Lange habe ich mich auf diese Malachi-Konferenz gefreut. Wie schön, dass wir hier zusammenkommen können.
Wie lange haben Sie eigentlich Ihren Aufbruch nach Zabelstein geplant? Haben Sie Ihr Zimmer frühzeitig gebucht? Wie gut habt ihr euch auf diese Reise vorbereitet? Oder seid ihr einfach nach der sogenannten Kolumbus-Strategie vorgegangen?
Falls ihr die Kolumbus-Strategie nicht kennt, dann seid ihr wahrscheinlich keine Politiker. Denn viele von ihnen, wenn ich das mal ganz humorvoll sagen darf, scheinen täglich nach der Methode von Kolumbus vorzugehen.
Als Kolumbus losfuhr, wusste er nicht, wohin er wollte. Als er ankam, wusste er nicht, wo er war. Und als er zurückkam, wusste er nicht, wo er gewesen war – und das alles mit geliehenem Geld. Das ist die Kolumbus-Strategie.
Unterschiedliche Antriebe zum Aufbruch: Kolumbus und Abraham
Der Abraham, den wir in diesen Tagen intensiver kennenlernen werden, hatte auf den ersten Blick sicherlich einiges mit Kolumbus gemeinsam. Als er aufbrach, wusste er auch nicht, wohin er ging. Als er ankam, waren ihm Land und Leute völlig fremd.
Doch die Unterschiede zwischen Abraham und Kolumbus treten ebenfalls sehr deutlich hervor. Mit geliehenem Geld reiste Abraham nicht; er nutzte sein eigenes Vermögen.
Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Männern liegt jedoch noch woanders. Kolumbus, nach allem, was wir aus den Quellen und Berichten wissen, hatte seinen Antrieb zum Aufbruch von innen. Er wollte es unbedingt, es drängte ihn geradezu. Er wollte unbedingt den Atlantik überwinden und segeln. Er war gepackt vom Entdeckergeist.
Vermutlich heiratete er 1479 die Tochter eines portugiesischen Adligen. Dadurch erhielt er Zugang zum portugiesischen Hof und suchte dort die Finanzierung für seine Reise – Stichwort Steuergelder. Der König lehnte jedoch ab. Daraufhin schickte Kolumbus seinen Bruder Bartholomäus nach London zu Heinrich VII., doch auch dieser wollte ihm kein Geld für die Expedition zur Verfügung stellen.
Die nächste Station war Paris. Auch dort gab es kein Geld. Das hat Frau Merkel nicht als Erste erfahren. Nun bemühte sich Kolumbus beständig vor den Thronen Europas acht Jahre lang, sein Geld zu bekommen. Und er gab nicht auf, er blieb dran.
Ob aus Arroganz oder Besessenheit – wir wissen es nicht genau. Letztlich wurde er angetrieben von aggressiver Neugier und Entdeckergeist. Wie einige Forscher sagen, auch von einer gesunden Egomanie.
Das ist der entscheidende Unterschied: Kolumbus’ Antrieb zum Aufbruch kommt von innen. Abrahams Antrieb zum Aufbruch jedoch kommt von außen.
Das ist der entscheidende Unterschied, und wir wollen jetzt gleich in unseren Text einsteigen: 1. Mose 12,1-9.
Gottes Ruf als Auslöser für Abrahams Aufbruch
Und der Herr sprach zu Abraham: „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will. Ich will dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und dir einen großen Namen geben. Du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen. In dir sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“
Da zog Abraham aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm. Abraham war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog.
So nahm Abraham Sarai, seine Frau, und Lot, seines Bruders Sohn, mit aller ihrer Habe, die sie gewonnen hatten, und die Leute, die sie in Haran erworben hatten. Sie zogen aus, um ins Land Kanaan zu reisen.
Als sie in das Land kamen, durchzog Abraham das Land bis an die Stätte bei Sichem, bis zur Eiche More. Zu der Zeit wohnten die Kanaaniter im Land.
Da erschien der Herr dem Abram und sprach: „Deinen Nachkommen will ich dies Land geben.“ Daraufhin baute er dort einen Altar dem Herrn, der ihm erschienen war.
Danach brach er von dort auf ins Gebirge östlich der Stadt Bethel. Er schlug sein Zelt auf, sodass er Bethel im Westen und Ai im Osten hatte. Dort baute er dem Herrn einen Altar und rief den Namen des Herrn an.
Aufbruch als Hoffnung und Herausforderung für die Konferenz
Aufbruch! Liebe Geschwister, das ist unsere Hoffnung, und das ist auch unser Wunsch für diese Malachi-Konferenz: Sie soll für jeden von uns, für dich, ein Anstoß zum Aufbruch sein. Es soll eine persönliche Aufbruchsstimmung in deinem Herzen entstehen.
Wir kommen ja hier nicht zusammen, um uns gegenseitig zu beruhigen und ein paar gemütliche Tage miteinander zu verbringen. Obwohl es im Haus Felsengrund natürlich immer gemütlich ist – das will ich gern zugeben. Deswegen kommen auch alle Referenten hier immer besonders gern her. Das war der Werbeblock, lieber Kurt.
Wir sind hier erst recht nicht zusammengekommen, um über schwere Zeiten zu klagen. Wir wollen nicht einfach ein paar Erbauungsstunden über Abraham halten, sondern wir hoffen und beten, dass der Gott Abrahams auch unter uns echte Aufbrüche schenkt.
Wir hoffen, dass diese Konferenz nicht ruhig, sondern unruhig wird. Wir hoffen, dass diese Konferenz nicht beschaulich, sondern alarmierend im besten Sinne wird.
Søren Kierkegaard, der dänische Philosoph, hat sinngemäß gesagt: Wo einer Christ werden soll, muss Unruhe sein. Wenn einer Christ geworden ist, wird Unruhe sein. Dieses Christentum ist Brandstiftung. Ganz genau – statt Unruhe hätte er auch Aufbruch sagen können. Wo einer Christ geworden ist, wird Aufbruch sein.
Die Bedeutung des göttlichen Rufes für den Aufbruch
Nun, woher soll dieser Aufbruch kommen, fragen wir. Eine künstliche Pseudo-Aufbruchstimmung, die nach der Konferenz wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, hilft ja niemandem weiter. Wo soll er herkommen?
An Abraham werden wir das sehen. Bei ihm sah es nämlich zunächst überhaupt nicht nach Aufbruch aus. Anders als Kolumbus zeigte Abraham keinerlei Anstalten, die Heimat zu verlassen, obwohl Kanaan als Reiseziel – wohlgemerkt als Reiseziel – in seiner Familie durchaus Tradition hatte.
Schon der Vater hatte sich mit dem Gedanken getragen, Terach mal nach Kanaan zu reisen. Das können wir im vorherigen Kapitel nachlesen: 1. Mose 11,31. Dort heißt es: „Terach nahm seinen Sohn Abraham und Lot, den Sohn seines Sohnes Haran, und seine Schwiegertochter Sarai, die Frau seines Sohnes Abraham, und führte sie aus Ur in Chaldäa, um ins Land Kanaan zu ziehen.“ Ganz erstaunlich ist, dass sie nur bis Haran kamen und dort wohnten. Also weiter sind sie nicht gekommen.
Ich lasse das kurz an einer Karte zeigen: Sie hatten Ur, die Residenz der babylonischen Könige, hinter sich gelassen. Dann ging es nur noch bis Haran. Klar, das Umland war fruchtbar, und es gab gute Handelsverbindungen. Auch Abraham scheint hier sesshaft geworden zu sein. Irgendwann stirbt der Vater.
Sonst läuft alles weiter wie gewohnt, und am Ende von 1. Mose 11 sieht es eher nach einer Sackgasse als nach Aufbruch aus. Terach wurde zweihundertfünf Jahre alt und starb in Haran.
Gottes Wort als schöpferische Kraft für Bewegung
Und, liebe Leute, die spannende Frage ist jetzt: Was bringt den Turnaround? Was ist gewissermaßen das Momentum, das die ganze Sache zum Kippen bringt, das den Abraham in Bewegung setzt?
Es sind die ersten Worte unseres Textes: Und der Herr sprach zu Abraham. Versteht ihr, das ist das Geheimnis des Aufbruchs.
Das ist das Geheimnis des Aufbruchs in jeder Gemeinde. Das ist das Geheimnis des Aufbruchs in einer Familie, in der kaum noch jemand mit dem anderen redet. Das ist das Geheimnis eines echten Aufbruchs in einer Ehe, in der sich die beiden immer weiter entfremdet haben.
Das ist das Geheimnis des Aufbruchs in deinem Leben, wenn du den Eindruck hast, es ist alles nur noch trocken, öde und Gewohnheit. Der Herr sprach – Gottes Wort hat schöpferische Kraft. Das haben wir doch schon elf Kapitel vorher gesehen, in 1. Mose 1. Dort heißt es in Vers 3: Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.
Und so geht das dann weiter: Gott sprach, und Gott sprach, und Gott sprach – und es wird, es wird, es wird. Es entsteht diese Welt, wie wir heute Abend ja auch noch hören werden.
Das ist das Geheimnis des Aufbruchs: die schöpferische Kraft des Wortes Gottes. Unser erster Vers hier, und der Herr sprach zu Abraham, das ist, wenn ihr so wollt, nur die Fortsetzung des Schöpfungsberichts mit anderen Mitteln. Gott spricht, und es gibt Bewegung.
Und darum ruft der Herr uns am 23. Juni 2011 mit diesen acht Versen mindestens drei Ermutigungen zu, mindestens drei Ermutigungen. Die erste Zuruf lautet, wenn ihr mitschreiben wollt: Erstens, heraus aus dem Trott! Das ist das Erste: heraus aus dem Trott!
Die Herausforderung, Gewohnheiten zu durchbrechen
Es war alles so vertraut, alles so gewohnt, und es hatte sich wunderbar eingespielt. Das Vaterland, die Verwandtschaft, die Sippe, in der man leidlich miteinander auskam, die Familie, in der man füreinander sorgte, das Elternhaus, das einem Sicherheit gab, und die sozialen Fundamente, auf denen man stehen konnte – so etwas lässt man nicht einfach zurück. Ohne Absicherung schon gar nicht.
Liebe Gewohnheit ist nicht unbedingt schlecht. Beharren, Stetigkeit, treu an einer Sache dranbleiben, Geduld – nicht heute so und morgen anders, sondern heute so und morgen so – das ist Konsequenz. Ein großes Problem unserer Postmoderne ist jedoch die Sprunghaftigkeit. Das betrifft nicht nur viele junge, sondern auch viele ältere Menschen. Sie hüpfen von einem Event zum nächsten, von einem Projekt zum anderen.
Aber wie leicht kann das kippen! In einem Jugendkreis, in einer Ehe, ja überhaupt in einem Leben mit Jesus wird aus Stetigkeit oft Langeweile. Aus Beständigkeit wird Gewohnheit, und aus Geduld wird Trott und Pflicht – und dann wieder Trott und Pflicht und Trott und Pflicht.
Wie viel alter Trott hat sich in deinem Leben eingenistet? Wie viele Dinge tust du nur noch, weil du sie schon immer getan hast und weil du es eben nicht anders kennst? Wenn du ehrlich bist, merkst du mit dem Herzen, dass du manchmal gar nicht richtig dabei bist.
Wie viel Zeit nimmt in deiner Gegenwart das Reden über die Vergangenheit ein? Wie langweilig ist dein Leben geworden, wie berechenbar? Wie oft ertappst du dich bei der Klage, dass ja alles nicht mehr so sei wie früher, wie bei den großen Glaubensfesten früher?
Und wozu treibt dich die Not deiner Zeitgenossen, die Dekadenz und die Hohlheit deiner Zeitgenossen? Wozu bringt dich das auf die Knie, sodass du Gespräche mit ihnen suchst?
Manche Christen ziehen sich nur noch zurück. Je kleiner die Hausgemeinde, desto weniger können uns stören. Der Kreis wird immer enger und enger. Wir kennen uns, und wir machen das so, solange wir uns nicht auch noch zerstreiten.
Aber glauben wir ja nicht, dass Gottes Wort uns in Ruhe lässt. Gott ruft uns heraus aus dem Trott, Gott macht den Anfang, Gott handelt. Und genau das sehen wir hier. Der Herr sprach – Gott sprach.
Wenn ihr dann seht, wie es ab Vers 2 weitergeht: Am Ende sagt Gott, „Geh in ein Land, das ich dir zeigen will.“ In Vers 2 heißt es: „Ich will dich zum großen Volk machen, ich will dich senden und dir einen großen Namen machen.“ Und in Vers 3: „Ich will dich segnen.“
Dann bleibt Gott dran an diesem Abraham. Er erscheint ihm erneut in Vers 7: „Da erschien der Herr dem Abraham.“ Es ist Gott, der handelt.
Gottes Ruf als kraftvolle Einladung und Zusage
Johannes Busch hat ein wunderbares Buch über Abraham geschrieben. Das allererste Kapitel dieses Buches – also über unseren Vers – trägt die Überschrift „Der Schöpfer ruft“. Das Buch selbst hat er „Ausländer auf Befehl“ genannt.
„Der Schöpfer ruft“ – genau das ist es. Wenn Gott in dein Leben eingreift, dann spricht er in dein Leben hinein. Er bewegt dich durch seine Wahrheit. Überlegt mal: Abraham war ein in der Wolle gefärbter Heide, als dieses Wort an ihn erging.
Bei Abraham ist es nicht so, dass wir vorher hören, er wandelte mit Gott. Davon lesen wir nichts. Seine Tradition, wenn man so will, auch wenn sie einige Jahre zurückliegt, ist der Turmbau zu Babel. Aus dieser Linie stammt er. Sein Vater war ein Götzendiener (vgl. Josua 24,2).
Es gibt eine späte jüdische Tradition, das sogenannte Jubiläenbuch. Dort wird dargestellt, wie sehr Abraham unter dem Götzendienst in Ur gelitten habe und eigentlich immer versucht habe, seine eigene Familie an den lebendigen Gott zu erinnern. Aber das ist eine späte jüdische Tradition, und man kann nicht sagen, ob daran überhaupt etwas Historisches dran ist.
In Abrahams Leben gab es kaum Anknüpfungspunkte. Jetzt kommt also alles auf die Kraft von Gottes Ruf an. Und darum steht das Studium und die Befassung mit dem Wort Gottes im Mittelpunkt unserer Konferenzen. Genau darum.
Abraham – wörtlich kann man seinen Namen übersetzen mit „Mein Vater ist hoch“ oder „Mein Vater ist erhaben“. Das bedeutet nicht, dass er weit weg ist, sondern dass er mein Vater geworden ist, weil er in mein Leben eingegriffen hat. Er ist gewissermaßen senkrecht mit seinem Wort von oben nach unten in mein Leben hereingekommen und hat mich herausgerufen aus dem Trott.
Dieser Ruf Gottes ist so stark, dass er sämtliche Bindungen, die Abraham sonst in dieser Welt festhalten, durchtrennt. Diese Bindungen sichern ihn sonst in der Welt ab: Verwandtschaft, Vaterland, Elternhaus. All diese Bindungen kappt er.
Wir müssen uns klar machen: Diese traditionelle Verankerung hatte damals noch ein viel stärkeres Gewicht als in unserer heutigen Gesellschaft. Das kann man sich vielleicht noch in alten Bauerngeschlechtern vorstellen.
Ein Ausleger hat das sehr plastisch beschrieben. Er sagte: „Wie ein Hebel in die Wurzeln eines Baumes fährt dieser Befehl in Abrams Leben und hebt es aus dem Boden, in dem es wurzelte.“
Für den Menschen des Altertums hatten diese drei Worte – Vaterland, Sippe, Elternhaus (Vaterhaus) – eine wirklichere Kraft als für uns. Sie waren seine Sicherheit, seine Macht. Diese drei Worte umschließen alles, was Halt gibt und verpflichtet, was dem Leben Sinn gibt und es reich macht. Sie umschließen das Leben.
Aus all dem soll Abram aufbrechen. Darum ist dieser Aufbruch mit Angst verbunden, ein Risiko. Und Abram ist nicht mehr der Jüngste. Lesen wir doch hier in Vers 4: Als er auszog, war er fünfundsiebzig Jahre alt.
Ich möchte jetzt so höflich sein und nicht fragen, wer von uns schon fünfundsiebzig ist. Er wird sein angestammtes Bürgerrecht verlieren. Und so soll er nun all diese Brücken abbrechen.
Der einsame Weg des Glaubens und die Kraft des Gehorsams
Und seht genau, was da steht: Geh aus deinem Vaterland. Wörtlich heißt es Lech Lecha, das bedeutet: Geh für dich. Geh weg von den anderen, nimm deine engste Familie mit – aber geh. Geh für dich, es wird jetzt ein einsamer Weg werden.
Hebräer 11,9 sagt: Durch den Glauben ist er ein Fremdling geworden in dem verheißenden Land. Ihr wisst, Abraham war zu diesem Zeitpunkt kein junger Draufgänger mehr. Er war nicht jemand, der jetzt ein Abenteuer brauchte und sich die Hörner ein bisschen abstoßen musste, wie unsere Jugendlichen heute manchmal, die eine kurze Amerika-Tour machen. Nein, er war ein reifer Mann, als er diesen Schritt wagte.
Er sollte sich jetzt von der Großfamilie lösen. Nur seine engsten Mitarbeiter nimmt er mit, dazu seine Frau und Lot. Er bricht alle Brücken ab und wird erst später erfahren, wo das endgültige Ziel seiner Reise liegt. So viele Bedenken, so viele Fragen.
Hier in Vers 5 steht: Um ins Land Kanaan zu reisen, zieht er aus. Aber zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, dass dies die genaue Destination ist. Es wird sich erst später erweisen, dass er ins Land Kanaan ziehen muss – aber jetzt noch nicht.
Und doch hat Gottes Wort die Kraft, alle diese Widerstände und Fragen zu überwinden. Das ist das Wunder hier: In Vers 4 steht einfach nur, da zog Abraham aus. Keine Diskussion.
Ihr Lieben, möge der Herr uns schenken, dass wir in diesen Tagen so schnörkellos reagieren. Was für eine Herausforderung!
Verheißung und Motivation für den Aufbruch
Aber schon kommt ein sehr starker Trost: Wenn Gott dich aus deinem alten Trott herausruft, dann hat er etwas Besseres für dich im Blick.
Das ist die zweite Ermutigung, die uns aus diesem Text entgegentönt. Erstens: Heraus aus dem Trott. Zweitens: Voraus in neues Land. Voraus in neues Land – wir kennen ja die Redewendung „Frische Fahrt voraus“. Genau das macht Gott jetzt hier mit Abraham: Voraus in neues Land.
Was Gott sagt, klingt auf den ersten Blick oder beim ersten Hören etwas nebulös. Er sagt: „Geh in ein Land.“ Aber nicht etwa in das Land XY mit Postleitzahl und einem genauen Google-Earth-Hinweis. Sondern er sagt: „Geh in ein Land, das ich dir zeigen will.“ Trotzdem ist das eine sichere Sache. Wisst ihr warum? Dieses „Ich“ macht die Sache sicher. „Geh in ein Land, das ich dir zeigen will.“ Ich bin dabei.
Wenn Gott dich herausruft, dann weiß er auch, was er mit dir vorhat. Bei Abraham wird daraus eine ganz neue Epoche der Heilsgeschichte. Das Land ist dabei noch längst nicht alles, was Gott ihm in Aussicht stellt.
In Vers 2 sagt Gott: „Ich will dich zum großen Volk machen, ich will dich segnen, ich will dir einen großen Namen machen. Und du sollst ein Segen sein.“ Eine große Nation, ein besonderer Segen, ein großer Name. Gott identifiziert sich mit Abraham. Es geht nicht einfach darum, dass Abraham berühmt wird und seine Eitelkeit geschmeichelt wird, sondern Gott stellt sich voll hinter diesen Mann und seinen Auftrag.
Und dann gibt es noch mehr: In Vers 3 sagt Gott: „Ich will segnen, die dich segnen, und ich will verfluchen, die dich fluchen.“ Das heißt: Wer sich mit dir anlegt, wird sich auch mit mir anlegen. Du sollst ein Segenskanal werden für alle Geschlechter der Erde. Durch dich werde ich mein Heil in die ganze Welt hineintragen. Das hat weltweite Dimension.
Natürlich war das einmalig – eine heilsgeschichtliche Sternstunde, die Abraham dort erleben durfte. Aber Gottes Grundprinzip gilt für uns genauso. Man kann es mit zwei Kernsätzen beschreiben: Gott sagt einmal, ich will etwas für dich tun, und ich will etwas durch dich tun. Das ist der Grundsatz. Gott will dich segnen. Er sagt: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“
Die Bereitschaft zum Aufbruch und die Frage nach dem Segen
Das neue Land vor uns ist voller Verheißungen. Doch um diese zu erfahren, muss Abraham losgehen. Und hier stellt sich die Frage: Sind wir noch in der Lage, neu aufzubrechen? Können wir noch fragen: Herr, in welcher Hinsicht willst du mich morgen zum Segen setzen? Für wen willst du mich zum Segen machen? Was ist dein Plan mit mir?
Manchmal sind wir so sehr damit beschäftigt, um Gottes Segen für uns selbst zu bitten, dass wir kaum noch dazu kommen zu fragen, wem er uns zum Segen setzen will. Haben wir noch den Eifer, Neuland zu erobern? Oder sind wir schon so sehr in unseren alten Sesshaftigkeiten festgewurzelt, dass wir gar nicht mehr herauskommen?
Neues Land – vielleicht hat der Herr eine neue Aufgabe für dich bereit. Vielleicht will er, dass du endlich zu diesem einen Menschen gehst und die Sache mit ihm klärst. Vielleicht möchte er in deinem Alltag bestimmte Dinge verändern, von denen du schon lange weißt, dass sie eigentlich nicht so weiterlaufen sollten.
Du weißt es und betest alle zehn Tage einmal dafür, aber es ändert sich nichts. Fang doch ganz neu an zu beten! Frag den Herrn: Herr, wohin soll ich neu aufbrechen? Wohin soll ich vorausgehen? Was willst du in meinem Leben verändern?
Wir denken oft, wenn wir so leidlich mit Jesus leben, dass eigentlich alles irgendwie weitergeht. Aber woher wissen wir das? Das ist der zweite Zuruf: Voraus ins neue Land! Und bitte nicht zurück nach Haran, bitte nicht den Fehler des Vaters wiederholen und dann doch in Haran sterben!
Die Bedeutung des Segens und die Dynamik des Aufbruchs
Ich will dich segnen, sagt der Herr, und du sollst ein Segen sein. Du, lieber Gott, lässt dich doch nicht hier auf der Erde, nur damit du täglich deine Brötchen holst, die Tageszeitung liest und einmal in der Woche zur Bibelstunde gehst. Deswegen hat der Herr dich doch nicht auf der Erde gelassen.
Und das ist das Wesen der Verheißung, wie wir es an Abraham sehen. Sie will ergriffen werden, sie will gepackt werden. Voraus ins neue Land zog Abraham aus. Er legt den Vorwärtsgang ein, wird Ausländer auf Befehl und bleibt nicht Kleinbürger nach eigenem Gutdünken.
Wir bleiben so gern Kleinbürger nach eigenem Gutdünken. Aber Abraham nicht. Einmal in Bewegung, lässt er sich nicht mehr aufhalten. Weiter, immer weiter geht er. Die Leute in seinem Umfeld werden gewissermaßen in seinen Strudel, in diese Dynamik, mit hineingezogen – wenigstens für einige Zeit.
So heißt es in Vers 5: „So nahm Abraham Sarai, seine Frau, und Lot, seines Bruders Sohn, mit aller ihrer Habe, die sie gewonnen hatten, und die Leute, die sie erworben hatten in Haran, und sie zogen aus, sie zogen gemeinsam aus.“ Wenn du vorangehst, wirst du andere mitziehen? Möglicherweise.
Doch im Laufe der Reise müssen sich dann alle selbst entscheiden. Sarah muss ihren Weg mit Gott finden, Lot muss Entscheidungen treffen. Und dennoch entsteht eine Dynamik, als Abraham loslegt.
Die ersten Schritte im neuen Land und Gottes Zusage
Und jetzt lässt er sich nicht mehr aufhalten. Es ist so interessant zu sehen, wie er weiter vorankommt.
Am Ende von Vers 5 heißt es: „Und sie kamen in das Land, und Abraham durchzog das Land bis an die Stätte bei Sichem, bis zur Eichelmore.“ Das wollen wir uns auch noch einmal mit einer Karte anschauen. Er zieht also wirklich durch das Land.
Zu der Zeit wohnten jedoch die Kanaaniter im Land. Da erschien der Herr Abraham und sprach: „Deinen Nachkommen will ich dies Land geben.“ Daraufhin baute Abraham dort einen Altar dem Herrn, der ihm erschienen war.
Danach brach er von dort auf ins Gebirge, östlich der Stadt Bethel, und schlug sein Zelt auf. So hatte er Bethel im Westen und Ai im Osten. Dort baute er ebenfalls dem Herrn einen Altar und rief den Namen des Herrn an.
Abraham weiß, dass dies erst der Anfang ist. Gott gibt ihm in Vers 7 eine große Zusage: „Deine Nachkommen werden in diesem Land einmal nicht mehr Ausländer sein, deine Nachkommen werden dieses Land besitzen.“ Das wird ihre neue Heimat sein.
Gottes Zeichen an einem heidnischen Ort
Und jetzt passt auf: Diese besondere Begegnung mit Gott hatte Abraham wo? In Sichem. Warum ausgerechnet Sichem? Sichem ist ein typisches Beispiel dafür, wie Gott uns Neuland gewinnen lässt.
Hier steht: Er ging dort nach Sichem bis zur Eiche Moore, Menge übersetzt bis zur Orakel-Terebinte. Eiche oder Terebinte sind im Hebräischen ganz ähnliche Worte. Das heißt, unter diesem Baum, unter dieser Terebinte, wurden Orakel erteilt.
Dieser Baum war der Ort des Götzendienstes. Der Baum war der Ort okkulter Wahrsagungen und das Zentrum der Religionsausübung in diesem Ort Sichem. Und ausgerechnet dort setzt Gott sein Zeichen. Das ist Gottes Ironie der Geschichte.
Daran sehen wir: Jeder Ort, jede Situation kann zum Segensort werden, sogar Sichem, sogar der Ort neben dieser Terebinte. Warum? Weil nicht die äußeren Umstände entscheiden, sondern Gottes Stärke.
Darum kann Abraham getrost seine Neulandmission beginnen. Stellt euch diese Situation vor: So baut er diesen Altar. Da steht die Terebinte, einige Meter weiter steht der Altar. Warum? Der Altar ist natürlich nicht das magische Gegenheiligtum zur Terebinte, sondern der Altar ist Erinnerung an das Handeln Gottes.
Der Altar ist Zeugnis für die Wirklichkeit Gottes. Als ich von diesem Altar las, musste ich an die amerikanische Flagge auf dem Mond denken, als der erste Mensch auf dem Mond gelandet war. Fremdes Land, und wir haben es erobert, wir sind angekommen, und wir werden dieses Terrain jetzt nicht mehr so einfach preisgeben. Wir hissen unsere Flagge, wir zeigen Flagge.
Und genau das macht Abraham bei der Terebinte: Er baut diesen Altar. Das ist der zweite Zuruf, der uns aus diesem Text erreicht: Voraus, voraus in Neuland, voraus in neues Land. Zieh dich nicht aus der Welt zurück, sondern mitten im Trommelfeuer der Gottlosigkeit, mitten im Chaos der postmodernen Beliebigkeit, da sollen wir die Meilensteine unseres Gottes aufrichten, an seine Wahrheit erinnern und zu seiner Botschaft stehen.
Zeugnis und Durchhaltevermögen im Neuland
Johannes Busch, auf dessen Buch ich bereits hingewiesen habe, hat uns allen dazu eine sehr eindrückliche Mahnung geschrieben. Abraham befand sich mitten in einer Welt, die vom Dunkel des Unglaubens umgeben war. Dennoch baute er seinem Gott Altäre.
Man kann sich vorstellen, wie der einsame Mann an seinen Dankaltären stand. Dort bezeugte er vor allem dem Volk, wie herrlich es ist, von Gottes Gnade zu leben. Abraham tat dies nicht nur einmal, sondern diese Altäre waren die Fußspuren seines Weges und die Meilensteine seiner Wanderschaft. Er richtete ein Zeugnis für seinen Gott aus.
Johannes Busch sagt weiter: Im Grunde stehen wir doch alle dort, wo uns Unglaube und Dunkelheit umgeben. „Verliere dich nicht an diese Finsternis. Baue dort, wo du stehst, deinem Gott Altäre und bringe ihm deine Danklieder. Gehe voraus in Neuland.“
Doch so entschlossen Abraham auch losgezogen ist und so konsequent er seinen Kurs hält, müssen wir ehrlich sagen, dass das Neuland ihn nicht mit offenen Armen empfängt. Die Situation ist schwierig. Es gibt zwar eine gute rechtliche Ausgangsposition, denn Fremde durften zu dieser Zeit in Kanaan auf Antrag bestimmte Weideflächen nutzen. Dennoch sind das keine offenen Arme.
Die Probleme lösen sich nicht schnell in Wohlgefallen auf. Die Verheißungen erfüllen sich nicht im Eiltempo. Ein eigenes Volk hat Abraham zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und er besitzt noch nicht einmal einen eigenen Sohn im eigenen Land. Er ist ein Ausländer auf Befehl.
Durchhaltevermögen durch die persönliche Verbindung zu Gott
Wie kann man da trotzdem durchhalten?
Jetzt kommt das Wichtigste, denn das ist ja die große Frage auch an uns: Wie können wir durchhalten? Neuland? Neuland ist keine schnelle Lösung. Neuland braucht Geduld, Konfliktfähigkeit und die Bereitschaft, Widerstände auszuhalten.
Und ihr Lieben, je größer die Perspektive, desto mehr Geduld ist nötig. Je größer das Werk ist, das Gott mit uns vorhat, umso länger werden wir daran zu arbeiten haben. Umso stärker werden die Widerstände sein. Wie sollen wir das aushalten?
Da erreicht uns der dritte Zuruf, die dritte Ermutigung: heraus aus dem Trott, voraus ins neue Land und schließlich drittens hinauf den Blick. Das ist das Entscheidende. Seht, was Abraham hier bei der Stange hält. Das kann man dann durch die nächsten Kapitel hindurch wunderbar weiterverfolgen.
Was ihn bei der Stange hält, ist die persönliche Verbindung mit dem heiligen Gott, der ihn ruft. Darauf kommt es an. Das ist von Anfang an entscheidend. Hinauf den Blick: Schaut den ersten Vers! „Und der Herr sprach zu Abraham: Geh aus!“ Und wie ist der letzte Vers? Der letzte Satz: Abraham baut dem Herrn einen Altar und ruft den Namen des Herrn an. Der Herr sprach, und Abraham ruft den Namen des Herrn an – das ist die Klammer dieser acht Verse.
Darum ist es nicht präzise genug, wenn wir sagen, Abraham glaubte der Verheißung. Das sagen wir so, und das ist auch nicht ganz falsch, aber es ist nicht präzise. Abraham vertraute dem lebendigen Gott, und darum glaubte er dessen Verheißung.
Das ist es: Er vertraute dem lebendigen Gott. Es ist atemberaubend, in diesem Text nachzuvollziehen, wie Gott von Anfang an den Blick seines Boten auf sich zieht. Wie er sagt: „Ich rufe dich, ich will dich führen, ich will dich segnen, und ich werde bei dir bleiben.“ Dann erscheint er ihm persönlich, in welcher Weise auch immer, dort in Sichem. Es ist immer diese persönliche Verbindung Gottes. Er sucht unser Du.
Darum kann Abram auch letztlich zum Modell für unseren Glauben werden, wie Paulus das im Galaterbrief schreibt, Kapitel 3, Vers 8. In jenen berühmten Versen heißt es: Die Schrift hat es vorausgesehen – also die Schrift ist hier interessanterweise personifiziert, gleichgesetzt mit Gott – die Schrift, Gott, hat es vorausgesehen, dass Gott die Heiden durch den Glauben gerecht macht.
Darum verkündigte die Schrift Gott dem Abraham in 1. Mose 12: „In dir sollen alle Heiden gesegnet werden.“ So werden nun die, die aus dem Glauben sind, gesegnet mit dem gläubigen Abraham.
Glaube bedeutet persönliches Vertrauen zu dem heiligen, persönlichen Gott. Darum konnte Abraham auch zum Modell für unseren Glauben werden.
Unterschied zwischen Israel und Gemeinde, aber gemeinsame Grundlage im Glauben
Ihr Lieben, damit ist nicht der Unterschied zwischen dem Weg Israels und dem Weg der Gemeinde beseitigt.
Ich denke, es ist die große Tragik einer theologischen Richtung innerhalb der Reformationszeit, dass sie diese bleibende Verheißung und bleibende Aufgabe für Israel nicht deutlich erkannt hat. Dabei war sie sicherlich fehlgeleitet von Augustin und Origenes. Sie ließ sich dazu verleiten, an dieser Stelle ihrem eigenen Prinzip untreu zu werden, nämlich dem Grundprinzip der Reformation: die Bibel wörtlich zu nehmen, das Literalprinzip. Was Gott wörtlich sagt und wovon klar ist, dass Gott es eben nicht als Bild oder als Poesie gemeint hat, soll bitteschön wörtlich stehen bleiben.
Weil einige an diesem Prinzip gerüttelt haben, sind sie dann zu diesen fragwürdigen Enterbungstheorien für Israel gekommen. Also müssen wir sehr wohl den Unterschied sehen zwischen dem, was in Verbindung mit dem Land für Israel gilt. Aber wir sollen auch diese entscheidende Gemeinsamkeit erkennen: Es gibt Rettung durch persönliches Vertrauen zu dem lebendigen Gott.
Seitdem er in seinem Sohn das letzte Wort gesprochen hat, geht es nur noch durch dieses eine Nadelöhr – über diesen einen Herrn, Retter und Messias Jesus Christus. Diese Verbindung dürfen wir erleben.
Wenn wir fragen, warum Abraham durchgehalten hat, auch als es später noch schlimmer wurde – denn es kam ja noch schlimmer, das war erst der Anfang –, dann liegt die Antwort allein darin, dass Gott diesen Abraham von Anfang an in ein persönliches Verhältnis zu sich hineingezogen hat. Das ist das ganze Geheimnis.
Und wenn du zu ihm gehörst, bedeutet das, dass für dich diese Verbindung zu dem heiligen Gott noch viel enger ist, als sie damals für Abraham war. Denn dir ist der lebendige Gott noch viel weiter entgegengekommen in der Person seines eigenen Sohnes Jesus Christus. Wenn du zu ihm gehörst, wird er dafür sorgen, dass dein Blick nach oben immer frei bleibt.
Der freie Blick nach oben als Quelle der Geborgenheit
Es gibt ein großartiges altes Glaubenslied, das für den postmodernen Menschen vielleicht etwas pathetisch klingt. Dennoch sagt es genau das, was dieser freie Blick bedeutet. Ich zitiere es mal: „Ob rings um euch bang die Götzennacht steht und wehrt euch zu lang, bis dass sie vergeht, so sei euer Hoffen nach oben gerichtet, der Himmel ist offen, bei Jesus ist Licht.“
Genau das ist es: hinauf den Blick.
Ich denke auch an jenen chinesischen Christen, der einst reich und begütert war. Dann wurde er Christ, ging in die Gemeinde und bekannte sich offen dazu. Daraufhin bekam er von seiner Sippe Druck und musste einiges erleiden. Sein blühendes Geschäft wurde boykottiert, und er wurde immer ärmer.
Eines Tages besuchten ihn seine nichtchristlichen Freunde. Sie bedauerten ihn und sagten: „Ach Mensch, du hattest mal so ein schönes Haus und so einen herrlichen Garten. Jetzt ist das alles so klein.“
Er hatte nur noch eine bescheidene Hütte statt des prächtigen Hauses und nur noch einen kleinen Acker mit einem Paradieschen statt des herrlichen Gartens.
Was sagte dieser chinesische Bruder? Er antwortete: „Ja, ihr habt Recht, mein Garten ist klein, er ist auch nicht sehr lang und nicht allzu breit.“ Dabei strahlte sein ganzes Gesicht. „Aber“, fuhr er fort, „er ist sehr hoch.“
Er meinte damit den Blick nach oben. Den kann ihm niemand verbauen. Der Blick nach oben ist immer frei. Den Blick kann dir niemand versperren, nicht einmal die schlimmsten Umstände.
Die Bedeutung der persönlichen Beziehung zu Gott gegen falsche Lehren
Und wisst ihr, das ist auch ein Grund, warum die Emerging Church Bewegung, über die wir morgen sprechen werden, einen so zerstörerischen Einfluss in evangelikalen Kreisen ausübt. Einer der wesentlichen Gründe ist, dass sie behauptet, beim Evangelium gehe es gar nicht in erster Linie um die Versöhnung des Sünders mit Gott. Dabei geht es nicht um diese persönliche Verbindung.
Man sagt dann oft: „Na ja, es geht nicht nur darum.“ Doch vom Gewicht her wird deutlich, dass dies nicht das eigentliche Thema ist. Es wird eine neue Paulusperspektive vertreten, weil es bei der Rechtfertigung angeblich nicht darum geht, wie der Sünder vor der Hölle gerettet wird – also um diese persönliche Beziehung zu Gott. Nein, sagt man, es geht vor allem um die Veränderung größerer Komplexe, um die Transformation ganzer Städte. Immer wieder wird auch die soziale Agenda betont, wie es Professor Johannes Reimer zum Beispiel deutlich macht.
Das legt die Axt an die Wurzel des persönlichen Gottesverhältnisses zwischen Jesus und dem einzelnen Sünder. Umso wichtiger ist es, dass wir als Malachi-Kreis den Geschwistern hier wirklich helfen. Wir müssen ihnen eine klare Orientierung bieten und die Fundamente freilegen, auf denen diese falsche Lehre ruht.
Dabei sollten wir das tun, was Francis Schäfer, der große christliche Kulturkritiker, immer wieder gefordert hat. Er sagte: Wir brauchen die Position und wir brauchen die Negation. Wir müssen wie Paulus sagen, was die Wahrheit ist. Wir müssen die Wahrheit abgrenzen gegenüber dem, was sie angreift und infrage stellt. Wie Paulus in seinen Briefen müssen wir sagen, was richtig ist, und damit das Richtige umso deutlicher wird, auch erklären, was dem nicht entspricht und was falsch ist.
Gerade im Zusammenhang mit der Emerging Church Bewegung haben wir hier eine wichtige Aufgabe – nicht nur für uns, sondern auch für die Geschwister um uns herum.
Das persönliche Verhältnis zu Gott wird bereits bei Abraham deutlich. Individueller geht es nicht. Nachdem die Globalgeschichte ihr sündiges Potenzial voll ausgespielt hatte – bis hin zum Turmbau zu Babel – fängt Gott jetzt mit einem Einzelnen wieder von vorne an. Er zieht ihn in eine persönliche Verbindung hinein, lenkt seinen Blick nach oben. Durch diesen Einen werden dann viele andere gesegnet.
Wir sind hier in Zabelstein Teil dieses Weges Gottes. Der Herr hat uns noch viel mehr und viel enger in diese Gemeinschaft mit Jesus hineingezogen. Darum brauchen wir die Altäre, die wir in dieser Welt bauen, nicht als heilige Stätten, an denen wir Gott begegnen.
Das ist interessant in Vers 7: Erst erscheint Gott Abraham, und dann baut Abraham den Altar. Wäre Abraham ein guter Katholik oder Anhänger einer anderen Religion gewesen, hätte er gesagt: „Nun baue erst einen schönen Altar, stelle ein paar Räucherkerzen auf, lass einen Lobpreischor die richtige spirituelle Stimmung erzeugen, und dann kann dir Gott begegnen.“
Aber es ist genau andersherum: Der heilige, persönliche Gott erscheint Abraham, wann und wo er will. Der Altar ist dann nur noch eine Erinnerung, ein Zeichen, ein Signal. Die Altäre, die wir hier hinterlassen, sind wie die Flagge auf dem Mond: Signale, dass wir uns nicht zurückziehen und nicht verstecken.
Ein öffentlicher Gottesdienst oder eine öffentliche Evangelisation kann bis heute ein solcher Altar sein – ein klares Signal direkt gegenüber der Terbinte des Orakeldeuters.
Der mutige Schritt des Glaubens und das öffentliche Bekenntnis
Und jetzt, am Schluss, kann Abraham sich nicht mehr verstecken. Er kann nicht mehr den Mund halten. Darum endet dieser Text mit der wunderbaren Aussage: „Er rief den Namen des Herrn an.“
Martin Luther hat das in einigen älteren Übersetzungen so wiedergegeben. Er übersetzte es mit „er hat übersetzt und predigte den Namen des Herrn“, ähnlich auch in 1. Mose 13,4 und 21,33. Das ist gar nicht so weit vom eigentlichen Sinn entfernt. Darum geht es: Er betet zu ihm, er ruft den Namen an. Er versteckt sich nicht in seinem Umfeld.
Daraus folgt zwangsläufig, dass er predigt. Solange die Welt ihm nicht das Maul zubindet und ihn reden lässt, ruft er ihr die Wahrheit des lebendigen, heiligen, ewigen Gottes zu. Dieser Gott will uns Sünder retten aus der Verlorenheit und uns hineinziehen in diese persönliche Lebensverbindung mit ihm selbst.
So weit. Was für eine Weite, was für eine Tiefe bekam dieses Leben noch mit fünfundsiebzig Jahren! Mit fünfundsiebzig Jahren fängt das Leben an. Also, wenn Sie fünfundsiebzig sind: Es ist noch nicht zu spät.
Aber wir müssen nicht so lange warten, denn der Herr will uns alle rufen, mit diesem Wort heraus aus dem Trott, voraus ins neue Land und hinauf den Blick. Darum wäre das auch ein Lied für Abraham gewesen.
Ich bin sicher, wenn er es gekannt hätte, hätte er es so gern gesungen. Dieses Lied, das sich uns allen aufdrängt bei diesen Gedanken: „Nun aufwärts froh den Blick gewandt.“ Das ist Lied 293 in unseren Liederbüchern.
Und „vorwärts fest den Schritt, wir gehen an unseres Meisters Hand, und unser Herr geht mit.“ Schaut mal hin, das ist hochinteressant. Das ist das Abrahamlied, habe ich festgestellt. Da habt ihr noch einmal meine ganze Gliederung: heraus aus dem Trott. Also vergesst, was da hinten liegt und euren Weg beschwert.
„Was ewig euer Herz vergnügt, ist wohl des Opfers wert.“ Und dann noch einmal: „Heraus aus dem Trott, und was euch noch gefangen hält, o werft es von euch ab, begraben sei die ganze Welt für euch in Christi Grab.“
Und dann geht’s voraus ins neue Land. So steigt ihr frei mit ihm hinan zu lichten Himmelshöhen. Er geht uns voran, er bricht uns Bahn. Wer will ihm widerstehen?
Drum hinauf den Blick, drum aufwärts froh den Blick gewandt und vorwärts fest den Schritt. Wir gehen an unseres Meisters Hand, und unser Herr geht mit. Das ist das Abrahamlied, habe ich erst bei dieser Vorbereitung festgestellt.
Der Blick nach oben als Quelle der Hoffnung und Ausdauer
Wir kommen zum Schluss. Der Blick nach oben schenkt uns eine tiefe Geborgenheit, auch wenn dort zunächst nur ein Zelt steht, mitten im unwirtlichen Gebirge zwischen Bethel und Ai, und ein Altar. Aber er ist da: der Blick nach oben ist frei.
Das ist letztlich der alles entscheidende Unterschied zwischen Abraham und Kolumbus. Als der große Seefahrer stirbt, so heißt es, ist er ein hoffnungsloser Mann. 1504, so berichtet man, sitzt er nach einer erfolglosen Expedition fest. Er hat mehrere Unternehmungen gemacht, einige erfolgreicher, die letzten dann nicht mehr so erfolgreich. Im Jahr 1504 ist er fast ein Jahr lang auf Jamaika gefangen. Mit leeren Händen kehrte er im November 1504 zurück – ein kranker, grantiger, alter Mann.
Als er wenig später im Sterben liegt, schickt der spanische Hof nicht einmal mehr Grüße. Kolumbus ist 54 Jahre alt. Die Arthritis, so sagt der Bericht, hat ihn zerfressen. Manche glauben, er habe Diabetes gehabt, andere vermuten Syphilis. Am 20. Mai 1506 scheidet der Admiral aus der Welt. So endet sein großer Aufbruch.
Und wie endet der Aufbruch unseres Abraham? Das erfahren wir aus Hebräer 11, wo es heißt, er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Abraham gehört auch zu denen, von denen ab Vers 13 gesagt wird: Diese alle sind gestorben im Glauben. Nun aber sehnen sie sich nach einem besseren Vaterland, nämlich dem himmlischen. Darum schämt sich Gott nicht, ihr Gott zu heißen, denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.
Das ist das letzte Ziel, das schönste und größte Ziel unseres Aufbruchs. Wir wollen beten.