quatsch.
Wenn du wissen willst, wer du bist, hör nicht auf deine Empfindungen, sondern schau auf das Kreuz. Wenn du wissen willst, wer du bist, schau nicht in den Spiegel, schau ins Evangelium. Wenn du wissen willst, wer du bist, schau nicht in deinen Personalausweis, sondern fühl dir vor Augen, dass dein Name im Buch des Lebens steht.
Wenn du wissen willst, wer du bist, beschäftige dich nicht mit Büchern zur Selbstfindung, sondern fühl dir vor Augen, dass er dich gefunden hat. Wenn du wissen willst, wer du bist, beschäftige dich weniger mit der Psychologie und mehr mit der Soteriologie, mit der Heilslehre.
Das Evangelium hat unsere ganze Identität neu gemacht, und wir dürfen nicht zulassen, dass Satan uns die Sicht dafür nimmt, wer wir in Jesus geworden sind. Dieses Evangelium stellt unsere Identität noch einmal klar vor Augen. Deshalb beginnt Paulus diesen problembehafteten Brief erneut mit der Erinnerung: „Ich schreibe an die Geheiligten in Christus Jesus.“
Heute wird er zu uns schreiben: „Ich schreibe an die Heiligen, an die Gemeinde Gottes, die in Köln sind.“
Daraus ergibt sich auch eine neue Lebensausrichtung. Ganz am Ende von Vers 2 sagt Paulus zunächst zu den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen, zusammen mit allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen – ihres und unseres Herrn.
Ich finde, das ist eine wunderbare Zusammenfassung dessen, was Christsein ausmacht. Ein Christ ist jemand, der an allen Orten den Namen des Herrn Jesus anruft und in einer lebendigen Beziehung zu Jesus lebt.
Interessanterweise enthält der Vers sogar eine gewisse Polemik. Das Wort Kyrios, das „Herr“ bedeutet, wurde zur Zeit der Korinther im Kaiserkult verwendet, bei dem der Kaiser göttlich angebetet wurde. Paulus sagt hier mit anderen Worten: Christen sind diejenigen, die keine anderen Götter anbeten und ihre Hoffnung nicht auf Menschen setzen, sondern nur einen Kyrios haben. Und dieser Kyrios ist der Kyrios aller Kyrioi, der Herr aller Herren. Das ist unser Herr.
Ein Christ ist jemand, der Jesus nicht nur als Retter, sondern auch als Herrn angenommen hat. Hast du das schon in deinem Leben getan? Ist Jesus dein Herr? Beschreibt das dein Leben? Bist du jemand, der den Namen des Herrn Jesus Christus anruft? Falls nicht, könnte heute der Startpunkt der Gnade in deinem Leben sein. Vielleicht beugst du heute zum ersten Mal deine Knie vor Jesus und nimmst ihn als Retter und Herrn in dein Leben auf.
Dazu möchte ich dich einladen.
Wir kommen zum letzten Punkt meiner Predigt: die Gnade als Gruß.
In Vers 3 schreibt Paulus: „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ Diese Grußformeln finden wir sehr häufig in den Paulusbriefen. Diejenigen unter uns, die mit der Bibel vertraut sind, kennen diesen Wortlaut. Manchmal variiert Paulus ein wenig, doch dieser Gruß muss richtig verstanden werden.
Warum schreibt Paulus eigentlich „Gnade euch“? Die Christen haben die Gnade Jesu doch bereits erlebt. Hast du dir schon einmal diese Frage gestellt: Warum schreibt er „Gnade euch“? Was ist damit gemeint?
Schauen wir uns Vers 4 an. Dort sagt Paulus eigentlich, dass die Christen bereits der Gnade Gottes teilhaftig geworden sind: „Ich danke meinem Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde.“ Ihr habt sie also bereits. Warum schreibt er dann dennoch „Gnade euch“?
Das Gleiche gilt auch für den Frieden. Paulus schreibt: „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ Friede war damals ein jüdischer Gruß, abgeleitet vom „Schalom“. Deshalb hat Paulus das ins Griechische übersetzt mit „Irene“. Aber eigentlich ist der Friede ja auch schon vorhanden – der Friede mit Gott. Das ist das Ergebnis der Gnade, wie es in Römer 5,1 heißt: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“
Die Korinther haben diese Gnade erlebt, sie haben den Frieden erlebt. Warum schreibt Paulus also „Gnade euch und Friede“?
Ich möchte die Frage mit einem Zitat des Theologen Wolfgang Schrage beantworten: „Beides, aber Gnade und Friede, wird von Paulus, auch wenn sie den Christen schon zugeeignet wurden, brieflich erneut proklamiert und zugesprochen, nicht nur gewünscht und erbeten.“
Das müssen wir wirklich verstehen. Es ist nicht einfach nur ein Wunsch. Es ist kein bloßes Gebet. Paulus spricht den Korinthern die Gnade Gottes und den Frieden neu zu. Es ist mehr als nur ein Wunsch.
Und schaut mal: Das macht er sogar noch einmal am Ende des Briefes. Im vorletzten Vers, 1. Korinther 16,23, heißt es: „Die Gnade Jesu des Herrn sei mit euch.“
Wisst ihr, was mich so fasziniert? Der Brief im Neuen Testament mit den meisten Problemen ist eingerahmt von der Gnade Gottes. Am Anfang: „Gnade euch“, am Ende: „Gnade euch“. Paulus erinnert sie daran und spricht ihnen die Gnade noch einmal neu zu.
Ihr Lieben, das, was wir für echte Veränderung im Leben und in der Heiligung brauchen, ist die Gnade Gottes. Die Gnade Gottes, die uns vergibt, aber auch die Gnade Gottes, die uns in Zucht nimmt und verändert.
Schaut mal, auch Petrus und der Hebräerbriefschreiber betonen die Gnade sehr stark. In 1. Petrus 1,13 heißt es: „Darum umgürtet eure Lenden und verstärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz worauf? Auf die Gemeinderegeln? Auf das Gesetz? Nein, setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.“
Im Hebräerbrief, Kapitel 13, Vers 9, steht: „Lasst euch nicht fortreißen durch verschiedenartige und fremde Lehren, denn es ist gut, dass das Herz durch Gnade gefestigt wird.“
Wodurch wird dein Herz gefestigt? Wodurch bekommst du einen stärkeren Willen, eine stärkere Motivation? Ich will für Jesus leben – durch Gnade, nie durch Gebote. Keine Speisengebote, wie der Hebräerbriefschreiber sagt. Diese haben keinen Nutzen.
Es ist und bleibt immer die Gnade Gottes.
Ich habe euch ein Bild von der Golden Gate Bridge in San Francisco mitgebracht. Während ihres Baus kam es zu mindestens einem Todesfall. Ein Bauarbeiter stürzte in die Tiefe und verlor dabei sein Leben. Dies führte zu erheblichen Verzögerungen im Bauprojekt. Schließlich kam jemand auf die Idee, ein großes Sicherheitsnetz zu spannen.
Diese Maßnahme war ziemlich kostspielig, doch man entschied sich dafür. Das Netz rettete anschließend 19 Personen das Leben. Sie stürzten ab, fielen aber ins Netz und überlebten.
Viele Christen verstehen Gnade nur als Sicherheitsnetz. Die Gnade ist dann für mich da, wenn ich gefallen bin – dann brauche ich sie, aber auch nur dann. Natürlich kann man Gnade mit einem Sicherheitsnetz vergleichen: Wenn wir fallen, fallen wir als Christen immer in die Gnade.
Aber die Gnade ist nicht nur das Netz, das dich auffängt, wenn du fällst. Gnade ist die Luft, die du atmest – in deinen stärksten und in deinen schwächsten Momenten des Christseins. Gnade ist nicht nur das Netz, in das wir fallen. Gnade ist das Fundament, auf dem wir stehen – viel, viel stärker als nur ein Netz.
Ich möchte dich ermutigen: Vielleicht gehst du gerade durch eine schwere Zeit oder bist als Christ mutlos geworden. Schau neu auf die Gnade am Kreuz. Jesus hat alles bezahlt. Er hat dich zu seinem Kind gemacht. Er will dich an die Hand nehmen und mit dir den Weg der Heiligung gehen.
Deine Motivation kommt einzig und allein vom Kreuz her. Es ist die Gnade Gottes in deinem Leben. Wir absolvieren nie ein Abschlusszeugnis im Evangelium. Wir brauchen das Evangelium immer und immer wieder.
CJ Maheny bringt das wunderbar auf den Punkt. Er sagt: Das Evangelium ist nicht nur ein Kurs unter vielen, an denen du als Christ teilnimmst. Das Evangelium ist das ganze Gebäude, in dem alle Kurse stattfinden. Halleluja!
Das Evangelium ist das Gebäude, in dem alle Kurse stattfinden. Wenn man es richtig angeht, werden alle Themen, die du als Gläubiger studierst und auf die du dich konzentrierst, innerhalb der Mauern des herrlichen Evangeliums angeboten.
Deshalb war es mir heute ein großes Anliegen, dich noch einmal auf die Gnade Gottes in deinem Leben hinzuweisen. Das Jahr ist noch jung, du hast vielleicht viele Vorsätze. Du möchtest so gern ein anderer Mann oder eine andere Frau sein.
Es beginnt nicht damit, dass du dich abstrampelst und dir eine lange To-do-Liste anlegst. Das kann zwar hilfreich sein, aber es ist nicht der Anfang. Der Anfang ist, deine Sicht auf das Evangelium zu vertiefen. Bade im Evangelium. Predige dir jeden Tag das Evangelium. Lerne Bibelverse auswendig, in denen deutlich wird, was Christus für dich getan hat.
Bete darum, dass du die Liebe Gottes zu dir mehr und mehr verstehst. Das ist der Funke, der dein Herz zum Brennen bringen wird. Dann geschieht Veränderung.
Gnade sei mit euch. Amen.